Hanser E-Book
Die Demütigung
Aus dem Amerikanischen
von Dirk van Gunsteren
Carl Hanser Verlag
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009
unter dem Titel The Humbling bei
Houghton Mifflin Harcourt in Boston.
ISBN 978-3-446-25137-3
© Philip Roth 2009
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© Carl Hanser Verlag München 2010/2015
Umschlag: © Peter-Andreas Hassiepen
Satz im Verlag, Nadine Wagner, München
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Für J.T.
Er hatte seinen Zauber verloren. Der Impuls war erloschen. Auf der Bühne hatte er nie versagt – alles, was er getan hatte, war stark und erfolgreich gewesen, doch dann war das Schreckliche geschehen: Er konnte nicht mehr spielen. Auf die Bühne zu treten wurde zur Qual. An die Stelle der Gewissheit, dass er wunderbar sein würde, trat das Wissen, dass er versagen würde. Es geschah dreimal hintereinander, und beim letzten Mal interessierte es niemanden mehr, es kam niemand mehr. Er erreichte das Publikum nicht. Sein Talent war tot.
Wenn man ein Talent hatte und es nicht mehr hat, bleibt einem selbst natürlich immer etwas anderes als allen anderen. Ich werde immer anders sein als alle anderen, sagte Axler sich, und zwar weil ich bin, wie ich bin. Das bleibt mir – an das wird man sich immer erinnern. Doch die Aura, die er gehabt hatte, all die Manierismen, die exzentrischen Verhaltensweisen und persönlichen Eigenheiten, alles, was bei Falstaff und Peer Gynt und Wanja so gut funktioniert und Simon Axler den Ruf eingetragen hatte, der letzte der großen klassischen amerikanischen Bühnenschauspieler zu sein, funktionierte jetzt bei keiner Rolle mehr. All das, was ihn ausgemacht hatte, ließ ihn nun auf der Bühne wie einen Verrückten aussehen. Auf der Bühne war er in jedem Augenblick auf denkbar schlimmste Weise befangen. Früher hatte er, wenn er gespielt hatte, an gar nichts gedacht. Alles, was er gut gemacht hatte, war seiner Intuition entsprungen. Jetzt dachte er über alles nach, und alles Vitale, Spontane wurde abgetötet: Er versuchte, es bewusst zu steuern, und dadurch zerstörte er es. Na gut, sagte Axler sich, er steckte in einer schlechten Phase. Er war zwar bereits über sechzig, aber vielleicht würde es vorübergehen, solange er noch erkennbar er selbst war. Er war nicht der erste erfahrene Schauspieler, dem derlei widerfuhr. Es gab viele, denen es ebenso erging. Das ist für mich nichts Neues, dachte er, ich werde schon einen Weg finden. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich es dieses Mal schaffen werde, aber ich werde schon etwas finden. Es wird vorübergehen.
Es ging nicht vorüber. Er konnte nicht mehr spielen. Die Präsenz, die er früher gehabt hatte! Jetzt graute ihm vor jeder Vorstellung, es graute ihm von morgens bis abends. Er verbrachte den ganzen Tag mit Gedanken, die er sein Leben lang nie vor einer Vorstellung gedacht hatte: Ich werde es nicht schaffen, ich werde es nicht können, ich spiele die falschen Rollen, ich habe mich übernommen, ich wirke unecht, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich auch nur den ersten Satz sprechen soll. Und dabei versuchte er, die Stunden mit hundert scheinbar nötigen Vorbereitungen zu füllen: Ich muss mir diese Passage noch einmal ansehen, ich muss mich ausruhen, ich muss üben, ich muss mir jene Passage noch einmal ansehen – und wenn er dann im Theater eintraf, war er erschöpft. Und ihm graute davor, auf die Bühne zu treten. Sein Auftritt rückte immer näher, und er wusste, dass er es nicht schaffen würde. Er wartete darauf, dass die Freiheit begann und der Augenblick Wirklichkeit wurde, er wartete darauf, dass er vergaß, wer er war, und der Mensch wurde, der dies alles tat, doch statt dessen stand er nur da, vollkommen leer, und spielte, wie man spielt, wenn man nicht weiß, was man tut. Er konnte nicht geben und nicht zurückhalten, er war weder schwungvoll noch konzentriert. Das Schauspielern wurde zum allabendlichen Versuch, sein völliges Unvermögen zu vertuschen.
