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Teil I


Übernehmen Sie Verantwortung für Ihren Körper

Kapitel 1

Die nächsten 40 Jahre

Also gut: Sie sind eine tolle Frau, vielleicht so gegen Ende 40 oder Anfang 60, und bis jetzt ist Ihr Leben super gelaufen. Sie fühlen sich voller Energie, sind begabt, und es scheint Sie ein ausgesprochen toller Lebensabschnitt zu erwarten. Die Kinder werden größer, vielleicht sind sie auch schon aus dem Haus. Ihr Mann, wenn es einen gibt, hat gelernt, auf sich selbst aufzupassen. Die Beziehung ist in letzter Zeit überhaupt ganz nett, viel ruhiger als früher. Aus irgendwelchen Gründen – die Wechseljahre oder was auch immer – haben Sie das Gefühl, dass es allmählich an der Zeit ist, dass Sie sich um sich selbst kümmern, um Ihre ureigensten Belange. Nun wollen Sie Ihr Leben in die Hand nehmen, Ihre Bedürfnisse, und endlich etwas dafür tun. Vielleicht sogar was richtig Hammermäßiges.

Es gibt ein wirklich schönes Sprichwort von Karen Blixen: »Wenn Frauen alt genug sind, um mit dem Geschäft des Frauseins aufhören zu können, wenn sie ihre geballte Kraft freisetzen können, dann gehören sie vermutlich zu den stärksten Geschöpfen dieser Erde.« Möglicherweise glauben Sie ja, nie »mit dem Geschäft des Frauseins« aufhören zu können, und wollen das auch gar nicht. Aber Sie wissen, was Karen Blixen meint, und auch, dass es wahr ist. Und gut. Richtig gut.

Harry (also Dr. Henry S. Lodge, mein Arzt, Koautor und enger Freund) und ich machen uns schon seit Jahren Gedanken über dieses Projekt und unterhielten uns in diesem Zusammenhang mit vielen Frauen verschiedenen Alters, auch mit bedeutend älteren. Und dabei haben wir eines gemerkt: Karen Blixen liegt verdammt richtig. Anders als Männer, die häufig zu bibbern anfangen, sobald sie auf die 60 oder die Rente zugehen, fühlen sich viele Frauen in diesem Alter unabhängiger, optimistischer und kraftvoller. Endlich sind sie befreit von der Fürsorge um andere, aber auch von der Verpflichtung, die mädchenhaften Posen einzunehmen, die Blixen gemeint haben mag. Endlich haben sie die Freiheit, sich um andere Dinge zu kümmern, um größere Dinge vielleicht. Wie sich selbst. Nicht aus Selbstsucht oder Narzissmus, sondern aus reinem Interesse. Sie weisen ihren Männern nicht gleich die Tür, aber sie verlieren sich auch nicht mehr im Dickicht der Anforderungen, die an sie herangetragen werden. Ich verbringe viel Zeit mit Frauen – vor allem mit begabten und ehrgeizigen Frauen – und sehe das immer wieder. Es ist erhebend, umwerfend und ganz anders als das, was man von Männern gleichen Alters zu hören bekommt.

Männer sind vielleicht zu diesem Zeitpunkt auf der Höhe ihrer Macht oder Karriere angekommen, aber oft fühlen sie sich irgendwie nicht so ganz wohl ... Sie machen sich Sorgen, was aus ihnen wird, wenn sie 60 werden oder in die Rente gehen. Wenn sie sich nicht mehr in das Gewand ihres Amts, Jobs oder ihrer Stellung hüllen können, das sie ihr Leben lang getragen haben. Das sie gewärmt hat und ihnen eine Identität verlieh. Langsam fangen sie an, sich zu fragen, wer sie denn darunter sind. Und wer sie in den nächsten 30 Jahren sein werden, wenn sie eben dieses Gewand weitergeben müssen.

Natürlich treffen Verallgemeinerungen nie wirklich auf alle Menschen zu, doch Frauen scheinen ihre Lage anders zu sehen. Zum einen konnten sich nur wenige Frauen den Luxus leisten, nur eines von diesen Gewändern zu tragen. Sie nehmen viele Rollen ein und tun ihr Bestes, rasch von einer in die andere zu schlüpfen. Nur wenige Frauen haben Gelegenheit, sich in sich selbst zu verlieben als der große Dies und der bedeutende Das. Auf welche Umwege das Leben sie auch geführt hat, Frauen brüten selten darüber, was ihnen als Nächstes passieren wird. Denn sie machen es, um Faulkners Nobelpreisrede ein wenig abzuwandeln, anders: Frauen überleben nicht, sie siegen. Daher sind sie viel eher bereit, den nächsten Schritt anzupacken, was auch immer er bringen mag. Sie wollen also wissen, was als Nächstes kommt? Und was ich mit dem »nächsten Drittel« meine? Und was soll das überhaupt heißen, jedes Jahr jünger zu werden? Geht das? Kann ich das auch? Und was muss ich dafür tun?

