Welcome Vietnam: Ein Land auf der Überholspur | |
Chronik Vietnams: Daten zur Landesgeschichte | |
DIE SCHÖNSTEN REISEREGIONEN | |
BAC BO – DER NORDEN VIETNAMS | |
Hanoi und Umgebung Die große alte Dame Vietnams |
|
Der Norden Wiege der vietnamesischen Kultur und landschaftliches Juwel |
|
Das Delta des Roten Flusses Kathedralen, Höhlen und Bilderbuchlandschaften |
|
TRUNG BO – ZENTRALVIETNAM | |
Nördliche Zentralküste ökonomisches und touristisches Stiefkind |
|
Das Zentrum Kaiserstädte, geheimnisumwitterte Völker und Shopping |
|
Südliche Zentralküste und Zentrales Hochland Traumstrände, Golfplätze und Liebespärchen |
|
NAM BO – DER SÜDEN VIETNAMS | |
Ho-Chi-Minh-Stadt/Saigon und Umgebung Boomtown Vietnams |
|
Das Mekong-Delta Amphibische Erkundungen |
|
KAMBODSCHA Ein Land schöpft wieder Hoffnung |
|
Phnom Penh Eine Stadt entdeckt sich erneut |
|
Angkor Kambodschas kulturelles Erbe an die Welt |
|
LAOS Das Juwel Südostasiens |
|
Vientiane Verschlafene Metropole mit Charme |
|
Luang Prabang Die Seele von Laos |
|
VISTA POINT REISEROUTE DURCH VIETNAM | |
Hanoi – Chua Huong – Halong-Bucht – Thai Binh – Ninh Binh – Vinh – Hue – Hoi An – My Son – Qui Nhon – Nha Trang – Da Lat – Ho-Chi-Minh-Stadt – Cu Chi/Tay Ninh – Mekong-Delta | |
UNTERKÜNFTE | |
SERVICE VON A BIS Z | |
Glossar | |
Orts- und Sachregister, Namenregister | |
Bildnachweis und Impressum | |
Zeichenerklärung |
VIETNAM
Für meine Frau Aneeta
Eine Übersichtskarte mit den eingezeichneten Reiseregionen finden Sie in der vorderen Umschlagklappe. |
Die Küche Vietnams
S. 11
Ob in einer Garküche oder einem Spitzenrestaurant – die vietnamesische Küche zählt zu den besten ganz Asiens.
Hanoi
S. 22–44
Die Hauptstadt Vietnams ist mit ihrer geschichtsträchtigen Bausubstanz ein Juwel asiatischer Stadtkultur.
Halong-Bucht
S. 55 ff.
Die knapp 2000 wie mystische Wesen aus dem Meer aufragenden Kalksteinfelsen gehören zu den beeindruckendsten Landschaftsformen Asiens.
Sapa
S. 60 f.
Spektakuläre Bergwelten, faszinierende Minoritäten und ein Wanderparadies – im Bergort Sapa lässt sich der gebirgige Norden am besten erfahren.
Hoi An
S. 82 ff.
Mittelalterlich anmutende Stadtarchitektur, Shop-till-you-drop und Schlemmerparadies in einem – die kleine chinesische Handelsstadt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten.
Hue
S. 88 ff.
Die alte Kaiserstadt am Fluss der Wohlgerüche vereint historische Kunstschätze erster Güte mit landschaftlicher Anmut.
Ho-Chi-Minh-Stadt/Saigon
S. 132–151
Die pulsierende Metropole des Südens befindet sich auf dem Weg zu einer neuen, supermodernen Megacity.
Tunnel von Cu Chi
S. 136, 151 ff.
Nirgendwo sonst erlebt man so beispielhaft den Widerstandswillen und den Pragmatismus der Vietnamesen.
Mekong-Delta
S. 156 ff.
Schwimmende Märkte, verschlungene Wasserwege und pulsierende Städte. Das Mekong-Delta bietet einen faszinierenden Einblick in die Lebenswelt des äußersten Südens von Vietnam.
Phu Quoc
S. 163 f.
Weite, schneeweiße Strände mit überhängenden Palmen, tropischer Dschungel und Fünf-Sterne-Resorts – Vietnams größte Insel ist ein wahrgewordener Südseetraum.
Good Morning Vietnam? Diese über viele Jahre gebräuchliche Begrüßung ist längst überholt. Das Land hat die Morgenmüdigkeit abgelegt, Krieg und Sozialismus hinter sich gelassen und ist von der Nebenstraße eines rückständigen Agrarstaates auf die Autobahn jener asiatischen Tigerstaaten eingebogen, die Asien zum Wachstumsmotor der Weltwirtschaft haben aufsteigen lassen.
Allein die Tatsache, dass sich Vietnam innerhalb weniger Jahre vom Reisimporteur zum größten Reisexporteur der Erde mauserte, verdeutlicht, welche Kräfte durch die Mitte der 1980er Jahre unter dem Namen Doi Moi (Neues Denken) eingeläutete Öffnungspolitik freigesetzt wurden. Dennoch überrascht das rasante Tempo, mit dem sich das Land vom verarmten und isolierten Schmuddelkind Asiens zum hofierten Günstling der internationalen Wirtschaft und Diplomatie gemausert hat.
Nicht kommunistische Spruchbänder und Soldateska prägen das Straßenbild, sondern ein Heer neuester Motorräder und Reklameschilder westlicher Firmen. Die ausländischen Geschäftsleute werden mit einem freundlichen Lächeln und einem der liberalsten Investitionsgesetze empfangen. Hammer und Meißel und nicht Hammer und Sichel bestimmen die Zukunft des Landes, was die modernen Hochhäuser belegen, die wie Pilze aus dem Boden schießen.
Jährliche Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent, eine vergleichsweise niedrige Inflationsrate, ein Heer billiger, disziplinierter und zudem gut ausgebildeter Arbeitsuchender sowie 91 Millionen Einwohner, von denen 25 Prozent unter 15 Jahre alt und konsumorientiert sind, haben Vietnam zu einem der vielversprechendsten Märkte Asiens aufsteigen lassen.
Ganz Vietnam scheint sich auf der Überhohlspur zu befinden, will endlich den Wohlstand spüren, den man ihm Jahrzehnte verwehrte. Von den Millionen Motorradfahrern, die sich jeden Morgen und Abend durch die Straßen Hanois, Da Nangs, Haiphongs oder Saigons quälen, haben viele noch vor wenigen Jahren ein eigenes Fahrrad als Symbol für Wohlstand gesehen, inzwischen überwiegt der Traum vom eigenen Pkw.
