Berlin: Willkommen in der buntesten Stadt der Welt! | |
Chronik Berlins: Daten zur Stadtgeschichte | |
Berlin-Magazin: Die Stadt als Wundertüte | |
Stadttour: Ab durch die Mitte | |
Die Stadtviertel Berlins | |
Mitte-Tiergarten Berlins alte Pracht, Regierungsviertel und Shoppingzentrum |
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Charlottenburg Die City West blüht auf |
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Kreuzberg Legendäres Nachtleben, kreative Szene, internationales Flair |
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Friedrichshain Partyzone in geschichtsträchtiger Kulisse |
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Prenzlauer Berg Vom Zentrum des politischen Widerstands zum Familienkiez |
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Tempelhof-Schöneberg Gay-Szene, Grüngürtel und jede Menge Historie |
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Neukölln Aufbruchstimmung im Problembezirk |
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Von Wannsee bis Köpenick Jenseits von Mitte |
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Oasen in der Stadt: Plätze zum Entspannen | |
Erleben & Genießen | |
Übernachten: Hotels, Hostels und Pensionen | |
Essen und Trinken: Von Currywurst bis Sterneküche | |
Bars und Kneipen: Von klassisch bis schräg | |
Clubs: Von szenig bis schick | |
Konzerte: Musikstadt Berlin | |
Theater: Von Brecht bis Performance | |
Shopping: Einkaufsmeilen, Luxuskaufhäuser und Szeneshops | |
Mit Kindern in Berlin: Fledermäuse, Planschbäder und Museen | |
Wellness: Spa, Liquidrom oder Hamam | |
Stadttouren: Mit Kennern durch die Stadt | |
Vor den Toren der Stadt: Potsdam, Schwielowsee, Märkische Schweiz, Schorfheide-Chorin, Oderbruch, Ruppiner Seenland, Spreewald, Rheinsberg | |
Service von A bis Z | |
Orts- und Sachregister | |
Namenregister | |
Bildnachweis | |
Impressum | |
Zeichenerklärung |
Ob das pulsierende Nachtleben oder die mit Händen greifbare deutsch-deutsche Geschichte, ob einzigartiges Kultur-Event oder herausragendes Sportereignis: Berlin ist unerschöpflich und voller Überraschungen! Wer hier die spannendsten Seiten kennenlernen will, kommt immer wieder: Denn keine Stadt wandelt sich so schnell wie Berlin.
Von Urban Gardening bis zur neuen Kaffeebewegung – dieser Reiseführer verrät Trends und führt im Berlin-Magazin an Orte, die selbst viele Einheimische nicht kennen. Spannende Stadtteilporträts bringen Geschichte und Eigenarten der Berliner Kieze näher. Die turbulente Berliner Stadtgeschichte ist Thema in der Chronik. Das Kapitel »Erleben & Genießen« versammelt Adressen, die den Städtetrip erst richtig rund machen: Übernachtungstipps für jeden Geldbeutel; wo gibt’s die besten Steaks und wo den leckersten Cocktail? In welchem Club wird welche Musik gespielt? Was kann man mit Kindern unternehmen? Wer bietet die interessantesten Stadtführungen an? Und: Shopping – feine Adressen und Schnäppchen-Hits. Der »Service von A bis Z« liefert wichtige Informationen von Anreise bis Verkehrsmittel.
Ortrun Egelkraut lebt und arbeitet als freie Journalistin und Reisebuchautorin in Berlin. Zuvor studierte sie Germanistik, Theaterwissenschaft und Publizistik und war Kulturredakteurin einer Berliner Tageszeitung.
Anna Bockhoff hat zunächst in Frankreich an der Université d’Orléans moderne Literaturwissenschaft studiert. 2011 schloss sie ihr Masterstudium an der Humboldt-Universität in Berlin ab. Die Autorin lebt und arbeitet im Stadtteil Prenzlauer Berg. Sie schreibt u. a. auch für den Blog von Visitberlin.
Ulrike Wiebrecht arbeitete nach dem Studium der Romanistik und Philosophie zunächst in Barcelona. Seit 1995 lebt die freie Journalistin und Buchautorin in Berlin. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen Kultur und Reisen.
Berlin
Eine Übersichtskarte von Berlin mit den eingezeichneten Stadtvierteln finden Sie in der vorderen Umschlagklappe und in der hinteren einen U-Bahn-Plan |
Ob Rio oder Regensburg, Delhi oder Dortmund, Mailand oder Manchester: Die Welt schaut auf Berlin, die Stadt, von der man spricht, die cool ist und Trends setzt, sich ständig verändert und die man einfach gesehen haben muss!
Über elf Millionen Menschen kommen jährlich aus aller Welt nach Berlin, Tagesbesucher und Gäste, die bei Freunden übernachten, nicht mitgerechnet. Und was suchen Berlinreisende? Was wollen sie sehen, was erleben? Was hat Berlin, was andere Städte nicht haben? Berlin hat offenbar von allem etwas und deshalb findet auch jeder sein ganz individuelles Stück der Stadt. Von klassischen Sehenswürdigkeiten bis zum Kleinstadtcharme im Kiez, von der Weltkultur in Museen und auf den Bühnen bis zur kreativen Szene in Mode und Medien, vom pulsierenden Nachtleben bis zur grenzenlosen Einkaufswelt, von der kulinarischen Vielfalt bis zu verborgenen Naturschönheiten gibt es unendlich viel zu entdecken. Und nicht zuletzt sind die authentischen Orte der Vergangenheit häufig Anlass genug, Berlin zu besuchen.
Über 25 Jahre sind seit dem Fall der Berliner Mauer vergangen. In der ersten Wende-Euphorie wurde sie abgerissen und bis auf einzelne Überbleibsel weggeschafft. Inzwischen ist ein Netz aus Relikten, Gedenkstätten, Markierungen und Infotafeln im Stadtbild entstanden. Die DDR-Vergangenheit wird vielerorts thematisiert, z.B. in der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße (vgl. S. 57), im Stasi-Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen (vgl. S. 58) oder im DDR-Museum (vgl. S. 51).
