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N. Bernhardt

Buch VII: Der leidliche Herzog

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch VII: Der leidliche Herzog

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954183-63-0

www.null-papier.de/hymal

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Sieg und Nie­der­la­ge

Zwei­tes Ka­pi­tel: Al­les ge­re­gelt?

Drit­tes Ka­pi­tel: Adept von blau­em Blu­te

Vier­tes Ka­pi­tel: Der kost­spie­li­ge Kas­tel­lan

Fünf­tes Ka­pi­tel: Her­zog oder Bür­ger­meis­ter?

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine wei­te­re Lek­ti­on

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ge­platz­te Träu­me

Aus­blick

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Ei­ne große Schlacht gibt Nik­ko nicht nur die Ge­le­gen­heit, sich einen gu­ten Na­men zu ma­chen. Auch lernt er so end­lich den Groß­her­zog ken­nen. Für das ei­ge­ne Le­hen sind bald gute Leu­te ge­fun­den, so­dass sich der Adept end­lich auf nach Sinál ma­chen kann, wo der Her­zog si­cher­lich schon war­tet. Doch scheint dort nicht al­les bes­tens zu lau­fen. Ist Fy­dal wirk­lich Herr in den ei­ge­nen Lan­den?

Auch auf der ei­ge­nen Burg droht bald schon wie­der Un­ge­mach. Hat Nik­ko sie etwa in die falschen Hän­de ge­ge­ben? Zwi­schen der Haupt­stadt und dem ei­ge­nen Sitz hin- und her­ge­ris­sen, muss der Adept sich zu­dem noch um das ei­ge­ne Voran­kom­men sor­gen. Schließ­lich soll er ja bald Hof­ma­gier wer­den. Aber leicht wür­de es nicht wer­den.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Sieg und Niederlage

Plock! Nik­ko hat­te die Au­gen fest ge­schlos­sen und lag bäuch­lings im Dreck. Das Dröh­nen des Horns noch im­mer in sei­nen Ohren, woll­te er lie­ber gar nicht se­hen, was nun auf ihn zu­kam. Dies­mal war es wohl end­gül­tig vor­bei. Dies­mal wür­de das Glück ihn nicht wie­der ret­ten. Vor ei­nem gan­zen Ork­heer konn­te es schließ­lich kein Ent­kom­men ge­ben.

Wie­der ein Plock! Was war das bloß für ein Geräusch? Wahr­schein­lich Pfei­le. Si­cher­lich schos­sen sie schon auf ihn. Der Schild war wohl noch ak­tiv, so dass al­les an ihm ab­prall­te. Na­tür­lich, er war ja gut ge­schützt. Das hat­te er schon wie­der ver­ges­sen ge­habt. Mo­ment mal! Er war doch auch un­sicht­bar, oder? Wie konn­ten sie da über­haupt auf ihn schie­ßen?

Der Jun­ge öff­ne­te die Au­gen und dreh­te sich auf den Rücken. Jetzt woll­te er doch wis­sen, was hier über­haupt los war. Noch ein Pfeil kam di­rekt auf ihn zu­ge­flo­gen! Ängst­lich roll­te sich der Adept zur Sei­te. Das Ge­schoss traf trotz­dem, um mit ei­nem Plock am Schild ab­zu­pral­len. Nik­ko hat­te sei­nen Schutz schon wie­der ver­ges­sen ge­habt und keuch­te nun vor Er­leich­te­rung.

So gut ge­schützt woll­te sich der Jun­ge nun erst ein­mal ge­nau­er um­se­hen. Noch im­mer reg­ne­te es Pfei­le. Über­all! Sie schos­sen also gar nicht auf ihn. Das wa­ren Sal­ven, die den Orks gal­ten!

Vie­le der Bies­ter la­gen pfeil­ge­spickt am Bo­den. An­de­re schütz­ten sich mit Schil­den oder flüch­te­ten un­ter die Le­der­schir­me. Wie­der an­de­re schos­sen zu­rück. Doch ziel­ten sie nicht in Nik­kos Rich­tung, son­dern wei­ter nach Süd­ost. Wur­den sie von der an­de­ren Sei­te her an­ge­grif­fen?

