Wolfram Letzner
Gebrannte Erde
Antike Keramik – Herstellung, Formen und Verwendung
Impressum:
128 Seiten mit 67 Abbildungen
Titelbild:
Hintergrund:
Blick in einen Ausstellungsraum mit Amphoren im Museum in Histria (Rumänien)
Unten rechts:
Südgallisches Terra Sigillata-Gefäß Typ Dragendorff 11, Neuss, Clemens-Sels-Museum
Unten links:
Griechischer Teller mit floralen und geometrischen Motiven
Unten Mitte:
Griechische Oinochoe mit Malereien, Rhodos, Archäologisches Museum
Oben rechts:
Becher mit Barbotine-Dekoration, Köln, Römisch-Germanisches Museum
Oben links: Südgallische Terra Sigillata, Krefeld, Museum Burg Linn
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2015 Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein
ISBN 978-3-945751-27-5
Gestaltung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
Lektorat: Mascha Schnellbacher, Patrick Pütz
Gestaltung des Titelbildes: Sebastian Ristow
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Weitere Titel unseres Verlagsprogramms finden Sie unter: www.na-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Keramik – Der Siegeszug eines Verwitterungsprodukts
Keramik – Herkunft des Begriffs
Das Material
Die Herstellung der Keramik – von der Tongrube bis zum Endprodukt
Die Quellenlage
Die Gewinnung des Tons
Die Aufbereitung des Tons
Die Gefäßproduktion
Wulsttechnik
Plattentechnik
Auf der Töpferscheibe gedrehte Keramik
Dekorationstechniken
Vasenmalerei
Applikationstechnik
Barbotine-Technik
Glasuren
Das Brennmaterial und der Brand
Der griechische Töpferofen – das typische Beispiel für einen einfacheren Ofen
Organisation der Werkstätten
Griechische Keramik – Reichtum an Formen, Farben und Themen
Eine kurze Übersicht
Gefäßformen und Gefäßtypen
Amphoren
Kannen und Hydrien
Kratere und Kessel
Trinkgefäße
Salbgefäße
Sondergefäße
Glanztonkeramik
Absatzmärkte und Vertrieb
Unteritalische Vasen – ein Exkurs
Römische Keramik
Quellen zur römischen Keramik
Bezeichnungen römischer Gefäße
Terra Sigillata
Forschungsgeschichte
Was ist Terra Sigillata?
Seit wann gab es Terra Sigillata und woher kam sie?
Voraussetzungen und Herstellungsmethoden
Übersicht der Herstellungszentren
Italische Werkstätten
Die südgallischen Töpfereien
Die mittelgallischen Töpfereien
Die ostgallischen und obergermanischen Töpfereien
Das Ende der Terra Sigillata
Andere Feinkeramik – sog. Belgische Ware
Nordafrikanische Sigillata
Die Organisation der Töpferbetriebe
Vertrieb
Tafelgeschirr und Nutzung
Sonstige Keramik
Antike Schwerkeramik – trägt oft kostbaren Inhalt
Griechische Schwerkeramik
Römische Schwerkeramik
Die Amphore – das Universalgefäß bei Griechen und Römern
Der Monte Testaccio – eine wohlorganisierte Müllhalde
Dolia
Dolia als Lagergefäße
Dolia als Transportgefäße
Dolia in anderer Funktion
Lampen – Licht und mehr
Baukeramik – Ziegel u. a. – praktisch und von zeitlosem Wert
Vorsicht Fälschungen!
Die Keramik als Leitfossil der Datierung
Auswahlliteratur
Glossar
Abbildungsnachweis
Weitere Bücher
In den meisten Museen der Welt gehört die Keramik zu den am häufigsten vertretenen Materialien. Der Besucher begegnet Formen aller Art und über alle Zeiten. Dies liegt daran, dass Keramik – also gebrannter Ton – zwar zu Bruch gehen kann, aber aufgrund seines geringen Materialwertes – im Gegensatz zu Metall – nicht oder nur in sehr geringem Maße wieder verwertet wurde. So haben sich gewaltige Mengen dieses Materials in den Museen angesammelt, die zumeist nicht einmal in der Lage sind, alle Objekte in ihren Schausammlungen auszustellen. So schätzt man die Zahl der erhaltenen griechischen Vasen auf über 100.000 und die Menge römischer Terra Sigillata zahlenmäßig zu erfassen, ist kaum möglich.