Auf der Überholspur wird nur selten in den Rückspiegel geschaut. Man hat entweder keine Zeit oder es interessiert einen nicht – für die Vietnamesen gilt beides. Vor allem die über 60 Prozent der nach dem Ende des Vietnamkrieges Geborenen, die den Krieg nur aus den Schulbüchern kennen, interessieren sich nicht mehr für den antikolonialen Abwehrkampf gegen Franzosen und Amerikaner, sondern richten ihren Blick nach vorn. Der Vietnamkrieg scheint weit mehr in den Köpfen der Ausländer als der Vietnamesen selbst präsent. Haben die meisten Reisenden Vietnam-Klassiker wie Graham Greenes »Der stille Amerikaner« oder Peter Scholl-Latours »Der Tod im Reisfeld« im Handgepäck, fragen sich die vielen Vietnamesen verwundert, ob man im Westen denn immer noch nicht mitbekommen habe, dass der Krieg längst vorbei sei.
Im Übrigen verweisen sie zu Recht darauf, dass es sich beim Vietnamkrieg nur um einen sehr kleinen Abschnitt der über 2000-jährigen Geschichte des Landes handelt. Wesentlich bedeutender und tiefgreifender war der Einfluss des großen Nachbarn aus dem Norden – von China.
Pragmatismus und Gemeinschaftssinn
Kaum mehr als ein Jahrhundert nach dem ersten nachweisbaren Kaiserreich auf vietnamesischem Boden wurden die Vietnamesen im Jahr 111 vor Christus zu einem Protektorat der Chinesen. Während der folgenden über 1000-jährigen Fremdherrschaft unterzog man sie einer radikalen Sinisierung. Bis heute sind die Vietnamesen durch die aus China importierten Wertvorstellungen geprägt, in erster Linie vom Konfuzianismus.
Speziell der Norden mit dem Delta des Roten Flusses bildete bis zum Ende des ersten Jahrtausends das alleinige Siedlungsgebiet der Vietnamesen. Seine Bewohner gelten als besonders diszipliniert, fleißig, ehrlich, gehorsam und konservativ: Alles Eigenschaften, die für den Konfuzianismus typisch sind und die den Vietnamesen den Beinamen »Die Preußen Südostasiens« eingetragen haben.
Ihr eigener Realitätssinn spiegelt sich auch in der äußerst pragmatischen Einstellung zur Religion. Synkretismus in Reinkultur, also die Vermischung und Verschmelzung unterschiedlicher Glaubensvorstellungen, kennzeichnet das Leben in Vietnam. In einer vietnamesischen Pagode finden buddhistische, daoistische, konfuzianistische und hinduistische Götterfiguren problemlos nebeneinander Platz. Je mehr Heilige dem Gläubigen zur Verfügung stehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit seinen Wünschen und Sorgen Gehör zu ver- schaffen. Die entlang den Straßen, auf Passhöhen und neben Häusern aufgestellten Geisterhäuschen verdeutlichen, welche große Rolle neben all den Hochreligionen der Animismus bis heute spielt. Bei allem Pragmatismus sind die Vietnamesen äußerst religiöse Menschen, doch wurden die einzelnen Glaubensvorstellungen im Laufe der Jahrhunderte derart eng miteinander verwoben, dass sich keine klare Einordnung mehr ziehen lässt.
Was alle Vietnamesen eint, egal welcher Religionsgemeinschaft sie am nächsten stehen, ist der Ahnenkult. Nach vietnamesischer Vorstellung nehmen die Seelen verstorbener Angehöriger weiter am Familienleben teil und haben großen Einfluss auf das tägliche Leben. Bei Opfergaben an dem immer im Hauptraum des Hauses stehendem Ahnenaltar gehört der mündliche Austausch mit den Vorfahren zur Selbstverständlichkeit. Dabei teilt man den Ahnen die neuesten Ereignisse mit und bittet vor schwierigen Entscheidungen um Rat und Beistand. Die Versammlung vor dem Ahnenaltar ist auch fester Bestandteil der Rituale an Todes- und Feiertagen, über deren korrekte Durchführung der älteste Sohn wacht. Dies ist eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe, denn bei einer fehlerhaften Durchführung der Totenrituale irrt die Seele des Verstorbenen heimatlos umher und wird ein qui, ein böser Geist.
Der Glaube, dass jeder Einzelne wie durch ein unsichtbares Band mit seinen Vorfahren und den nachfolgenden Generationen verbunden ist, bildet den Grundpfeiler der vietnamesischen Gesellschaft.
Im krassen Gegensatz zum westlichen Individualitätsprinzip zählt das »Alleinsein« für einen Vietnamesen zu den schlimmsten Vorstellungen überhaupt. Das unerschütterliche Wissen, dass der Einzelne selbst in den schwierigsten Situationen um den Beistand seiner Ahnen und Verwandten weiß, schweißt nicht nur die einzelnen Familien, sondern letztlich die gesamte Nation zusammen. Hierin liegt auch der Grund dafür, warum es den Vietnamesen über zwei Jahrtausende immer wieder gelungen ist, scheinbar übermächtige Gegner zu besiegen. Die von US-amerikanischen Soldaten mit Verwunderung und Verwirrung zugleich beobachtete Opferbereitschaft der Vietnamesen basierte auf diesem persönlichen, ja geradezu familiären Bezug der Soldaten zu ihrem Staat.
Das Land der Tragestange
Die Zergliederung des Landes in drei geografisch, klimatisch, ethnisch und kulturell sehr unterschiedliche Landesteile ist eines der Hauptprobleme Vietnams. Aufgrund seiner extrem langen, schmalen und geschwungenen Form, die an ein gezogenes S erinnert, wird Vietnam auch mit der allgegenwärtigen Tragestange verglichen, an deren Ende zwei Reiskörbe hängen. Bei einer Nord-Süd-Ausdehnung von fast 1700 Kilometern misst Vietnam an seiner engsten Stelle noch nicht einmal 50 Kilometer.
Schon die Franzosen nahmen die Dreiteilung des Landes auf, indem sie ihre Kolonie in die Regionen Tonkin (Norden), Annam (Zentrum) und Cochinchina (Süden) unterteilten. So scheint dem Land die für seine gesamte Geschichte so signifikante Zergliederung gleichsam auf den Leib geschneidert. Tatsächlich geht die Teilung des Landes in zwei eigenständige Staaten Nord- und Südvietnam bereits auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurück und ist nicht erst durch den Vietnamkrieg entstanden.