Genau darum geht es in diesem Buch (Und ja, es geht wirklich. Und absolut, auch für Sie.) Doch bevor wir dazu kommen, beschäftigen wir uns noch kurz mit dem, was Sie über das Altern wissen und welche Bilder Sie vielleicht im Kopf haben. Sie haben ja vermutlich schon einiges zu diesem Thema gelesen, und wohin Sie den Blick auch wenden, scheint es Probleme zu geben. Unvermeidlich. Wie die Vögel, die sich am Ende einer hübschen Gartenparty auf die Reste im Gras stürzen. Sie wissen, dass Sie vermutlich noch eine ganze Weile zu leben haben. Aber dass es vermutlich kein Spaziergang wird. Die Osteoporose ist nach der Menopause noch das Harmloseste, Brustkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall halten reiche Ernte wie der apokalyptische Reiter nach dem Erschallen der Posaune. Dazu kommen noch die Probleme mit der Rente, weil die Lebensversicherung viel weniger auszahlt als gedacht. Die Chancen, dass Sie mit leeren Taschen sterben, sind ziemlich hoch. Von Scheidungen, Einsamkeit und der absoluten Unmöglichkeit, nach 60 mit irgendjemandem Sex zu haben, gar nicht zu reden. Was heißt da nach 60, das geht doch schon mit 40 los! Und dann diese unaussprechlichen Dinge, um die man sich früher überhaupt nie kümmern musste: Inkontinenz zum Beispiel. Die wunderbare June Allyson (die ich von ganzem Herzen liebte, seit ich zehn war und sie in Die drei Musketiere gerettet wurde) spricht tatsächlich im Fernsehen über das Problem der Inkontinenz. Kreisch! Sie haben Visionen von sich als alter Frau, die sich tief über ihren Stock beugt ... und für den Rest der Welt immer mehr aussieht wie die alte Hexe vorm Lebkuchenhaus mit der Warze auf der Nase. Oder wie die Cat Lady bei den Simpsons, die außer Katzen zahllose Plastiktüten mit sich herumschleift und ständig irgendwelche wüsten Flüche murmelt. Na toll!

Jetzt wär’s langsam Zeit für das Gute an der ganzen Sache, oder? Okay, wie wär’s denn damit: Ihnen wird das nicht passieren. Nicht mal ansatzweise. Gut, es gibt viele ältere Frauen, die solch ein schreckliches Schicksal erleiden. Der Abbau von Knochenmasse ist wirklich ein Problem. Herzinfarkte und Schlaganfälle töten heute viele Frauen. (Übrigens sterben mehr Frauen als Männer wohlhabend, aber das steht auf einem anderen Blatt.) Also, diese ganzen schrecklichen Dinge passieren Ihnen wahrscheinlich nicht. Denn die allerschlimmsten Dinge tun wir uns freiwillig an. Sie müssen das nicht. Also lassen Sie’s.

Zu diesem Thema möchte ich Ihnen hier auf der Stelle zwei wichtige Informationen geben: 70 Prozent des Alterungsprozesses sind, ob für Männer oder für Frauen, freiwillig. Sie müssen das nicht mitmachen. Und Sie können 50 Prozent aller Krankheiten und Gebrechen vom 50. Lebensjahr bis zu dem Tag, an dem Sie in die Grube steigen, vermeiden. Streichen. Sich ersparen. Harry wird Ihnen das später noch genauer erklären, für den Moment sollten Sie sich nur diese Zahlen merken. Mit diesen Zahlen können Sie leben, denn sie stimmen tatsächlich.

Das nächste Drittel Ihres Lebens – und darum geht es hier – kann der absolute Hammer sein. Statt ab Ende 30 oder Ende 40 alt, fett und zur Lachnummer zu werden, können Sie bleiben, wie Sie sind. Und es kommt noch besser. Wenn Sie erst die neuesten wissenschaftlichen Resultate zum Alterungsprozess gelesen haben, die Harry Ihnen später präsentieren wird, und wenn Sie das, was nach dieser Lektüre unabdingbar erscheint, auch tatsächlich tun ... dann können Sie funktionell betrachtet nächstes Jahr jünger sein als heute, und das gilt auch für die kommenden Jahre.

Das hört sich nach Humbug an, nach Schmu, aber es ist wahr. Einzelne Aspekte des biologischen Alterungsprozesses sind unveränderlich. Wie die Tatsache, dass ihre maximale Herzfrequenz jedes Jahr ein bisschen sinkt, und dass Ihre Haut und Ihr Haar sich verändern werden. Sie werden also durchaus älter aussehen. Schlimm, ich weiß ... aber was haben Sie erwartet? Doch 70 Prozent von dem, was Sie dabei empfinden werden, sind tatsächlich beliebig. Das ist kein Witz. Noch nicht mal eine Übertreibung. Auf Sie wartet ein neues, hartes Spiel. Und ich gratuliere Ihnen jetzt schon: Sie dürfen daran teilnehmen! Sie müssen nur lernen, wie es gespielt wird.