Auch der anderen deutschen Diktatur des 20. Jahrhunderts wird gedacht: Der wichtigste Ort zur Information über die Verbrechen der Naziherrschaft ist das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors (vgl. S. 85) in Kreuzberg, auf dessen Ausstellungsgelände u. a. die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein eigenes Gefängnis und Folterkeller hatte.
Bei Ausgrabungen auf der Schlossplatz-Baustelle stießen Archäologen auch in tiefere Schichten vor und fanden heraus: Berlin ist älter als die »Geburtsurkunde« von 1237 vermerkt und jünger als viele meinen. Obwohl mit der Reichsgründung 1871 auch die Gründerzeit begann und Berlin einen rasanten Aufschwung erlebte – zur Metropole wurde es erst 1920, als man Groß-Berlin aus acht Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken bildete. Beinahe über Nacht wuchs die Stadt über sich hinaus, von 66 auf 878 Quadratkilometer, inzwischen sind es 892.
Das Gold der 1920er Jahre blätterte schon während der Weltwirtschaftkrise 1928 ab. 1933 war es mit den glanzvollen Zeiten endgültig vorbei. Nach Kriegsende 1945 lag die Stadt in Schutt und Asche. Man muss alte Fotos oder Filme sehen, zum Beispiel in der Kreuzberger Topographie des Terrors (vgl. S. 85), um zu ahnen, wie wenig vom historischen Berlin übrig geblieben ist. Umso mehr kann man die gewaltige Leistung des Wiederaufbaus auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs würdigen. Viele Baulücken blieben aber noch Jahrzehnte bestehen. Erst nach dem Mauerfall bekam Berlin ein attraktiveres neues Gesicht. Aber die Stadt ist längst nicht fertig – und wird es wohl auch niemals sein.
Das wilde, das unfertige Berlin übt einen ganz besonderen Reiz aus und Künstler, Kreative, Studenten und andere junge Menschen beleben den Stadtraum immer wieder neu. Ob Gemüse ziehen neben einer Hauptverkehrsstraße, Leben im Bauwagen zwischen den Häusern oder selbst gebackene Pasteten verkaufen beim Street Food Thursday (vgl. S. 88) – hier probieren viele Menschen neue Lebensformen aus und tun das, was ihnen gefällt. Es sind aber auch die Freiräume in der Nacht, die die Magie von Berlin ausmachen: Bars und Kneipen ohne Sperrstunde, die coolsten Clubs der Welt, Partys, die nie enden – viele wollen das wenigstens einmal erleben und feiern so, als gäbe es keinen Morgen.
Und was für die kreativen Bewohner gilt, das gilt auch für die Wirtschaft. Von der »hippsten Metropole des Kontinents« ist in Investorenkreisen die Rede. Das bedeutet: dabei sein, den Hype um die Stadt nutzen. Denn: Wer in Berlin nicht vertreten ist, spielt nicht in der ersten Liga.
Drei Opernhäuser, acht Spitzenorchester, große Konzertsäle, rund 150 Theater, 160 Museen, 400 Galerien, 260 Filmtheater, unzählige kleine Spielstätten für Musik und andere Events – alle Genres, Stile und Auftrittsorte bringen es zusammen auf etwa 1500 Veranstaltungen täglich. Aber nicht nur die Zahlen sind beeindruckend, die Qualität ist es auch. Genannt seien beispielhaft: Berliner Philharmoniker, Komische Oper, Staatsoper im Schillertheater, Deutsches Theater und Friedrichstadtpalast.
Manche Aufführungen sind Monate im Voraus ausverkauft, aber oft hat man noch an der Abendkasse Glück. Eine gute Übersicht über die Museumslandschaft gewinnt man bei der Langen Nacht der Museen, die im Mai stattfindet, jeweils am Samstag vor dem Internationalen Museumstag.
Eine der größten und vielfältigsten Wissenschaftsregionen in Europa ist hier seit der Wende entstanden. An vier Universitäten, darunter mit der Freien Universität und der Humboldt-Universität zwei sogenannte Exzellenzuniversitäten, der Charité-Universitätsmedizin Berlin, sieben Fachhochschulen, drei Kunsthochschulen, 18 privaten Hochschulen sowie über 60 Forschungsstätten lehren, forschen, arbeiten und studieren hier rund 200 000 Menschen aus aller Welt.
Die bekanntesten Forschungszentren jeweils mit mehreren Instituten sind die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtzgemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried-Wilhelm-Leibniz und die Max-Planck-Gesellschaft. Außerdem bietet die Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien mit Adlershof, dem Campus Berlin-Buch und rund 20 weiteren innerstädtischen Technologieparks und Gründerzentren beste Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Ideen und deren Umsetzung in marktfähige Produkte. In der Langen Nacht der Wissenschaft im Mai können Interessierte hinter die Kulissen schauen.
Rund 800 kreative Designer, Kreationen etablierter Labels und viele Nachwuchstalente von den hiesigen Designhochschulen machen Berlin zu einem Hotspot der Modebranche. Vor allem junge Kreative finden hier Freiräume und Experimentierfelder. Sieben Modemessen im Jahr, darunter die bekannte Streetwear-Schau Bread & Butter, präsentieren über tausend Sommer- und Winterkollektionen.
Eine der grünsten Städte Europas mit viel Wasser – auch das ist Berlin. Fast ein Fünftel des Stadtgebiets besteht aus Wald, hinzu kommen 435 000 Straßenbäume. Mehr als 2500 Parks und andere Grünanlagen tragen zur guten Berliner Luft bei, vor allem der große Tiergarten (vgl. S. 42) und die Tempel-hofer Freiheit (vgl. S. 122), das ehemalige Flughafengelände.
Drei Flüsse – Spree, Dahme, Havel – und sieben Seen durchziehen die Stadt und ergeben zusammen rund 240 Kilometer Wasserwege. Und natürlich gibt es auch am Wasser reichlich Sportmöglichkeiten: Schwimmen, Segeln, Rudern oder Stand-up-Paddeln. Ausflugsschiffe sind auf allen Gewässern unterwegs. Die längste Tour – vom Hafen Treptow nach Wannsee und durch die Innenstadt zurück – dauert neun Stunden!
