°luftschacht
Der FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb. Die besten Texte.
Herausgegeben von
Zita Bereuter & Claudia Czesch
Luftschacht Verlag
© Luftschacht Verlag – Wien 2015
www.luftschacht.com
Einzelrechte © jeweils bei den AutorInnen
Herausgegeben von Zita Bereuter und Claudia Czesch
Coverillustration: Annika Wanda Sprachmann
Satz: Luftschacht
Die Wahl der angewendeten Rechtschreibung obliegt dem/der jeweiligen AutorIn. Layout- und Formatvorgaben der einzelnen Texte wurden in der Regel beibehalten.
ISBN: 978-3-902844-85-9
eISBN: 978-3-903081-00-0
Zita Bereuter, Claudia Czesch
Annika Wanda Sprachmann
Angelika Reitzer
Marcus Fischer
Michaela Davin
Valerie Melichar
Katrin Kellermann
Eva Lugbauer
Anita Millonig
André Patten
Andreas Rainer
Cathrin A. Stadler
Josef Zweimüller
„Wortlaut hat mir den Glauben an mich selbst gebracht.“
Eröffnete die Schriftstellerin Gertraud Klemm 2015 in einem Interview bei FM4. Gertraud Klemm hat am häufigsten etwas gewonnen, bei Wortlaut, dem FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb. Dreimal – einmal unter Pseudonym.
„Vorher war da ein leiser Verdacht: ‚Ja, du kannst vielleicht schreiben.‘ Aber dann sagt eine Jury, die dich nicht kennt: ‚Das ist gut.‘ Dann kriegst du das Schwarz auf Weiß und kriegst auch noch was dafür. Das war ein guter Start.“
Mittlerweile hat Gertraud Klemm u.a. 2014 den Publikumspreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur, dem Wettlesen um den Bachmann-Preis, in Klagenfurt gewonnen.
Außerdem ist sie auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2015. Auf der Liste finden sich heuer noch zwei Autorinnen, die bei Wortlaut ihre ersten Schreiberfolge feierten: Valerie Fritsch und Monique Schwitter. Auch die beiden haben heuer beim Wettlesen um den Bachmann- Preis teilgenommen. Valerie Fritsch hat den Kelag Preis und den Publikumspreis gewonnen.
Über all das haben wir uns sehr gefreut!
Das ist gut – und wohl der traumhafteste Weg für Wortlaut-Autor_innen. Den wünschen wir natürlich allen Teilnehmenden!
Denn auch 2015 haben über 800 Autorinnen und Autoren ihre Kurzgeschichten eingereicht. „WILD“ war das Thema – die redaktionelle Vorjury (die FM4-RedakteurInnen Zita Bereuter, Jenny Blochberger, Claudia Czesch, Barbara Köppel, Conny Lee, Maria Motter, Christian Pausch, Martin Pieper, Simon Welebil, Irmgard Wutscher und Markus Zachbauer, sowie Jürgen Lagger vom Luftschacht Verlag) war beeindruckt von den vielfältigen Herangehensweisen. Nach mehrmaligem Lesen und langen Diskussionen wurden zwanzig anonymisierte Texte an die Jury weitergeben.
Sonja Eismann (Journalistin und Autorin), Wladimir Kaminer (Schriftsteller und Kolumnist), Angelika Reitzer (Schriftstellerin), Tex Rubinowitz (Witzezeichner und Autor) und Christoph Strolz (Wortlautgewinner 2014) haben sich schließlich auf die hier vorliegenden zehn Kurzgeschichten geeinigt. Den größten gemeinsamen Nenner, wie Angelika Reitzer das in ihrem Rückblick bezeichnet.
Da wären mal der jugendliche Aussteiger, der dem neuen Freund der Mutter einen Uhu kredenzt, während ein Wolf Kunststudierende beschäftigt und ein anderer ein Pärchen im amerikanischen Nirgendwo erschreckt. In einer Wiener Bar findet eine Frau den eigenwilligen Diego und ihren Schatten und in einer anderen Geschichte macht der Ex plötzlich via SMS auf Seelenverwandter. Es gibt einen verletzten Taucher und woanders gebrochene Herzen. Man liest von einer psychisch erkrankten Mutter und von einer, die genauestens die Flüchtlinge im Nachbarhaus beobachtet.