Daher führe ich jetzt noch mal auf, was Sie zu wissen glauben: Sie werden 55 oder 60, und schwupp, schon sitzen Sie auf dem absteigenden Ast. So geht die Talfahrt los ins Alter, in die Demenz, in den Tod. Sie werden jedes Jahr ein bisschen fetter, langsamer, schwächer, schmerzgeplagter, lustloser. Sie hören und sehen immer schlechter. Ihre Hüften! Und erst Ihre Knie! Sie bekommen einen Witwenbuckel, weil Ihre Knochen sich langsam entkalken. Sie werden weinerlich, wenn Sie nicht gerade in die Luft gehen, was auch fast jeden Tag passiert. Ihre Gespräche werden langsam wunderlich, schließlich sagen Sie schon zu völlig Fremden »Meine Liebe«. Sie haben keinen Cent übrig, und Ihre Muskeln hängen schlaff herunter wie der Theatervorhang. Sie brechen sich die Hüfte ... und ab geht’s ins Pflegeheim. Grafisch dargestellt sieht das so aus:

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Natürlich kann Ihnen das passieren. In diesem Land geht es leider den meisten Menschen so. Doch Sie haben die Wahl, denn auf diese Weise zu altern muss nicht sein. Es ist kein unumstößliches Urteil, das irgendeine höhere Instanz verhängt. Sie können sich auch am Riemen reißen und sich – und Ihrem Körper – sagen, dass Sie für den Rest Ihres Lebens leben wollen, als wären Sie 45 oder 50. Wenn Sie Ihrem Körper die entsprechenden Signale geben, können Sie vom absteigenden Ast abspringen. Sie können sich auf einer schiefen Ebene mit ganz geringem Neigungswinkel auf die 80 und noch mehr zubewegen. Sehr viel mehr. Ich kenne Frauen, die weit über 80 sind und noch Slalom fahren. Harry hat eine Patientin, die über 90 ist und noch Tennis spielt. Andere Frauen in fortgeschrittenem Alter, wie es immer so schön heißt, jagen ihr Rennrad über jene Hügel vor Barcelona, auf denen Lance Armstrong für die Tour de France trainiert hat. Und die wackeln da nicht einfach nur wie nette Omis den Berg rauf und schalten den Motor zu, wenn’s nicht mehr geht. Die treten richtig in die Pedale. Sie wollen es wissen. Und haben Spaß dabei. Glauben Sie mir, das sieht richtig gut aus. Und dieses Bild für die Götter ist beileibe kein Einzelfall. Ehrlich.

Und dann gibt’s da noch die älteren Frauen, die sich kein bisschen für Sport interessieren, aber trotzdem noch top in Form sind und ein kraftvolles, amüsantes und sehr sinnliches (auch sexuelles) Leben führen. Was also will dieses Buch Ihnen sagen? Ganz einfach: Sie müssen nicht so alt werden, wie Sie sich das im Moment vorstellen. Sie können es genauso machen wie diese Leute. Fahren Sie Rad oder Ski, machen Sie Liebe. Tun Sie was Sinnvolles! Dieselbe Energie ... dasselbe Vergnügen. Dieselbe Frau! Wenn es Ihnen aktuell nicht so super geht, dann sollten Sie wissen, dass sich Ihr Befinden in den nächsten Jahren deutlich verbessern und dann auf hohem Niveau einpendeln kann. Kein Witz. Gut, ich mache manchmal Scherze, um Sie bei der Stange zu halten. Aber Harry nicht. Und wenn Harry sagt, Sie schaffen das, dann stimmt das. In diesem Buch werden Sie mich viel reden hören, Harry präsentiert Ihnen nur knallharte Fakten. Ich erzähle die Geschichten, Harry die Wahrheit.

Schlimmstenfalls, meint Harry, könnte Ihre Kurve so aussehen:

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Und für 95 Prozent von Ihnen kann die Kurve so verlaufen:

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Wenn Sie es nicht selbst erlebt haben, können Sie sich kaum vorstellen, wie groß der Unterschied zwischen diesen beiden Kurven und der auf Seite 32 ist. Weil Sie nicht wissen, wie schlimm »normales Altern« in diesem Land ausfallen kann. Aber glauben Sie mir: Der übliche Alterungsprozess ist kein Zuckerlecken. Der Unterschied im Erleben zwischen den Kurven, die wir Ihnen hier gezeigt haben, ist gewaltig. Daher bitten wir Sie inständig: Kommen Sie vom absteigenden Ast herunter. Sie müssen das Altern nicht als Katastrophe erleben. Sie können sich auf das nächste Drittel Ihres Lebens freuen.