Gebaut wird in Berlin auf jeder freien Fläche: Büros, Hotels und Wohnungen – meist in der Luxusklasse und überall da, wo es besonders schön ist. Und die Shopping-Malls zum Geldausgeben werden immer größer. Neuestes Mega-Projekt: The Mall of Berlin am Leipziger Platz in Mitte.
Während sich Touristen freuen, dass man in den Berliner Hotels so günstig übernachten kann, klagen die Berliner über steigende Mieten und die Verdrängung der ursprünglichen Bewohner. Einfache Wohnungen werden luxuriös modernisiert, was eine Aufwertung zur Folge hat und auf dem Immobilienmarkt höhere Renditen für Investoren bringt.
Immer häufiger werden dagegen Bürger aktiv, gründen Kiezinitiativen, die steigende Mieten verhindern wollen, reichen Petitionen ein oder rufen zum Volksbegehren auf.
Hertha BSC/1. FC Union Berlin (Fußball), Füchse Berlin (Handball), Eisbären (Eishockey), Alba Berlin (Basketball), BR Volleys (Volleyball): Sechs Clubs in fünf Sportarten spielen an so prominenten Orten wie dem Olympiastadion oder der O2-Arena. Die nächsten internationalen Großveranstaltungen stehen auch schon fest: 2015 das Finale der Champions League und 2018 die Leichtathletik-Europameisterschaft.
Mit dem Bau des internationalen Großflughafens klappt es nicht so recht. Wann das erste Flugzeug landet, ist ungewiss. Aber niemand muss sich dadurch von einer Flugreise nach Berlin abschrecken lassen – der Flughafen Tegel und der alte Flughafen Schönefeld arbeiten weiter zuverlässig.
»Es gibt immer so’ne und solche«: Die Busfahrerin, die im Befehlston versucht, das ältere Paar vor der Endhaltestelle während der Fahrt vom Oberdeck nach unten zu zitieren, damit ihr auch keine halbe Minute von der Pause abgeht, oder den Busfahrer, der nach dem Anfahren noch einmal abbremst, um die mit schwerem Gepäck heranhastenden Touristen mitzunehmen und lächelnd triumphiert: »Sehnse, dit is Berlin!«
Die Heveller errichten mit dem Herrensitz »Spandow« (Spandau) eine erste Siedlung im Berliner Raum. Etwa gleichzeitig lassen sich die Sprewanen, ein anderer slawischer Stamm, an der Schlossinsel Köpenick nieder.
stehen in Berlin und Cölln erste hölzerne Wohnhäuser, wie jüngste archäologische Funde belegen.
Spandau erhält das Stadtrecht.
Erste urkundliche Erwähnung der Kaufmannssiedlung Cölln: Das Pergament mit sieben Siegeln, im Domstiftsarchiv Brandenburg aufbewahrt, gilt als die Geburtsurkunde der Stadt Berlin. 1244 wird die rund um die Nikolaikirche erbaute Siedlung Berlin erstmals in einem Dokument erwähnt.
Berlin und Cölln bilden einen gemeinsamen Rat.
Der Nürnberger Burggraf Friedrich VI. von Hohenzollern erhält die Mark Brandenburg als Lehen und begründet als Kurfürst Friedrich I. die 500-jährige Herrschaft der Hohenzollern.
Berlin und Cölln erwerben die Johanniterdörfer Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Richardsdorf (Rixdorf, seit 1912 Neukölln).
Am Ufer der Spree lässt Kurfürst Friedrich II. eine Burg errichten, der Vorgängerbau des späteres Stadtschlosses.
Kurfürst Joachim II. lässt die Burg zum Renaissanceschloss ausbauen und leitet 1539 in Kurbrandenburg die Reformation ein. Berlin wird führende Stadt des Protestantismus.
Fast 10 000 Menschen fallen Pestepedemien zum Opfer.
Der Dreißigjährige Krieg fordert weitere Opfer; am Ende hat Berlin nur noch 6000 Einwohner.
Regierungszeit Friedrich Wilhelms, der 1620 im Schloss zu Cölln/ Spree geboren wird. Dem »Großen Kurfürsten« gelingt nach dem Westfälischen Frieden allmählich ein wirtschaftlicher Aufschwung in Berlin und der Mark durch Förderung der Landwirtschaft und die Ansiedlung holländischer Handwerker, Baumeister, Künstler und Kaufleute, die moderne Produktionsmethoden einführen. 1647 lässt er die Allee Unter den Linden zwischen Schloss und Tiergarten anlegen. Mit dem Edikt von Potsdam erlaubt der Große Kurfürst 1685 die Einwanderung von in Frankreich verfolgten protestantischen Hugenotten.
Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg reist in das preußische Herzogtum Königsberg und krönt sich dort zum »König in Preußen«. Er zieht mit Prunk in Berlin ein und macht das Schloss zur repräsentativen Residenz.
Aus den Städten Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheen-stadt und Friedrichstadt entsteht die Gemeinde Berlin mit rund 60 000 Einwohnern.
Friedrich der Große wird im Berliner Schloss geboren.
In seiner Regierungszeit lässt Friedrich der Große u. a. das Forum Fridericianum, das Königliche Opernhaus und die St. Hedwigskathedrale errichten. Berlin wird zu einer Hauptstadt von europäischem Rang und zum Zentrum der Aufklärung.
Berlin hat über 170 000 Einwohner und ist bedeutendste Industriestadt Preußens (Baumwoll- und Seidenmanufakturen).
Napoleon zieht durch das Brandenburger Tor in die preußische Hauptstadt ein und nimmt als Kriegsbeute die Quadriga mit nach Paris. Bis 1808 bleibt Berlin unter französischer Besatzung.
Die auf Initiative von Wilhelm von Humboldt gegründete Universität (heute Humboldt-Universität) nimmt den Lehrbetrieb auf. Wissenschaft, Literatur, Musik- und Theater erleben eine Blütezeit.
König Friedrich Wilhelm III. ruft zum Freiheitskrieg gegen Napoleon auf. Die Befreiungskriege enden 1815.
Berlins erste Eisenbahnstrecke führt von Potsdam über Zehlendorf zum Bahnhof Potsdamer Platz.
Scheitern der Märzrevolution gegen Friedrich Wilhelm IV.; Berlin entwickelt sich zum Industriestandort.