Alles hatte damit begonnen, dass man mit ihm gesprochen hatte. Schon mit drei, vier Jahren war er davon fasziniert gewesen, dass er mit anderen sprach und andere mit ihm sprachen. Er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, in einem Theaterstück zu sein. Wo schlechtere Schauspieler auf billige Effekte zurückgriffen, verstand er Intensität durch Zuhören und Konzentration zu erzeugen. Auch abseits der Bühne hatte er diese Gabe besessen, besonders in jüngeren Jahren und in Gesellschaft von Frauen, die gar nicht wussten, dass sie eine Geschichte hatten, bis er ihnen zeigte, dass sie nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Stimme und einen unverkennbaren Stil besaßen. Bei Axler wurden sie zu Schauspielerinnen, zu Heldinnen ihres eigenen Lebens. Nur wenige Bühnenschauspieler konnten sprechen und zuhören wie er, und doch war er zu keinem von beiden mehr imstande. Es war, als würde der Klang, der ihm sonst immer ins Ohr gegangen war, nun zum Ohr hinausgehen, und jedes Wort, das er sagte, erschien ihm nicht gesprochen, sondern gespielt. Der Urgrund seines Spiels war immer in dem gewesen, was er gehört hatte – seine Antwort auf das Gehörte war der Kern gewesen, und wenn er nicht mehr zuhören, nicht mehr hören konnte, verlor er den Boden unter den Füßen.
Man bot ihm den Prospero und den Macbeth im Kennedy Center an – es war schwer, sich ehrgeizigere Gegensätze vorzustellen –, und er scheiterte schrecklich in beiden Rollen, besonders aber als Macbeth. Er konnte keinen sanften Shakespeare, und er konnte keinen harten Shakespeare, und dabei hatte er sein Leben lang Shakespeare gespielt. Sein Macbeth war lächerlich, und jeder, der ihn gesehen hatte, sagte das auch – ebenso wie viele, die ihn nicht gesehen hatten. »Jetzt brauchen sie nicht mal mehr dagewesen zu sein, um einen zu beleidigen«, sagte er. Viele seiner Kollegen hätten zur Flasche gegriffen; es gab die alte Anekdote von dem Schauspieler, der immer trank, bevor er auf die Bühne ging, und als man ihm sagte, das dürfe er nicht, erwiderte: »Was? Ich soll ganz allein da rausgehen?« Doch Axler trank nicht, er brach zusammen. Sein Zusammenbruch war kolossal.
Das Schlimmste war, dass er seinen Zusammenbruch ebenso durchschaute wie sein Spiel. Der Schmerz war furchtbar, und doch bezweifelte er seine Echtheit, was das Ganze nur um so schlimmer machte. Er wusste nicht, wie er durch den Tag kommen sollte, sein Geist fühlte sich an, als zerschmelze er, er hatte Angst, allein zu sein, fand nachts nur noch zwei, drei Stunden Schlaf, aß beinahe nichts mehr und dachte täglich daran, sich auf dem Speicher mit dem Gewehr umzubringen – einer Remington-870-Repetierflinte, die er in seinem abgelegenen Farmhaus zur Selbstverteidigung angeschafft hatte –, und doch schien das alles nur gespielt, schlecht gespielt. Wenn man jemanden spielt, der zusammenbricht, so ist diese Rolle geordnet und strukturiert, aber wenn man sich selbst beim Zusammenbrechen zusieht, wenn man die Rolle des eigenen Niedergangs spielt, dann ist es anders, dann ist es erfüllt von Angst und Entsetzen.