Das Alter ist unabwendbar, der Verfall nicht

Harry und ich möchten, dass Ihnen dieses Buch Spaß macht. Wir wollen, dass Sie mittendrin sind im Lesen, bevor Sie merken, wie ernst das Ganze ist. Daher wollen wir hier, an dieser Stelle, ganz offen sein: Wir meinen es ernst. Es steht viel auf dem Spiel – nämlich die Chance, dass Ihr restliches Leben keine unaufhaltsame Abwärtsspirale wird. Denken Sie noch mal kurz über die Zahlen nach: 50 Prozent aller Krankheiten und Gebrechen im letzten Drittel Ihres Lebens lassen sich umgehen, wenn Sie Ihren Lebensstil so verändern. Nicht etwa hinausschieben, bis sie älter sind ... sie lassen sich vollständig vermeiden! 70 Prozent aller vorzeitigen Todesfälle (zum Beispiel nach einer gebrochenen Hüfte) sind auf den Lebensstil zurückzuführen. Und mit »vorzeitig« meinen wir, bevor Sie weit über 80 oder – wenn Sie in den 40ern sind – 90 sind.

Noch einmal: 70 Prozent der »normalen« Verfallserscheinungen (die Fäulnis!), die mit dem Alterungsprozesses einhergehen – die Schwäche, die schmerzenden Gelenke, die mangelnde Koordination, das lausige Gefühl –, können bis fast bis zum Zeitpunkt des Todes vermieden werden. Das ist ein gewaltiger Unterschied in der Lebensführung und im Selbstgefühl. Und glauben Sie mir: Es stimmt. Ich habe schon mit einigen Phänomen »normalen« Alterns Bekanntschaft gemacht. Ich hatte solche Schmerzen in den Gelenken, dass ich kaum mehr gehen konnte. Wenn ich über die Straße wollte, musste ich bis zu einem Fußgängerüberweg watscheln, weil ich den fünf bis sechs Zentimeter hohen Bordstein nicht bewältigt habe. Stellen Sie sich vor, Sie sind so schwach, dass Sie sich hochschaukeln müssen, wenn Sie sich aus einem Stuhl erheben wollen. Das kommt vor. Bei mir jedenfalls war das so. Und Ihnen kann das auch passieren. Es wird Ihnen sogar passieren, das kann ich Ihnen garantieren. Aber das muss es nicht.

Das mag übertrieben klingen, ist es aber nicht. Harry – dessen Aussagen jeder Überprüfung standhalten – weiß das. Er wird Ihnen einiges über die wissenschaftlichen Untersuchungen jüngerer Zeit berichten. Und ich erzähle Ihnen Geschichten aus dem wahren Leben. Ich bin vielleicht nicht das beste Vorbild für Frauen, doch was das Altern angeht, sitzen Männer und Frauen im selben Boot. Meine Geschichten – noch mit über 70 jage ich wie ein Wilder über die schwarzen Pisten der schönsten Skigebiete und mache elend lange Radtouren – können für jede Frau genauso wahr werden. Die meisten Frauen in meiner Bikergruppe sind über 60 und echt hart im Nehmen. Sie radeln sogar im megaheißen Australien über Berg und Tal. Wenn ich Ihnen sage, dass ich heute funktionell jünger bin, als ich es vor zehn Jahren war, ist es egal, ob ich ein Mann bin oder eine Frau. Sie schaffen das schon mit der Übertragung auf Ihre Verhältnisse ... Ich erzähle Ihnen nicht die Illusionen eines Mannes, der nicht mit dem Altwerden fertigwurde. Es ist Ihre Geschichte – wie sie sein könnte.

Was Chris zur Party mitbringt: Berichte aus der Kampfzone

Nun also zu den Modalitäten. Mein Anteil ist ganz einfach: Ich habe die 60 längst hinter mir und genieße schon geraume Zeit meine Rente. Jetzt bin ich 71, befolge Harrys Ratschläge schon einige Jahre und möchte Ihnen wahrheitsgemäß schildern, was dabei herausgekommen ist. Ich liefere Ihnen sozusagen einen Bericht von der Front. Einen optimistischen Bericht, aber ehrlich und ohne Übertreibungen. Nicht den Bericht einer Frau, aber wie bereits gesagt: Was das Altern angeht, sitzen Männer und Frauen ohnehin im selben Boot. Wir haben dieselben Probleme mit Gelenken, Darm, Müdigkeit und Konzentration. Außer natürlich, wir wirken dem ein bisschen entgegen.