Der Umfang des keramischen Materials ist so groß, dass die Archäologen dieses schwerlich bewältigen können, sofern es sich um Alltagskeramik handelt.
Das Spektrum der Keramik ist sehr breit. Es reicht von einfachen, unverzierten Haushaltswaren – darunter fallen etwa Kochtöpfe oder Vorratsgefäße – bis hin zur aufwendig gestalteten Luxuskeramik, die oft genug auch für den Export bestimmt war.
Aber was bringt die Keramik – abgesehen von ihrer künstlerischen oder kunsthandwerklichen Qualität – für den Archäologen? Aufgrund der großen Menge, die erhalten ist, können die Fachleute lückenlos den Formen- und Stilwandel für einzelne Gebiete und Epochen dokumentieren, daraus eine Chronologie entwickeln und so Befunde unterschiedlichster Art datieren.
Aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften erlaubt es die Keramik aber auch, Rückschlüsse auf Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen zu gewinnen. Handels- und Transportwege lassen sich nachvollziehen.
Besonders für die griechische Keramik ergeben sich aber noch andere Aspekte, weil viele, vor allem hochwertige Gefäße, bemalt waren und Szenen aus dem täglichen Leben zeigen. Dazu gehören Darstellungen, die etwa Frauen beim Wasserholen am Brunnen oder Werkstattszenen zeigen. Daneben vermitteln sie tiefe Einblicke in Glaubenswelten, die dazu beitragen können, andere Befunde zu deuten und literarische Quellen zu ergänzen.
Im Gegensatz dazu steht die römische Keramik: Bemalung gehört nicht zu den herausragenden Charakteristika; andere Fertigungs- und Dekorationstechniken bestimmen hier den Aussagewert.
Es wäre sicherlich zu kurz gegriffen, wenn man sich bei der Keramik nur auf Gefäße konzentrieren würde. Bereits in der Antike fanden Produkte aus Ton in Bereichen Anwendung, die sich unter Begriffen wie Baukeramik (z. B. Dachziegel oder Leitungsrohre aller Art) zusammenfassen lassen. Auch diese werden in einem Exkurs behandelt. Gleiches gilt auch für Plastiken, die aus Ton geformt wurden.
Begriffe und Namen, die mehrfach im Text erscheinen oder von zentraler Bedeutung sind, finden sich im Glossar. Im Text sind sie durch eine veränderte Typografie (Kapitälchen) gekennzeichnet.
Mein besonderer Dank gilt dem Archäologischen Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Dr. H.-Helge Nieswandt, Prof. Dr. Dieter Salzmann) und Dr. Dietmar Jordan für die großzügige Bereitstellung von Bildmaterial und die Publikationsgenehmigung.
Hamm, im Dezember 2014
Wolfram Letzner
Ein multifunktionaler Werkstoff und seine Produkte – Das Material ist das Geheimrezept. Woher aber kommt die Bezeichnung Keramik?
In der heutigen Zeit wird der Begriff Keramik für sehr viele Gegenstände mit unterschiedlichen Funktionen genutzt. Schaut man in die einschlägige Literatur, so erscheinen Bezeichnungen wie Tonkeramik, technische Keramik, Glaskeramik oder auch Verbundkeramik. Dabei sind die beiden zuletzt genannten Begriffe in unserer Betrachtung nicht relevant, weil sie Produkte des 20. Jhs. sind.
Daneben wird der Begriff Keramik auch für einzelne Produkte genutzt, sei es die Gefäßkeramik, Baukeramik oder Sanitärkeramik. In dem hier zu behandelnden Zusammenhang sind vor allem die Gefäßkeramik und die Baukeramik von Bedeutung. Die Sanitärkeramik hingegen – man denke dabei vorzugsweise an Toilettenschüsseln oder Waschbecken – hat in der Antike keine Rolle gespielt. Römische Latrinen etwa verfügten über hölzerne oder steinerne Sitze. Einen Keramikbezug hatte einzig der Nachttopf in seinen verschiedenen Ausformungen, der in den Massenquartieren der antiken Großstädte eine Rolle spielte, aber auch in anderen Kontexten in Erscheinung trat.
Eine Sonderrolle im Bereich der Keramik stellen sicherlich Großplastiken aus Ton dar. Es ist die Frage, ob sie in den Bereich der Baukeramik gehören, weil sie zumeist als Bauschmuck in Erscheinung treten.