Am meisten beeindruckt war die Jury von der Kurzgeschichte „Wild campen“. „Wo kann Gut und Böse, Liebe und Hass so nah und beinahe vermischt miteinander sein? Natürlich nur auf einem Campingplatz!“, meinte Wladimir Kaminer knapp. Die Ambivalenz der Figuren, die dichte Erzählweise und die Sprache, die einen guten Sound und Rhythmus sowie ein ebensolches Tempo hat, haben die Jury ebenso überzeugt wie das inhaltlich Beklemmende. „Man weiß nicht zu viel und man weiß auch nicht zu wenig.“
Schließlich ist uns noch der „Hase Hansi“ umgehend ans Herz gewachsen. Ende April schrieb uns Martina Sprachmann: „Da bei uns zu Hause eigentlich so gut wie immer FM4 läuft, hat meine 6 Jahre alte Tochter, nachdem sie den Aufruf zur Einsendung von Kurzgeschichten im Rahmen des WORTLAUT-Wettbewerbs 2015 gehört hat, selber eine (sehr) kurze Kurzgeschichte geschrieben.
Und weil sie mich immer wieder gebeten und gefragt hat, ob ich ihre Geschichte schon an fm4 geschickt hab, mach ich das einfach mal!“
Die schöne Geschichte von Hansi und Anna zeigen wir auf der nächsten Seite.
Und so spannen wir den Wortlautbogen von der Sechsjährigen zur Longlist des Deutschen Buchpreises.
Das ist gut.
Sehr gut!
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Zita Bereuter und Claudia Czesch
(Herausgeberinnen)
Annika Wanda Sprachmann
Foto: Martina und Daniel Sprachmann
geb. am 22.07.2008 in Klagenfurt. Lebt mit ihren Eltern und ihrem 11 jährigen Bruder in Moosburg. Besucht dort die 2. Klasse Volksschule. Neben lesen, malen und allem was mit Farben und Papier zu tun hat, hört sie gern Musik und hat eine beneidenswerte, schier endlose Bewegungsfreude und Energie!
In einer Jury zu sitzen, ist eigentlich immer schrecklich. Denn die Entscheidung für den einen Text bedeutet in letzter Konsequenz immer auch eine gegen viele andere. Was ein wenig nach Ausrede klingt, ist tatsächlich der Hauptgrund, warum ich (wenn es sich vermeiden lässt und das tut es zumeist) eher nicht Jurorin bin. Wer möchte schon Menschen, die vielleicht gerade mit ihren ersten Texten an eine Öffentlichkeit gehen, indirekt zu verstehen geben, sie haben’s nicht geschafft: nicht unter die besten zwanzig, nicht unter die ersten zehn und ganz nach vorn schon gar nicht. Und kann man die Texte denn so bewerten, dass man sie platzieren kann wie Skifahrer, Skispringer, Synchronschwimmerinnen?!
Der Hinweis allerdings, dass es (ehemalige) Wortlaut-Teilnehmerlnnen gibt, die mitten in der Nacht – also auf jeden Fall früher als die Autorin und potenzielle Jurorin Reitzer – aufstehen, um neben Berufstätigkeit, Schule, Familie, whatever, überhaupt zum Schreiben zu kommen, ließ mich dann innehalten und die Sache von der positiven Seite angehen. Ich schreibe und v.a. lese selbst gern kurze Geschichten, interessiere mich für deren Entwicklung in der deutschsprachigen Literatur und Literaturlandschaft und will ja auch ein guter Mensch sein.