König Wilhelm I. wird in Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert; Fürst Otto von Bismarck wird Reichskanzler; Berlin wird Hauptstadt des Deutschen Reiches. In den folgenden »Gründerjahren« wächst Berlin zur Millionenstadt. Mietskasernen für die Arbeiter entstehen; neuer Aufschwung des kulturellen Lebens.
Eröffnung der Berliner Stadtbahn, die das Zentrum auf einer knapp zwölf Kilometer langen Hochbahnstrecke zwischen dem heutigen Ostbahnhof und dem Bahnhof Charlottenburg durchquert.
Eröffnung des Reichstagsgebäudes.
Einweihung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Die erste Hoch- und U-Bahn verkehrt zwischen Warschauer Brücke und dem »Knie« (heute Ernst-Reuter-Platz); Berlin verfügt bald über eines der leistungsfähigsten Nahverkehrssysteme der Welt.
Mit der Eröffnung des Teltowkanals, der von Köpenick nach Potsdam führt, wird Berlin zu einer der großen Binnenhafenstädte Europas.
Kaiser Wilhelm II. dankt nach der Novemberrevolution ab; Philipp Scheidemann (SPD) ruft im Reichstag, Karl Liebknecht (Spartakusbund) vom Balkon des Stadtschlosses die Republik aus.
Aus acht Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken entsteht die Gemeinde Groß-Berlin mit vier Millionen Einwohnern. Trotz Weltwirtschaftskrise (600 000 Arbeitslose) und politischer Unruhen blüht die Kunst und Kultur auf. Beginn der Goldenen Zwanziger.
Berlin hat mit 173 000 Juden (4,3 % der Bevölkerung) die fünftgrößte jüdische Gemeinde der Welt.
Machtübernahme der Nationalsozialisten. Im selben Jahr: Reichstagsbrand, Bücherverbrennung auf dem Opernplatz (heute Bebelplatz). Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte durch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Es folgen u. a. Berufsverbote für Juden, Zwangsenteignungen, Entfernung aus dem Staatsdienst.
Die Olympischen Sommerspiele werden zum Propagandaspektakel.
Reichspogromnacht (9./10. November): Anschläge auf Synagogen und jüdische Geschäfte.
Beginn der Massendeportation der Berliner Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager.
Auf der Wannsee-Konferenz am 20. Januar wird die Vernichtung der Juden beschlossen und detailliert geplant.
Verheerende westalliierte Luftangriffe auf Berlin mit mehr als 50000 Toten.
Das Attentat auf Hitler am 20. Juli in Ostpreußen misslingt. Die Verschwörer unter Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg werden im Bendler-Block (heute Gedenkstätte) hingerichtet.
Adolf Hitler begeht am 30. April im Bunker der Reichskanzlei Selbstmord. Die Wehrmacht kapituliert am 8. Mai. Die schwer verwüstete Stadt wird von den vier Siegermächten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich in vier Sektoren verwaltet. Der Wiederaufbau beginnt.
Berlin-Blockade durch die Sowjets und politische Teilung; West-Berlin wird fast ein Jahr lang über die Luftbrücke versorgt.
Zunehmender politischer Druck der SED an der (Ost-Berliner) Humboldt-Universität führt zur Gründung der Freien Universität in West-Berlin.
In Bonn wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. (West-)Berlin wird unter Maßgabe alliierter Vorbehalte zu einem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Im Oktober wird in Ost-Berlin die Deutsche Demokratische Republik (DDR) proklamiert, Ost-Berlin wird Hauptstadt und Regierungssitz der DDR.
Am 17. Juni kommt es zum Volksaufstand in Ost-Berlin.
Bau der Berliner Mauer am 13. August.
West-Berlin ist Zentrum der Außerparlamentarischen Opposition (Studentenbewegung).
Das Viermächteabkommen garantiert die Transitwege und erleichtert den Besuch von West-Berlinern in Ost-Berlin.
750 Jahre Berlin: getrennte Feiern in beiden Teilen der Stadt.
Friedliche Revolution in Ost-Berlin. Auf dem Alexanderplatz findet am 4. November die größte Demonstration in der Geschichte der DDR statt. Am 9. November fällt die Berliner Mauer.
3. Oktober: Die Wiedervereinigung ist vollzogen. Der Tag der Deutschen Einheit wird Nationalfeiertag. Am 2. Dezember wird das erste Gesamtberliner Abgeordnetenhaus gewählt.
Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestags am 20. Juni in Bonn: Berlin wird Regierungssitz und Bundeshauptstadt.
Die Alliierten verlassen Berlin – das Ende der Nachkriegszeit.
Christo und Jeanne Claude verhüllen den Reichstag. Das Kunstwerk lockt Millionen Besucher nach Berlin.
Die Bundesregierung zieht nach Berlin. Die Museumsinsel wird in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Neugliederung der 23 Berliner Bezirke in zwölf Verwaltungen. Eröffnung des Jüdischen Museums Berlin.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Holocaust-Mahnmal) wird eingeweiht.
Mit dem neuen Hauptbahnhof eröffnet der größte Umsteigebahnhof Europas. Bei der FIFA-WM ist Berlin Gastgeber für vier Gruppenspiele, ein Viertelfinale und das Endspiel. Die Straße des 17. Juni wird zur Fan-Meile.
Der Flughafen Tempelhof wird geschlossen. Sechs Berliner Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus der 1920er Jahre werden zum UNESCO-Welterbe ernannt.
Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus regiert eine große Koalition (SPD/CDU).
Die geplante Eröffnung des Internationalen Flughafens Berlin Brandenburg (BER) muss verschoben werden. Die Stadt feiert ihr 775-jähriges Bestehen.
Beginn des U-Bahn-Baus zwischen Brandenburger Tor und Rotem Rathaus. Grundsteinlegung für das Humboldt-Forum. Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und zum 75. Jahrestag der Novemberpogrome.
Berlin begeht den 25. Jahrestag des Mauerfalls mit einer Lichtinstallation entlang eines Teils des ehemaligen Mauerverlaufs zwischen Ost- und West-Berlin. Gedenken zum Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.
Das Champions League Finale wird im Olympiastadion ausgetragen. Die Tempelhofer Freiheit (Ex-Flughafengelände) wird zur Rennstrecke der neuen Formel E für Elektroautos.