Ja, die Sal­ven ka­men aus die­ser Rich­tung. Das konn­te doch nur eine Le­gi­on sein. Oder war es etwa Fy­dal mit sei­nen Trup­pen? Egal, fand Nik­ko. Haupt­sa­che, er war erst ein­mal ge­ret­tet!

In den Rei­hen der Orks herrsch­te mitt­ler­wei­le das blan­ke Cha­os. Über­all ge­brüll­te Be­feh­le, Ge­grun­ze und auch Schmer­zens­schreie. Den­noch schie­nen die Vie­cher noch lan­ge nicht be­siegt zu sein. Dazu leb­ten noch zu vie­le. Viel zu vie­le.

Je­den­falls hat­ten sie von Nik­ko ab­ge­las­sen, wenn sie es über­haupt je­mals auf ihn ab­ge­se­hen hat­ten. Das Horn! Es hat­te wahr­schein­lich gar nicht ihm ge­gol­ten. Nein, es war wohl eine Art Alarm ge­we­sen. Vi­el­leicht auch das Si­gnal zum An­griff.

Plock! Ein wei­te­rer Pfeil prall­te am Schild des Adep­ten ab. Doch zuck­te der Jun­ge nicht ein­mal mehr. Er hat­te jetzt end­lich Ver­trau­en in sei­nen Schutz ge­fun­den. Doch was soll­te er nun bloß ma­chen?

Ei­gent­lich hat­te er ja nur eine Wahl. An­grei­fen! Er muss­te die freund­li­chen Trup­pen doch un­ter­stüt­zen. Wie soll­te er sei­ne An­we­sen­heit hier sonst er­klä­ren? Ob­wohl, er war ja noch im­mer un­sicht­bar und könn­te sich auch un­be­merkt weg­schlei­chen.

Un­sinn! Er soll­te die Ge­le­gen­heit beim Schop­fe pa­cken und sich sei­nen An­teil am Sieg si­chern. Vi­el­leicht wür­de hier heu­te ja Ge­schich­te ge­schrie­ben. Da konn­te er doch nicht so ein­fach da­von­ren­nen!

Nik­ko zück­te den Feu­er­stab und be­gann, wahl­los in die Orks hin­ein­zu­schie­ßen. Da die Bies­ter nur we­ni­ge Stein­wür­fe ent­fernt und so zahl­reich wa­ren, saß je­der Schuss per­fekt! Bald schon brann­te es in den Rei­hen des Fein­des, wo die Schmer­zens­schreie mit dem Ge­stank ver­kohl­ten Flei­sches ver­quol­len. Ein schau­er­li­ches Bild, wenn es nicht um den ver­ach­tens­wer­ten Feind gin­ge. So je­doch ge­noss der Jun­ge sein To­des­werk in vol­len Zü­gen.

Ei­ni­ge Orks schos­sen nun in sei­ne Rich­tung. Doch war er ja noch im­mer un­sicht­bar, so tra­fen die Vie­cher nicht ein­mal den Schild. Den­noch, Nik­ko re­van­chier­te sich na­tür­lich mit wei­te­ren Feu­er­bäl­len!

Das mach­te Spaß! Je­der ein­zel­ne Ork, den der Adept dem Flam­men­tod übergab, hin­ter­ließ ein Ge­fühl der Be­frie­di­gung. Wie hat­te er nur je­mals in Er­wä­gung zie­hen kön­nen, solch Un­ge­zie­fer für sich kämp­fen zu las­sen? Nein, der Tod war al­les, was die­se Bies­ter ver­dien­ten!

Dank Nik­kos Feu­er­sturm wa­ren die Rei­hen der Orks durch­bro­chen und in völ­li­gem Cha­os. Je­den­falls hier, wo der Kern ih­res Hee­res zu ver­mu­ten war. Dies er­laub­te es dem Jun­gen, auch die Gerä­te un­ter Be­schuss zu neh­men, mit de­nen die Bies­ter sei­ne Burg be­droh­ten. Schnell brann­ten die Ka­ta­pul­te lich­ter­loh!

