Sabine Dettmann
Zwiegespräche mit meiner Seele
Zwiegespräche mit meiner Seele
Den Verstand beobachten – mehr Freude und Leichtigkeit
Für Christine, Susanne und Santiago
sowie für alle, die wir im gleichen Lebensfluss sind.
© tao.de in J. Kamphausen Verlag und Distribution GmbH, Bielefeld
1. Auflage 2013
Autorin: Sabine Dettmann
Umschlaggestaltung: Matthias Vorbeck
Fotos: privat, Sabine Hügelland
Umschlagfoto: privat, Hawaii 2010
Verlag: tao.de in J. Kamphausen Verlag und Distribution GmbH, Bielefeld, www.tao.de, eMail: info@tao.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978 - 3 - 95529 - 242 - 3
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und sonstige Veröffentlichungen.
Inhalt
Einführung
Vorwort
Warum ich zu Sai Baba fuhr, obwohl ich ihn doch gar nicht kannte
Schamanenkongress in München
Flug nach Indien
Im Ashram von Sai Baba
Die Natur ruft
So arbeitet der Verstand
Krähenklopfen
Nächtlicher Besuch
Leben findet statt – auch ohne Konzept
… und ich dachte, ich bin die handelnde Person
Recht haben wollen gehört zum Verstand
Try and error
Malerin wollte ich ganz bestimmt nicht werden
Schamanisches Ritual verändert mein Leben
Dem Schicksal kann man nicht entgehen
Im Fluss sein bedeutet Freude und Leichtigkeit
Stuttgart und mein Blumenladen
Seine innere Stimme hören
Energie kann nicht verloren gehen oder wie Leben funktioniert
Eine andere Realität ist möglich
Illusionsfabrik Gehirn
Ausflug in die Vergangenheit
Kreativität macht Spaß
Das Leid als Aufwacher
Aufwachen ist ein Prozess
Was willst du bei mir
Sie brauchen einen Schamanen
Zeugenbewusstsein entwickeln
Wolfgang, du bist tot
Wirklichkeit wirkt
Aus der Energie sprechen
Was aber tun, wenn die Angst so groß ist
Die Angst vor dem Tod hindert uns am Leben
Erschaffe keine psychologische Zeit
Zeit ist eine Illusion
Zeit, Denken und Probleme gehören zusammen
Probleme vermeiden
Hawaii – was willst du mich lehren
Es gibt keinen berechtigten Ärger
Karma auflösen: Muster erkennen und verändern
Was wäre, wenn ich heute sterbe
Was kann ich tun
Originalzitate
Danksagung – Vom ICH zum WIR
In eigener Sache
Einführung
Sabine Dettmann beschreibt eine ihrer ganz zentralen Erfahrungen:
»Wenn es Zeit zum Handeln ist, dann bekomme ich die richtige Information. Schritt für Schritt, ohne Angst und ohne dass der Verstand vorher ein Konzept entwickelt, löst sich dann die Situation auf.
So ist es immer im Leben, wenn wir es genauer untersuchen. Leben findet statt. Es passiert. Da muss man nicht in die Zukunft gehen, die Vergangenheit noch hundertmal durchkauen, nein, einfach still sein und beobachten. Wir können darauf vertrauen, dass im richtigen Moment Handlung einfach geschieht. Das ist meine tiefe Erkenntnis.«
Auf diesem Hintergrund nimmt die Autorin ihre Leser mit auf ihre erkenntnisreiche Reise durch ihr Leben. Eine ungewöhnliche Geschichte detailliert und nachvollziehbar erzählt, wie man das nur kann, wenn man über sich selbst, den eigenen Entwicklungsprozess und tief Erfahrenes schreibt.
Man tritt ein in die Welt einer selbstbewussten Frau, die sich mehr und mehr ihrer inneren Führung überlässt, dabei viele kleine und große Wunder erlebt und immer mehr bei sich ankommt.
