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DER AUTOR

R. L. Stine, 1943 in Columbus/Ohio geboren, ist Erfolgsautor der Reihe Fear Street. Der weltweite Durchbruch gelang ihm mit der Kinder-Gruselreihe Goosebumps, zu Deutsch Gänsehaut. Mit über 400 Millionen verkauften Büchern weltweit ist Stine einer der erfolgreichsten Kinderbuchautoren aller Zeiten. Er lebt mit seiner Familie in New York und teilt sich sein Büro mit einem Skelett.

Von R. L. Stine ist bei cbj lieferbar:

Willkommen im Haus der Toten

Es wächst und wächst und wächst …

Der Geist von nebenan

Die Puppe mit dem starren Blick

Der Werwolf aus den Fiebersümpfen

Um Mitternacht, wenn die Vogelscheuche erwacht

Gänsehaut – Das Buch zum Film

R. L. STINE

Die Puppe
mit dem starren Blick

Aus dem amerikanischen Englisch
von Günter W. Kienitz

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Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Als cbj Taschenbuch Februar 2016

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Goosebumps # 7: Night of the Living Dummy«

© 1993 by Scholastic Inc. All rights reserved.

The Goosebump book series created
by Parachute Press, Inc. Published by arrangement
with Scholastic Inc., 557 Broadway, New York, NY 10012, USA.

GOOSEBUMPS, GÄNSEHAUT and logos are registered trademarks
and/or trademarks of Scholastic Inc.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

© 1997 für die deutsche Übersetzung OMNIBUS Taschenbuch/
C. Bertelsmann Jugendbuchverlag, München in der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte, insbesondere auch am Serientitel
»Gänsehaut«, vorbehalten durch cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

Übersetzung: Günter W. Kienitz

Lektorat: Christa Marsen

Umschlaggestaltung: basic-book-design, Karl Müller-Bussdorf

jk · Herstellung: ReD

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-17991-5
V001

www.cbj-verlag.de

1

»Mmmmm! Mmmm! Mmmmm!«

Kris Powell gab sich die größte Mühe, die Aufmerksamkeit ihrer Zwillingsschwester auf sich zu ziehen.

Lindy Powell blickte von ihrem Buch auf, um zu sehen, was los war. Statt des hübschen Gesichtes ihrer Schwester sah Lindy eine runde Blase, fast so groß wie Kris’ Kopf.

»Sehr schön«, sagte Lindy ohne große Begeisterung. Mit einer plötzlichen Bewegung pikste sie in die Blase und brachte sie damit zum Platzen.

Lindy lachte. »Reingelegt.«

Wütend grapschte Kris sich Lindys Taschenbuch und klappte es zu. »Jetzt weißt du nicht mehr, wo du stehen geblieben bist!«, rief sie eifrig. Sie wusste, dass ihre Schwester es hasste, ihre Lesestelle in einem Buch zu verlieren.

Lindy schnappte sich das Buch mit grimmigem Blick, während Kris sich bemühte, den rosa Kaugummi von ihrem Gesicht abzuziehen.

»Das war die größte Blase, die ich jemals geschafft habe«, sagte sie wütend. Der Kaugummi an ihrem Kinn wollte und wollte nicht abgehen.

»Ich hab schon viel größere geblasen«, sagte Lindy spöttisch von oben herab.

»Ich kann euch zwei nicht begreifen«, meinte ihre Mutter, die gerade ins Zimmer kam und einen Stapel ordentlich zusammengelegter Wäsche am Fußende von Kris’ Bett ablegte. »Ihr wetteifert sogar wegen Kaugummis?«

»Wir wetteifern nicht«, widersprach Lindy und warf ihren blonden Pferdeschwanz zurück.

Beide Mädchen hatten glattes blondes Haar. Aber Lindy ließ ihres lang wachsen und band es gewöhnlich hinten oder seitlich am Kopf zu einem Pferdeschwanz zusammen. Kris trug ihr Haar ziemlich kurz geschnitten.