Der Pfeil­ha­gel hat­te mitt­ler­wei­le auf­ge­hört und Ge­fecht war nun zu hö­ren. Klin­ge ge­gen Klin­ge klirr­te es wei­ter hin­ten. Schein­bar stürm­te das un­be­kann­te Heer jetzt den ge­schwäch­ten Feind.

Nik­ko ver­bann­te den Flam­men­stab zu­rück in den Ring, aus dem er ihn be­schwo­ren hat­te. Zu sehr streu­ten des­sen Feu­er­bäl­le. Er woll­te ja kei­ne freund­li­chen Sol­da­ten ver­bren­nen! Der Blitz­stab hin­ge­gen war deut­lich prä­zi­ser. Mit ihm er­leg­te er den ein oder an­de­ren Ork, der ent­setzt da­von­zu­lau­fen ver­such­te.

Jetzt, wo die meis­ten der Bies­ter am Bo­den la­gen und der Rest nur noch chao­tisch um­her­lief, fass­te der Jun­ge al­len Mut. Er be­en­de­te sei­ne Un­sicht­bar­keit. Die Vie­cher soll­ten schließ­lich se­hen, wer ih­nen hier Tod und Ver­der­ben brach­te!

Auch die un­be­kann­ten Krie­ger hat­ten sich nun bis auf ein oder zwei Stein­wür­fe her­an­ge­kämpft. Nur we­ni­ge Orks stell­ten sich ih­nen noch in den Weg. Der Sieg schi­en jetzt zum Grei­fen nahe!

Die Sol­da­ten hat­ten den Jun­gen mitt­ler­wei­le auch be­merkt, wie er noch im­mer Blit­ze hin­ter den Orks her­jag­te. Gna­den­los streck­te er so vie­le der Flie­hen­den nie­der und ern­te­te an­er­ken­nen­de Bli­cke der Krie­ger.

»Welch un­ver­hoff­ter An­blick«, rief ei­ner der Män­ner und kam auf den Adep­ten zu. »Ma­jor Ka­ryl von As­ban, habe die Ehre!«

Die Orks wa­ren ge­schla­gen und die Ka­ta­pul­te nur noch bren­nen­de Ge­rip­pe. Dass die Sol­da­ten ihm sol­chen Re­spekt zoll­ten, ließ ver­mu­ten, dass sie sei­ne Rol­le in der Schlacht auch zu wür­di­gen wuss­ten.

»Adept Nik­ko aus Vyl… ähm… von Hal­fuár«, stell­te sich der Jun­ge vor und lä­chel­te. »Eure An­we­sen­heit hier ist kei­ne min­der große Über­ra­schung für mich.«

»Von Hal­fuár also«, nick­te der Ma­jor, des­sen blut­ver­schmier­ten Waf­fen­rock ein blau­er Ad­ler auf weißem Grund zier­te. »Dann seid Ihr al­so… die­ser… Zau­be­rer?«

Das Wap­pen mit dem Ad­ler kam dem Jun­gen doch ir­gend­wie be­kannt vor. Doch wo hat­te er es schon ein­mal ge­se­hen?

»Die­ser Zau­be­rer?«, wuss­te Nik­ko nicht, wor­auf der Kerl an­spiel­te.