Der Ursprung des uns so geläufigen Begriffes „Keramik“ liegt unbestritten in der griechischen Sprache und ist zu einer Zeit entstanden, als die Menschheit schon lange gebrannte Gegenstände aus Ton herstellte. Lateinische Begriffe, die die Produkte aus Ton oder deren Herstellung bezeichnen, basieren auf einer Wortgruppe, der etwa figulinus oder figulus angehören. Sie haben keinen Eingang in die deutsche Sprache gefunden.
Versuche, die Herkunft zu erklären, hat es schon in der Antike gegeben. Der im 2. Jh. n. Chr. tätige Reiseschriftsteller Pausanias liefert uns in seiner Beschreibung Griechenlands einen Hinweis (1, 3, 1). In seinen Ausführungen zu Athen zeichnet er ein Bild des im Nordwesten der Stadt gelegenen Bezirks Kerameikos mit seinen vielen Töpfereien. In diesem Zusammenhang schreibt er, die Örtlichkeit habe ihren Namen von dem Heros Keramos erhalten, der ein Sohn des Dionysos und der Ariadne gewesen sein solle. Pausanias lässt aber die Frage unbeantwortet, ob dieser Heros hier schon vor der Ansiedlung der Töpfereien verehrt wurde oder ob sein Kult nicht erst danach erfunden wurde.
Bevor man sich mit der antiken Keramik selbst beschäftigt, ist es sinnvoll, sich mit dem Grundmaterial, dem Ton, auseinanderzusetzen. Wir nehmen zwar Gegenstände aus diesem Werkstoff als alltägliche Dinge hin, ohne uns aber darüber bewusst zu sein, wo der Ton herkommt und wie er aufbereitet wird. Schaut man in die entsprechende Literatur, so wird schnell klar, dass es nicht nur einen Ton gibt. Aber an dieser Stelle ist es nicht möglich, in die Tiefen der Geologie einzudringen.
Der Ton ist grundsätzlich ein Verwitterungsprodukt der Erde. Durch Regen oder Quellen wird dieses Material in tiefere Erdschichten eingeschwemmt und bildet dort mehr oder weniger große Tonbänke aus. In der Forschung wird zwischen einer „primären“ und einer „sekundären“ Tonerde unterschieden. Unter einer primären Tonerde versteht man Tone, deren Ausgangsmaterial aus reinem Feldspat besteht. Dabei handelt es sich um das weiße Kaolin, welches in der Porzellanherstellung eine wichtige Rolle spielt. Die sekundäre Tonerde entsteht auf einem ganz anderen Weg: Das Schwemmwasser transportiert das Verwitterungsmaterial durch sehr unterschiedliche Erdschichten, die ihre ganz speziellen chemischen Zusammensetzungen haben. Diese sind letztendlich dafür verantwortlich, dass die fertigen Tone graue, bräunliche oder rote Farben aufweisen, die sich später beim Brand wiederfinden.
Aufgrund der Tonfarben lässt sich oft auch die Herkunft der Keramik feststellen, ohne große naturwissenschaftliche Untersuchungen durchführen zu müssen. In der Literatur wird etwa darauf hingewiesen, dass korinthische Ware eine gelblich-grüne Färbung zeige, während etwa attische einen auffallend rötlichen Charakter besäße.
Vergleichbares lässt sich auch für römische Keramik feststellen. So kann man etwa südgallische Terra Sigillata aufgrund ihrer Tonfarbe oder Struktur – weiße und gelbe Einsprengsel – auch an kleinsten Scherben erkennen. Und gewiss darf man dies auch auf andere Herstellungszentren übertragen, weil dort ebenso lokale Tone mit ihren ganz bestimmten Eigenschaften verarbeitet wurden.
Geht man in der Zeitachse noch einen Schritt weiter, so gilt diese Aussage noch für das Mittelalter bis hin zur Neuzeit. Erst die moderne industrielle Produktion greift auf Rohstoffe zurück, die nicht zwangsläufig aus der Region kommen und jeweils für das herzustellende Produkt die richtigen Grundeigenschaften besitzen.
Lehm – ein anderes Material als Ton
Im alltäglichen Leben werden die Begriffe Lehm und Ton oft gleichgesetzt. Jedoch gibt es Unterschiede. Zwar ist Lehm auch ein Verwitterungsprodukt, besteht jedoch aus einer Mischung aus Sand, Schluff (Silt) und Ton.
