Reinhard Habeck
Ungelöste Rätsel
Wunderwerke, die es nicht geben dürfte
Cover
Titel
VORWEG GESAGT
SELTSAMES SAKKARA
Wenn Gräber reden könnten
Das Flugzeug der Pharaonen
Monströse Särge – wofür?
Ka und scheinheilige Leichensteine
Unikales aus Grab 3111
Eine „Wunderschale“ im Hightechdesign
Rund wie eine „fliegende Untertasse“
Mit den Sternen verbunden
FRANKREICHS PYRAMIDEN
„Spitzkuchen“ überall
Die Pyramide von Falicon
Die Ratapignata-Grotte
Tollkühne Spekulationen
Verzögerte Wertschätzung
Ausflug zum „geschützten Baujuwel“
Die unbeachtete „Zwillingsschwester“
Die Pyramidenreste von Autun
VERHEXTE VERFORMUNGEN
Wundersame Souvenirs
Hängendes Felsgebilde im Wienerwald
Archäologisch unerforscht
Im Land, wo die Steine wackeln
Der Sonderling
Jäger, Druide oder Diabolus?
Teuflische Tücke im Detail
MYSTERIÖSE STEINKUGELN
Rollende und runde Naturphänomene
Der Globus von Matelica
„Las Bolas“ in Costa Rica
Die Steinbälle von Zavidovići
Die Povlen-Kugeln
Versteinerte Mythen
Murmeln und Mysterien
GEHEIME GÄNGE
Das Erdstall-Phänomen
Hinab ins Schrazelloch
Wiener Geheimgänge
Irrgarten unter der Wehrkirche von Kleinzwettl
Ratlose Wissenschaft
Hausgeister und reale Zwerge?
Minimale Funde und strittige Datierungen
Steirische Hochtechnologie in der Steinzeit?
SURREALE SCHÄTZE
Die Wunderwelt des Dr. Cabrera
Rätsel um echte Ica-Steine
Koexistenz zwischen Saurier und Mensch?
Dino-Mensch-Spuren aus jüngerer Zeit
Mokele-Mbembe: der letzte lebende Saurier?
Die Kreaturen von Acámbaro
Pater Crespis Metallbibliothek
ANTIKE TECHNOLOGIEN
Alles schon da gewesen!
Die Entdeckung des „Ur-Computers“
Biologisches und genetisches Wissen
Die schwarzen Sutatausa-Steine
Versunkene Welten
KURIOSE KÖPFE
Dämonische Fratzen
Abnorme Langschädel
Der Rauchquarzkopf „E. T.“
Die Riesenköpfe der Olmeken
Multikulti vor Kolumbus
Schauderhafte Schrumpfköpfe
Der Urvater von „Perry Rhodan“
Dreiköpfigkeit und der Basler Baphomet
ABGESANG
MERCI!
ANHANG
Quellen und Literatur
Bildnachweis
Weitere Bücher
Impressum
Des Menschen Streben sollte mehr sein, als er greifen kann.
Robert Browning (1812 – 1889), englischer Dichter
Historiker und Archäologen sind bestrebt, die letzten Rätsel unserer Vergangenheit lückenlos aufzuklären. Das gelingt nicht immer wunschgemäß im Sinne der Lehrmeinung. Forscher stoßen bei ihren Entdeckungen gelegentlich auf merkwürdige „Störfaktoren“, die das vertraute Weltbild ordentlich ins Wanken bringen. Was hat ein Schwungrad im modernen technischen Design in einem altägyptischen Grab verloren? Warum haben präkolumbische Plastiken die Physiognomie fremder Überseevölker, die Amerikas Ureinwohner angeblich nie zu Gesicht bekamen? Wie erklären sich maschinelle Bearbeitungsspuren in unterirdischen Steinzeitlabyrinthen? Wer konstruierte den vorzeitlichen Urcomputer, der von griechischen Tauchern vom Grund des Mittelmeeres geborgen wurde?