Das Gute dabei ist: Mir ging es schnell besser, sobald ich diese Ratschläge umgesetzt hatte. Nicht spitzenmäßig, aber ich bin ja auch keine 38 mehr. Aber rein funktionell betrachtet lebe ich auf dem Niveau eines gesunden 50-Jährigen. Wie ich kürzlich erfahren habe, bin ich, was die Ausdauerleistung angeht, sogar besser als ein durchschnittlicher 50-Jähriger. Und das, obwohl die folgenden Aussagen auf mich durchaus zutreffen: Ich bin kein leidenschaftlicher Sportler. Meine Selbstdisziplin ist nicht die beste. (An einem Punkt meines Lebens hatte ich 40 Pfund Übergewicht.) Ich trinke abends gern mal ein Glas und bin für jeden Spaß zu haben. Für absolut jeden. Doch als ich einmal begriffen hatte, was auf dem Spiel stand und wie wenig ich, verglichen mit den Resultaten, dafür einsetzen musste, war ich dabei. Ich habe mir das zur Aufgabe gemacht. Sie haben im Lauf Ihres Lebens so viele Dinge ernst genommen und gestemmt ... genau das sollten Sie jetzt wieder tun. Denn vermutlich ist das die wichtigste Aufgabe, die Sie je in Angriff genommen haben. Sie haben Ihr Leben lang mit allem Möglichen jongliert: Bringen Sie einfach einen Ball mehr in die Luft. Lernen Sie, wie es geht, und Sie sind nicht dazu verdammt, eine nette alte Dame zu werden.

Das Schöne daran ist, dass die ganze Sache echt Spaß macht. (Vergnügen ist übrigens auch nicht ans Geschlecht gebunden.) Natürlich hört es sich erst mal undurchführbar an, wenn es um den sportlichen Teil des Programms geht. Vermutlich werden Sie sich manchmal fragen, ob wir zu scherzen belieben. Nein, keineswegs. Was wir Ihnen vorschlagen werden, hätte ich nie im Leben einen Monat lang, geschweige denn über Jahre hinweg gemacht, wenn es mir keinen Spaß machen würde. Glücklicherweise ist das der Fall. Genauer gesagt, macht es sogar süchtig. Doch dazu später mehr. Es ist hart, das stimmt, aber es ist auch richtig gut. Und es funktioniert. Nun, wie hört sich das an?

Was Harry zur Party mitbringt: Die nackten Tatsachen

Harry ist ein Experte, ein approbierter Internist und Gerontologe. Bei landesweiten Ärzterankings von Patienten landet er immer auf den vordersten Plätzen. Er leitet eine hochmoderne Praxis in Manhattan und lehrt an der medizinischen Fakultät der Columbia University. Was uns aber mehr interessiert, ist, dass er sich ständig auf dem neuesten Stand hält, was Zellbiologie und Evolutionsbiologie angeht. Eben deren Resultate wird er uns hier vorstellen. Das heißt, Sie erfahren hier Dinge, die in medizinischen Fachbüchern noch gar nicht auftauchen – und das wird wohl auch noch eine ganze Weile so bleiben. Harry wird Ihnen berichten, was er in den letzten 15 Jahren mit seinen 50-, 60-jährigen und älteren Patienten erlebt hat. Die Wissenschaft vom Altern ist komplex, doch Harry kann wirklich leicht verständlich und überzeugend erklären. Seine Informationen machen schnell klar, warum es zwingend notwendig ist, seinen Vorschlägen zu folgen. Vor diesem Hintergrund hört sich das Ganze vielleicht nicht mehr ganz so abwegig an.

Da Harry mit neuesten Resultaten arbeitet, möchte er Sie – gewissenhaft, wie er ist – darauf hinweisen, dass einige der hier präsentierten Fakten durch künftige Forschungsergebnisse widerlegt werden könnten. Doch nicht die grundlegenden Tatsachen. Diese haben bereits gezeigt, dass wir unsere Vorstellung vom Altern komplett über den Haufen werfen und neu anfangen müssen. Harry wird Ihnen zeigen, dass in Ihrem Körper – in all Ihren Zellen – unglaubliche Kräfte am Werk sind. Ihr Körper ist sozusagen eine Dauerbaustelle, ständig wird etwas abgerissen und neu aufgebaut. Und diese Kräfte werden von der Evolution gesteuert, da es dieser um die Erhaltung der Art geht. Diese Kräfte bestimmen, wer Sie sind und wie Sie leben. In seinen Kapiteln (Harry und ich wechseln uns ab) zeigt er auf, wie diese Kräfte beschaffen sind und was sie bewirken. Und wie Sie sie zu Ihrem Vorteil einsetzen können. So können Sie lange Zeit von den üblichen Alterssymptomen verschont bleiben. Nicht ganz und nicht für immer, aber sehr viel länger, als Sie im Augenblick glauben mögen.