Was macht aber eine gute Kurzgeschichte aus? Für jeden wird klar sein, dass man es weiß, wenn man sie liest. Um aber in der Diskussion mit den anderen JurorInnen mehr als Daumen rauf oder Daumen runter andeuten zu können, interessiere ich mich beim abermaligen Lesen genauer dafür, wie der Text aufgebaut und dann aber auch ausgearbeitet ist (sich z.B. daran hält, was er sich vorgenommen hat), ob Beginn und Schluss kurzgeschichtenmäßig was hergeben, aber auch, wie im Text mit Sprache umgegangen wird und wie wild der Text selber, irgendwas im/am Text ist oder ob nur das obligatorisch eingesetzte Rehkitz kurz auf der Bildfläche erscheint, inhaltlich aber gar keinen Auftrag hat. Natürlich ist ein literarischer Text mehr als die Summe seiner einzelnen, benennbaren Teile. Und tatsächlich stellen sich im Lauf der Lektüre jener zwanzig Kurzgeschichten noch weitere, recht spezifische Kriterien ein. Ist die Geschichte eher Bambi oder mehr Raging Bull, mehr Waldlichtung oder ganz schön weird im Sinne von bizarr-wild? So macht das Lesen gleich noch mehr Spaß und der setzt sich in der ausführlichen Jurysitzung fort. Wir sind fünf und das bedeutet, fünf verschiedene Auffassungen darüber, was eine gute Geschichte ist. Für die einen ist das Wie, für andere mehr das Was ausschlaggebend, Originalität, Genauigkeit, Verrücktheit oder aber auch das Leben, das man sich beim Lesen dazu vorstellen kann, Ideen, die dahinterstecken, Zugänge und Ausblicke. Jeder Text wird detailliert besprochen: inhaltlich, sprachlich, wie er uns überrascht, aber auch enttäuscht hat (manchmal), wie wild, wie neu, wie spannend – und welch’ Potential eine Geschichte hat. Denn einige dieser zwanzig besten Texte lasen sich so, dass meistens nicht nur eine/r von uns neugierig auf weitere Texte der noch unbekannten Autorinnen und Autoren war. Manche Texte überzeugten auf Anhieb die ganze Jury. Jede Jurorin, jeder Juror hatte Favoriten und setzte sich für sie ein. Am Ende sind Juryentscheidungen natürlich auch Kompromisse. Aber das Votum für diese zehn Geschichten, die im vorliegenden Buch versammelt sind, war keines des kleinsten gemeinsamen Nenners, aka fauler oder gar müder Kompromiss, sondern eines für die besten Texte; jurymäßig könnte man sagen, der größte gemeinsame Nenner hat sich durchgesetzt. Sicher, bei einer anders besetzten Jury hätte es womöglich der eine oder andere Text von den besten zwanzig bis in diese Textsammlung herein geschafft. Ein Wettbewerb ist eine Lesart unter bestimmten Voraussetzungen.
Und die anderen zehn, die nur auf die Longlist gekommen sind? Für sie gilt wie für alle, die schreiben wollen: teilgenommen, wahrgenommen, leider nicht – abhaken das Ganze und: weiterschreiben.
Angelika Reitzer
Angelika Reitzer, geb. 1971 in Graz, studierte Germanistik und Geschichte in Salzburg und Berlin, lebt in Wien. Zuletzt erschienen: Wir Erben, Roman, Jung und Jung Verlag 2014.
Marcus Fischer
Foto: Christian Fischer
geb. 1965 in Wien, Germanistik-Studium in Berlin, danach ein paar Jahre Lehrer für Deutsch als Fremdsprache. Aus Neugierde einen Job als Texter in einer Berliner Werbeagentur angenommen. Aus Neugierde wurde ein Beruf: 15 Jahre als Texter und Kreativdirektor in Agenturen in Berlin und (seit 2001) wieder in Wien gearbeitet. 2014: Auszeit und erster veröffentlichter Text. Seit 2015 selbstständiger Texter, Schreibtrainer und Autor.
I.
Drei Stunden Vollgas und ein Scheppern im Kleinwagen, dass man eh lieber nicht redet, dann ist man drin in der Trachtenlandschaft. Gipfel, dass es einem den Hals verdreht im Auto, unten grasen Kühe an den Bergen und in den Seen ein Glitzern als wären da Sternspritzer reingefallen. Das Wetter hat nämlich auch mitgespielt: Ein Kaiserhimmel war das über den Köpfen, den zerzausten. Denn kaum waren sie auf der Landstraße, die Anna am Steuer und der Christoph daneben, Schiebedach auf und hallo Salzkammergut- luft!
Kein schlechter Start für ein Beziehungswochenende. In einem haben sie sich dann aber doch geschnitten. Ende September winken einem keine Campingplätze mehr entgegen vom Straßenrand. Sterbensgrau liegen die am See und menschenleer und wenn einer offen hat, steht da: Nur Dauercamper.
Auf einem haben sie dann ihre Runde gedreht. Wie geplatzte Wohnzimmer sind da die Wohnwagen gestanden mit den Verandazelten davor. So viel Putziges und Grausliges und überall kann man hineinschauen in die Geschmäcker der Menschen. Beim Mann an der Rezeption hat dann aber selbst das Zuckerbäckerlächeln von der Anna keine Chance gehabt. Ausnahmen sicher nicht, nicht in der Nachsaison, hat der
Mensch mit den alten Mundwinkeln gesagt. Landlogik, ist es ihr da durch den Kopf gegangen, aber mit dem Stimmungshoch wars vorbei. Auch weil jetzt vom See her ein Wind aufgezogen ist, als wenn sich der Sommer schon aufmachen würde für den Luftmarsch über die Berge Richtung Süden.