Er konnte sich ebensowenig davon überzeugen, verrückt zu sein, wie er sich selbst oder irgend jemand sonst davon überzeugen konnte, Prospero oder Macbeth zu sein. Auch als Verrückter war er künstlich. Die einzige Rolle, die er spielen konnte, war die eines Mannes, der eine Rolle spielte. Eines Gesunden, der einen Verrückten spielte. Eines gefestigten Mannes, der einen gebrochenen Mann spielte. Eines selbstbeherrschten Mannes, der einen unbeherrschten Mann spielte. Eines Mannes, der bedeutende Leistungen und Ruhm in der Theaterwelt vorzuweisen hatte – eines breitschultrigen, kräftigen, einen Meter dreiundneunzig großen Schauspielers mit einem großen, kahlen Kopf und dem starken, behaarten Körper eines Schlägers, mit einem Gesicht, das so vieles auszudrücken vermochte, einem entschlossenen Kinn, strengen dunklen Augen und einem breiten Mund, den er vielsagend verziehen konnte, mit einer von tief in der Brust aufsteigenden leisen und befehlsgewohnten Stimme, in der immer ein leichtes Knurren war, eines bewusst in großem Maßstab gehaltenen Mannes, der wirkte, als könne er es mit allem aufnehmen und sämtliche Männerrollen mit Leichtigkeit ausfüllen, als wäre er die Verkörperung unüberwindlichen Widerstandes und hätte den Egoismus eines verlässlichen Riesen in sich aufgesogen –, und dieser Mann spielte die Rolle eines unbedeutenden Niemands. Er schrie laut auf, wenn er mitten in der Nacht erwachte und feststellte, dass er noch immer in der Rolle des Mannes gefangen war, der seiner selbst, seines Talents, seines Platzes in der Welt beraubt war, eines abstoßenden Mannes, der bloß aus der Summe seiner Defekte bestand. Morgens versteckte er sich stundenlang im Bett, doch anstatt sich vor der Rolle zu verstecken, spielte er sie. Und wenn er dann schließlich aufstand, konnte er nur an Selbstmord denken und nicht an dessen Simulation. Ein Mann, der leben wollte, spielte einen Mann, der sterben wollte.
Inzwischen ließen Prosperos berühmteste Worte ihm keine Ruhe, vielleicht weil er sie kürzlich so falsch gesprochen und gespielt hatte. Sie wiederholten sich so regelmäßig in seinem Kopf, dass sie bald zu einem bloßen Geräusch wurden, quälend sinnentleert, auf keine Realität verweisend und doch erfüllt von der Kraft eines mit großer persönlicher Bedeutung aufgeladenen Fluchs. »Das Fest ist jetzt zu Ende; unsre Spieler,/Wie ich Euch sagte, waren Geister, und/Sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft.« Er schaffte es nicht, die Worte »dünne Luft« auszublenden, diese drei Silben, die sich, während er morgens hilflos im Bett lag, willkürlich wiederholten und die Aura eines obskuren Urteils besaßen, auch wenn sie immer mehr an Sinn verloren. Seine gesamte komplizierte Persönlichkeit war ganz und gar der Gnade der »dünnen Luft« ausgeliefert.
Axlers Frau Victoria konnte sich nicht mehr um ihn kümmern, sie brauchte inzwischen selbst Pflege. Wenn sie ihn am Küchentisch sitzen sah, den Kopf in die Hände gestützt und nicht imstande, die Mahlzeit, die sie zubereitet hatte, zu essen, brach sie in Tränen aus. »Probier doch wenigstens mal«, bat sie ihn, doch er aß nichts und sagte nichts, und bald geriet Victoria in Panik. Sie hatte ihn noch nie so angeschlagen gesehen, nicht einmal acht Jahre zuvor, als seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren – sein Vater hatte am Steuer gesessen. Damals hatte er geweint und weitergemacht. Er machte immer weiter. Die Verluste trafen ihn hart, waren ihm aber nicht anzumerken. Und wenn Victoria in seelische Bedrängnis geriet, war er es, der sie auf Kurs hielt und in ruhiges Fahrwasser brachte. Es gab immer irgendein Drogendrama mit ihrem ungeratenen Sohn. Es gab die permanente Bürde des Alterns und des Endes ihrer Karriere. So viele Enttäuschungen – doch er war da, und so konnte sie es ertragen. Wenn er nur jetzt dagewesen wäre, da der Mann, auf den sie sich immer verlassen hatte, verschwunden war!