Die Fachwelt kennt viele dieser archäologischen Anomalien und bezeichnet sie als „OOP Arts“. Die Abkürzung steht für „Out of Place Artifacts“, also Objekte, die „am falschen Platz“ gefunden worden sind. Gemeint sind damit auch abwegige Entdeckungen, die wegen ihrer Altersdatierung, der raffinierten Technik oder der fremdartigen Charakteristik ein bisher unbekanntes Kapitel der Menschheitsgeschichte offenbaren. Diese unliebsamen „Kuriositäten“ werden von der Mainstreamarchäologie oft vernachlässigt, landen nicht selten unerforscht in dunklen Kellerarchiven oder erhalten vorschnell das unrühmliche Etikett „mutmaßliche Fälschung“. Betrug und falsche Deutungen oder Fehler bei der Datierung können bei der Beurteilung rätselhafter Funde natürlich nie gänzlich ausgeschlossen werden. Dennoch ist das Pauschalurteil vieler Skeptiker, alles sei „Unsinn“, kein taugliches Mittel zur Aufklärung unserer Geschichte.
Was Zweifler übersehen: Die wissenschaftliche Evolution läuft nicht geradlinig, Theorien ändern sich und werden das aufgrund außergewöhnlicher Entdeckungen und neuer Erkenntnisse auch weiterhin tun. Trotz großartiger Leistungen der Wissenschaft und der Erweiterung unseres Wissenshorizonts stecken wir nämlich immer noch mitten in einem Lernprozess. Was heute als „unmöglich“ oder „utopisch“ gilt, kann von kommenden Generationen ganz anders verstanden und eines Tages sogar selbst zur Wissenschaft erhoben werden.
Mysteriöse Relikte wie die „Maschine von Antikythera“ oder die „Himmelsscheibe von Nebra“ haben es eindrucksvoll bewiesen: Archäologische Unmöglichkeiten verstoßen nicht gegen die Gesetze etablierter Wissenschaften, sondern stehen lediglich im Gegensatz zu vielem, was wir bisher über unsere Vergangenheit herausgefunden haben. Waren unsere Vorfahren fortschrittlicher, als wir bisher angenommen haben? Ist die Menschheit älter als vermutet? Welche ursächliche Bedeutung hatten mysteriöse „Kultobjekte“, deren Verwendungszweck und Herkunft ungeklärt sind?
Das sind nur einige der brisanten Fragen, die mich im vorliegenden Band „Ungelöste Rätsel“ beschäftigen. Bei meinen Einblicken in Privatsammlungen, bei Recherchen in Museen und Besichtigungen von wundersamen Stätten stieß ich auf allerlei Seltsamkeiten, die mir keine Ruhe ließen. Die Fülle der archäologischen Wunderwerke, die noch voller Rätsel sind, ist gewaltig. Ich musste eine strenge Auslese treffen und habe für dieses Buch acht Themenbereiche gewählt. Zu jedem Kapitel passend werden rätselhafte Funde und unglaubliche Entdeckungen präsentiert – vom altägyptischen Segelflugzeugmodell bis zum Urvater des Weltraumhelden „Perry Rhodan“. Mir ist es bei meiner Spurensuche wichtig, dass ich weitestgehend aus erster Hand berichten kann. Das gilt auch für das vorliegende Buch. Die meisten vorgestellten Wunderwerke konnte ich selbst in Augenschein nehmen, zumindest aber mit Forschern, Entdeckern, Sammlern und Kollegen das Pro und Kontra dazu diskutieren. Fast alle der von mir vorgestellten ungelösten Rätsel können von neugierigen Leserinnen und Lesern selbst vor Ort besichtigt und überprüft werden. Die Konfrontation mit dem Geheimnisvollen kann Staunen und Skepsis hervorrufen: „So etwas kann es doch gar nicht geben!“ Doch, kann es! Die folgenden Seiten liefern dazu Belege in Wort und Bild. Ich wünsche eine spannende und vergnügliche Lektüre!