Selbst klimatisch ist die markante Teilung des Landes konkret erfahrbar. Wer etwa im Februar nach Vietnam kommt, wird sich in Hanoi angesichts des grauen Nieselregens und von Temperaturen unter 20 Grad Celsius mit einem Regenschirm und Pullover ausrüsten müssen. In Hue kann man dagegen den Regenschirm zu Hause lassen. Dafür dürfte ein langes Hemd bei den ersten Frühlingsstrahlen und Temperaturen um die 24 Grad Celsius gerade angemessen sein. In Saigon leistet einem der Schirm dann wieder gute Dienste, muss man sich hier doch vor der sengenden Sonne schützen, die die Temperaturen auf bis zu 35 Grad Celsius ansteigen lässt.
So verwundert es kaum, dass die über Jahrhunderte gewachsenen Animositäten zwischen den drei Landesteilen, und besonders zwischen den Nord- und Südvietnamesen, bis heute stark ausgeprägt sind. Man ist sich nicht wohlgesonnen und bezeichnet sich gegenseitig als korrupt, leichtsinnig, unzuverlässig und faul (der Norden über den Süden) oder als starrsinnig, unflexibel, freudlos und langweilig.
Dabei liegt der eigentliche Reiz des Landes nicht zuletzt in der Vielfalt. Und egal ob Nord- oder Südvietnamese, sie alle sind stolz auf ihre in solch kurzer Zeit erbrachten Fortschritte und auf die Schönheit ihres Landes. Und davon gibt es wahrlich mehr als genug, das beweisen die inzwischen jährlich etwa vier Millionen Touristen.
Von der Wiege Vietnams in die Reiskammer
Auf dem Weg von Nordvietnam ins Mekong-Delta präsentiert sich das Land als eines der spannendsten und attraktivsten Asiens. Der Norden Vietnams besticht durch die charmante Hauptstadt Hanoi, die romantische Halong-Bucht mit ihren 2000 aus dem Meer aufsteigenden Felsen, das von den Franzosen gegründete Bergdorf Sapa und das von Reisfeldern, jahrhundertealten Tempeln, Pagoden und Kathedralen durchsetzte Delta des Roten Flusses. Diese Region lädt neben einem ausgiebigen Stadtbummel in Hanoi vor allem zu Bootsfahrten und Bergwanderungen ein.
Neben den Kinh, wie die Vietnamesen genannt werden, die sich vornehmlich im fruchtbaren Delta des Roten Flusses angesiedelt haben, sind auch der Norden und Nordosten Heimat eines Großteils der insgesamt 53 ethnischen Minderheiten des Landes. Obwohl sie nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, bewohnen sie zwei Drittel des vietnamesischen Territoriums.
Bei einer Fahrt durch das lang gezogene, schmale Zentralvietnam auf der parallel zur Küste verlaufenden Nationalstraße 1 reihen sich Wolken verhangene Bergpässe, azurblaues Meer mit langen Sandstränden, einsamen Badebuchten und Lagunen sowie pittoreske Fischerdörfer wie an einer Perlenkette aneinander.
Gleichzeitig ist Zentralvietnam die Heimat der romantisch am Fluss der Wohlgerüche gelegenen alten Kaiserstadt Hue. Mit den Palastanlagen, Pagoden und kaiserlichen Grabstätten gehört die kunstsinnige und geschichtsträchtige Stadt zu den meistbesuchten Orten des Landes. Beim Bummel durch die verwinkelten Gassen von Hoi An, der alten chinesischen Handelsstadt 100 Kilometer südlich von Hue, vorbei an restaurierten Handelshäusern, Tempeln, Pagoden und quirligen Märkten, fühlt man sich ins vietnamesische Mittelalter versetzt.
Ideale Orte zum Schwimmen, Windsurfen, Tauchen oder einfach nur zum Sonnenbaden sind Nha Trang und Mui Ne, Vietnams beliebteste Badeorte an der Südlichen Zentralküste. Da Lat im Zentralen Hochland spiegelt mit seinen Kolonialvillen und Kirchen die Sehnsucht heimwehkranker Europäer nach vertrauter Umgebung in einem fremden Land.
Im Süden des Landes macht eine faszinierende Mischung aus US-amerikanischen, europäischen und asiatischen Einflüssen Ho-Chi-Minh-Stadt zu einer pulsierenden Metropole und zur kosmopolitischsten Stadt des Landes. Das ehemalige Saigon symbolisiert mit seinen modernen Wolkenkratzern wie keine andere Stadt des Landes den wirtschaftlichen Erfolg Vietnams.
An ein Venedig des Ostens erinnern schließlich viele Dörfer des Mekong-Deltas, in denen der Lastenverkehr noch zum großen Teil mit alten Holzschiffen durchgeführt wird. Es dauerte über acht Jahrhunderte, bis die Vietnamesen, nach ihrem im 10. Jahrhundert begonnenen Zug von Hanoi gen Süden, im 18. Jahrhundert das Delta erreichten und die dort siedelnden Kambodschaner vertrieben. Nicht nur als Reiskammer des Landes (über 90 Prozent des gesamten Reisexportes kommen von hier), sondern auch aufgrund der florierenden Fischwirtschaft (mehrere hundert Millionen Dollar Exporterlöse) ist das Mekong-Delta eine Boomregion.
The Best of Both Worlds
Einhergehend mit der wirtschaftlichen Entwicklung hat die touristische Infrastruktur inzwischen das in Asien gewohnt hohe Niveau erreicht. Von der Nobelherberge bis zur einfachen Unterkunft findet sich in Vietnam in allen touristisch interessanten Orten eine große Auswahl an Hotels. Das Gleiche gilt für die Gastronomie.
Die vietnamesische Küche gehört neben der thailändischen zu einer der raffiniertesten Südostasiens. Verschönert wird die Erfahrung durch die Vielzahl der sehr geschmackvoll eingerichteten Restaurants, die in den letzten Jahren eröffnet wurden, wobei besonders die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehrenden Exilvietnamesen einen positiven Einfluss ausüben. Darüber hinaus findet sich in größeren Städten die ganze Breite der asiatischen Küche. Und selbst westliche Restaurants mit internationalen Chefs sind in allen touristisch interessanten Orten vorhanden.
Dem allgemeinen Trend zu Qualität hat sich auch die staatliche Fluggesellschaft Vietnam Airlines angeschlossen. Ein gut ausgebautes Streckennetz, moderne Flugzeuge, guter Service und Pünktlichkeit zeichnen sie aus.
Nach dem Motto »The Best of Both Worlds« vereint Vietnam den Charme des alten Asiens mit den Annehmlichkeiten einer touristischen Infrastruktur, die westlichen Qualitätsstandards genügt. Gewaltige touristische Zuwachsraten beweisen, dass sich Vietnam als eines der attraktivsten Reiseländer Asiens etabliert hat.