In den 1950er Jahren war Victoria Powers Balanchines jüngste Favoritin gewesen. Dann verletzte sie sich am Knie, musste sich operieren lassen, tanzte wieder, verletzte sich abermals am Knie, musste sich abermals operieren lassen, und als sie sich davon erholt hatte, war eine andere Balanchines jüngste Favoritin. Victoria eroberte ihren Platz nie zurück. Sie heiratete, bekam einen Sohn, ließ sich scheiden, heiratete ein zweites Mal, ließ sich ein zweites Mal scheiden. Und dann verliebte sie sich in Simon Axler, der zwanzig Jahre zuvor, als er vom College nach New York gekommen war, um auf der Bühne Karriere zu machen, regelmäßig ins City Center gegangen war, um sie tanzen zu sehen – nicht so sehr wegen seiner Liebe zum Ballett als vielmehr wegen seiner jugendlichen Empfänglichkeit für die Art, wie sie durch die Darstellung zärtlichster Empfindungen seine Lust befeuerte: Jahrelang blieb sie für ihn der Inbegriff des erotischen Pathos. Mit vierzig lernten sie einander persönlich kennen; das war in den späten siebziger Jahren, und es hatte sie schon lange niemand mehr besetzt, doch sie absolvierte tapfer jeden Tag ihr Training in einem nahe gelegenen Tanzstudio. Sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um fit zu bleiben und sich ihre jugendliche Frische zu erhalten, aber inzwischen vermochte sie ihr Pathos nicht mehr mit den Fähigkeiten zu meistern, die sie einst besessen hatte.
Nach dem Debakel am Kennedy Center und Axlers unerwartetem Zusammenbruch brach Victoria ihrerseits zusammen und floh nach Kalifornien, um in der Nähe ihres Sohns zu sein.
Auf einmal war Axler allein in dem Haus auf dem Land und hatte Angst, er könnte sich umbringen. Nun gab es nichts mehr, was ihn davon abhielt. Nun konnte er tun, was er nicht fertiggebracht hatte, solange sie noch dagewesen war: die Treppe zum Dachboden hinaufsteigen, das Gewehr laden, den Lauf in den Mund schieben, die langen Arme ausstrecken und den Abzug betätigen. Das Gewehr als Fortsetzung seiner Frau. Doch als sie fort war, schaffte er es nicht, die erste Stunde allein zu überstehen, schaffte er es nicht einmal, in den ersten Stock zu gehen, ohne zuvor seinen Arzt anzurufen und ihn zu bitten, er möge ihn noch am selben Tag in eine psychiatrische Klinik einweisen. Es dauerte keine Stunde, und der Arzt hatte einen Platz für ihn in Hammerton gefunden, einer kleinen Klinik mit gutem Ruf, ein paar Stunden weiter nördlich.