Handwerkliches Geschick, Erfahrung und Glück treffen aufeinander, wenn Töpfer aus mühsam gewonnenem und aufbereitetem Ton anmutige Gefäße formen. Künstlerisches Empfinden drückt sich in vielfältigen Dekorationen aus und dann folgt der Brand, der alles entscheidet: Mögen die Götter die Mühen belohnen.
Die Keramikherstellung ist ein komplizierter Prozess, der eine lange Entwicklung durchlaufen hat. Wann Ton als Gestaltungsmittel erstmals bewusst genutzt wurde, liegt im Dunkel der Vorgeschichte begraben. Der prähistorische Mensch – so ist es durchaus vorstellbar – könnte durch Beobachtung erkannt haben, dass bestimmte Erden sich durch Feuer verändern und sich dieses neue Material für verschiedene Dinge nutzen ließ.
Die ältesten Zeugnisse, die eine Gestaltung von Gegenständen aus Ton belegen, stammen aus dem Gravettien, einer altsteinzeitlichen Periode. An einem Fundplatz in Mähren, Dolní Věstonice, kamen zahlreiche Fragmente von Statuetten ans Tageslicht, die ein Alter von 25.000 bis 30.000 Jahren aufweisen. Unter ihnen fand man eine nur 11,1 cm große Statuette aus gebranntem Ton, die als Venus bezeichnet wurde. Vergleichbare Objekte sind aber auch von anderen Fundplätzen bekannt.
Anrührend ist das Objekt insofern als man auf seiner Rückseite einen Fingerabdruck entdecken konnte, der auf den Schöpfer hindeutet. Dabei handelte es sich um ein Kind im Alter von elf oder zwölf Jahren.
Die Herstellung von Gefäßen setzte aber deutlich später ein. Sie wurde durch veränderte Lebensverhältnisse im Neolithikum begünstigt. Der Mensch wurde sesshaft und veränderte zudem seine Ernährungsweisen. Statt einfach das erlegte Wild am Feuer zu braten, standen nun Nahrungsmittel zur Verfügung, die gekocht werden mussten.
Nicht gebrannt und dennoch aus Erde
Die ur- und frühgeschichtliche Forschung hat feststellen können, dass es im Alten Orient ein präkeramisches Neolithikum gab, welches dort in das 7. Jt. v. Chr. datiert wird. Man fand Gefäße, die sog. White Ware, als Vorläufer der Keramik. Dabei handelt es sich um eine natürlich vorkommende Mischung aus Kalk und Mergel, die ohne Brand aushärtet.
Aus diesen Anfängen heraus entstand im Lauf der Jahrtausende eine blühende Handwerkskunst und Industrie; diese entwickelten die verschiedensten Methoden der Herstellung, die es nun von der Gewinnung des Tons bis zum Endprodukt zu betrachten gilt.
Wie können wir die antike Keramikproduktion erforschen? Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Da wir heute noch in einer Schriftkultur leben, fällt unser Blick zunächst auf die schriftlichen Quellen, die sich über Jahrhunderte hinweg erhalten haben. Dabei handelt es sich überwiegend um historische und philosophische Texte, zu denen sich solche der Dichtung gesellen.
Wo ist aber die Fachliteratur, die es auch in der Antike gab? Auf diese Frage lassen sich zwei Antworten finden: Die erste ist in dem Umstand zu sehen, dass Handwerk und Handwerker sowohl in griechischer als auch römischer Zeit keinen hohen sozialen Status einnahmen, dass also über diese nicht geschrieben werden musste. Darüber hinaus wurde das Handwerk oft innerhalb der Familien weitergegeben, daher waren Fachbücher überflüssig. Die zweite Antwort findet sich in der Überlieferungsgeschichte: Die Texte, die sich dann doch mit dem Handwerk beschäftigten, wurden in nachantiker Zeit aus Desinteresse teilweise nicht mehr kopiert und gingen so verloren. Eine Ausnahme bezogen auf unser Thema stellen etwa die GEOPONICA dar.
Was vermögen die gesamten erhaltenen Texte aber zu vermitteln? Sie geben uns Hinweise auf die Fertigung der Keramik, aber vor allem liefern sie Informationen darüber, wie die einzelnen Gefäße benannt und zu welchen Zwecken sie genutzt wurden. Jedoch oft genug sorgen sie für mehr Verwirrung, weil nicht immer deutlich wird, aus welchem Material das genannte Gefäß bestand und wie es aussah. Die archäologische Forschung wird hier wohl noch über lange Jahre hinweg ein großes Arbeitsfeld haben, weil mit jedem Fund und Befund neue Erkenntnisse gewonnen werden können (siehe etwa S. 30 f.).
