Erotische Fingerübungen
Klaus Rohrmoser, geboren 1953 in Innsbruck, Schauspieler und Regisseur, von 1999 bis 2012 Schauspieldirektor am Tiroler Landestheater. „Siebzehn und vier“ ist sein Debüt als Autor.
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung
des Landes Tirol.
1. Auflage 2013
Kyrene Verlag Innsbruck-Wien
Alle Rechte vorbehalten
Satz & Korrektur: Joe Rabl
Umschlag: Carina Haberl
Printed in the EU
ISBN: 978-3-902873-41-5
www.kyrene-verlag.com
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Siebzehn erotische Splitter
„Eins und eins, das macht zwei, küss und denk nicht dabei, denn denken schadet der Illusion“ – bei diesem Refrain, von Hildegard Knefs rauchiger Stimme hingehaucht, lässt du zum ersten Mal deine Zunge in meinen Mund gleiten, punktgenau beim Wort „Illusion“. Am Lied kann man erkennen, wie lange das her sein muss. Trotzdem, es ist meine erste wirkliche Kusserinnerung und auch die hätte ich wahrscheinlich längst vergessen, wenn dabei nicht deine spezielle Zungenfertigkeit im Spiel gewesen wäre. Du bist fünfzehn, dein Name ist Yvonne und deine Zunge kann alles. Bei diesem ersten Kuss mit Musikuntermalung drehst du diese Zunge einfach um in meinem Mund, kehrst sozusagen das Unterste zuoberst, dann wieder das Oberste zuunterst, ganz lange, ganz zart und unheimlich geschickt, immer und immer wieder. Hildegard Knefs Rat, beim Küssen nicht zu denken, hätte ich gar nicht gebraucht, deine artistischen Übungen in meiner Mundhöhle rauben mir ohnehin die letzten Funken Verstand und richten auch im Rest meines aufgeheizten, ungeschickten Knabenkörpers einiges mehr an, als ich bis zu diesem Moment kenne. Noch heute danke ich meiner Mutter, dass ich damals schon sehr enge Glockenhosen tragen durfte. Es lebe der Widerstand!
Alles ist so wirklich, als wäre es gestern passiert, und doch sehr weit weg, wie aus einem anderen Leben.
Ich bin gerade mal dreizehn, werde von Yvonne, einer fünfzehnjährigen Zauberkünstlerin, in die feuchte Milchstraße geküsst und weiß damals natürlich noch nicht, dass in der Folge viele Vornamen meiner sinnlichsten Gespielinnen mit einem Y, mit einem I oder einem J beginnen werden.
Zwei Meter lang und so dick wie ein durchtrainierter Männerarm – lautlos gleitet sie vom Sofa über den Teppich in Richtung Küche. Im Halbschlaf höre ich das leise Geräusch, das die Milchschale macht, während sie trinkt. Einmal in der Woche, ich geh da meistens aus dem Haus, tötet sie zwei kleine Meerschweinchen und frisst sie. Ich habe sie Cleopatra getauft und bemühe mich, sie immer beim ganzen Namen zu rufen, obwohl Cleo kürzer wäre, doch das passt nicht zu ihr – sie ist eine Königin. Jetzt hat sie fertig getrunken. „Cleopatra“, rufe ich, ich liege immer noch im Bett und mir gefällt es, sie zu mir zu rufen, obwohl ich weiß, dass Schlangen nichts hören. Sie gleitet um die Ecke, sie kriecht nicht und wie immer nach dem Milchtrinken landet sie bei mir im Bett. Sie macht nie dasselbe, jeden Tag beginnt sie mit ihrem Liebesspiel woanders. Heute streichelt sie zuerst meinen linken Arm, der offen wie eine aufgeblühte Knospe auf dem Kissen liegt – langsam, extrem langsam schnuppert sie sich die Innenseite bis zur Armbeuge nach oben, fast kitzelt sie mich. Dann ist ihr kühler schwerer Kopf auf meinem Hals, nähert sich meinen Lippen und sie küsst mich, züngelt meine Lippen entlang. Obwohl ich immer noch im Halbschlaf dahindämmere, muss ich mich beherrschen, auf diesen Kuss nicht zu reagieren, während dieses sanfte, fast schmerzliche Ziehen durch meinen Körper beginnt. Cleopatra ist jetzt unter der Bettdecke und auf dem Weg nach unten. Das Ziehen wird stärker, als sie meine Brüste besucht, ich versuche, ruhig zu bleiben, muss mich aber, das muss ich jetzt wirklich, leicht mit ihr bewegen und mich an sie drücken, weil ihre Schuppen beginnen, meine Brustwarzen zu streicheln. Ich weiß nicht, wie sie das macht, ich flüstere ihren Namen und ziehe langsam die Bettdecke weg – ich will sie sehen, zuschauen, was sie da macht, will uns zuschauen. Verdammt, dieses bittersüße Ziehen wird nicht weniger, jetzt schiebt sie ihren Leib über meinen Bauch, der Kopf züngelt im Nabel, ich spüre jedes kleine Härchen dort, ich beginne unverhohlen zu stöhnen, Schlangen können ja nicht hören, denke ich, und als ihr Kopf meine Schenkel und meine Scham erreicht und bearbeitet, schreie ich einfach los.
Später, als wir ruhig nebeneinander liegen – ich atme noch etwas schwer, Cleopatra schläft inzwischen –, denke ich: Das war eine gute Entscheidung letzten Monat in der Tierhandlung – ein Hamster wäre nichts für mich gewesen.