»Ver­zeiht, Adept«, lä­chel­te der Sol­dat. »Der Herr der Burg Hal­fuár eben. Sei­ne Ho­heit er­wähn­te so et­was in die­ser Rich­tung. Doch weiß ich nichts Ge­nau­e­res.«

»Ja, ich bin der Herr von Hal­fuár«, grins­te der Adept. »Und der zu­künf­ti­ge Hof­ma­gier des Her­zogs. Ist Fy­dal… ähm Sei­ne Ho­heit mei­ne ich… hier?«

»Nein, wir mar­schie­ren un­ter dem Ban­ner Sei­ner kö­nig­li­chen Ho­heit, des Groß­her­zogs von Thordám«, er­wi­der­te der Ma­jor. »Der Her­zog von Hy­mal weilt noch in sei­ner Haupt­stadt Sinál.«

Rich­tig, da­mals in Te­rys hat­te er den blau­en Ad­ler ge­se­hen. Das war dem­nach das Wap­pen des Hau­ses von Thordám. War der Groß­her­zog etwa hier? Wie hieß er doch gleich? Ar­lenn, oder so ähn­lich.

»Ist der Groß­her­zog hier mit Euch im Fel­de?«, frag­te der Jun­ge ganz auf­ge­regt. Er hat­te ja noch nicht das Ver­gnü­gen ge­habt, die­sen schein­bar so wich­ti­gen Mann per­sön­lich zu tref­fen.

»Selbst­ver­ständ­lich«, lach­te der Of­fi­zier. »Sei­ne kö­nig­li­che Ho­heit wür­de es sich nie­mals neh­men las­sen, an vor­ders­ter Front mit­zu­kämp­fen.«

»Dann bringt mich zu ihm!«, be­fahl Nik­ko in ei­nem Mo­ment plötz­li­cher Stär­ke. Er hat­te sich wie­der dar­an er­in­nert, dass er als Zau­be­rer über al­len ge­wöhn­li­chen Men­schen stand.

»Sehr wohl, Adept«, ant­wor­te­te der Ma­jor, jetzt mit ganz erns­ter Stim­me. »Er wird ir­gend­wo bei der Rei­te­rei zu fin­den sein. Folgt mir bit­te!«

Über­all tote Orks. Es muss­ten hun­der­te sein, wenn nicht gar tau­sen­de. Aber auch vie­le Krie­ger des Groß­her­zogs hat­ten in die­ser Schlacht kein Glück ge­habt.

Nik­ko folg­te dem Ma­jor über das Feld der Ehre, wo sich das Cha­os zu­rück in Ord­nung zu wan­deln schi­en. Im Kampf ver­streu­te Ein­hei­ten fan­den wie­der zu­ein­an­der und brach­ten sich in Stel­lung. Hie und da küm­mer­te man sich um die Ver­letz­ten. Für manch einen blieb lei­der nur noch der Gna­den­stoß.

Der Jun­ge nahm die Ein­drücke vom Schlacht­feld wie in Tran­ce in sich auf. So et­was hat­te er ja noch nie er­lebt. Nie hat­te er so vie­le Tote und Ver­letz­te ge­se­hen, wenn auch die meis­ten nur Orks wa­ren. Den­noch, der Ge­ruch des To­des stand über dem Feld und ver­quoll mit dem Ge­stank ver­brann­ten Flei­sches. Sei­ne Feu­er­bäl­le und Blit­ze wa­ren nun ein­mal nicht die de­zen­tes­ten Waf­fen.

Noch im­mer folg­te er dem Of­fi­zier, der im Ge­hen sein blut­ver­schmier­tes Schwert mit ei­nem Lap­pen ab­wisch­te und dann in die Schei­de schob. Der Beid­hän­der war fast so groß wie der Mann selbst und hat­te wohl so man­chen Ork auf dem Ge­wis­sen.

Über­haupt schie­nen die Män­ner des Groß­her­zogs gut ge­rüs­tet. Blan­ken Stahl und bun­tes Tuch konn­te man im Über­fluss er­ken­nen. Wenn auch ei­ni­ge nie­de­re Trup­pen nur in Le­der ge­klei­det wa­ren. Doch auch de­ren Aus­rüs­tung wirk­te or­dent­lich und von gu­ter Qua­li­tät. Ganz im Ge­gen­satz zu den Orks, die of­fen­bar nur schä­bi­ges Le­der und ros­ti­ges Ei­sen zur Ver­fü­gung hat­ten.