Welche Informationen liefern die archäologischen Quellen? Bei Ausgrabungen stößt man etwa immer wieder auf Töpfereien, die Stück für Stück offenbaren, welche Produktionseinrichtungen vorhanden waren und Hinweise auf Arbeitsabläufe liefern. Daneben gibt es bildliche Darstellungen, die technische Einrichtungen und Betriebsabläufe zeigen. Sie finden sich etwa auf griechischen Vasen oder PINAKES. Auch wenn es unser zentrales Thema – griechische und römische Keramik – nur peripher betrifft, sei auf entsprechende Darstellungen aus ägyptischen Gräbern verwiesen.
Für viele Prozesse bei der Keramikherstellung können wir aber auch Analogien zur Ethnologie ziehen. Durch Vergleiche von noch heute existierenden Methoden lassen sich Rückschlüsse auf antike ziehen. Dies gilt etwa für die Gewinnung des Tons.
Am Anfang der Keramikproduktion steht die Gewinnung des Ausgangsmaterials Ton. Im Griechischen heißt er kéramos oder ge kéramike; für Lehm hingegen findet sich der Begriff pelós. Der lateinische Begriff für Lehm ist lutum.
Da nicht jede Erde für die Keramikherstellung geeignet ist, galt es – wie heute auch – Lagerstätten des begehrten Rohstoffs zu entdecken. Über die Gewinnung von Ton in ur- und frühgeschichtlicher Zeit lässt sich kaum Konkretes sagen, weil Keramik nur in kleinem Rahmen – für den Hausgebrauch oder eine dörfliche Gemeinschaft – gefertigt wurde. So mussten keine größeren Lagerstätten erkundet und ausgebeutet werden.
Mit den veränderten sozialen und ökonomischen Bedingungen in der Antike, der Entstehung größerer Siedlungen mit höheren Einwohnerzahlen, wuchs natürlich auch der Bedarf an Keramik. Nicht mehr jeder konnte für den Eigenbedarf produzieren.
Wenn aber eine größere Produktion in Handwerksbetrieben erfolgt, setzt dies natürlich voraus, dass der Rohstoff in ausreichender Menge in vernünftiger Reichweite vorhanden war. Dies gilt auch für Ton. Hier stößt die Archäologie aber an ihre Grenzen. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich die Landschaft stark verändert: So sind Siedlungen gewachsen oder neu entstanden, Flüsse haben sich ein neues Bett gesucht usw. Aufgelassene Tongruben sind durch Einschwemmungen und Bewuchs kaum noch erkennbar. Nicht minder gravierend ist der Umstand, dass die Gruben in nachantiker Zeit oft weiter genutzt wurden, weil der Bedarf an Tonerde fortwährend bestand. Als Beispiel für die neuzeitliche Nutzung antiker Tongruben lässt sich das in der Südpfalz gelegene Rheinzabern anführen, ein bedeutendes Zentrum der Terra Sigillata-Herstellung während der römischen Kaiserzeit. Hier wurden diese Gruben seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. von der Ziegelei Ludowici weiter ausgebeutet (siehe S. 19).
Grundsätzlich lässt sich zu antiken Tongruben festhalten, dass der Tonabbau zumeist in offenen Gruben und gelegentlich durch Stollen erfolgte. Versucht man einen differenzierten Blick auf die Tongewinnung in der griechischen Welt, so stößt man bei den Quellen schnell auf eine Reihe von kleinen korinthischen PINAKES. Von diesen interessiert hier eine Bildtafel, die um 580 v. Chr. datiert wird und sich heute in Berlin befindet (Abb. 2).
Die Szene belegt, dass die Tongewinnung bereits ein arbeitsteiliger Prozess war. Von den dargestellten Personen ist eine damit beschäftigt, den Ton aus dem anstehenden Erdreich zu gewinnen, während eine zweite das gewonnene Material in einen Transportbehälter (wohl ein Korb mit Henkeln) füllt, den ein dritter Mann aus der Grube heraus an einen vierten Arbeiter reicht.
Diese Tontafel zeigt nicht nur den Arbeitsablauf, sondern weist auch noch auf die Arbeitsbedingungen hin. Die Grube scheint im Vergleich mit der Größe der dargestellten Personen schon recht tief zu sein. An dieser Stelle greift eine schriftliche Quelle, die schon erwähnte GEOPONICA (2, 49, 3). Hier wird ausdrücklich betont, der Ton würde auch in beträchtlicher Tiefe gewonnen.