Joachim Kamphausen, Verleger
Vorwort
Eckhart Tolle hat mit seinen Büchern »Jetzt! Die Kraft der Gegenwart« und »Eine neue Erde« so hervorragend alles beschrieben, dass es besser nicht geht. Dass ich mich dennoch an das gleiche Thema wage, ist überaus mutig.
Ich als Person bin so voller Hochachtung, dass ich es nicht tun würde. Aber etwas in mir sagt: »Setze dich hin und schreibe.« Dieser inneren Stimme, dem Höheren Selbst, wie immer man es bezeichnen mag, vertraue ich, dass es dennoch Sinn macht.
Eckhart Tolles Aussagen »Das Ego ist nichts Persönliches« oder »Es gibt keine Probleme« kann nur von jemandem mit entsprechender Bewusstseinsentwicklung verstanden werden. Ist in ihm die Dimension des Formlosen noch nicht so verankert, ist es noch nicht seine Wahrheit, wird ihm das Gesagte unverständlich erscheinen. Selbst bei bestem Willen kann er den Worten nicht über längere Zeit folgen. Versucht er es mit dem Verstand, ist das überaus anstrengend, so dass er früher oder später aufgibt oder einfach einschläft.
Mit meinem Buch versuche ich diese Person Schritt für Schritt mitzunehmen, denn das Formlose ist in jedem von uns. Meine Geschichten sind unterhaltsam, entstammen der Wirklichkeit und holen den Leser dort ab, wo er gerade ist. Es ist nicht nötig, das Buch fortlaufend zu lesen.
Zu erkennen, dass er nicht diese Stimme in seinem Kopf ist, die pausenlos redet, ist der Anfang. Dass er nicht seine Gefühle und nicht seine Gedanken ist, dass er damit nur ein falsches Selbst erschafft, dieses ständig nähren muss und sich so im Leid gefangen hält, ist dann der zweite Schritt der Erkenntnis. Wie Buddha sagt: »Kein Selbst, kein Leid.«
Die im Anhang befindlichen Originalzitate aus den Schriften von Eckhart Tolle, Thomas Hübl, Dieter Broers, Jiddu Krishnamurti und der Bhagavad-Gita geben dem Leser die Möglichkeit, sofort zur Quelle zu gehen. Er kann dann überprüfen, ob sich in ihm etwas verändert hat, ob die Aussagen nun Resonanz erzeugen.
Ich lasse den Leser teilhaben an meinem Prozess des Erwachens, der meine ganze Aufmerksamkeit erfordert. Wenn mein ICH zurückkehrt, und das passiert anders als bei Eckhart Tolle ständig, ist das die einzige Verantwortung, die ich wirklich tragen kann. Das zu bemerken und dafür zu sorgen, meinen emotionalen Innenraum stets sauber zu halten, ist meine oberste Priorität.
Wenn genügend Menschen, wie bei den hundert Affen, sich diesem Bewusstwerden als oberstes Lebensprinzip hingeben, dann hat die Menschheit vielleicht doch noch eine Chance.
Diesem Prozess habe ich mich ganz verschrieben, was so auch nicht stimmt, denn mich gibt es ja gar nicht. Die Eine Intelligenz wirkt durch mich und ich bin nur ihre Gehilfin, aber auch Alles, was ist.
Sabine Dettmann
Warum ich zu Sai Baba fuhr,
obwohl ich ihn doch gar nicht kannte
Und das kam so: Im Herbst 2008 richtete die Ethnomedizin in München einen internationalen Schamanenkongress aus. Es war bereits zwei Tage vor Anmeldefrist, als ich zufällig diese Information auf meinem Computer fand. Ich wusste sofort: »Da muss ich hin.« Selbst schamanisch ausgebildet, war mir doch nicht bekannt, dass die Universität in München so einen Kongress schon seit 10 Jahren veranstaltet. Noch nie hatte ich davon gehört. So ganz auf die Schnelle konnte ich noch einen Freund gewinnen, der ebenfalls schamanisch ausgebildet, nun mit mir diese Reise antrat.