Dadurch konnten die Leute die Zwillinge, die ansonsten fast völlig identisch aussahen, auseinanderhalten. Sie hatten eine breite Stirn und runde blaue Augen. Beide bekamen Grübchen in den Wangen, wenn sie lächelten. Beide erröteten schnell und auf ihren blassen Wangen erschienen dann große rosa Flecken.

Ihre Nasen hielten sie für zu breit. Auch wären sie gerne ein bisschen größer gewesen. Alice, Lindys beste Freundin, war fast acht Zentimeter größer, obwohl sie gerade erst zwölf geworden war.

»Habe ich alles abgekriegt?«, fragte Kris und rieb sich das Kinn, das rot und klebrig war.

Lindy blickte auf. »Nicht alles«, antwortete sie. »In deinen Haaren hängt noch was davon.«

»Na toll«, murmelte Kris. Sie befühlte ihre Haare, konnte aber keinen Kaugummi finden.

»Ich hab dich schon wieder drangekriegt«, sagte Lindy lachend. »Dich kann man so leicht reinlegen!«

Kris stieß ein wütendes Knurren aus. »Warum bist du immer so gemein zu mir?«

»Ich? Gemein?« Lindy sah mit großen unschuldigen Augen von ihrem Buch auf. »Ich bin ein Engel. Da kannst du jeden fragen.«

Beleidigt wandte Kris sich zu ihrer Mutter um, die Socken in einer Schublade verstaute. »Mom, wann bekomme ich endlich mein eigenes Zimmer?«

»Am Nimmerleinstag«, antwortete Mrs Powell lachend.

Kris stöhnte. »Das sagst du immer.«

Ihre Mutter zuckte die Achseln. »Du weißt doch, dass wir keinen Quadratzentimeter Platz übrig haben, Kris.« Sie wandte sich zum Fenster um. Durch die dünnen Stores fiel helles Sonnenlicht ins Zimmer. »Es ist so ein schöner Tag. Was macht ihr beiden eigentlich hier drinnen?«

»Mom, wir sind keine kleinen Mädchen mehr«, sagte Lindy und verdrehte die Augen. »Wir sind zwölf. Wir sind zu alt, um rauszugehen und zu spielen.«

»Ist jetzt alles abgegangen?«, fragte Kris, die noch immer kleine rosa Kaugummifetzen von ihrem Kinn abkratzte.

»Lass das Zeug dran. Es verschönert deinen Teint«, empfahl ihr Lindy.

»Ich wünschte mir, dass ihr beiden netter zueinander wärt«, sagte Mrs Powell mit einem Seufzer.

Plötzlich vernahmen sie ein schrilles Bellen, das aus dem Erdgeschoss kam. Mrs Powell verzog das Gesicht. Der kleine schwarze Terrier bellte ständig wegen irgendetwas. »Warum geht ihr nicht mit Barky Gassi?«

»Ich bin nicht in der Stimmung«, murmelte Lindy, die Nase in ihr Buch vergraben.

»Was ist mit euren wunderschönen Fahrrädern, die ihr zum Geburtstag bekommen habt?«, fragte Mrs Powell, die Hände in die Hüften gestemmt. »Die Fahrräder, ohne die ihr einfach nicht mehr leben konntet. Ihr wisst schon, die Räder, die in der Garage stehen, seit ihr sie bekommen habt.«

»Schon gut, schon gut. Du brauchst nicht sarkastisch zu werden, Mom«, sagte Lindy und klappte das Buch zu. Sie stand auf, streckte sich und warf das Buch aufs Bett.

»Hast du Lust?«, fragte Kris Lindy.

»Lust wozu?«

»Fahrrad zu fahren. Wir könnten nachsehen, ob jemand hinter der Schule rumhängt.«

»Du willst doch nur sehen, ob Robby dort ist«, sagte Lindy und schnitt eine Grimasse.

»Na und?«, sagte Kris und wurde rot.