Die Vor­stel­lung, was wohl pas­siert wäre, wenn er sich tat­säch­lich an die Spit­ze der Orks ge­stellt hät­te, ließ in Nik­ko große Er­leich­te­rung auf­kom­men. Mit die­sen er­bärm­li­chen Bies­tern hät­te er ja so­gleich ge­gen des Groß­her­zogs Trup­pen an­tre­ten müs­sen, ohne Chan­cen auf einen Sieg. Zum Glück hat­te er da­von recht­zei­tig ab­ge­se­hen. Das hät­te für ihn doch nur übel en­den kön­nen.

»Haupt­mann, habt Ihr Sei­ne kö­nig­li­che Ho­heit ge­se­hen?«, frag­te der Ma­jor dann einen an­de­ren Of­fi­zier. »Ist er bei der Rei­te­rei zu fin­den?«

»Ja­wohl, Herr Ma­jor«, nick­te die­ser. »Doch ist die Rei­te­rei noch ein­mal los­ge­zo­gen, den flie­hen­den Orks nach­zu­set­zen.«

»Dann wer­den sie wohl erst am Abend wie­der hier sein«, seufz­te der Ma­jor. »Ich fürch­te, Adept, Ihr müsst Euch doch noch ein we­nig ge­dul­den.«

Nik­ko hielt sich bis zum Abend an den Ma­jor, der ihm vie­le der Of­fi­zie­re des Groß­her­zogs vor­stell­te. Manch ei­ner der Krie­ger hat­te den Adep­ten wäh­rend der Schlacht so­gar in Ak­ti­on ge­se­hen. So galt es, vie­le Hän­de zu schüt­teln. Er hat­te sich un­ter den Sol­da­ten schein­bar schon einen gu­ten Na­men ge­macht.

»Der Zau­be­rer, der die Orks von der an­de­ren Sei­te her be­drängt hat­te«, hör­te er vie­le sa­gen, oder: »Der Ma­gier, der die Orks und ihr Gerät in Brand ge­steckt hat­te.«

So ver­ging die Zeit wie im Flu­ge. Um ihn her­um war das Feld­la­ger schon fast auf­ge­baut. Vie­le Zel­te und La­ger­feu­er lie­ßen ihn die Schlacht bald ver­ges­sen. Die to­ten Orks wa­ren so­wie­so schnell bei­sei­te ge­schafft ge­we­sen. Ein großes Feu­er ab­seits ließ ver­mu­ten, was aus ih­nen ge­wor­den war.

Die ei­ge­nen To­ten wa­ren hin­ge­gen in Zel­ten auf­ge­bahrt. Eine Be­stat­tung mit al­len Ehren wür­de ih­nen nicht ver­wehrt blei­ben. So je­den­falls wuss­te es der Ma­jor zu be­rich­ten. Ob er da­mit auch die ein­fa­chen Sol­da­ten und Waf­fen­knech­te mein­te, frag­te Nik­ko lie­ber nicht.

Ge­gen Abend dann steu­er­te der Of­fi­zier mit dem Adep­ten im Schlepp­tau auf ein be­son­ders großes Zelt zu. Dies dürf­te wohl das Quar­tier des Groß­her­zogs sein.

Mit wis­sen­dem Ni­cken lie­ßen die Wa­chen vorm Ein­gang die Bei­den pas­sie­ren. Im In­nern tum­mel­ten sich ei­ni­ge Krie­ger, wahr­schein­lich hohe Of­fi­zie­re, und schie­nen den Be­such kaum wahr­zu­neh­men.

»Eure kö­nig­li­che Ho­heit«, nahm der Ma­jor Hal­tung an. »Ich brin­ge Euch den Adep­ten von Hal­fuár, der uns in der Schlacht eine große Hil­fe war.«

Jetzt hat­ten sie die Auf­merk­sam­keit der ver­sam­mel­ten Sol­da­ten. Ein be­son­ders großer Mann von grau­em Haar und wohl­ge­trimm­tem Voll­bart nick­te kurz.