Reinhard Habeck
Wien, im September 2015
Antiker Segelflieger, das unheimliche Serapeum und ein altägyptisches Flugrad
Ich bin eine Idee, in Fleisch gehüllt,
die aus dem Bauch des Himmels entsprang.
Wie ein Falke fliege ich über das Bekannte hinaus
in das Reich des Unbekannten.
Aus dem Totenbuch der alten Ägypter
Das Gräberfeld von Sakkara ist ein magischer Ort. Er führt zur Wiege unserer Zivilisation und liegt südlich der ägyptischen Pyramiden von Giseh am westlichen Nilufer. Das kilometerlange Areal war die Nekropole der einstigen Reichshauptstadt des vereinigten Ober- und Unterägyptens – Memphis. Alle Epochen der ägyptischen Geschichte sind hier vertreten, von den ältesten Zeiten bis zu den Griechen, Römern und Kopten.
Bedeutendste Hinterlassenschaft ist die legendäre Stufenpyramide des Königs Djoser aus der 3. Dynastie. Sechs gewaltige, bis zu zehn Meter hohe Stufen ragen verjüngend immer weiter empor zum Himmelszelt. Mit 60 Metern Höhe, um 2700 v. Chr. errichtet, ist sie der erste bekannte monumentale Steinbau der Menschheit, der für alle nachkommenden Pyramiden Pate stand. Ihre Konstruktion, angelegt in verschiedenen Bauperioden, wird von vielen Altertumsforschern als Sinnbild einer „Himmelstreppe“ interpretiert. Mit ihr, so die Glaubensvorstellung, konnte der verstorbene König zu den Göttern emporsteigen. Oder umgekehrt: Kulturheroen kamen von den Sternen herab zu den Menschen.
Die Djoser-Pyramide ist die einzige, deren Grundfläche rechteckig (109 x121 Meter), also nicht quadratisch ist. Umgeben ist die Pyramide von einer 1645 Meter langen und über zehn Meter hohen Kalksteinmauer mit Nischen und „Scheintoren“. Ihre Funktion ist genauso umstritten wie jene des 40 Meter breiten Grabens, der den Außenbereich des Geländes umgibt. In Nord-Süd-Ausrichtung hat er eine Länge von 750 Metern. Wie tief die heute weitestgehend verschüttete Kluft ursprünglich war, ist nicht geklärt. In fünf Metern Tiefe endeten die Untersuchungen der Archäologen.
Interessant wird es unterhalb der Pyramide: Der Zugang zum Gebäude liegt im Innenhof eines Tempels und führt über eine zentrale Treppe in die Tiefe. In der Mitte liegt die Kammer aus Granitplatten, direkt unter einem imposanten 28 Meter tiefen, 7,5 x 7,5 Meter weiten Schacht, der später zugeschüttet wurde. Im Pyramideninneren begegnen wir einem verwirrenden System aus Kammern, Gängen und Galerien, die sich bis zu 32 Meter tief unter dem Totentempel hinziehen. Es ist das ungewöhnlichste Labyrinth, das jemals unter einer Pyramide angelegt worden ist. Die Gründe für den Plan, Zweck und die Mühe wusste nur der Architekt, das Universalgenie Imhotep. Der legendäre Bauherr wurde von den Ägyptern als Halbgott verehrt. Die Griechen setzten ihn mit ihrem Heilgott Asklepios gleich. Das Grab des weisen Imhotep wird in der Nähe der Djoser-Pyramide vermutet, konnte aber bislang noch nicht aufgespürt werden.
Von der glänzenden Metropole Sakkara-Memphis, die neben Babylon die größte Stadt der Antike war, ist die Stufenpyramide eines der wenigen optisch fassbaren Überbleibsel. Das liegt daran, dass erst die Byzantiner, dann die Araber das „herrliche Memphis“ rücksichtslos als Steinbruch nutzten.