Was Sie hier erfahren, wird Ihnen teilweise nicht neu sein. Es gibt im Leben sozusagen Ebbe und Flut, Strömungen, die uns vorwärtstragen oder zurückwerfen. Als Kind trägt uns die Flut weit hinaus, das fällt uns noch nicht mal schwer. Wir sind kräftiger, haben eine gute Körperbeherrschung und können uns gut konzentrieren. Wir begreifen schnell und werden mit allem Möglichen fertig. Und dann ist damit plötzlich Schluss. Die Strömung kehrt sich um, und es ist Schluss mit dem Wind in den Segeln. Sie verlieren an Kraft, der Gleichgewichtssinn lässt nach, die Knochen werden allmählich brüchig ... Und ärgerlicherweise vergessen Sie neuerdings auch alles. Es sieht so aus, als müssten Sie von nun an gegen den Strom schwimmen. Der sie gnadenlos auf die Klippen zuzutreiben scheint. Wo die Möwen warten. Und die Krebse. Auf Ihre Eingeweide. Ihre Augen. Aus Ihren Haaren bauen sie sich ein Nest. Wenn Sie dort stranden, werden Sie gefressen. Mit Haut und Haar.

Aber Harry meint, dass die Strömung, die uns auf die Klippen zuzutreiben scheint, so stark gar nicht ist. Sie scheint nur so stark, weil sie so stetig ist, so unerbittlich. Aber sie ist nicht sonderlich stark. Sie lässt sich ganz gut beherrschen. Es ist durchaus möglich, dass Sie sie für Ihre Zwecke einspannen. So, wie man ein Segelboot so in den Wind stellen kann, damit dieser es in den nächsten Hafen treibt. Dabei sind Harrys Tipps kein Humbug. Es ist die Mühe schon wert, dass Sie sich seine Kapitel in aller Gründlichkeit zu Gemüte führen. Er will nur, dass Sie Ihr Leben ändern. Das liegt ihm sehr am Herzen. Uns beiden. Wir wollen unbedingt, dass Sie das nächste Drittel Ihres Lebens in Topform verbringen. Lesen Sie dieses Buch, dann werden Sie das sicher auch wollen.

Meine erste Begegnung mit Harry: Ein neuer Anfang

Ich begegnete Harry zum ersten Mal, weil mir eine hübsche Rothaarige namens Desiree seine Adresse gab. Sie hatte mir gerade unter lokaler Betäubung die halbe Nase abgeschnitten, und ich fand sie immer noch umwerfend, was heißt, dass sie ein echtes Sahneschnittchen war. Ich war erst vor Kurzem aus Colorado nach New York gezogen. In Colorado hatte ich die ersten Jahre meiner Rente dazu genutzt, jeden Tag auf Skiern zu stehen. (Als junger Mann konnte ich mir das nicht leisten. Ich habe mit 19 geheiratet und hatte noch vor dem Beginn des Jurastudiums drei Kinder.) Wie auch immer, ich fragte Desiree, ob ich nicht weiter zu ihr kommen könnte. Die hübsche Ärztin sagte Nein. Aber sie kenne da jemanden, klug, nett, ein Mann mit Charakter. Er gehöre zwar zu der Sorte oberschlauer Typen, die das Ärzte-Gen quasi geerbt haben, aber er sei trotzdem ein netter Typ. Er sei an der Uni ihr Prof gewesen, meinte sie, und er würde mir gefallen.

Da saß ich also in Harrys Wartezimmer, und mir sträubten sich die Nackenhaare. Denn ganz ehrlich, ich mag Ärzte nicht. Ich kann es schon nicht leiden, wenn sie überheblich zu mir sagen: »Hi, Chris! Ich bin Dr. Smith.« (Ich bin »Chris«, und er ist »Dr. Smith«? Ja, wo sind wir denn? Und wieso muss ich für so einen Quatsch eine ganze Stunde warten? Beim Rechtsanwalt kommt man auch sofort dran. Ärzte! Also wirklich!)

Harry hat ausgezeichnete Manieren und ist ein ausgesprochen netter Mensch, doch ich bin immer noch auf der Hut. Wir haben gerade diese ganzen schrecklichen Prozeduren hinter uns gebracht. Er hat mir literweise Blut abgezapft, lange, zweifelnde Blicke in mein Ohr geworfen, mir stirnrunzelnd in den Hals geschaut und mir jede Menge beunruhigender Fragen gestellt. Und seinen Finger in meinen Hintern gepflanzt. Nun sind wir beim üblichen »Ziehen Sie sich wieder an und kommen Sie ins Sprechzimmer, wir müssen uns ein wenig unterhalten« angelangt.