Ich bin so in der Welt, dass ich glaube, wenn etwas wirklich sein soll, dann unterstützt das Universum uns, und selbst die unmöglichsten Sachen funktionieren. So war es auch mit unserem Zimmer. In der Umgebung waren sämtliche Gasthäuser, Pensionen und Privatunterkünfte ausgebucht. Ich hatte allerdings meinem Freund vorher noch hoch und heilig vorausgesagt, dass wir ein Top-Quartier bekommen. Als beim dritten Gasthof die Wirtin auch nur ihr Bedauern ausdrückte, wandte ich mich an meine Seele: »Hör mal, das kann doch jetzt gar nicht sein. Lass Dir was einfallen, sonst wird es eng.« In dem Moment drehte sie sich um und meinte, dass jemand vorbestellt hätte, aber noch unentschlossen sei. »Ach, könnten Sie die Frau anrufen«, bat ich die Wirtin. Da klingelte das Telefon und ich wusste, das ist sie. Und so war es. Da diese Person aber immer noch nicht so recht wusste, ob sie nun will, mit Freund oder ohne, wurde es Hedi, so hieß die Wirtsfrau, die wir noch sehr gut kennen lernen sollten, doch zu dumm. Sie gab uns kurzerhand das Zimmer. Sie sagte, dass noch jemand vorbestellt hätte, aber den riefe sie einfach mal nicht an. Wir sollten nicht darüber reden und außerdem wäre ich ihr auf Anhieb sympathisch gewesen. Wenn wir nun schon als erste von all den Gästen angereist wären, gäbe sie uns nun auch das schönste Zimmer. Als wir es sahen, waren wir mehr als zufrieden. Dieser herrliche Blick über die Landschaft, der goldene Herbst und diese nette Person – da dankte ich meiner Seele, dass es, wie schon so oft, im letzten Augenblick doch geklappt hatte. Wie hätte ich auch vor meinem Freund dagestanden, wo der doch Gottvertrauen von mir lernen wollte.
Schamanenkongress in München
Zum Schamanenkongress war auch eine Heilerin aus Peru gekommen, die nach einem Unfall sich nicht mehr bewegen konnte. Nach langem Betteln, so erzählte sie uns, durfte sie von einem alten Heiler aus ihrer Heimat das erlernen, was sie an sich selbst erfahren hatte, wieder heil zu werden und das gab sie nun in der Welt weiter. Ihre Salben waren sehr farbig und rochen stark nach Kampfer, zumindest die grüne, die auch, wie sie sagte, Leguan enthielt. Ob sie wirklich das arme Tier meinte, weiß ich nicht. Wir übten gegenseitig das Einmassieren und waren fasziniert, was alles möglich ist. Mit ihrer Power-Point-Präsentation zeigte sie uns die unglaublichsten Sachen. Aber Massieren ist nicht so mein Ding und so interessierte ich mich mehr für den Workshop bei Saira, einer Schamanin aus Kasachstan. Sie war eine Frau um die Vierzig, sehr attraktiv, westlich geschminkt und bediente so gar nicht das Klischee einer Schamanin. Sie arbeitete mit Bienenwachs, der in einer Kelle heiß gemacht wurde. Mit den aufsteigenden Dämpfen ging sie durch die Aura der Person, der sie Heilung geben wollte. Als erstes begrüßte sie das Höhere Selbst ihres Gegenübers, so wie wir »Namaste« sagen und es bedeutet: »Mein Höheres Selbst grüßt das Göttliche in dir.« Mit der Pulsdiagnostik ging sie in der Zeit soweit zurück, auch in vergangene Leben, und erzählte, was sie sah.
So etwas kann man nicht überprüfen, aber ich fühlte, dass es stimmen könnte, denn ich habe mit mir selbst schon ähnliche Erfahrungen gemacht.
Komme ich ins Zweifeln, so habe ich mir angewöhnt, auch mal an meinen Zweifeln zu zweifeln.