»Auch wenn die­ses klei­ne Schar­müt­zel kaum eine Schlacht zu nen­nen ist«, sprach der Herr mit ru­hi­ger Stim­me, die den­noch kei­nen Wi­der­spruch dul­de­te, »so sei dem jun­gen Zau­be­rer Dank und Aner­ken­nung ge­wiss.«

»Ich bin Ar­lenn von Thordám, der Herr über die gleich­na­mi­gen Lan­de«, fuhr der Mann, noch im­mer in eine Plat­ten­rüs­tung ge­klei­det, dann fort. »Ich habe schon so ei­ni­ges von Euch ge­hört, Adept. Nur Gu­tes, wie ich ver­si­chern kann.«

»Es ist mir eine Ehre, Eure kö­nig­li­che Ho­heit«, quietsch­te Nik­ko, der vom Groß­her­zog ziem­lich be­ein­druckt war. Genau so stell­te er sich schließ­lich einen rich­ti­gen Kö­nig vor. Nicht so, wie die­sen Fett­sack in Zun­daj, dem jede Auss­trah­lung und Au­to­ri­tät fehl­te.

»Gönnt mir ein we­nig Zeit, mich nach dem Kampf wie­der her­zu­rich­ten, Adept«, bat der Re­gent dann in al­ler Freund­lich­keit, wo­bei auch die­ser Satz wie ein Be­fehl klang. »Nehmt spä­ter mit mir das Abend­mahl, wenn Euch da­nach ist.«

»Es wird mir eine Ehre sein«, nick­te der Jun­ge und muss­te sich eine tie­fe Ver­beu­gung ver­knei­fen. Schließ­lich er­in­ner­te er sich dar­an, dass sich die Zau­be­rer noch nicht ein­mal vor dem Kö­nig ver­beug­ten.

Un­ter frei­em Him­mel wa­ren Ti­sche und Bän­ke für meh­re­re Dut­zend Sol­da­ten um ein großes La­ger­feu­er her­um auf­ge­baut. Es schie­nen hier nur hohe Of­fi­zie­re zu spei­sen, wie man an den Uni­for­men ab­le­sen konn­te. Zwar hat­ten die meis­ten Krie­ger ihre Rüs­tun­gen ab­ge­legt, aber wie ein­fa­che Sol­da­ten wirk­ten sie nicht.

Dem jun­gen Adep­ten war die große Ehre zu­er­kannt, am Tisch des Groß­her­zogs sit­zen zu dür­fen. Ein­mal dort, war es je­doch vor­bei mit al­ler Förm­lich­keit. Noch be­vor der ers­te Bis­sen auf­ge­tischt war, floss das Bier schon in Strö­men. Der Groß­her­zog war dann nicht mehr Sei­ne kö­nig­li­che Ho­heit son­dern ein­fach nur Ar­lenn der alte Hau­de­gen. Auch vie­le an­de­re Spitz­na­men ließ die­ser über sich er­ge­hen, ohne da­bei an Wür­de ein­zu­bü­ßen.

Doch auch un­ter­ein­an­der war hier kein Platz für viel Eti­ket­te. Die Sol­da­ten am Tisch, schein­bar al­le­samt hohe Ge­nerä­le, scherz­ten grob und lach­ten viel. Den jun­gen Zau­be­rer igno­rier­ten sie meist. Nur ge­le­gent­lich nö­tig­ten sie ihn dazu, einen ih­rer un­an­stän­di­gen Wit­ze lus­tig zu fin­den.

So we­nig die Kon­ver­sa­ti­on am Tisch auch nach Nik­kos Ge­schmack war, amü­sier­te er sich den­noch präch­tig. Im­mer­hin saß er hier in un­ge­zwun­ge­ner At­mo­sphä­re mit ei­nem der wich­tigs­ten Män­ner im gan­zen Reich zu­sam­men. Eine große Ehre, auch für einen Zau­be­rer.