Am Ende eines Vietnambesuchs heißt es denn auch nicht mehr »Good Morning Vietnam«, sondern »Welcome Vietnam« – bis zum nächsten Mal!
3. Jh. v. Chr.
Mit dem Königreich Au Lac entsteht der erste geschichtlich nachgewiesene Staatsverband auf vietnamesischem Boden. Hauptstadt ist Co Loa im Norden von Hanoi.
Im Jahr 207 n. Chr. erobert der abtrünnig gewordene Gouverneur der südchinesischen Provinz Nanhai, General Trieu Da, Au Lac. Seinen unabhängigen Staat, der die zwei südchinesischen Provinzen Quangdong und Quangxi, das Delta des Roten Flusses und die Provinzen Thanh Hoa und Nghe Tinh bis zum Hoanh Son umfasst, nennt er Nam Viet (Land im Süden).
111 v. Chr.–938 n. Chr.
Das Jahr 111 v. Chr. markiert mit der Eroberung des bis dahin unabhängigen Nam Viet durch die chinesische Han-Dynastie einen der tiefsten Einschnitte in der über 2000-jährigen Geschichte Vietnams. Für mehr als ein Jahrtausend sollte der erst seit 100 Jahren eigenständige Staat unter direkter Herrschaft der Chinesen bleiben. Die Überheblichkeit der neuen Machthaber zeigt sich im Namen, den sie der neu gewonnen Provinz geben – Giao Chi (Land der Barfüßigen). Das Land wird radikal sinisiert.
Der erste historisch belegte Freiheitskampf der Vietnamesen gegen die chinesischen Eroberer wird von zwei Frauen angeführt. Die Schwestern Trung Trac und Trung Nhi besiegen den chinesischen Gouverneur und üben drei Jahre lang (40–43 n. Chr.) die Macht aus. Noch heute gibt es in fast jeder Stadt eine Hai Ba Trung, eine Straße der Schwestern Trung.
938
Anfang des 10. Jahrhunderts geht die chinesische Tang-Dynastie unter, Südchina zerfällt in zehn Königreiche – die Zeit für die Unabhängigkeit Vietnams ist gekommen.
Feldherr Ngo Quyen besiegt die Chinesen am Bach-Dang-Fluss und gründet das unabhängige Dai Viet (Großvietnam). Ngo Quyen wird erster Kaiser des unabhängigen Staates.
1010–1400
Unter der Le- und der nachfolgenden Tran-Dynastie wird ein zentralistischer Staat mit geschultem Berufsbeamtentum gebildet. Hauptstadt wird Thang Long, das heutige Hanoi. Der Buddhismus wird zur Staatsreligion erklärt.
Ab dem 10. Jahrhundert beginnen die Vietnamesen mit dem Zug nach Süden. Auf ihrem 700-jährigen Marsch vom Norden durch Zentralvietnam bis ins Mekong-Delta müssen sie sich in zahlreichen Schlachten gegen die dort ansässigen Cham und Khmer durchsetzen. Der entscheidende Sieg gegen das Seefahrervolk der Cham, das seit dem 4. Jahrhundert in Zentralvietnam lebt, gelingt den Vietnamesen 1471, als die Truppen von Kaiser Le Thanh Tong die Cham-Hauptstadt Vijaya in der Nähe des heutigen Quy Nhon erobern.
Feldherr Tran Hung Dao besiegt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die bis dahin unter ihrem Führer Kublai Khan für unschlagbar gehaltenen Mongolen in drei Schlachten.
1428–1672
Nach dem Sieg des Feldherrn Le Loi über die Chinesen, die zwischenzeitig wieder das vietnamesische Staatsgebiet besetzen, wird Dai Viet unter der Le- und der Mac-Dynatie zu einem zentralistischen Verwaltungsstaat nach konfuzianistischem Vorbild ausgebaut. Der Buddhismus verliert seine Machtposition. Anfang des 17. Jahrhunderts treffen die ersten Europäer in Vietnam ein und gründen Handelsniederlassungen.
1628–1771
Die beiden Fürstengeschlechter der Trinh und der Nguyen führen einen erbitterten Machtkampf, in dessen Folge Dai Viet in ein Nord- und ein Südreich geteilt wird. 1674 wird Saigon gegründet, das sich schnell zur bedeutendsten Handelsstadt des Südens entwickelt.
1771–1802
1771 nutzen drei Brüder die allgemeine Unzufriedenheit fast aller Bevölkerungsschichten aus. Die von ihnen initiierte und nach ihrem Herkunftsort benannte Tay-Son-Revolte stürzt das Land für die nächsten 30 Jahre in einen blutigen Bürgerkrieg. Die Bauernarmee erobert innerhalb kürzester Zeit von ihrem Stützpunkt in Quy Nhon weite Teile des Südens. Die versprochenen Bodenreformen werden jedoch nicht durchgeführt. So gelingt es Nguyen Phuc Anh, dem letzten Überlebenden der von den Tay Son verjagten Nguyen-Geschlechts, das Land zurückzuerobern. Schon während der Regierungszeit von Quang Trung war er aus Siam, wo er mehrere Jahre im Exil gelebt hatte, in sein Heimatland zurückgekehrt und hat nicht zuletzt mit tatkräftiger Unterstützung der Franzosen das Mekong-Delta unter seine Kontrolle gebracht.
1802–1945
Ngyen Phuc Anh lässt sich 1802 in Hue, der Heimat seiner Väter, zum Kaiser Gia Long ausrufen. Hue wird zur neuen Hauptstadt. Das wiedervereinigte Land heißt nun zum ersten Mal in seiner Geschichte Vietnam. Es entspricht in etwa seiner heutigen Staatsfläche.
Obwohl die Franzosen bereits seit dem 16. Jahrhundert Handelsstützpunkte in Nord- und Zentralvietnam unterhalten, sind das zunächst ausschließlich private Initiativen französischer Geschäftsleute und Handelshäuser. Erst mit der Bombardierung von Tourane, dem heutigen Da Nang, am 1. September 1858, fällt der Startschuss für die direkt von Paris betriebene französische Kolonialpolitik in Indochina. Bereits drei Jahre später befindet sich der gesamte Süden Vietnams unter französischer Kontrolle.
Der Saigoner Friedensvertrag vom Juni 1862, in dem der seit 1847 regierende Kaiser Tu Duc die Oberherrschaft der Franzosen über Saigon und die umliegenden Provinzen anerkennt, zeigt, dass dem Kaiserhof von Hue jeglicher Wille zum Widerstand fehlt.