Das Prozedere ihrer Heilung lief einerseits direkt über die Dämpfe vom Bienenwachs, aber auch über das Bild, was sich ihr dann zeigte, wenn der Wachs in eine Schüssel mit kaltem Wasser gegossen wurde. Dann merkte sie sich bei der entstandenen Scheibe, was unten und oben war, um zu wissen, welcher Teil den Kopf repräsentierte. Der untere Teil stand dafür, wie der Mensch in der Welt ist. Manchmal zeigten sich sogenannte Wachssteine, die, nach Meinung der Schamanin, alte Dinge einschließen und unter der Scheibe herausgelöst werden sollten. Diese gab sie dem Klienten mit nach Hause, damit er sie rituell verbrennen könne. Die Wachsscheibe selbst empfahl sie, drei Tage lang unter das Kopfkissen zu legen und auf die Träume zu achten.
Was ich verstanden habe ist, dass Heilung durch die Schamanin passiert, aber nicht sie als Person heilt. Das betonte sie immer wieder. Indem sie ihren Verstand abschaltet, sich einer anderen Dimension öffnet, hat sie Zugang zu transpersonalen Räumen und ließ in diesem nondualen Raum Heilung geschehen. Damit sie dauerhaft stattfinden kann, ist es nötig, dass auch der Mentalkörper, der Verstand, mit einbezogen wird. Wenn wir uns nicht auf allen Ebenen entwickeln, denn wir haben einen starken Verstand, der auch gefüttert werden will, dann hinkt ein Teil in unserer Entwicklung hinterher und verzögert den Gesamtprozess. Deshalb erklärte die Schamanin ihrem Gegenüber stets die verschiedenen Muster, die sie erkannt hatte, damit er zu Hause daran weiterarbeiten könne.
»Immer, wenn wir Resonanz haben«, sagte sie »mit dem, was jemand sagt, gibt es etwas in uns, was uns aufhorchen lässt. Denn nur wenn schon etwas da ist, kann es Resonanz geben.« So spürt der Klient, dass das, was hier passiert, eben kein Budenzauber ist. Für mich war das ganz klar und es sollte noch viel mehr kommen. Ihr großer Lehrer im spirituellen Sinne war Sai Baba, ein Heiliger aus Indien.
Bei dem Kongress waren vor allem Therapeuten, Psychologen und viele Ärzte. Einige sagten aber auch, dass sie diese Form der Weiterbildung bei sich im Krankenhaus besser nicht erwähnen. Mich bat eine Therapeutin aus München, bei der ich zufällig saß, ob ich für sie mitschreiben könne, wenn sie in der Pause bei der Schamanin aus Kasachstan eine private Audienz hätte. Nichts, was ich lieber täte. Als gelernte Journalistin hätte sie keine bessere Person auswählen können. Was ich dann hörte, war mehr als interessant. Elke, so hieß die junge Frau, sollte unbedingt zu Sai Baba nach Indien reisen. »Wie schreibt man den?«, dachte ich. Sai Baba, da hatte ich doch kürzlich ein Buch gelesen: Clemens Kuby »Unterwegs in eine andere Dimension« und der beschrieb ihn als einen Mann, der kraft seines Bewusstseins sogar Dinge materialisieren konnte. »Aha, der lebt noch«, schoss es mir durch den Kopf. Die Schamanin empfahl ihr, vom 10. - 20. November diesen Jahres nach Puttaparthi zu reisen. Dann hätte Sai Baba den 1000. Vollmond in seinem Leben und würde 82 Jahre alt. Dort wäre dann eine ungeheuer hohe Energie. Sie sagte ihr, dass das ihre Seele unterstützen würde, denn die nächste Zeit würde sie viel Kraft brauchen. Ihr würde verschiedentlich der Tod begegnen. Die Schamanin meinte das im übertragenen Sinne. Plötzlich drehte sie sich zu mir um und sagte: »Na, dir ist der Tod ja schon öfter begegnet.« Ich war mehr als erstaunt und konnte das nur bejahen. Sofort fiel mir Bali ein, wo ich ein paar Monate zuvor wirklich in eine Situation geraten war, dass ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Die Elke saß mit Tränen in den Augen da und es war klar, dass sie es tun würde. Sie hatte mein ganzes Mitgefühl. So aus dem Stand mal schnell nach Indien zu reisen, noch dazu in nicht einmal drei Wochen. Die Arme, wie sollte sie das so auf die Schnelle wohl bewerkstelligen? Vom Geld ganz zu schweigen. Kurzfristige Flüge mal eben nach Bangalore, so hieß der Flughafen, der 170 km vom Ashram, wo Sai Baba lebte, entfernt war, kosten sicher nicht gerade wenig.