Er hätte ja eh lieber zum Neusiedler See wollen, hat der Christoph dann im Auto gemosert, aber keine Chance: Eine Beklemmung würde sie da bekommen in dem Flachland, Schweißausbruch schon beim Gedanken. Da hat er gleich wieder zurückgerudert, auch wegen Tuchfühlung und raus aus der Schieflage, der gemeinsamen.
Am Ende hat dann doch einer Tagescamper genommen. Die Dirndlfrau nicht begeistert am Empfang, aber christlich war sie, das hats von den Wänden heruntergeweht in dem Hartholzzimmer. Wie sie einträgt in das große Buch, haben die beiden sich umgeschaut: Marienbroschüren überall, mit Rehkitzen, großen Augen und Waldlichtungen, Lichtdrama und Titeln wie „Herz-Jesu-Weg“ oder „Lob der Demut“. Ein bissl aus Rührung über die Eingeborenen haben sie sich dann angegrinst. Eigentlich das erste Mal auf der Reise.
II.
Reihe zwei also. Glücklich waren sie mit dem Stellplatz, obwohl der Campingplatz praktisch leer und sie mittendrin: rechts von ihnen der alte Hymer-Campingbus mit den Panoramascheiben, links das Familienzelt mit rostigem Kombi davor. Aber keine 20 Meter dahinter: der See. Und ein Steg, der direkt hineinführt in den Bilderbuchblick. Das Wasser jetzt schon dunkelgrau in der Dämmerung, ein Nebelpelz auf den Bergen und drüben am anderen Ufer springen gerade die Laternen an. Die beiden gleich raus über die nassen Bretter, aber vorne am Steg dann eine Ratlosigkeit, weil umarmen, so weit waren sie dann doch noch nicht. Und so stehen sie da: er Bärtchen und Flanellhemd, sie Lockenkopf in Freizeitfleece. „So schön“, haben sie gesagt und dann lange nichts, aber viel Seeluft haben sie sich hereingeholt durch die kalten Nasenlöcher.
Wie sie dann am Platz die Zeltstangen in die Nylonröhren schieben, hat sich was gerührt in ihrem Rücken. Erst haben die roten Luftballons am Familienzelt gewackelt, dann zippt sich ein Mensch heraus mit schwarzem Kapuzenpulli. Zieht gleich hinter sich den Reißverschluss wieder zu, und zu ihnen ein steinernes „Grüß Gott“. Nichts von wegen Lagerfeuerfreundlichkeit. Aber zum kahl rasierten Bauernnacken hat das gepasst, den er ihnen im Weggehen zugedreht hat wie einen Hintern. Sie nicken ihm ein „Hallo“ nach, aber da ist der Mensch schon im Abmarsch.
Später dann Eintracht in den Alusesseln im Vorzelt bei Rotwein und Kerzenlicht, und wie sie so sitzen, die Anna und der Christoph, ist der Nachbar zurückgekommen in Plauderlaune. Aber nicht mit den beiden, beileibe nicht. Gefachsimpelt hat er mit einem 70+ im Unterhemd mit Bauch und schlaffen Oberarmen, braunen Flecken überall und Achselhaar wie Fächerkorallen. Schnurstracks sind die beiden an ihrem Vorzelt vorbei – kein Blick, kein Gruß – zum großen Campingbus dahinter. Ingenieursmäßig hat der Alte von seiner toten Frau erzählt und von seinem Hymer, in dem er jetzt allein ist, und was der alles kann. Da hat der Nachbar gelauscht wie ein Ministrant. Und der Christoph auch.
„Hallo, hörst du mir zu?“, hat ihn die Anna gefragt, aber er zu ihr den Finger auf den Mund, weil er ganz Ohr war bei den Männern. Mit dem Wein purzeln ja auch die Launen gleich viel flotter, und da wars dann auch schon wieder vorbei mit der Geselligkeit. „Ich geh ins Bett.“ Das kleine Gereizte in ihrer Stimme hat er gar nicht gehört. „Ich komm auch gleich“, schickt er ihr hinterher, abwesend wie Kinder, die gerade ganz Spielkonsole sind. Aber zu lauschen gabs nicht mehr viel. Wie der Alte in seinen großen Bus verschwunden ist mit den roten Stoffvorhängen und drinnen Licht macht, ist ihr Zelt im Flutlicht gelegen. Und der Nachbar zurück zum Familienzelt mit dem angerosteten dunklen Kombi davor. Ohne Muh.