Die Eroberung von Hue und Thang Long (Hanoi) sind zwei weitere Schritte auf dem Weg zum Protektoratsvertrag von Hanoi, in dem die Vietnamesen 1883 endgültig die Oberherrschaft der Franzosen anerkennen müssen. Während die Nguyen-Kaiser von Hue immer mehr zu Marionetten der Franzosen werden, regt sich der antikoloniale Widerstand zunehmend.
1941 schließen sich alle vietnamesischen Widerstandsgruppen zur Liga für die Unabhängigkeit Vietnams, kurz Viet Minh, zusammen. Zur Symbolfigur der antikolonialen Bewegung, die im Oktober 1943 von Thai Nguyen (Norden) den militärischen Kampf aufnimmt, steigt Ho Chi Minh auf. Er ist nach 30-jährigem Exil in sein Heimatland zurückgekehrt.
1945
Nach der Kapitulation der japanischen Truppen, die zuvor die französische Verwaltung stürzten, ruft Ho Chi Minh am 2. September 1945 die Demokratische Republik Vietnam aus.
1946–54
Mit der Bombardierung des Hafens von Haiphong beginnt der Erste Indochinakrieg 1946. Nachdem die im Herbst 1949 neu gegründete Volksrepublik China unter Mao die Viet Minh als legitime Regierung der Demokratischen Republik Vietnam anerkennt, folgt ihr im selben Monat die um ihren Einfluss in Indochina bangende Sowjetunion. Einhergehend mit der diplomatischen Anerkennung senden die kommunistischen Bruderländer große Mengen Kriegsmaterial nach Nordvietnam.
Der Indochinakrieg erhält eine völlig neue Dimension mit dem Eingreifen der Chinesen und US-Amerikaner Anfang der 1950er Jahre. Im Zeichen des Kalten Krieges wird so aus einem regionalen Konflikt ein Stellvertreterkrieg. Das bis dahin international kaum in Erscheinung getretene Entwicklungsland Vietnam gerät von nun an zwischen die Mühlen der Machtinteressen der Weltmächte. Die Angst, der Fall Vietnams würde zwangsläufig auch alle weiteren asiatischen Länder unter kommunistische Vorherrschaft bringen (Domino-Theorie), führt zu einer zunehmend aktiven Rolle der USA. Neben der massiven finanziellen Unterstützung (1954 tragen die USA 80 Prozent der französischen Kriegskosten) greifen sie von nun an immer direkter in die politischen Entscheidungen ein.
1954
Nachdem die Franzosen zunehmend in Gefahr geraten, ihre ohnehin schwindenden Kräfte durch einen Mehrfrontenkrieg gegen die Viet Minh und die mit ihnen verbündeten Truppen der laotischen Befreiungsfront Pathet Lao zu vergeuden, entschließt sich der französische Oberbefehlshaber General Navarre, eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen. Hierzu wird der strategisch bedeutende Ort Dien Bien Phu im äußersten Nordwesten Vietnams zu einer waffenstarrenden Großanlage ausgebaut. Völlig überraschend beginnen die Truppen der VVA mit der Belagerung der als uneinnehmbar geltenden Festung. Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Lage der eingeschlossenen französischen Soldaten zieht US-Präsident Eisenhower zwischen – zeitlich sogar den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung. Nach 55-tägiger Belagerung kapituliert die physisch erschöpfte und psychisch zermürbte französische Armee am 7. Mai 1954. 3000 Tote und ebenso viele Verwundete sind der Preis für dieses sinnlose Abenteuer, das gleichzeitig das Ende der französischen Kolonialherrschaft über Indochina bedeutet.
1954–64
Auf der Genfer Friedenskonferenz wird Vietnam entlang dem 17. Breitengrad geteilt. Während im Norden die Kommunisten unter Ho Chi Minh die Regierung übernehmen, etabliert sich im Süden mit Hilfe der US-Amerikaner der Katholik Ngo Dinh Diem als Präsident. Er verhindert die im Genfer Vertrag vereinbarten Wahlen und erlärt den Katholizismus zur Staatsreligion. Durch Vetternwirtschaft, Korruption, Kommunisten- und Buddhistenverfolgungen und der Zwangsumsiedlung Zigtausender Bauern in Agrardörfer verliert das Diem-Regime den Rückhalt in der Bevölkerung.
Die von den nordvietnamesischen Kommunisten unterstützte südvietnamesische Befreiungsfront (FNL) bringt weite Teile des Südens unter ihre Kontrolle. Bei einem Militärputsch am 1. November 1963 werden Ngo Dinh Diem und sein Bruder in Saigon ermordet. Statt der erhofften Stabilität weitet sich das Chaos jedoch aus. Ein Staatsstreich folgt dem nächsten.
Die von den westlichen Medien als Vietcong (Vietnamesische Kommunisten) bezeichnete südvietnamesische Befreiungsfront, in deren Reihen sich auch immer mehr nordvietnamesische Soldaten befinden, rückt unaufhaltsam vor. »Die Regierungstruppen verlieren ein Bataillon pro Woche, und dieser Trend wird, wenn es so weitergeht, in einem Desaster enden«, warnte selbst der neue Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Truppen in Vietnam, General Westmoreland.
August 1964
Angesichts der dramatischen Lage entschließt sich Washington zum direkten militärischen Eingreifen. Nach einem von den US-Amerikanern provozierten Zwischenfall im Golf von Tonkin am 4. August 1964 bombardieren Flugzeuge der 7. US-Flotte nordvietnamesische Marinebasen und Treibstofflager.
Am 7. August wird die bereits Wochen zuvor ausgearbeitete »Golf von Tonkin-Resolution« vom US-amerikanischen Kongress ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die Resolution dient als Begründung und Rechtfertigung der von nun in vollem Umfang eingeleiteten Kriegspolitik. Diese Kriegserklärung bildet die Grundlage zur systematischen Bombardierung Vietnams und zur Entsendung Hunderttausender Soldaten.
Februar 1965
Mit der Operation »Rolling Thunder« beginnt die zeitlich unbegrenzte Bombardierung Vietnams. Werfen die US-amerikanischen Bomber 1965 noch 63 000 Bomben auf Nordvietnam ab, so sind es 1966 13 6000 und 1967 226 000 Tonnen. (Zum Vergleich: Beim Luftangriff auf Dresden im Februar 1945 fielen 2659 Tonnen Bomben.)