Alles was an brauchbarem Baumaterial abtransportiert werden konnte, wurde in den Gebäuden von Alt-Kairo verarbeitet. Der Rest zerbröselte oder versank im Grundwasser. Archäologen haben dennoch Hoffnung, dass viele verborgene Schätze des Alten Reiches, darunter auch Imhoteps Mausoleum, versteckt unter dem Wüstenboden auf ihre Entdeckung warten. Die Vorfreude ist berechtigt, denn erst ein Bruchteil der ehemaligen Pharaonenresidenz ist bisher ausgegraben worden.
Was bisher im Umfeld der Djoser-Stufenpyramide entdeckt wurde, verwirrt die Fachwelt. Dazu zählt auch eine 1898 aufgefundene Grabbeigabe, die um 250 v. Chr. datiert wird. Sie ist heute als „Taube von Sakkara“ bekannt und wird im Ägyptischen Nationalmuseum in Kairo aufbewahrt: zuletzt im Obergeschoß, Raum 22, Inventarnummer 6347. Jahrzehntelang lag das Relikt unscheinbar inmitten unterschiedlicher Vogelfiguren, bis der ägyptische Arzt und Altertumsforscher Prof. Dr. Khalil Messiha (1924 – 1999) bei ihrem Anblick stutzig wurde. Gemeinsam mit seinem Bruder, einem Luftfahrtingenieur, kam Messiha zu dem Schluss, dass dieses seltsame Artefakt eher einem Segelflugzeug-Modell entspricht. Sein Hauptkörper misst 14 cm, die Flügelspannweite beträgt 18 cm, das Gewicht 39 Gramm. Es wurde aus dem Holz des Maulbeerfeigenbaumes geschnitzt und hat auf der rechten Kopfseite ein gemaltes Auge. Flugexperimente mit größeren maßstabsgetreuen Modellen bestätigen den Eindruck: Der pharaonische „Vogel“ besitzt die aerodynamische Form moderner Tragflächen und das senkrecht stehende Seitenruder entspricht dem Leitwerk heutiger Flugzeuge!
Es soll angeblich noch ein Dutzend weitere antike Gleiter geben, die im Museumsdepot aufbewahrt werden. Was im Untergeschoß auf mehr als 10 000 Quadratmetern Fläche gehortet wird (beziehungsweise zum Teil in andere Museen ausgelagert wurde), bekommen nur wenige Auserwählte zu Gesicht. 2010 berichtete die damalige Museumsleiterin Wafaa el-Saddik, dass man bei der Inspektion der Kellermagazine auf rund 2000 original versiegelte Holzsärge, unbekannte Mumien und Kunstobjekte gestoßen war, von denen bis dahin wegen fehlender Inventarlisten niemand etwas wusste. „Der Keller des Nationalmuseums gleicht einem Labyrinth“, gab sich die Generaldirektorin überrascht. „Jeden Tag entdecken wir neue Schätze.“
Eines der größten Rätsel der Totenstadt Sakkara liegt unter dem Wüstenboden im sogenannten Serapeum. In der 340 Meter langen Katakombe gehen rechtwinkelig mehr als 30 Nischen ab. Sie enthalten 24 gigantische Steinsarkophage, die mit leichten Abweichungen vier Meter lang, zweieinhalb Meter breit und dreieinhalb Meter hoch sind!
Jede dieser Steintruhen wiegt 70 bis 80 Tonnen.
Sie wirken wie von Zyklopenhand erstellt.
Die Särge wurden massiv aus einem einzigen schwarzen oder roten Granitblock herausgearbeitet, fein säuberlich geglättet und vom 1000 Kilometer entfernten Assuan irgendwie nach Sakkara geschafft. Anschließend mussten die Kolosse in die Tiefe hinabgelassen, durch die unterirdischen Gänge gezogen, in ihren Kammern verankert und teilweise eingemauert werden. Wie diese technische Meisterleistung der Schwertransporte in der Praxis funktioniert haben soll, konnte mir noch kein Ägyptologe verraten.