III.
Weil drei Gläser Wein auch wieder herausmüssen aus dem Körper, ist der Christoph dann in der Nacht aufgewacht. Kriecht aus dem Zelt und raus ins klitschnasse Gras, ein Frost ist das an den Fußsohlen, vorbei am Familienzelt – und da war es. Das Mädchengesicht hinter dem beschlagenen Plastikfenster. Schaut ihn an mit weiten Augen, hebt die Hand, macht den Mund auf – und weg. Starr ist er dagestanden und dann langsam näher an die Zelthaut gegangen. Aber nichts mehr, nur dunkel. Dann war ihm, als hört er eine Hand vorm Mund und einen verschluckten Laut dahinter, aber nur kurz. Und dann wieder Stille. Irgendwann hat sich der Harndrang wieder gemeldet bei ihm. Also Wasser lassen am Baum, wieder vorbei am Zelt, kurzer Blick aufs beschlagene Fenster, kein Gesicht, nichts, und erleichtert zurück in den Schlafsack. Die Anna hat er nicht aufgeweckt, aber wachgelegen ist er noch eine Weile.
Wie sie dann am nächsten Morgen in der Schleiersonne sitzen vor dem Zelt, grinst ihnen der Nachbar vom Familienzelt ein „Hallo“ herüber über den Kombi. Und im Vorzelt steht eine 13- oder 14-Jährige und kämmt sich die Haare. Komisch nur, dass sie nicht herschaut zum Christoph. Oder doch, aber erst, als der Vater an der Plastikplane über den Fahrrädern zerrt. Ganz kurz bei ihr wieder dieser Blick, der was sucht, kommt ihm vor. Er stößt die Anna, die mit beiden Händen das Kaffeehäferl hält und hinausschaut auf den See. Aber da sind die Räder auch schon befreit und kein Blick mehr, zu spät.
IV.
Irgendwann hats dann zu nieseln angefangen und wie sie so in ihren Alusesseln sitzen im Vorzelt, fragt sie, was er gerade denkt. Eigentlich wollte er ihr den Traum ja nicht erzählen. Aber andererseits, warum nicht, auch wegen Tuchfühlung und so fängt er an. Dass der Nachbar im Zelt der Vater von dem Mädel ist und schräge Sachen mit ihr macht in dem Camping-Bus vom Alten. So mit Deckmantel Hygiene, sie einreibt mit einer Salbe unten rum, und sie muss sich dafür auf so einen alten Friseursessel setzen und er stellt ein Stockerl davor wie früher in den Schuhgeschäften und sitzt so niedriger und reibt sie mit Arzthandschuhen ein und sie schaut in dem Traum genauso wie gestern Nacht im Zelt.
„Gestern Nacht im Zelt?“, hat die Anna gefragt und da war schon was in ihrer Stimme. Wie er dann mit der Geschichte vom Wasserlassen fertig war, hat sich erst einmal ein Schweigen zwischen die beiden gesetzt, ein verstocktes.
Was in so einer langjährigen Partnerin vorgeht, müsste man eigentlich wissen mit der Zeit. Aber auch nur eigentlich. Gebrütet hat sie und dabei sehr berufstätig geschaut, die Frau Pädagogin. Das Bummerl war jetzt bei ihm. Weil wenn man schon was eher Intimes erzählt und der andere bleibt dann stumm, da stellen sich schon die Löcher an in einem, in die man dann plumpsen kann, wenn man nicht vorbaut. Aber genau das macht der Christoph und spielt den Ball im Was- denkst-du-jetzt zurück.
Und sie, nach einer Pause: „Es ist eh Blödsinn, aber ich denk grade an die Geschichte im Hallenbad.“ Und da sind die Löcher dann schon gewachsen, aber so leicht lässt er sich nicht hineinfallen ins Schwarze.
„Wie kommst du da jetzt drauf?“
„Keine Ahnung, du hast mich gefragt. Und komisch ist es schon.“
„Was?“
„Na dass der Lehrer dir vorwirft, drei Mädchen hätten sich bei ihm beschwert, weil du sie … “, und da macht sie eine Pause, die gar nichts Gutes bedeutet, weil er ja schon weiß, was kommt, und wenn sie so nach Worten sucht, da liegt ein Hund begraben, „berührt hättest unter Wasser und jetzt träumst du so Zeug.“