»Nun macht schon«, drängte Mrs Powell. »Bis später dann. Ich muss los zum Supermarkt.«

Kris warf einen Blick in den Spiegel über der Kommode. Mit einer entschlossenen Geste strich sie ihre kurzen Haare mit beiden Händen nach hinten. »Komm schon. Lass uns rausgehen«, sagte sie. »Wer als Letzte draußen ist, ist ein faules Ei.« Sie stürmte zur Tür und war ihrer Schwester um einen halben Schritt voraus.

Als sie zur Hintertür hinausschossen, wobei Barky hinter ihnen herjaulte, stand die Nachmittagssonne hoch am wolkenlosen Himmel. Die Luft war unbewegt und trocken. Es fühlte sich mehr nach Sommer als nach Frühling an.

Beide Mädchen trugen Shorts und ärmellose T-Shirts. Lindy bückte sich, um das Garagentor zu öffnen, hielt dann aber inne. Das Haus nebenan zog ihren Blick an.

»Sieh nur – sie haben bereits die Wände hochgezogen«, sagte sie zu Kris und deutete über den Garten hinweg.

»Der Bau dieses neuen Hauses kommt so schnell voran. Das ist schon verblüffend«, sagte Kris, dem Blick ihrer Schwester folgend.

Im Winter hatte der Bautrupp das alte Haus abgerissen. Schon im März war das neue Fundament gegossen worden. Lindy und Kris waren darauf herumgelaufen, als keine Arbeiter da waren, und hatten sich ausgemalt, wo die verschiedenen Zimmer hinkommen würden.

Und nun waren die Wände bereits hochgezogen. Plötzlich sah die Baustelle nach einem richtigen Haus aus, das sich inmitten hoher Bauholzstöße, eines großen Hügels rotbrauner Erde, aufgestapelter Betonblöcke und einer Ansammlung von Motorsägen, Werkzeugen und Maschinen erhob.

»Heute arbeitet niemand daran«, stellte Lindy fest.

Sie gingen ein paar Schritte auf das neue Haus zu. »Was denkst du, wer da einziehen wird?«, fragte Kris. »Vielleicht ein gut aussehender Junge in unserem Alter. Vielleicht sogar gut aussehende Zwillingsbrüder!«

Lindy verzog angewidert das Gesicht. »Zwillingsbrüder? Mann, kannst du schmalzig sein! Ich kann kaum glauben, dass wir beide aus derselben Familie stammen.«

Kris war an Lindys Sarkasmus gewöhnt. Beide Mädchen liebten und hassten es zugleich, Zwillinge zu sein. Weil sie fast alles gemeinsam hatten – das Aussehen, ihre Klamotten, ihr Zimmer –, standen sie sich näher, als sich die meisten Schwestern jemals kommen.

Aber weil sie einander so ähnlich waren, schafften sie es auch oft, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen.

»Da ist kein Mensch. Komm, wir gehen rüber und sehen uns das neue Haus an«, schlug Lindy vor.

Kris folgte ihr über den Hof. Ein Eichhörnchen flitzte den dicken Stamm eines Ahornbaumes hinauf und beäugte sie misstrauisch.

Sie zwängten sich durch eine Öffnung in der niedrigen Hecke, die die beiden Gärten trennte. Dann gingen sie an dem Bauholzstapel und dem großen Erdhügel vorbei und stiegen die zementierte Vortreppe hinauf.

Über die Öffnung, die später den Hauseingang bilden würde, war eine Plastikplane genagelt worden. Kris hob eine Ecke der Plane hoch und sie schlüpften ins Haus.

Drinnen war es dunkel und kühl und es roch nach frischem Holz. Die Steinwände standen zwar schon, waren aber noch nicht verputzt.

»Vorsicht«, warnte Lindy. »Nägel.« Sie deutete auf die großen Nägel, die verstreut herumlagen. »Wenn du auf einen trittst, bekommst du Wundstarrkrampf und stirbst.«

»Das könnte dir so passen«, sagte Kris.