Ein Labor für neue Lebens-, Mode- oder Esskultur, innovativ und immer auf dem Sprung – das ist Berlin. Hier werden Trends kreiert und neue Produkte erfunden. Ob Kräuteranbau auf dem Parkdeck, Cafés mit Barista-Experten oder Mikrobrauereien – der Wille, Neues auszuprobieren ist groß und die Berliner sind ein dankbares Publikum – hier liebt man den letzten Schrei!
Seit einiger Zeit gibt es in Berlin eine Art Kaffee-Elite – Baristi, die mehr wollen als nur Kaffee mit Milchschaum servieren oder mit teuren Kaffeemaschinen angeben. Die Berlin Coffee Society (www.facebook.com/BerlinCoffeeSociety), eine kleine Gruppe Berliner Independent Coffee Shops, tauscht sich bei diversen Events über guten Kaffee aus. Es geht um nachhaltigen, bewussten Kaffeegenuss, um Transparenz und Fairness. Der Fokus liegt auf der Bohne – vom Strauch bis in den Röster und natürlich auf der Zubereitung. Die meisten Baristi der Slow-Coffee-Bewegung besinnen sich auf alt bewährte Methoden wie das Filtern per Hand. Das sieht im Chapter One (vgl. S. 180) von Nora Šmahelová und Björn Köpke auch unglaublich schön aus: Auf dem Tresen des Cafés steht ein Siphon, in dem von Halogenbirnen angestrahlten Kolben steigt das kochende Wasser auf und verbindet sich mit dem Kaffeepulver zu einer rötlich braunen Flüssigkeit.
Wie unterschiedlich guter Kaffee schmecken kann, zeigt auch Cory Andrew jeden Mittwoch bei seinen Kaffeeverkostungen im Café CK (vgl. S. 183). Darüber hinaus zählen Cafés wie The Barn (S. 182), Café 9 (S. 179), No fire no glory (S. 184) sowie Westberlin (S. 87) und Double Eye (S. 184) zur derzeitigen Berliner Kaffee-Elite.
Die Berliner sind unglaublich erfinderische Gärtner: Egal, ob es darum geht, Obstbäume zu pflanzen, Blumenwiesen oder Dachgärten anzulegen – für urbane Gartenprojekte werden passende Ecken, Flächen und Nischen gefunden. In Kreuzberg hat man mit der Wildblumenwiese (vgl. S. 85) in der Baerwaldstraße der Natur ein Stück Lebensraum zur Verfügung gestellt, welches in kürzester Zeit sowohl von einheimischen Wildpflanzen als auch von allerlei Kleinlebewesen in Anspruch genommen wurde. Dank des Engagements der Anwohner entstand in den letzten Jahren eine ganze Wiese mit Apfelbäumen im Görlitzer Park (vgl. S. 82) in Kreuzberg. Da gibt es Kiezgärten wie zum Beispiel in der Schliemannstraße (vgl. S. 109) in Prenzlauer Berg. Dort bauen Nachbarn im Kleinen Obst und Gemüse an, es wird gemeinsam gejätet und geerntet. Der Garten wird zum Treffpunkt verschiedener Generationen oder in Projekten, wie dem interkulturellen Pyramidengarten (vgl. S. 133) in Neukölln, zum Schnittpunkt von Natur, Kultur und Sozialem. Jede Gartensaison kommen hier Menschen unterschiedlicher nationaler, kultureller und religiöser Herkunft zusammen. Das Gartenbauteam der Prinzessinnengärten (vgl. S. 85) in Kreuzberg hat im letzten Jahr geholfen, 40 weitere große und kleine Nutzgärten für Kindergärten, Schulen und ähnliches einzurichten. Bereits seit 2009 wächst und gedeiht es auf der ehemaligen Brachfläche am Moritzplatz, mehr als 500 Kulturpflanzen wachsen hier in sehr unterschiedlich gearteten Beeten. Da rankt und blüht es aus aufeinandergesetzten Rohrverbindungsstücken, aus Bäckerkörben und Hochbeeten. Mittendrin steht das Gartencafé, aus dem Bauwagen heraus wird auch die Ernte des Gartens in Form von Suppen, Salaten, Säften sowie Pesto und Marmelade angeboten.
Darüber hinaus gibt es noch das »wilde Gärtnern«. Dabei greifen die Großstadtmenschen in Nacht- und Nebelaktionen zu Schaufel und Samen und begrünen vernachlässigte städtische Flächen. Mit Hundekot und Abfällen bestückte Baumscheiben (Erdreich unter Straßenbäumen) verwandeln sich so plötzlich in blühende Blumenbeete.
Was wären die Berliner nur ohne ihre modernen Tante-Emma-Läden? Der Spätkauf ist eine einzigartige Erfindung: Er hat meist 24 Stunden geöffnet, sieben Tage die Woche. Doch »Späti« ist nicht gleich Späti. Da es keine Vorschriften für die Ausrichtung und Gestaltung der kleinen Läden gibt, hat jeder einzelne von ihnen Unikatcharakter. Während der eine von frischen Äpfeln bis zu Zahnbürsten wirklich alles führt, hat der andere lediglich Spirituosen, Süßigkeiten und Zigaretten im Repertoire. Und so hat, je nach Bedarf, der Kiezbewohner seinen Lieblings-Späti. Ob für das familiäre Abendbrot noch die Tomaten fehlen oder in der WG des Nachts auffällt, dass kein Toilettenpapier mehr da ist – der Späti ist immer Retter in der Not und hat schon über so manch einen sonntäglichen Hangover hinweggeholfen. Darüber hinaus ist der Stamm-Späti für viele auch ein sozialer Anker. Im Unterschied zum anonymen Supermarkt herrscht hier eine unverbindliche Vertrautheit zwischen Kunde und Verkäufer – man kennt sich. Der Kiezkrämer ist ein Mikrokosmos, hier treffen sich zu jeder Tages- und Nachtzeit Gleichgesinnte. Oft ist der Späti Anlaufstelle für Bier und Zigaretten auf dem Weg zur ersten Party. Kein Wunder, dass im Sommer entsprechend der Berliner Draußenkultur »Späti-Touren« in Mode sind: Aus den zufälligen Zusammentreffen entstehen spontane, kleine Partys vor den Läden und man zieht wandertagsmäßig von einem Späti zum nächsten. Übrigens: Für diejenigen, die nicht wissen, wo sich der nächstgelegene Spätkauf befindet, ist bereits die Durst-App auf dem Markt.