März 1965
Am 8. März 1965 landen die ersten US-amerikanischen Bodentruppen am Strand von Da Nang. Ende April 1965 befinden sich bereits 40 000 »Ledernacken« auf vietnamesischem Boden. Trotz massiver Flächenbombardements und dem Einsatz von über 500 000 Soldaten gelingt es den Amerikanern nicht, den vietnamesischen Widerstand zu brechen.
31. Januar 1968
Am Morgen des 31. Januar, mitten in den Feierlichkeiten des vietnamesischen Neujahrsfestes Tet, greifen die nordvietnamesischen Viet Minh und die südvietnamesischen Vietcong gemeinsam auf breiter Front den gesamten Süden des Landes an. Einem Todeskommando gelingt es sogar, bis auf das Gelände der US-amerikanischen Botschaft vorzudringen und dieses für einige Stunden zu besetzen.
Nachdem sich die US-Amerikaner vom ersten Schock erholen, gehen sie zu einer breit angelegten Gegenoffensive über. Sie fügen den Befreiungstruppen eine vernichtende Niederlage zu, von der sich die FNL bis zum Ende des Krieges nicht mehr erholt. Trotz der militärischen Niederlage bezeichnet die Tet-Offensive den eigentlichen Wendepunkt des Krieges.
Die live übertragenen Fernsehbilder von der Besetzung der amerikanischen Botschaft führen zu einem abrupten Meinungswandel in der US-amerikanischen Öffentlichkeit, die jahrelang mit geschönten Zahlen und Erfolgsmeldungen in Sicherheit gewogen wurde.
18. März 1968
Am 18. März 1968 findet das Massaker von My Lai statt. Das kleine zentralvietnamesische Dorf wird von einer US-amerikanischen Einheit innerhalb von knapp zwei Stunden zerstört. 504 Dorfbewohner, darunter 173 Kinder, 76 Babys und 60 Greise werden getötet – nur fünf Bewohner überleben das Massaker. Der einzige US-amerikanische Verletzte ist ein Soldat, der sich selbst in den Fuß schießt, um sich der Schlächterei zu entziehen.
Nachdem das Militär zunächst alles versucht, das Massaker zu vertuschen, gerät es schließlich doch in die Schlagzeilen der Presse. Die Anti-Kriegsdemonstrationen wachsen zu Massenkundgebungen an. US-Präsident Johnson sieht sich durch den Druck der Öffentlichkeit gezwungen, die Bombardierung Vietnams einzustellen.
1969–75
Richard Nixon, der mit dem Versprechen, den Krieg so schnell als möglich zu beenden, 1969 zum neuen US-Präsidenten gewählt wird, verkündet Mitte 1969 die sogenannte Vietnamisierungspolitik. Trotz des schrittweisen Abzugs US-amerikanischer Truppen und der mit Milliarden US-Dollar vorangetriebenen Aufrüstung der südvietnamesischen Armee weitet sich der Krieg in den folgenden Jahren auf die Nachbarländer Kambodscha und Laos aus. Mit den bisher schwersten Bombenangriffen auf Nordvietnam im Dezember 1972 will Präsident Nixon den Verhandlungsdruck auf Nordvietnam erhöhen.
Am 27. Januar 1973 unterzeichnen die Außenminister von Nordvietnam und den USA, Le Duc Tho und Henry Kissinger, das Pariser Waffenstillstandsabkommen. Auf den Abzug der letzten US-Truppen im März desselben Jahres antwortet die nordvietnamesische Führung mit einer breit angelegten Offensive. Nach der drastischen Kürzung der amerikanischen Militär- und Wirtschaftshilfe im folgenden Jahr ist der Widerstand des bis dahin einzig durch die Milliardenspritzen aus Washington am Leben erhaltenen südvietnamesischen Regimes unter Präsident Thieu endgültig gebrochen.
1975–86
Nach der Eroberung Saigons am 30. April 1975 und der Gründung der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) im Juli 1976 beginnt die kommunistische Regierung mit einer Kollektivierung der Landwirtschaft. Ende März 1977 wird der gesamte Privathandel Saigons, das inzwischen in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt worden war, verstaatlicht. Im Mai wird in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine Währungsreform verkündet.
Die traditionellen Lebensadern der Ökonomie Südvietnams sind damit zerschnitten, was zu einem Zusammenbruch des Wirtschaftslebens führt. Die Folge dieser in Tempo und Härte völlig überzogenen Maßnahmen ist die panikartige Flucht Hunderttausender Auslandschinesen, die bis dahin das Wirtschaftsleben des Südens weitgehend kontrollierten. Als Boat People bringen sie Vietnam wieder weltweit ne – gative Aufmerksamkeit.
Die Invasion vietnamesischer Truppen in Kambodscha und der Grenzkrieg mit China im Jahr 1979 führen Vietnam endgültig in die außenpolitische Isolation.
1986
Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Notlage, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion, des bis dahin mit Abstand größten Geldgebers der SRV, noch verschärft wird, sieht sich die politische Führung in Hanoi Mitte der 1980er Jahre zu einer radikalen Kehrtwende in der Wirtschafts- und Außenpolitik gezwungen. Unter dem Motto Doi Moi (Erneuerung) werden weitreichende Reformen eingeleitet, deren Kernpunkte die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien und die Normalisierung der Beziehungen zu China und den USA sind. Die Erfolge dieser Maßnahmen, wie eine wirtschaftliche Wachstumsrate von jährlich zehn Prozent, stellen sich ein.
1989
Der Rückzug der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha führt zu einer deutlichen Verbesserung der Beziehungen zu den asiatischen Nachbarstaaten und den USA.
1995
Nachdem US-Präsident Clinton 1994 das seit Kriegsende bestehende Embargo aufhebt, wird die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen beschlossen. Vietnam wird in den ASEAN-Bund aufgenommen.
1997
Douglas Peterson, ein ehemaliger Vietnam-Veteran, der über sechs Jahre in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft saß, nimmt als erster US-amerikanischer Diplomat seine Dienstgeschäfte auf.
2001
Nach dem Besuch von US-Präsident Clinton im Jahr 2000 unterzeichnen Vietnam und die USA im Dezember 2001 ein Handelsabkommen, das die wirtschaftlichen Beziehungen normalisiert.
2005
Mit Pha Van Khai besucht der erste vietnamesische Premierminister seit Ende des Vietnamkriegs die USA.
2006
Der 10. Parteitag beschließt weitreichende Reformen und ernennt Nguyen Tan Dung zum neuen Ministerpräsidenten.
Ab 2009
Die vietnamesische Regierung lässt regimekritische Journalisten von ihren Posten entfernen.