Das Es­sen war ein­fach, aber gut. Span­fer­kel, di­rekt vom La­ger­feu­er und dazu jede Men­ge le­cke­res Bier. Nik­ko über­leg­te noch, ob er sich nicht zu­rück­hal­ten soll­te, doch schi­en ja so­wie­so kei­ner viel mit ihm spre­chen zu wol­len. Au­ßer­dem galt es doch, den Sieg ge­büh­rend zu fei­ern!

»Ihr habt doch nichts da­ge­gen, wenn ich mich da­zu­set­ze?«, ver­nahm der voll­ge­fres­se­ne Jun­ge dann eine Stim­me von hin­ten.

»Setzt Euch nur«, brumm­te der Groß­her­zog, der dem Adep­ten di­rekt ge­gen­über saß.

Die­se Stim­me, war sie ihm nicht be­kannt? Mitt­ler­wei­le schon beim vier­ten Krug Bier, konn­te Nik­ko sich nicht mehr si­cher sein.

Der Neu­an­kömm­ling quetsch­te sich dann aus­ge­rech­net zwi­schen den Jun­gen und einen der schon or­dent­lich an­ge­hei­ter­ten Ge­nerä­le zu sei­ner Lin­ken. Der auch nicht mehr ganz nüch­ter­ne Adept war ziem­lich ge­nervt, zur Sei­te rut­schen zu müs­sen.

»Habt un­end­lich Dank, Adept«, gif­te­te die Stim­me, die ihm jetzt noch be­kann­ter vor­kam. Mo­ment mal! Das war doch Xan­thúal, oder?

Nik­ko dreh­te sich schlag­ar­tig nach links und stier­te dem Meis­ter di­rekt in des­sen fie­se Au­gen. Ver­flucht! Was mach­te der Kerl denn hier?

»Schön, Euch wie­der­zu­se­hen, klei­ner Adept«, spot­te­te der Zau­be­rer. »Ich hof­fe, Euch ist es gut er­gan­gen.«

»Ich… kann nicht kla­gen«, stam­mel­te der Jun­ge, dem so schnell nichts Bes­se­res ein­fiel.

»Wie ich sehe, ist Euch mein neu­er Hof­ma­gier schon be­kannt«, schal­te­te sich der Groß­her­zog ein, der zwar schon ei­ni­ge Krü­ge Bier in­tus hat­te, aber den­noch völ­lig nüch­tern wirk­te.

Neu­er Hof­ma­gier? Aus­ge­rech­net Xan­thúal, der Meis­ter Sinúl auf dem Ge­wis­sen hat­te! Es wa­ren ja die von ihm be­schwo­re­nen Mons­ter ge­we­sen, die den ar­men Kerl in Se­kun­den­schnel­le zer­fleischt und bis auf die Kno­chen ab­ge­nagt hat­ten.

Wuss­te der Groß­her­zog da­von? Quatsch! Na­tür­lich hat­te er dar­über kei­ne Kennt­nis. Sonst hät­te er den ge­mei­nen Kerl wohl kaum zum Hof­ma­gier er­nannt. So weit die Macht der Ma­gier auch reich­te. Ein Mör­der am Hofe war noch im­mer ein Tabu, oder?

»Ei­ne… selt­sa­me Wahl«, konn­te sich der Jun­ge einen Kom­men­tar dazu nicht ver­knei­fen. Mehr woll­te er zu dem The­ma aber nicht ein­mal nach so viel Bier­ge­nuss sa­gen.

»Da habt Ihr wohl Recht, Adept«, über­rasch­te der Re­gent, um dann zu er­klä­ren: »Meis­ter Xan­thúal ist kei­ner die­ser al­ten Bü­cher­wür­mer, die sonst bei Hofe den Zau­be­rer ge­ben. Nein, er ist ein noch jun­ger Ma­gier mit or­dent­lich Feu­er in den Au­gen, der sich auch für das Feld nicht zu scha­de ist.«

»Da ha­ben wir wohl mehr ge­mein­sam, als Euch lieb ist, Adept«, höhn­te Xan­thúal.