Berlin hat an Spezialitäten weit mehr zu bieten als Currywurst. Es gibt eine ganze Reihe an Souvenirs und Mitbringseln, die äußerst lecker sind. Zum Beispiel Honig: Die Imker der Hauptstadt sorgen durch fairen und innovativen Handel mit dem feinen Berliner Honig (www.berlinerhonig.de) für mehr Bienen in der Hauptstadt. Hier finden die schwarzgelben Tierchen eine große Blütenvielfalt und das schmeckt man! Die Sorten entstehen je nach Erntezeit und Fluggebiet der Bienen. Von welchem Imker der Honig stammt, ist auf jedem einzelnen Glas festgehalten. Selbst auf dem Berliner Dom hütet ein Stadtimker sein Bienenvolk (www.berlin.deutschland-summt.de).
Auch die Geschichte Berlins wird auf geschmacklicher Ebene erfahrbar: Die Backmischungen von Backflasch beziehen sich jeweils auf einen bekannten Platz der Stadt. So erinnern die Rosinen und Schokoladenstückchen aus dem Glas »Platz der Luftbrücke« an die Rosinenbomber der Alliierten. Die rotgelb-grüne Mischung aus Cranberries, Apfel und Kürbiskern ehrt die erste Ampel Berlins, die 1924 am Potsdamer Platz errichtet wurde. Aber Vorsicht! Die per Hand befüllten Weckgläser sind wie das Leben in Berlin: verlockend und verhängnisvoll. Einmal auf den Geschmack gekommen, kann man schwerlich davon lassen.
Volle Pulle Berlin steckt in den Erzeugnissen der Berliner Brandstifter. Sowohl Kornbrand als auch Gin wird aus regionalen Zutaten hergestellt und nach alter Familientradition siebenfach gefiltert. Der Funke springt dank besonders hohem Reinheitsgrad und mildem Geschmack sogar ins Ausland über – die New York Times wählte den Premiumkorn aus der deutschen Hauptstadt unter die Top-15-Produkte aus Europa.
Da sich der Berliner Winter bekanntlich schwer und nur in Erwartung des folgenden Berliner Sommers ertragen lässt, hat Benjamin Fischer aus Kreuzberg Abhilfe geschaffen: Seit Kurzem gibt es den Berliner Winter in Form eines Mixgetränks aus Streuobstapfelsaft, Wodka und einer geheimen Gewürzmischung. Zu Ehren des großartigen Berliner Sommers, und weil das Produkt so gut ankam, hat er jüngst auch das passende Pendant kreiert: Nach Apfelsaft, Wodka, Limetten und Waldmeister schmeckt der Berliner Sommer.
Neben der Berliner Kaffeerösterei (vgl. S. 212), die zu den letzten Privatmanufakturen Deutschlands gehört und sich für nachhaltigen Kaffee, Tee und Schokolade verbürgt, importiert, röstet und verkauft Tres Cabezas den original Berlinkaffee. Den Bio und Fair Trade zertifizierten Kaffee gibt es in hübschen Beuteln mit Berlin-Skyline in vielen Berliner Bio-Supermärkten und im Laden Aus Berlin (vgl. S. 215), der auch alle anderen hier genannten Berlin-Delikatessen im Sortiment hat.
Hinter mancher Häuserfassade versteckt sich ein Paradies: Berlin ist bekannt für seine Hinterhöfe. Neben sehr detailliert aufgearbeiteten Wohn- und Gewerbehöfen, wie den Hackeschen Höfen (vgl. S. 54) oder den Heckmann Höfen (vgl. S. 162), gibt es in der ganzen Stadt viele kleine Oasen in Hinterhöfen zu entdecken. Wer sich auf Erkundungsreise begeben möchte, sollte einen Blick auf die Seite http://berliner-hinterhoefe.blogspot.de werfen oder sich einer geführten Tour durch die Welt der Berliner Hinterhöfe anschließen (vgl. S. 231).
Entstanden sind die Höfe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das hohe Bevölkerungswachstum und die Landflucht im Zuge der Industrialisierung hatte einen Wohnungsmangel in den Großstädten zur Folge. Ein Problem, auf das die preußische Regierung in Berlin mit speziellen Bebauungsplänen reagierte: Um freie Flächen optimal zu nutzen, entstand in den 1860er Jahren eine bis heute prägende sehr dichte Bebauung der Stadt. Die sogenannten Mietskasernen gliederten sich in mehrere Gebäudeteile. Auf das repräsentative, zur Straße gelegene Vorderhaus, welches dem Bürgertum vorbehalten war, folgten die standardisierten Kleinstwohnungen der Dienstboten und Handwerker im Hinterhaus, deren Zugang zu Tageslicht und frischer Luft oftmals nur durch die Hinterhöfe gewährleistet wurde. Die dunklen und heruntergekommenen Höfe fungierten als Zwischenraum, in dem sich Nachbarn trafen und sich die Wege der Bewohner aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten kreuzten.
Nach ihrer Sanierung entwickeln sich die Altbauten heute in der Regel zu begehrtem Wohnraum, bei dem ebenso der Gebrauchswert der Hinterhöfe groß ist. Hier wird häufig gegärtnert und gegrillt, und mancherorts sind richtige kleine Biotope entstanden mit begrünten Fassaden und seltenen Gewächsen. Auch hier zeigt sich wieder – die Berliner sind erfinderisch und selbst auf engstem (Stadt-)Raum ist Platz für Ideen und eine Hollywoodschaukel.