Als der Altertumsforscher Auguste Mariette (1821 – 1881) Mitte des 19. Jahrhunderts das Serapeum erkundete, hoffte er, mumifizierte heilige Apis-Stiere zu entdecken, von denen einst Herodot berichtet hatte. Die offizielle ägyptologische Lehrmeinung geht davon aus, dass das Gewölbe tatsächlich zur Bestattung heiliger Stiere angelegt wurde. Stierkulte im Alten Ägypten hat es gegeben, auch die Verehrung des Apis-Stieres ist belegt. Ob die ursächliche Bestimmung im Serapeum allein ihnen vorbehalten war, darf jedoch angezweifelt werden.
Was der Franzose Mariette vorfand, war etwas völlig Unerwartetes: Keiner der Riesensärge enthielt einen einbalsamierten Stier, sondern jeweils Tausende kleine, zersplitterte Knochen in einer stinkenden, teerartigen Masse. Der mysteriöse Inhalt widerspricht den bekannten Bestattungsriten der alten Ägypter. Was hier in monströsen Granittruhen mit 42 Zentimetern Dicke undurchdringlich hermetisch verschlossen wurde, war kein Kult für Unsterblichkeit, sondern das genaue Gegenteil davon! Warum wurden die Gerippe der Geschöpfe zu winzigen Knochensplittern zerkleinert und mit einer Bitumen-Masse vermischt? Sollte jede Möglichkeit einer Wiedergeburt verhindert werden? Bis heute fehlen Studien und DNA-Analysen, die zweifelsfrei belegen, von welchen Tierarten die zerstampften Gebeine stammen. So viel ist bekannt: Apis-Stiere waren es nicht. Fantasiebegabte Zeitgenossen könnten an genmanipulierte Überreste mythologischer Mischwesen wie Sphinx, Chimära oder Minotaurus denken. Ungeheuerlich! Oder?
Manche Entdeckungen machen deshalb fassungslos, weil absolut gar nichts gefunden wurde. Sollten dreiste Grabräuber den Forschern zuvorgekommen sein, wäre die würdelose Situation erklärbar. Wie aber verhält es sich bei unversehrten Grabkammern und Pyramiden, wo die Mumie des Verstorbenen fehlt?
Viele Ägyptologen meinen, dass es „Kultpyramiden“ mit „Scheinkammern“ waren, die als „symbolische Wohnstätten des Königs“ dienten. Andere vermuten rituelle „Begräbnisstätten für Ka“. Über die Bedeutung von Ka sind sich die Fachexperten wiederum nicht einig. Die gängigste Interpretation erkennt in dem Ausdruck die „seelisch-geistige Kraft“ eines Menschen. Sie wird als Hieroglyphe mit der „Zaubergeste“ zweier erhobener Arme dargestellt. Dazu gibt es in der ägyptischen Mythologie die Verknüpfung zum Schöpfergott Chnum, der auf einer Töpferscheibe zu gebärende Kinder formt und ihre identischen Doppelgänger gleich mit. Stirbt ein Mensch, lebt dem Glauben nach das Ka-Double weiter. Eine vorausgedachte Idee der modernen Biotechnik, bei der im Kloning-Verfahren identische Lebewesen reproduziert werden? Dienten mögliche „Kultpyramiden“ wirklich als symbolische Ruhestätten für die Ka-Seele eines Verstorbenen? Die 105 Meter hohe „Knickpyramide“ von Daschur nahe bei Sakkara gilt als die älteste Pyramide, die nicht zu Bestattungszwecken genutzt wurde, sondern nach ägyptologischer These als Kenotaph (Leergrab) gedient haben soll. Für einen imaginären Doppelgänger ein erstaunlich gewaltiger Aufwand.