Was ich nicht wusste, war, dass zu eben dieser Zeit auch meine Seele mich auf die Reise schicken würde.
Ich bewunderte Elke, mit welcher Selbstverständlichkeit sie es akzeptierte, tatsächlich dort hinfahren zu wollen.
Einfach mal so Indien …
Am nächsten Tag waren verschiedene Workshops und ich ging zielsicher in den von Saira. Sie hatte ein Bild von Sai Baba aufgestellt. Ich sah ihn mir an und mir kamen die Tränen. Nanu, was war das?
Immer wenn ich das Bild ansah, liefen mir die Tränen. Völlig grundlos, wie ich meinte. Ich fragte meinen Freund, der gerade neben mir saß, ob es ihm auch so ginge. Er verneinte. Die ganzen drei Stunden experimentierte ich mit mir. Schaute ich das Bild an, liefen mir die Tränen, blickte ich in eine andere Richtung, war alles still und nichts passierte. Nach dem Kurs konnte ich es gar nicht erwarten, Saira zu fragen, was denn mit mir los wäre. Sie lächelte und sagte: »Das bedeutet Sehnsucht.« Da fragte ich in Gedanken meine Seele: »Soll das heißen, dass wir da auch hin wollen?« Ich spürte sie jubeln und damit war alles klar. Elke konnte sich vor Freude gar nicht fassen und versprach, während ich noch auf dem Weg nach Rostock war, schon einmal das Internet nach einem günstigen Flug zu durchforsten. 1800 – 1600 Euro kosteten die billigsten. Ich fand das für eben mal bisschen Sai Baba ganz schön teuer. Als ich zu Hause ankam und nach 10 Stunden Fahrt todmüde ins Bett sank, sagte ich zu meiner Seele: »Hör mal, es ist okay, dass wir nach Indien reisen, aber nicht für so viel Geld. Meine Schmerzgrenze liegt bei 600.« Und damit schlief ich ein.
Am nächsten Morgen rief ich sofort meinen Herrn Bauer vom Reisebüro an, um ihm mitzuteilen, dass ich mal wieder eine Dienstreise von meiner Seele hätte. Er kannte mich schon und fragte scherzhaft, wo es denn dieses Mal hinginge. Ich sagte, nach Indien und zu welchem Flughafen ich möchte, in welcher Zeit und für welches Geld. Er stöhnte etwas, aber meldete sich nach einer halben Stunde ganz erfreut, dass er es selbst nicht glauben könne, in einem Flugzeug sei für 696 Euro, also fast meine vorgegebene Summe, genau noch ein Platz frei. Wenn ich denn wolle, müsste ich sofort buchen. Und ob ich wollte.
Wie meine Seele das macht, ist mir ein Rätsel. Aber ich freute mich und dachte, dass das wohl für mich wichtig sei, sonst hätte sie nicht so ein perfektes Timing an den Tag gelegt.
Flug nach Indien
Elke und ich sind daraufhin natürlich richtig Freunde geworden. Sie flog einen Tag vor mir von München für leider ziemlich viel Geld. Sie war schon vor 20 Jahren in diesem Ashram und meinte, dass es dort wenig Komfort, aber dafür große Kakerlaken gab. »Na prima, Sabine, was hast du dir denn da bloß wieder eingebrockt?« Gegen große Kakerlaken hilft wohl am besten ein Moskitozelt. Das war Elkes geniale Idee. Ich bestellte eins, das auf den letzten Pfiff, genau einen Tag vor meinem Abflug, eintraf, aber leider war es für zwei Personen. An Umtauschen war nicht mehr zu denken. Was im ersten Moment mir als Nachteil erschien, war am Ende sogar ein Vorteil.