»Nicht ge­ra­de die bes­ten Freun­de, wie mir scheint«, kom­men­tier­te der schein­bar nie­mals lä­cheln­de Groß­her­zog in Rich­tung Nik­kos. »Doch stimmt es wohl, was der Meis­ter da sagt.«

Nik­ko woll­te auf die­se Kon­ver­sa­ti­on, der er sich nach dem vie­len Bier kaum noch ge­wach­sen sah, lie­ber gar nicht ein­ge­hen. Doch konn­te er den ho­hen Re­gen­ten ja nicht ein­fach so ab­blit­zen las­sen.

»Habt Ihr denn auch ge­kämpft, Meis­ter Xan­thúal?«, war dann das Bes­te, was ihm ein­fiel.

»Das war gar nicht nö­tig«, zuck­te die­ser die Schul­tern und gif­te­te: »Au­ßer­dem, wie Ihr ja wis­sen soll­tet, un­ter­sagt uns der Ar­ka­ne Or­den jede Ein­mi­schung in den Krieg.«

Oje, das hat­te der Jun­ge ja schon völ­lig ver­ges­sen ge­habt. Aber was in­ter­es­sier­te ihn die­ser Or­den über­haupt noch? Er war ja so­wie­so ein Aus­ge­sto­ße­ner. Au­ßer­dem hat­te er sich ja nicht in einen Krieg ein­ge­mischt, son­dern nur die ei­ge­ne Burg ver­tei­digt.

»Ihr wer­det die Be­frei­ung Hy­mals vom Ork doch nicht als rich­ti­gen Krieg be­zeich­nen wol­len, Meis­ter«, sprang der Groß­her­zog Nik­ko plötz­lich zur Sei­te. »Die Orks zu zer­stö­ren ist un­ser al­ler Pf­licht!«

»Na­tür­lich, Eure kö­nig­li­che Ho­heit«, ru­der­te Xan­thúal zu­rück. »Ich be­lieb­te auch nur zu scher­zen.«

Dass dies ein Scherz ge­we­sen sein soll­te, glaub­te Nik­ko kei­ne Se­kun­de lang. Nein, eine of­fen­sicht­li­che Aus­re­de. Doch warum gab der Meis­ter dem Groß­her­zog so schnell nach? Gera­de dem Ket­ten­hund des Or­dens sah dies so gar nicht ähn­lich.

»Wo­hin ge­nau seid Ihr mit Eu­ren Trup­pen ei­gent­lich un­ter­wegs?«, wech­sel­te der Adept schnell das The­ma. »Ich hof­fe doch, ich darf Euch mei­ne Gast­freund­schaft in Hal­fuár an­bie­ten.«

»Tat­säch­lich ist Eure Burg mein nächs­tes Ziel«, mein­te der Groß­her­zog. »Dort wer­de ich mich mit dem Rit­ter von Tel­gâr be­ra­ten, der die Vor­hut an­führt.«

»Eure Gast­freund­schaft wer­de ich ger­ne an­neh­men, auch wenn ich dort nicht lan­ge ver­wei­len wer­de«, nick­te er dann und wech­sel­te das The­ma: »Sagt, Adept, droht vom Vyldam­pass her Ge­fahr?«

»Wohl kaum«, ant­wor­te­te Nik­ko, ohne viel zu über­le­gen. »Der Her­zog von Khond­harr macht einen wei­ten Bo­gen um das gan­ze Tal, in dem ja auch Skingár liegt.«

Hof­fent­lich hat­te er sich da nicht ver­plap­pert. Der Groß­her­zog durf­te ja kaum et­was von der wah­ren Na­tur des Gra­fen von Skingár wis­sen, ge­schwei­ge denn von der des Her­zogs Rho­ba­ny.

»Skingár?«, horch­te der Re­gent auf und kraul­te sich den Bart. »Ach ja, die­ses kö­nig­li­che Le­hen. So­viel Re­spekt der Kro­ne ge­gen­über sieht Rho­ba­ny aber gar nicht ähn­lich.«

Da­mit hat­te sei­ne Vor­­­­­­­­­­­­­­