2012
In Hanoi wird mit dem Keangnam Hanoi Landmark Tower (336 Meter) das höchste Gebäude Vietnams eröffnet.
2015
Der 40. Jahrestag des kommunistischen Sieges im Vietnamkrieg wird in Ho-Chi-Minh-Stadt mit einer Militärparade groß gefeiert.
In Schönheit und Würde altern und dabei gleichzeitig immer offen für Neues sein – dieses Kunststück ist Hanoi gelungen, der ältesten Hauptstadt Südostasiens und einer der schönsten Städte Asiens. Die Innenstadt bezaubert durch ihre Alleen, gesäumt von ockergelben Kolonialgebäuden, durch Parks mit knorrigen Bäumen, stillen Seen und verwunschenen Pagoden und ihre verwinkelten Altstadtgassen. Im Vergleich zu anderen asiatischen Großstädten wie Bangkok, Kuala Lumpur oder Singapur, die sich in den letzten Jahrzehnten zu modernen Metropolen westlicher Prägung entwickelt haben, hat sich Hanoi noch einen unverwechselbaren Charme bewahrt und strahlt im Gegensatz zu Saigon, seinem großen Rivalen im Süden, eine in sich ruhende über die Jahrhunderte gewachsene stilvolle Anmut und Würde aus.
Fast ein Jahrtausend ist vergangen, seit Kaiser Ly Thai To Hanoi im Jahr 1010 zur neuen Hauptstadt erklärte. Um die Dynamik und Kraft seiner Ly-Dynastie zu betonen, nannte er sie Thang Long (Aufsteigender Drache). Zügig ließ er mit dem Bau einer Zitadelle und der darin eingeschlossenen Kaiserstadt beginnen. Davon ist heute nichts mehr erhalten, weil Hanoi im Verlauf seiner wechselhaften Geschichte von mehreren Invasoren erobert, umbenannt und umgebaut wurde.
Die deutlichsten Spuren hinterließen die Franzosen, die Hanoi nach der Eroberung 1883 zur Hauptstadt von Indochina machten. In ihrem von kolonialem Machtgehabe geleiteten Anspruch, Hanoi in eine französisch anmutende Stadt zu verwandeln, ließen sie die Zitadelle mitsamt Kaiserstadt ebenso abreißen wie einige der bedeutendsten undältesten Pagoden. Sie schütteten Straßen zu, um Platz für neue zu schaffen, und drückten Hanoi mit Kolonialvillen, der Oper, dem Palast des französischen Generalgouverneurs, dem Hotel Metropole und breit angelegten Straßen, gesäumt von Schatten spendenden Bäumen ihren Stempel auf. Daran änderten weder die 40-jährige Herrschaft der Kommunisten noch der Vietnamkrieg viel. Zwar ließ die US-amerikanische Luftwaffe allein Weihnachten 1972 über 40 000 Tonnen Sprengstoff auf die Hauptstadt des kommunistischen Nordens werfen, doch wurden dadurch fast ausschließlich strategische Ziele in den Außenbezirken Hanois zerstört.
Es ist jedoch zu befürchten, dass der nostalgische Charme der alten Dame Hanoi in wenigen Jahren den Kräften des neuen, modernen Vietnams zum Opfer fallen wird. Heute erscheinen die Folgen der Ende der 1980er Jahre eingeläuteten wirtschaftlichen Öffnungspolitik Doi Moi weit bedrohlicher für die Substanz der Stadt als Sozialismus, US-amerikanische Bomben oder das stets feuchte Klima. Augenfälligstes Beispiel hierfür sind die inzwischen 3,5 Millionen Motorräder, die die Straßen Hanois in einen ständigen Ausnahmezustand versetzten. Zudem müssen mehr und mehr Kolonialvillen der Jahrhundertwende modernen Hochhäusern weichen.
Es bleibt zu hoffen, dass die von der Stadtverwaltung in den letzten Jahren verordneten Gegenmaßnahmen noch rechtzeitig Wirkung zeigen. So könnte Hanoi zum Vorreiter einer Bewegung werden, die einer vorsichtigen Modernisierung unter Beibehaltung der traditionellen Baustruktur den Vorzug vor einer hemmungslosen Verwestlichung gibt.
Ein Ausflug in die Umgebung Hanois veranschaulicht exemplarisch das alte agrarische und das neue kapitalistische Vietnam wie in einem Brennspiegel. Nirgendwo sonst ist Vietnam so vietnamesisch wie in der jahrtausendealten Kulturlandschaft und gleichzeitig so ungehemmt westlich. Die Bandbreite reicht von sechsspurigen Autobahnen, flankiert von modernen Fabriken internationaler Unternehmen, schicken Geschäften und neu errichteten Hochhäusern bis zu von Dornenhecken umschlossenen Dörfern, von niedrigen Dämmen durchzogenen Reisfeldern mit eifrig im Schlamm arbeitenden Bauern bis zu idyllischen Landschaften und uralte Pagoden.
Es lohnt sich, früh aufzustehen, um dabei zu sein, wenn sich junge und alte Hanoier am Ufer des Hoan-Kiem-Sees zu ihren Tai-Chi-Übungen treffen – dann scheint der Geist des alten Vietnam gegenwärtig zu sein. Die Sonnenstrahlen durchbrechen den morgendlichen Nebel, Vögel zwitschern und die Stadt atmet noch einmal tief durch.
Doch schon bald wird diese zeitlose Weltentrücktheit durchbrochen vom Geknatter der unzähligen Motorräder, die die ehemalige Fahrradstadt nun vereinnahmt haben. Gegen acht Uhr morgens finden sich die ersten Straßenverkäufer ein. Typisch für ganz Vietnam sind dabei die älteren Frauen mit ihren tragbaren Garküchen und großen Reisstrohhüten. Im Laufe des Tages folgen ihnen Rentner, die auf den Parkbänken unter Bäumen zum Kartenspielen zusammenkommen, Touristen und einheimische Flaneure, die eines der zahlreichen Cafés aufsuchen. Und zum Sonnenuntergang nehmen Liebespärchen den Platz der Rentner auf den Parkbänken ein – der Hoan-Kiem-See vereint die Generationen, weil er trotz aller sichtbaren Veränderungen der Neuzeit eine über die Jahrhunderte gewachsene Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, die ihn zu einem Anker der Stabilität im Trubel der Moderne machen.