Die Auffindung eines „Scheingrabes“ kann tragisch enden. Das zeigt der Fall der 1952 geöffneten Sechemchet-Pyramide, die nur wenige Hundert Meter südwestlich vom Monumentalbau Pharao Djosers entfernt liegt. Am 31. Mai 1954 durchbrach der Ägyptologe Muhammad Zakaria Goneim eine drei Meter dicke Verschlussmauer und legte die Grabkammer frei. Die Sensation schien perfekt, denn der aufgefundene Sarkophag war noch unberührt und versiegelt. Als der hermetisch abgeschlossene Sarg im Beisein von Journalisten und Regierungsvertretern geöffnet wurde, waren alle Anwesenden perplex: Die Königsbahre enthielt weder Mumie noch Schätze, sondern nur „heiße Luft“. Goneim wurde in der Folge von den Medien und der Kollegenschaft mit Spott und Hohn überschüttet. Der Demütigung nicht genug, wurde ein antikes Gefäß vermisst und man beschuldigte den Pyramidenentdecker, die Antiquität unterschlagen zu haben. Völlig verzweifelt, stürzte sich Goneim 1959 von einer Nilbrücke in den Tod. Das doppelt Tragische: Einen Tag später fand man das vermeintlich gestohlene Exponat im Ägyptischen Museum in Kairo! Es war falsch katalogisiert worden …
Einer der sonderbarsten Gegenstände, die je ans Tageslicht befördert wurden, stammt ebenfalls aus Sakkara, genauer gesagt aus einer Grabanlage des „archaischen Friedhofs“. Auf dem Gelände, das sich etwa 1,5 Kilometer nördlich der Djoser-Pyramide erstreckt, liegen die höchsten Beamten der frühgeschichtlichen Zeit in sogenannten Mastabas begraben. Der Bautyp gilt als Vorläufer der Pyramiden und bestand aus einem fünf bis zehn Meter hohen, rechteckigen künstlichen Berg mit schrägen Seitenwänden. Im Inneren führt zumeist ein senkrechter Schacht mehrere Meter tief hinunter zur Sargkammer. Weitere Räume enthalten nischenartige „Scheintüren“, Opfergaben sowie Vorräte, die den Verstorbenen auch im Jenseits mit irdischen Gütern versorgen sollen. Nach der Bestattung wurde der Schacht mit Steinen verschlossen.
In einem dieser kastenförmigen Mastabas vermuteten Archäologen das Grab des Königs Hor Ândyib. Heute wird es allerdings seinem Sohn zugeordnet. Sein Mausoleum liegt am äußersten Nordzipfel von Sakkara, an der Grenze zum Dorf Abusir. Es ist das Mastaba-Grab Nr. 3111, welches der britische Ägyptologe Walter Bryan Emery (1903 – 1971) am Morgen des 19. Januar 1936 mit seinem Grabungstrupp öffnete. Als er den palastartigen Überbau von Sand und Lehmziegeln befreite, offenbarte sich ihm ein rechteckiges Mauerwerk, das 10,45 Meter lang und 6 Meter breit ist. In einer Tiefe von 2,55 Metern ist die Grube in sieben Räume unterteilt. Vier liegen nördlich, zwei südlich der Grabkammer. Keramikgefäße mit Inschriften nennen den Namen des Verstorbenen: Es ist die letzte Ruhestätte von Prinz Sabu, einem Administrator einer Provinzstadt, genannt „Stern aus der Familie des Horus“. Er lebte zu Zeiten der Pharaonen Hor Ândyib und Hor-Den (auch Udimu genannt) in der 1. Dynastie um 2900 v. Chr.
Emery stellte ernüchtert fest, dass die Grabstätte in der Antike geplündert worden war. Wertvolle Votivgaben, vermutlich auch Kleider, Schmuck und Goldschätze, die bei hohen Würdenträgern üblicherweise beigelegt wurden, fehlten. Die Grabräuber waren nicht zimperlich: Der Kopf und der rechte Arm des Toten waren brutal vom Rumpf getrennt worden. Was von den Dieben als unwichtig zurückgelassen wurde, waren ein Holzsarg mit den sterblichen Überresten von Prinz Sabu, Knochen von Stieren, Kupferwerkzeuge, Behälter mit Feuersteinen, Pfeilspitzen, Töpferwaren, leere Elfenbeindosen, jede Menge Tonscherben und ein merkwürdig geformtes „schalenartiges Gefäß“.