Gleich wird er mir eröffnen: »Also, ich habe da diesen kleinen Knoten in Ihrem Hintern entdeckt ... so groß wie ein Granatapfel, aber vermutlich nichts Beunruhigendes ... Sie müssen nur sofort ins Krankenhaus und ...« Ich sitze vor ihm auf dem Stuhl, und nein, er hat keinen Granatapfel entdeckt. Tatsächlich sagt er mir, dass ich ganz gut in Form bin. Zu dick, aber ansonsten weitgehend okay. Dass ich regelmäßig Sport treibe, sei wirklich gut für mich.

Harry ist ein großer Mann, und für einen Mann, der so eine große Praxis leitet, wirkt er erstaunlich zurückhaltend. Er schaut immer wieder auf seinen Computerbildschirm, während er mit mir spricht. Er wirkt nicht wie ein Streber, dazu sieht er zu gut aus, irgendwie wirkt er eher wie eines dieser verrückten Computerkids. Allerdings war er im College Mitglied der Rudermannschaft, und das sieht man ihm an. Frauen finden ihn aus irgendeinem Grund wahnsinnig attraktiv. So, wie er angezogen ist, denkt man unwillkürlich »Ostküste«, und in Amerika ist das gleichbedeutend mit »gebildete Mittelschicht«. Ich hatte mal einen Sekretär (ja, meine Damen, einen Mann!), der zu mir sagte: »Chris, du ziehst dich an, als würdest du deine Klamotten hassen.« Harry und ich kommen übrigens aus dem gleichen Eck: Wir sind beide im Norden Bostons aufgewachsen. Damals trennten uns gerade mal fünf Meilen – und natürlich 25 Jahre. Harry hatte inzwischen weitergesprochen, Zahlen, medizinische Daten, bla, bla, bla.

Dann fühle ich ihm auf den Zahn, weil ich ja prüfe, ob ich den Kerl als Hausarzt haben will. Und so frage ich: »Was mögen Sie an Ihrem Job eigentlich am meisten?«

Er hält eine Sekunde inne und sieht mich an, so, als hätte er förmlich auf diese Frage gewartet: »Am liebsten ist es mir, wenn ich mit meinen Patienten über Jahre hinweg zusammenarbeite, damit sie gesund bleiben. Ich möchte nicht nur Krankheiten behandeln, sondern für ihre Gesundheit sorgen, was ein großer Unterschied ist. Ich möchte anderen helfen, ein besseres Leben zu führen, und sie nicht nur von diesem oder jenem Gebrechen kurieren.«

Volltreffer! »Wie meinen Sie das?«, fragte ich mit unschuldigem Augenaufschlag.

»Nun, ich interessiere mich seit jeher für innere Medizin und die Biologie des Alterns. Ich habe meine Approbation für Gerontologie und innere Medizin erhalten.« Dann dreht er sich um und lässt die Bombe platzen. »Ich glaube, dass wir, was den Alterungsprozess angeht, vor einer echten Revolution stehen.« Er überlegt kurz. »Früher ...« Und dann erzählt er mir von der Kurve, die ab dem 50. Geburtstag unweigerlich auf den Tod zuläuft. Und von der anderen Möglichkeit: Dass sie noch sehr lange gerade verläuft. Dabei zeichnet er die Kurven mit dem Zeigefinger in die Luft. »Sie könnten übrigens an vorderster Front mit dabei sein.«

»Ich?!«

»Ja. Mit Ihren Messwerten ...« Er deutet auf den Computer. »Das ist recht gut. Außerdem rauchen Sie nicht. Mit Ihren Werten und mit ein bisschen mehr Sport könnten Sie Ihre heutige Form halten, bis Sie ungefähr 80 sind. Vielleicht sogar bis 90. Wenn Sie ein paar Dinge beherzigen, können Sie funktionell jung bleiben. Sie sind ohnehin schon besser in Form als die meisten Männer, die zum ersten Mal in meine Praxis kommen. Aber Sie könnten in allen wichtigen Bereichen nächstes Jahr jünger sein als heute. Und das noch eine ganze Weile.«

Ich wäre ihm fast auf den Schoß gekrochen. »Wirklich?«

»Ja. Sie fahren Ski. Mit über 70 werden Sie noch anspruchsvolle Touren fahren. Wenn Sie 80 sind, lassen Sie es ein bisschen langsamer angehen und lernen Langlauf. Radfahren – das können Sie immer. Natürlich lässt alles irgendwann ein bisschen nach, aber im Grunde können Sie auch mit über 80 so kraftvoll, sportlich und aktiv sein, wie Sie es mit 50 waren. Und was die nächsten fünf oder mehr Jahre angeht, kann Ihr Körper funktionell sogar jünger werden.«

»Und was muss ich dafür tun?«

»Das lässt sich schlecht in ein paar Sätzen sagen, aber im Wesentlichen geht es um drei Dinge.« Ist Ihnen das schon mal aufgefallen: Es sind immer »drei« Dinge. »Und zwar: körperliches Training, Ernährung und Engagement.