Unser Verstand kann wirklich nicht wissen, was für uns gut ist. Wir sind gut beraten, wenn wir Vertrauen haben. Mein Zwei-Mann-Zelt hatte den Vorteil, dass ich eine ganze Matratze von einem Bett einlegen konnte. Daneben war auch noch ein bisschen Platz für meine Sachen. Das war hervorragend und sollte sich später auch noch im Sinai bezahlt machen. Danke, Seele, für den vermeintlichen Irrtum. Doch zurück zum Flug nach Indien. Für mich gab es ein großes Problem und das sagte ich auch: »Seele, ich habe Angst. Allein mit meinem Rucksack durch Indien, 170 km, mit einem Taxi… Wenn mich der Fahrer unterwegs ausraubt und irgendwo an der Straße absetzt, dann kann seine Großfamilie davon drei Jahre leben.« Mit dem Bus schien es mir auch nicht so geheuer. Also beließ ich es dabei, dass meine Seele mal wieder aktiv werden musste.
Ich flog über London und saß in einer dieser ganz großen Maschinen. Nach acht Stunden Flug, da musste auch ich mal auf die Toilette. Als ich sie verließ, stand ein Mann vor mir und sprach mich an, ob ich zu Sai Baba wolle. Als ich das bejahte, ich fand es schon erstaunlich, dass den hier überhaupt jemand kannte, sagte er: »Gut, dann können Sie mit mir und meiner Frau mit dem Taxi, das am Flughafen schon auf uns wartet, in den Ashram fahren.« Der Mann sah vertrauenswürdig aus. Außerdem hatte er seine Ehefrau dabei. Wie sich herausstellte, waren sie treue Anhänger von Sai Baba, die aus Dankbarkeit zweimal im Jahr in den Ashram kamen. Ihrer Herkunft nach waren sie Inder, die als Hotelbesitzer in Dallas, Amerika, lebten und überzeugt waren, dass ohne Sai Baba sich ihr Leben nicht so wundervoll entwickelt hätte.
Am Anfang einer Reise bin ich stets ein bisschen misstrauisch, ob ich wohl alles richtig verstehe, denn natürlich sprachen wir Englisch. Sollte sich mein Problem so einfach gelöst haben? Ich war überglücklich und konnte es fast nicht glauben. Auch im Flughafen achtete der Mann sehr auf mich, damit ich ihm nicht verloren gehe. »Seele, Du bist genial«, sagte ich und in ihrer bescheidenen Art gab sie mir nonverbal zu verstehen: »Siehst Du Sabine, klappt doch alles. Immer schön Vertrauen haben. Wir machen das hier schon.«
Im Ashram von Sai Baba
Da fuhr ich nun mit meinen zwei neuen Freunden in einem Taxi quer durch Indien. Es wies mich deutlich auf seine Sprungfedern hin, denn die Straße war mit Löchern übersät und manchmal war sie zumindest nach westeuropäischem Denken einfach gar keine. Was ich da durch das Fenster sah, war für mich wie ein Film. Alles fremd und ungewohnt, aber ich fühlte mich dennoch sicher. Wie hätte ich das nur allein schaffen sollen? Abgesehen davon, hatte ich keine einzige Rupie in der Tasche, denn weder in Deutschland noch in London auf dem Flughafen hatten sie indisches Geld zum Tauschen. Es war mir unangenehm, dass ich für so viel Hilfe nicht einmal bezahlen konnte. Meine Begleiter hätten aber sowieso kein Geld von mir genommen, denn am nächsten Tag erzählten sie mir, dass sie von Sai Baba höchst persönlich beauftragt waren mich mitzunehmen. Als ich von der Toilette kam, so berichtete mir der nette Inder, sei ihm Sai Baba erschienen und sagte zu ihm: »Nimm diese Frau mit in den Ashram.«
Welch ein Glück für mich, denn im Ashram selbst brauchte ich noch dringend ihre Hilfe. Ich ahnte nicht, dass man dort nicht einmal eine freie Schulter haben darf. Indien eben. Die Kosten für den Ashram zahlten sie auch noch und ließen sich auch am nächsten Tag das Geld nicht von mir zurückgeben. Ich habe sie übrigens nie wieder gesehen. 20 000 Menschen sind dort im Ashram – das ist wie eine kleine Stadt. Wie sollte ich dort Elke finden?