Berlin pflegt seine Traditionen auf ganz besondere Weise. Statt Altes nur zu kultivieren, wird es lieber neu interpretiert und weiterentwickelt. Vor gut 500 Jahren etwa erlebte der märkische Weinbau seine Blütezeit. Weingärten rankten sich entlang der Barnimhangkante, zwischen dem Weinbergsweg in Mitte und der Weinstraße in Friedrichshain. Die Straßennamen sind letzte Zeugen des Berliner Weinanbaus, die kleine Eiszeit erschwerte den Anbau und ließ die Rebstöcke absterben. In den 1970er Jahren wurde die alte Tradition wiederbelebt. Da Berlin jedoch kein offizielles deutsches Weinanbaugebiet ist, steht die hiesige Ernte per Gesetz nicht zum Verkauf. Der Berliner Wein wird zu besonderen Anlässen verschenkt und bei geführten Wein-Fahrradtouren (vgl. S. 230) verkostet (www.berlinerweinstrasse.eu; www.berliner-riesling.de).
Die Brauereitradition der deutschen Hauptstadt reicht nicht ganz so weit zurück. Aber auch hier spielte die Barnimkante eine wichtige Rolle: Der Hang im Süden von Prenzlauer Berg bot die Möglichkeit tiefe Kellergewölbe anzulegen, ersetzte damit die fehlenden Kühlanlagen und machte das Bier lagerfähig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg Berlin zu Europas Brauereihauptstadt auf. Einige der großen Betriebe wie Berliner Kindl oder Schultheiss können sich bis heute behaupten. Im Trend liegen jedoch die sogenannten Mikrobrauereien, die ihre Spezialitäten für den lokalen Markt herstellen. Diese interpretieren alte Brauereikunst neu und stellen aromatische Biersorten her, die unter dem Namen Craft Beer firmieren, etwa Hops & Barley (vgl. S. 188) in Friedrichshain.
Auch alte Brauereiareale werden neu interpretiert: Sie sind begehrte Veranstaltungsorte, Produktions- und Arbeitsstätten, bieten luxuriösen Wohnraum und fungieren als extravagante Gastronomiestandorte. Die ehemalige Bötzow Brauerei (vgl. S. 108) im Prenzlauer Berg beispielsweise ist dank des von Ausstellungen begleiteten Restaurants des Sternekochs Tim Raue derzeit angesagte Adresse für Gourmets und Kulturliebhaber.
Die kreative Szene bespielt den früheren Sitz der Kindl-Brauerei (vgl. S. 134) in Neukölln mit einem Zentrum für zeitgenössische Kunst, und auch das Biobier Rollberger wird hier gebraut. Im Sudhaus steigen Partys im Club Palast Neukölln. Die denkmalgeschützte Oswald-Brauerei (Brunnenstr. 143) in Mitte wird derzeit als Campus der Start-up-Szene ausgebaut.
Vormittag: Potsdamer Platz – Holocaust-Mahnmal – Brandenburger Tor – Unter den Linden – Forum Friderizianum – Schlossbrücke – Humboldt-Box/Baustelle Humboldt-Forum – Berliner Dom – Museumsinsel – Hackescher Markt.
Nachmittag: Hackesche Höfe – Sophienstraße – Große Hamburger Straße – Auguststraße – Oranienburger Straße.
War das noch Westen, gehörte das zum Osten? Wo verlief die Mauer? Über 25 Jahre nach dem Mauerfall ist in Berlin zusammengewachsen, was zusammengehört. Die Narben der 40-jährigen Teilung sind weitgehend verschwunden, die Brüche mit touristischem Blick kaum zu erahnen, aber sie werden sichtbar gemacht. Der Potsdamer Platz ist eine der markantesten Nahtstellen zwischen Ost- und West-Berlin und damit ein guter Einstieg in eine Tour durch die Stadt und ihre wechselvolle Geschichte.
Gönnen Sie sich zum Auftakt einen Blick von oben. Der »schnellste Aufzug Europas« bringt Besucher in 20 Sekunden zum Panoramapunkt auf der 24. Etage im Kollhoff-Tower.
Berlin WelcomeCard
Wenn Sie eine Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel, oder eine WelcomeCard (vgl. Service A bis Z) besitzen, können Sie jederzeit den Spaziergang unterbrechen und ein Teilstück bequem mit Bus oder Bahn zurücklegen. Mit der WelcomeCard erhalten Sie außerdem bei vielen Einrichtungen (Museen u. a.) Ermäßigungen auf den Eintrittspreis.
Das dunkelrote Klinkersteingebäude, ein Entwurf des Architekten Hans Kollhoff, orientiert sich an New Yorker Vorbildern der 1920/30er Jahre. Die Aussichtsterrasse in 100 Metern Höhe bietet großartige Blicke auf die neue Mitte Berlins, tief unten und weit darüber hinaus. Zudem fasst die historische Ausstellung »Berliner Blicke auf den Potsdamer Platz« rund 180 Jahre Geschichte des »Weltstadtplatzes« in Texten und Bildern auf 20 Tafeln anschaulich zusammen. Prägende Ereignisse waren das pulsierende Leben in den Vergnügungstempeln rund um den verkehrsreichen Platz in den Goldenen Zwanzigern, die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, der Aufmarsch sowjetischer Panzer am 17. Juni 1953, der Bau der Mauer 1961 und die folgende Brache, bis schließlich in den 1990er Jahren auf der größten Baustelle Europas mit dem Quartier Potsdamer Platz und dem Sony Center ein neues Stadtviertel entstand (vgl. S. 45). Die Bauten am Leipziger Platz auf dem historischen Oktagon-Grundriss kamen später hinzu. 2014 eröffnete als vorletztes Gebäude am Platz die Mall of Berlin, ein Mega-Einkaufscenter mit Wohnkomplex und Hotel. Zum Shopping und zum Freizeitvergnügen in den Kinos, Museen, Theatern, Restaurants und Bars rund um den Potsdamer Platz sollte man noch einmal wiederkommen.