Der wichtigste Punkt – und für die meisten Menschen der einschneidendste, weil sie dafür ihr ganzes Leben ändern müssen – ist das regelmäßige Training. Das ist der Schlüssel zur Gesundheit. Sie sollten sich jeden Tag bewegen. Und die unterschiedlichsten Trainingsformen nutzen: Ausdauertraining, Krafttraining, freie Gewichte an zwei oder drei von sechs Tagen. Bewegung ist der entscheidende Punkt, wenn es ums Altern geht. Der absteigende Ast ...«, wieder zeichnet er mit der Hand eine Kurve in die Luft, die steil nach unten verläuft, »muss nicht sein. Der kann auch nach oben führen. Und Sie können für den Rest Ihres Lebens Sie selbst bleiben.«

Mir liegen tausend Fragen auf der Zunge, doch anders als sonst bleibe ich einfach sitzen und höre zu.

Harry fährt fort: »Dann natürlich die Ernährung. Sie wissen wahrscheinlich, wie Sie sich ernähren sollen, aber das tun Sie vermutlich nicht. Wenn es Ihnen möglich ist, sollten Sie Ihr Wohlfühlgewicht erreichen. Sie wiegen ...« Ein rascher Blick auf den Bildschirm. »... 87 Kilo. Ihr Normalgewicht wäre wie hoch? 79 Kilo?«

»Vermutlich eher 75 Kilo. Vielleicht weniger. Ich habe am College gerudert und damals 70 Kilo gewogen. Das Gewicht habe ich gehalten, bis ich ungefähr 40 war.«

»Gut, wenn Sie es irgendwann auf 77 Kilo schaffen, wäre das super. Aber machen Sie sich darüber nicht zu viele Gedanken. Es ist wichtiger, dass Sie Sport treiben, egal, wie viel Sie wiegen. Wenn Sie hier rausgehen, sollten Sie sich auf jeden Fall mit vernünftiger Ernährung beschäftigen. Essen Sie nichts mehr, von dem Sie wissen, dass es Ihnen schadet, wie Fast Food, viel Fett und einfache Kohlehydrate. Und essen Sie weniger von allem.« Diäten, meint er, solle ich lassen, weil sie eh nicht funktionieren, doch würde ich ganz von selbst Gewicht verlieren, wenn ich so Sport treibe, wie er es mir empfehlen würde, und aufhöre, Müll zu essen.

»Und was ist mit Alk?«

Er wirft wieder einen Blick auf seinen Bildschirm. »Trinkt in Gesellschaft«, zitiert er meine Angaben aus dem Fragebogen. »Zwei Drinks am Abend.« Da kommen jetzt seine guten Manieren zum Vorschein, denn er haut nicht auf den Tisch und nennt mich einen Lügner. Vielmehr hält er mir diesen altbekannten Vortrag, demzufolge ein oder zwei Glas Wein oder Bier am Abend keineswegs schädlich seien, aber alles, was darüber hinausgehe, schon. Und wenn es viel mehr sei, dann wäre das wirklich schlecht. Logischerweise.

»Mit Engagement meine ich«, und dabei zuckt er mit den Schultern, als sei dieser Punkt am schwierigsten zu erklären, »dass wir Kontakt zu anderen Menschen brauchen. Und auch Dinge, die uns am Herzen liegen. Ziele. Ehrenamtliche Tätigkeiten. Menschen ... Familie ... den Beruf ... Hobbys. Gerade nach der Rente sollten Sie sich etwas suchen, wo Sie mit ganzem Herzen dabei sind, sonst wird es schwierig.« Er legt eine Pause ein, als suche er nach den richtigen Worten. »Was das sein kann, ist bei jedem Menschen etwas anderes, daher ist es auch so schwer einzugrenzen. Sie brauchen einfach Menschen und Dinge, um die Sie sich kümmern. Was das genau ist, ist nicht wirklich von Belang. Es muss nichts gesellschaftlich Relevantes sein oder gar Geld einbringen. Der entscheidende Punkt ist, dass es Ihnen am Herzen liegt. Dass Sie sich dafür begeistern können. Sie brauchen Menschen, die Ihnen wichtig sind, und Sie brauchen etwas, wofür Sie leben können. Sonst ...«, hier stiehlt sich ein entschuldigendes Lächeln auf seine Lippen, »... werden Sie sterben.«

»Und das ist alles?«, frage ich noch mal nach.

»Ja, im Großen und Ganzen.«

»Okay.« Ich will weg. »Und wie viel Sport soll ich treiben? Und was soll ich essen?«

Genau darum geht es in diesem Buch. Glauben Sie mir, es wird Ihnen gefallen. Denn es wird Ihr Leben retten.