Ich versuchte es erst gar nicht und war froh, in einem 10-Bettzimmer mein Moskitonetz-Zelt aufstellen zu können. Abends, als alle da waren, traute ich meinen Augen kaum. Meine Zimmergenossinnen waren aus Dänemark, Holland, Sibirien, Schwarzafrika, der Ukraine, Spanien und eine sogar aus Deutschland. Es war Elke. Wir konnten es beide nicht fassen. Wie geht das? Sie hatte ihr Bett in meinem Zimmer und schlief nun genau neben mir.
Sai Baba hat in der ganzen Zeit, in der ich da war, täglich Darshan gegeben, aber geredet hat er nicht.
Ich wurde auch nicht nach vorn gebeten und er hat mir auch keinen Goldring materialisiert. Es war alles ganz irdisch. Ich habe dort mit all diesen Menschen viele Stunden meditiert. Bin genau wie sie um 4.30 Uhr morgens aufgestanden, habe mich eingeordnet und brav bis 10 Uhr gewartet, bis Sai Baba dann erschien. Abends dann das Gleiche noch einmal. Zu Tausenden stehen dort all die Schuhe vor dem Palast, bevor man ihn barfuß betritt. Es ist ein Wunder, dass ich meine immer wieder gefunden habe. Nicht weil sie besonders wertvoll waren, aber eben mit Einlagen und insofern für mich schon.
Saira traf ich dort auch, gerade an dem Tag, als sie wieder nach Hause fuhr. War das eine Überraschung und Freude!
Sai Baba hat eine riesige Faszination für die Menschen, aber meine Begeisterung für das Leben im Ashram hielt sich doch in Grenzen. Obwohl es dort sehr sauber war, nicht eine Kakerlake habe ich gesehen, es war für alle zu essen und zu trinken da, war ich doch nicht so angetan von dem, was ich dort erlebte. Niemand wurde abgewiesen, zum Teil kamen die Menschen von Nepal, nur mit einem Bündel und ohne Schuhe, schliefen nicht wie wir in fürstlichen 10-Bett-Zimmern, sondern zu 100 in einfachen Unterkünften, Matte neben Matte. Aber ihre Begeisterung blieb mir fremd. Die Holländerin aus meinem Zimmer erzählte, dass sie zweimal im Jahr hierher käme und ihren gesamten Urlaub dafür verwende. Der Vater von meinen indischen Freunden aus Dallas war schon über 60mal dort.
Es war mir eine Freude, dass ich das erleben durfte. Aber, dass ich da wieder hin muss? Nein, ich glaube nicht. Es sei denn, meine Seele hätte einen anderen Plan.
In Berlin hatte ich mich über die »Mitfahrzentrale« mit jemandem verabredet, der weiter weg vom Flughafen nicht auf mich hätte warten können. Ich schaffte es, ihn zu überreden, dass er mich für einen kleinen Obolus mehr, direkt vom Flughafen abholte. Erst war er total sauer, aber als ihm einfiel, dass wir uns schon kannten, wurde er ganz nett. Er erinnerte sich, dass er schon mal mit mir gefahren war, damals war ich allein und mit Rucksack auf dem Weg nach Bali. Nun wollte er gern hören, was ich denn dort alles erlebt hätte. Welch eine glückliche Fügung. Übrigens trug er mir den überschweren Sack auch noch in mein Atelier. Das hatte gut geklappt. Von Indien bis nach Hause hatte ich den Sack nie wieder in der Hand. Da sag’ doch noch mal einer, dass man sich auf seine Seele nicht verlassen kann. Ich bin mit meiner sehr zufrieden.