Von Arbeitssicherheit, die heute eine große Rolle spielt, lässt sich nur wenig beobachten. Das Deckmaterial über der Tonschicht kragt bereits deutlich über und der Betrachter erwartet eigentlich schon den Einsturz. Eine Balkenkonstruktion – man kann einen Längsbalken und das Profil von zwei Querbalken erkennen – belegt lediglich eine Absicherung nach oben hin.
Die Bildtafel verdeutlicht aber auch, dass es sich um schwere körperliche Arbeit handelt. Die unbekleideten Arbeiter bedürfen der Erfrischung mit Wasser aus einer Amphore, die vom Längsbalken herabhängt. Ob die Arbeiter tatsächlich nackt waren, darf durchaus diskutiert werden. Bezogen auf Töpferszenen auf Vasenbildern gibt es Überlegungen, die in der Nacktheit einfach eine charakterisierende Formel für das einfache Volk sehen wollen.
Wenn wir von römischen Tongruben sprechen, so sind unsere Kenntnisse wohl etwas besser. Die schriftlichen Quellen bezeichnen die Tongrube als fodina. Jedoch muss der Begriff immer in einem Kontext betrachtet werden, weil er generell einen Ort bezeichnet, an dem Mineralien ausgegraben werden. Damit kann im Prinzip jede Grube oder ein Bergwerk gemeint sein.
Im Lauf der Forschungsgeschichte sind – gerade auch in den Provinzen – Tongruben untersucht worden, die Einblicke in die Abbautechniken erlauben. Schon zum Ende des 19. Jhs. konnte Wilhelm Ludowici in Rheinzabern Gruben dokumentieren, die im Tagebau betrieben wurden, und deren Spuren noch heute sichtbar sind.
Neueren Datums sind Untersuchungen in Rohrbach (Landkreis Aichach-Friedberg, Bayern) und in Schwabegg, einem Ortsteil von Schwabmünden (Landkreis Augsburg), die hier exemplarisch angeführt werden. An beiden Orten lassen sich unterschiedliche Abbaumethoden beobachten.
In Rohrbach stieß man auf insgesamt acht Gruben, die eine spätrömische Töpferei und Ziegelei mit Rohstoff versorgten. Die Gruben wiesen jeweils eine Länge von 49 m und eine Tiefe von 2 m auf. Dies deutet auf einen sog. Kuhlen- oder Strossenabbau hin, bei dem durch den Arbeitsprozess eine Eintiefung in das Erdreich entsteht. Dieser Tagebau bereitet natürlich einen recht geringen Aufwand, doch kann man sich auch leicht vorstellen, dass dieses Verfahren Probleme in sich birgt: Schon während des Abbaus können die Gruben durch Niederschläge volllaufen und die Ausbeutung behindern. Letztendlich kann dies massive Auswirkungen auf die weitere Keramikproduktion haben.
Eine andere Abbautechnik für Ton konnte in Schwabegg beobachtet werden. Die nachgewiesene Grube versorgte eine Terra-Sigillata-Töpferei. In dieser Grube wurde der sog. Stoßabbau angewandt, bei dem der Abbau als Front in eine Richtung fortschreitet.
Die Relation zwischen der Lage von Tongrube und Werkstatt muss differenzierter gesehen werden. Dies betrifft nicht nur eine Unterscheidung zwischen griechischer und römischer Tongewinnung, sondern es muss auch innerhalb der einzelnen Herstellungszentren unterschieden werden.
Für die griechische Welt lassen sich exemplarisch Aussagen etwa für Korinth und Athen treffen. In Korinth wurde der Ton an den Abhängen von Akrokorinth, also innerhalb des Stadtgebietes, gewonnen, während die Töpfer in Athen ihren Ton – wohl bedingt durch die weitaus größere Produktion – von mehreren Lagerstätten beziehen mussten. Innerhalb Athens bzw. in unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet gab es Tonvorkommen am Ilissos, der heute als Fluss nicht mehr im Stadtbild wahrnehmbar ist. Darüber hinaus kam der Rohstoff aus Gruben in Marousi, etwa 12 km nordwestlich des athenischen Stadtzentrums gelegen, und vom Kap Kolias an der attischen Westküste, welches 15 km entfernt ist.