»Ich will nicht, dass du stirbst«, antwortete Lindy. »Nur, dass du Wundstarrkrampf bekommst.« Sie kicherte.

»Haha«, machte Kris sarkastisch. »Das hier muss wohl das Wohnzimmer werden«, vermutete sie und bewegte sich vorsichtig auf den offenen Kamin an der Rückwand zu.

»Was für eine hohe Decke«, sagte Lindy und blickte zu den dunklen, frei liegenden Holzbalken über ihren Köpfen hoch. »Hübsch.«

»Das hier ist viel geräumiger als unser Wohnzimmer«, bemerkte Kris.

»Es riecht toll hier«, stellte Lindy fest und holte tief Luft. »All das Sägemehl. Es duftet nach Wald.«

Gemeinsam gingen sie den Gang hinunter und erforschten die Küche. »Stehen diese Drähte unter Strom?«, fragte Kris und deutete auf ein Gewirr von schwarzen, elektrischen Drähten, die von den Deckenbalken herabhingen.

»Warum fasst du nicht einen an und findest es heraus?«, schlug Lindy vor.

»Du zuerst«, gab Kris zurück.

»Die Küche ist aber nicht groß«, kommentierte Lindy und bückte sich, um in die Öffnungen zu gucken, in die später die Küchenschränke eingebaut werden würden.

Sie richtete sich auf und wollte gerade vorschlagen, dass sie sich oben umschauten, als sie ein Geräusch hörte. »Huch!« Überrascht riss sie die Augen auf. »Ist hier drinnen jemand?«

Kris blieb stocksteif mitten in der Küche stehen.

Beide lauschten angestrengt.

Stille.

Dann hörten sie leise, schnelle Schritte. Ganz in der Nähe. Im Inneren des Hauses.

»Lass uns verschwinden!«, wisperte Lindy.

Kris duckte sich bereits unter der Plastikplane hindurch und trat hinaus ins Freie. Sie sprang die Vortreppe hinunter und lief in Richtung des Gartens hinter ihrem Haus.

Lindy hielt auf der untersten Stufe der Vortreppe an und wandte sich zu dem neuen Haus um. »Sieh mal!«, rief sie.

Ein Eichhörnchen kam aus einem der Seitenfenster gesprungen. Es landete, mit allen vieren zappelnd, auf der Erde und flitzte zum Ahornbaum im Garten der Powells.

Lindy lachte. »Nur ein dämliches Eichhörnchen.«

Kris blieb kurz vor der niedrigen Hecke stehen. »Bist du sicher?« Sie zögerte und sah zu den Fenstern des neuen Hauses hinüber. »Das war aber ziemlich laut für ein Eichhörnchen.«

Als sie sich vom Haus abwandte, stellte sie überrascht fest, dass Lindy verschwunden war.

»He – wo bist du denn hin?«

»Hier drüben«, rief Lindy. »Ich habe etwas entdeckt!«

Es dauerte ein Weilchen, bis Kris ihre Schwester aufgespürt hatte. Lindy stand halb verborgen hinter einem großen schwarzen Abfallcontainer am hinteren Ende des Grundstücks.

Kris schirmte die Augen mit einer Hand ab, um besser sehen zu können. Lindy stand über den Müllbehälter gebeugt. Es sah so aus, als ob sie im Abfall herumstocherte.

»Was ist denn da drinnen?«, rief Kris.

Lindy schleuderte ein paar Sachen zur Seite und schien ihre Schwester gar nicht zu hören.

Dann zog sie langsam etwas heraus. Sie begann, ihren Fund hochzuheben. Arme und Beine baumelten leblos daran herab. Kris konnte einen Kopf mit braunen Haaren sehen.

Ein Kopf? Arme und Beine?

»O nein!«, schrie Kris laut auf und schlug sich voller Entsetzen die Hände vors Gesicht.