ABENTEUER STRASSENÜBERQUERUNG
Dass die 3,5 Millionen Motorräder Hanois mehr als eine abstrakte Zahl sind, erlebt der ebenso faszinierte wie verschreckte Tourist spätestens, wenn es heißt, eine der überfüllten Straßen zu überqueren. Was auf den ersten Blick nach einem halsbrecherischen Unterfangen aussieht, entpuppt sich schnell als ein (nach ein paar Versuchen) vergnügliches Abenteuer. Die Einheimischen machen es vor: Das Geheimnis liegt darin, trotz des scheinbaren Verkehrchaos die Straße in aller Ruhe mit gleichmäßigem Schritt zu überqueren. So wissen einen die Motorradfahrer einzuschätzen und umschiffen einen respektvoll. Wer trotzdem Angst hat, hängt sich an die Fersen eines Hanoiers.
Im ebenso geschichtsträchtigen wie legendenverliebten Vietnam verwundert es nicht, dass sich hinter dem ungewöhnlichen Namen, »See des zurückgegebenen Schwertes«, eine nette Geschichte mit historischem Bezug verbirgt. Und wie so häufig stehen dabei die Chinesen, die über Jahrtausende vom Norden die Unabhängigkeit Vietnams bedrohten, sowie ein einheimischer Freiheitskämpfer im Mittelpunkt.
Held der Geschichte ist der Großgrundbesitzer Le Loi, der Anfang des 15. Jahrhunderts in einen zehnjährigen Unabhängigkeitskampf gegen die chinesischen Besatzer der Ming-Dynastie verwickelt war. Als die Schlacht schon fast verloren schien, tauchte aus der Mitte des Sees eine goldene Schildkröte auf, die ihm ein Schwert übergab, mit dessen Hilfe er schließlich die feindlichen Invasoren besiegen konnte. Bei der anschließenden Siegesfeier auf dem See tauchte die Schildkröte erneut auf, worauf das Schwert, wie von magischer Hand, aus der Scheide des Königs in das Maul der Schildkröte glitt, die gleich danach wieder im Wasser untertauchte.
Der als neuer Nationalheld zum Kaiser Le Thai To aufgestiegene Le Loi ernannte daraufhin die Schildkröte zur Schutzherrin der Stadt. Ihr zu Ehren steht im Süden des Sees der Schildkrötenturm (Thap Rua), der sich über die Jahrhunderte zu einem Wahrzeichen der Stadt entwickelte.
Im Nordosten des ein Kilometer langen und 200 Meter breiten Sees befindet sich eine zweite Insel, genannt Ngoc Son (Jadeberg). Zu ihr führt die schön verzierte, rot lackierte Holzbrücke The Huc (Brücke der Aufgehenden Sonne), eines der beliebtesten Fotomotive Hanois. Links vor dem Eingang zur Brücke wird das auf einem Steinhügel errichtete Denkmal für die Literaten in Form eines großen Tuschpinsels von den meisten Besuchern übersehen. Von der gewölbten Holzbrücke bietet sich ein besonders fotogener Blick auf den See, und am ihrem Ende ist die Schildkröte mit dem Schwert im Maul zu sehen.
Wendet man sich nach links, erreicht man den eigentlichen Ngoc-Son-Tempel, der sich aus drei hintereinanderliegenden Räumen zusammensetzt. Wie im polytheistischen Vietnam üblich, werden hier gleich mehrere Heilige verehrt. Im leicht erhöhten Hauptraum, der Zeremonienvorbereitungen dient, sind es drei daoistische Gottheiten. Am auffälligsten ist der rotgesichtige General Quang Cong, der immer in Begleitung seines mit Flügeln ausgestatteten Pferdes dargestellt wird. Während die Statue des Gottes der Heilkundigen (La To) daneben etwas verblasst, platzierte man den Schutzgeist der Literaten (Van Xuong) auf einen Thron. Nach Überschreiten einer hohen Türschwelle betritt man den dritten Raum, an dessen Ende in einem Schrein die Statue des Feldherrn Tran Hung Dao gehuldigt wird, der im 13. Jahrhundert die Mongolen am Bach-Dang-Fluss bei Haiphong besiegte.
In einem angeschlossenen Nebenraum, auf dem Weg zum Ausgang, ist in einer Glasvitrine eine präparierte, über zwei Meter lange und 250 Kilogramm schwere Schildröte ausgestellt. Glaubt man den offiziellen Angaben, wurde dieses Riesentier 1968 aus dem Hoan-Kiem-See geborgen und etwa 400 Jahre alt geworden sein. Es fällt schwer, hierbei an reinen Zufall zu glauben, wenn man bedenkt, dass das Geburtsjahr des Tieres genau in die Zeit des Volkshelden Le Loi fällt. Zudem war im Fundjahr 1968 das unmittelbare Ende des dahinsiechenden Führers Ho Chi Minh abzusehen, und die Bevölkerung Hanois hatte unter schwersten Bombardements zu leiden. Man kann sich nicht der Vermutung entziehen, dass es sich hierbei um eine von der politischen Führung wohldurchdachte Inszenierung handelte, um den Durchhaltewillen der Bevölkerung angesichts der schweren Prüfungen zu stärken.
Hanois Altstadt, die sich unmittelbar nördlich an den »See des zurückgegebenen Schwertes« anschließt, ist eines der beeindruckendsten, in sich geschlossenen Stadtensembles Asiens.
Wer die Entwicklung anderer asiatischer Großstädte wie Bangkok, Kuala Lumpur oder Singapur in den letzten 20 Jahren miterlebt hat, in denen bis auf wenige renovierte Häuserzeilen alte, über Jahrhunderte gewachsene Stadtviertel modernen Neubauten Platz machen mussten, wird einen Spaziergang durch die verwinkelten Altstadtgassen von Hanoi als Entdeckungstour der Sinne besonders zu schätzen wissen. Für Klaustrophobiker sind die viel zu engen Straßen und Gassen, auf denen Straßenstände, Garküchen, Lastenträger, Motorräder, Cyclos, Fahrräder und Fußgänger um Platz und Einfluss wetteifern, sicher nicht der richtige Ort.
Die Ursprünge der Altstadt, die sich zwischen Hoan-Kiem-See im Süden, dem Roten Fluss im Norden und der Zitadelle im Westen ausbreitet, gehen auf den Stadtgründer Ly Thai To zurück. Anfang des 12. Jahrhunderts, als Hanoi noch Thang Long hieß, siedelten sich Handwerker, Bauern und Fischer aus den umliegenden Dörfern an, um ihre Waren im Umkreis des Kaiserpalastes feil zu bieten. Meistens kamen ganze Familienverbände aus einem Dorf, das sich auf die Herstellung von Waren spezialisiert hatte, die am Hof besonders begehrt waren, wie Devotionalien, Waffen, Schmuck oder Möbel.