Nach der Rundumsicht in luftiger Höhe geht es weiter zum nördlichen Eingang am Bahnhof Potsdamer Platz. Hier verweist eine Reihe von originalen Mauer-Elementen, unterbrochen durch Informationstafeln, exakt auf eine Stelle, an der die Mauer stand. Eine doppelte Pflastersteinreihe im Boden zieht sich durch die Stadt und markiert den Verlauf der Berliner Mauer auf der Westseite. Die eigentlichen Grenzsperranlagen nahmen einen viel breiteren Raum ein, wie an der Gedenkstätte Berliner Mauer zu sehen ist (vgl. S. 57). Zu ahnen ist dies entlang der Ebertstraße. Die Landesvertretungen einiger Bundesländer an der Straße In den Ministergärten und das Denkmal für die ermordeten Juden Europas wurden auf dem ehemaligen Todesstreifen errichtet. Das Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals muss jeder für sich selbst erkunden, möglichst aus verschiedenen Perspektiven. Einen guten Überblick erhält man von der Dachterrasse auf der Ladenzeile an der Cora-Berliner-Straße: Von oben wirken die unterschiedlich hohen Stelen wie Wellen. Im unterirdischen Ort der Information erfährt man mehr über die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zwischen 1933 und 1945.
Gegenüber beginnt der Große Tiergarten (vgl. S. 42), der sich rund drei Kilometer nach Westen ausdehnt. Vorbei an der stark gesicherten Botschaft der USA erreicht man den Platz des 18. März. Nördlich überragt die gläserne Kuppel des Reichstags die Baumwipfel; für einen Aufstieg in die Kuppel muss man sich vorher anmelden (vgl. S. 56). Richtung Westen durchschneidet die Straße des 17. Juni – beliebter Festplatz für die Silvesterparty, Fanmeile und ähnliche Großveranstaltungen – den Tiergarten in voller Länge. Wir wenden uns nach Osten und jetzt kommt der feierliche Augenblick, den auch jeder hohe Staatsgast erlebt: Das monumentale, klassizistische, von einer bronzenen Quadriga gekrönte Brandenburger Tor wird durchschritten.
Zwischen 1961 und 1989 lag das Brandenburger Tor im Sperrgebiet, unerreichbar von West wie Ost. Spätestens als am 22. Dezember 1989 das erste Mauerstück aus der unüberwindlichen Befestigung gehoben wurde und einen Durchgang frei gab, wurde das Brandenburger Tor vom Symbol der Teilung zum Symbol der Wiedervereinigung und zum bekanntesten Wahrzeichen Berlins. Und längst ist der Pariser Platz mit dem besten Blick auf das Tor Touristenziel Nummer Eins. Da wird fotografiert, solange der Akku hält, machen geführte Gruppen zu Fuß, auf Rädern oder auf dem Segway Station, warten Kutschen und Velotaxis auf Kunden, spielen Laiendarsteller in Uniformen vor, wie es so sicher nicht zuging an den innerdeutschen Grenzen. Und so manche Gauner mischen sich unter die Menge und versuchen mit immer neuen Tricks unvorsichtigen Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Die Häuser rund um den Pariser Platz wurden allesamt in Anlehnung an die ursprüngliche Bebauung nach 1990 neu errichtet, mit Ausnahme der Torhäuschen. Im südlichen Torhaus gibt es eine Tourist Information, im nördlichen einen Raum der Stille, wobei das ständige Kommen und Gehen keine echte Stille aufkommen lässt.
Das Max Liebermann-Haus, in dem der Maler wohnte und heute die Stiftung Brandenburger Tor residiert, öffnet sich gelegentlich für Ausstellungen. Die Französische Botschaft bleibt neugierigen Touristen ebenso verschlossen wie die US-Amerikanische Botschaft. Vom spektakulären Atrium in dem Gebäude der DZ Bank kann man im gläsernen Eingangsfoyer einen Blick erhaschen. Frei zugänglich sind die Akademie der Künste, die mit ihrer gläsernen Fassade aus dem steinernen Rahmen fällt, und das Hotel Adlon, die freie Rekonstruktion des Originals von 1907, mit Bar in der Lobby und mehreren Restaurants.
An der Wilhelmstraße – die Straßensperrung nach Süden gilt der streng bewachten Britischen Botschaft – beginnt der Boulevard Unter den Linden. Am schönsten flaniert es sich auf dem Mittelstreifen, so lange die Baustellen es zulassen.
Rechts, hinter einem hohen Gitterzaun, fällt der Monumentalbau der Russischen Botschaft auf, gegenüber das schicke Großrestaurant Berlin-Moscow. Im nächsten Straßenblock folgen auf der Nordseite das Café Einstein, Treffpunkt vieler Politiker, der Buchladen Berlin Story mit einer großen Auswahl an Berlin-Büchern zu allen Themen und dem Historiale Berlin-Museum. Im Zollernhof daneben befindet sich das Hauptstadtstudio des ZDF.
Auf der gegenüberliegenden südlichen Seite der Linden verkauft die Komische Oper in ihrem Shop Tickets für ihre oft sensationellen Aufführungen. Die prominente Ecke zur Friedrichstraße hält das elegante Hotel Westin Grand besetzt. Im Automobilforum werden neben Autos im Untergeschoss auch Kunstausstellungen gezeigt. Überwiegend zeitgenössische Kunst präsentiert die Deutsche Bank KunstHalle.
Ab dem Reiterdenkmal Friedrichs des Großen und dem Forum Friderizianum am Bebelplatz wird der Boulevard königlich-preußisch. Staatsoper (Baustelle), Humboldt-Universität, Neue Wache, Kronprinzessinnen- und Kronprinzenpalais, Zeughaus und Schlossbrücke sind Zeugnisse der Baukunst des 17. bis 19. Jahrhunderts – und der 1950er Jahre, als die DDR-Führung die Kriegsruinen wiederaufbauen ließ. Das Berliner Schloss der Hohenzollern ließ sie dagegen 1950 sprengen. Auf dem Schlossplatz nimmt an dessen Stelle das künftige Humboldt-Forum Gestalt an. Beste Sicht auf den Baufortschritt hat man aus der Humboldt-Box.
Wie verschwenderisch das Kaiserreich um die vorletzte Jahrhundertwende baute, kann man am Berliner Dom ablesen: außen machtvoll-majestätisch, innen opulenter Neobarock.
Am nördlichen Ende des Lustgartens bildet das Alte Museum den architektonischen Auftakt zur Museumsinsel (vgl. S. 37). Der Kolonnadenhof an der Bodestraße ist Eingangsbereich zum Neuen Museum, zur Alten Nationalgalerie und zum Pergamonmuseum. Das Bode-MuseumMonbijouparkHackeschen Markt.