Er blieb sechsundzwanzig Tage dort. Es gab ein erstes Vorgespräch, er packte seinen Koffer aus, deponierte alle Wertsachen im Safe der Klinikverwaltung, und dann war er, nachdem eine Schwester alle spitzen, scharfen Gegenstände an sich genommen hatte, allein in dem ihm zugewiesenen Zimmer, setzte sich auf das Bett und erinnerte sich an sämtliche Rollen, die er mit absolutem Selbstvertrauen gespielt hatte, seit er mit Anfang Zwanzig Schauspieler geworden war. Was hatte dieses Vertrauen nun zerstört? Was tat er in diesem Klinikzimmer? Es war eine Selbsttravestie entstanden, die es zuvor nicht gegeben hatte, eine Selbsttravestie, die sich auf nichts gründete. Er war diese Selbsttravestie. Wie hatte es dazu kommen können? War es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Verfall und Zusammenbruch eingesetzt hatten? War es eine überraschende Manifestation des Alters? Er war noch immer eine beeindruckende Erscheinung. Seine Ziele als Schauspieler hatten sich ebenso wenig geändert wie seine Angewohnheit, sich intensiv auf eine Rolle vorzubereiten. Niemand war gewissenhafter, eifriger und ernsthafter, niemand pflegte seine Begabung gründlicher, niemand stellte sich besser auf die wechselnden Bedingungen einer jahrzehntelangen Bühnenkarriere ein als er. Dass sein Leben als der Schauspieler, der er gewesen war, so abrupt geendet hatte, war unerklärlich – als wäre er nachts, im Schlaf, des Gewichts und der Substanz seiner beruflichen Existenz beraubt worden. Die Fähigkeit, auf der Bühne zu sprechen und zuzuhören – das war es, worauf es ankam, und das war es, was verschwunden war.
Dr. Farr, der Psychiater, bezweifelte, dass das Schicksal, das ihn getroffen hatte, tatsächlich grundlos über ihn hereingebrochen war, und bat ihn während der zweimal die Woche stattfindenden Sitzungen, die Lebensumstän-de zu untersuchen, die dem plötzlichen Auftreten dessen, was Dr. Farr als »universalen Alptraum« bezeichnete, vorangegangen waren. Damit meinte er, dass das Unvermögen des Schauspielers, auf die Bühne zu gehen und seine Rolle zu spielen – der Schrecken des Verlus-tes wichtiger Fähigkeiten –, Gegenstand der Alpträume zahlreicher Menschen war, Menschen, die im Gegensatz zu Simon Axler keine Schauspieler waren. Der Traum, auf einer Bühne zu stehen und nicht spielen zu können, gehörte zu den Standardträumen, von denen beinahe jeder Patient irgendwann erzählte. Dazu zählten auch Träume, in denen man nackt eine belebte Straße entlangging, unvorbereitet zu einer entscheidenden Prüfung antrat, von einer Klippe stürzte oder mitten auf einer Schnellstraße feststellte, dass die Bremse des Wagens nicht funktionierte. Dr. Farr bat Axler, von seiner Ehe zu erzählen, vom Tod der Eltern, von der Beziehung zu seinem drogensüchtigen Stiefsohn, von Kindheit und Jugend, von seinen Anfängen als Schauspieler und von seiner älteren Schwester, die an Lupus gestorben war, als er zwanzig gewesen war. Besonders detailliert ließ er sich die Wochen und Monate vor dem Auftritt im Kennedy Center beschreiben, und des weiteren wollte er wissen, ob Axler sich an irgend etwas Ungewöhnliches in jenem Zeitraum erinnerte, sei es nun bedeutsam oder nebensächlich. Axler gab sich große Mühe, wahrheitsgetreu zu berichten, die Ursache seines Zustandes zu enthüllen und so seine schauspielerischen Fähigkeiten wiederzuerlangen, doch soweit er es beurteilen konnte, manifestierte sich in nichts von dem, was er sagte, während er dem mitfühlenden, aufmerksamen Psychiater gegenübersaß, irgendein Hinweis auf den Auslöser für seinen »universalen Alptraum«. Und das machte das alles nur um so mehr zu einem Alptraum. Dennoch sprach er in jeder Sitzung mit dem Arzt. Warum auch nicht? In einem gewissen Stadium des Unglücks versucht man alles, um zu erklären, was mit einem los ist, selbst wenn man weiß, dass das, was man sagt, eigentlich gar nichts erklärt, dass es eine untaugliche Erklärung nach der anderen ist.