Dass der Gegenstand in der Gruft zurückgelassen wurde, ist ein archäologischer Glücksfall. Sein Fundplatz liegt im Herzen der Grabkammer, genau dort, wo man eigentlich Prinz Sabus Totenschrein vermutet hätte. Als Walter Bryan Emery die Fragmente des Utensils erblickte und untersuchte, wurde ihm bewusst, dass er auf etwas Außergewöhnliches gestoßen war. Er setzte die einzelnen Bruchstücke fein säuberlich wieder zusammen und war über das Ergebnis verblüfft. Die Restaurierung offenbarte eine technisch anmutende „Rundschale“ aus Schieferstein: Sie misst 61 cm im Durchmesser, hat eine maximale Höhe von 10 cm und besteht aus drei symmetrisch nach innen gefalteten „Lappen“, die am „Telleraußenrand“ ringförmig miteinander verbunden sind. Der Grundriss mit den drei „Flügeln“ stimmt zufällig genau mit dem bekannten internationalen Warnzeichen für Radioaktivität überein. Winzige Schleifspuren am Relikt verraten, dass die Oberfläche mit feinkörnigem Steingummi spiegelglatt poliert wurde. Die Mitte des kreisrunden Gebildes besitzt eine zentrale Bohrung wie bei einem Rotationskörper. Dieser röhrenförmige Mittelpunkt hat einen Durchmesser von 10 cm und weist zwei parallele Rillen auf. Nur eine Verzierung oder waren sie als Drehverschluss gedacht, der zu einem Gegenstück gehörte?
1980 sah ich das ominöse Artefakt erstmals im Ägyptischen Museum im Original ausgestellt, allerdings ohne nähere Angaben über seine Herkunft und Bestimmung. Museumsbesucher, die in den Jahren danach das „Propellerrad“ besichtigen wollten, wurden enttäuscht. Es verschwand für einige Zeit aus den Augen der Öffentlichkeit. Inzwischen ist das Kuriosum wieder Teil der rund 150 000 ausgestellten Schaustücke und trägt die offizielle Katalognummer „JE71295“. Sofern nicht durch Umgestaltung oder Auslagerung in das neue Grand „Egyptian Museum“ in Giseh verändert, sollte das Unikum im Obergeschoß, Saal 43 („Frühzeit“), zu finden sein. Eine originalgetreue Replik ist in der Schweiz zu sehen: im Orient-Pavillon des „Jungfrauparks“ (ehemals Mystery-Park) in Interlaken. Walter B. Emery notierte in seinem Grabungsbericht: „Für das seltsame Design dieses Objekts konnte bislang keine zufriedenstellende Erklärung gefunden werden.“ Optisch erinnert der Fremdkörper an ein Lenkrad, eine Art Propeller oder an eine Schiffsschraube. Aber was hat so ein „Ding“ der Moderne in einem 5000 Jahre alten Grab zu suchen?
Materialanalysen ergaben, dass die radialsymmetrische Konstruktion sorgfältig aus einem einzigen Schieferblock herausgeschnitzt wurde. Das Gestein ist mit Kupferwerkzeugen, Feuerstein, Meißel, Schaber und Handbohrer leicht zu bearbeiten. Der Nachteil: filigrane Elemente können bei unsachgemäßer Handhabe schnell brechen oder zersplittern. Unbestreitbar bleibt aber, dass uns der Hersteller mit der eigenwilligen „Schüssel“ ein beispielloses Meisterstück frühzeitlicher Steinbearbeitung hinterlassen hat. Kaum vorstellbar, dass ihm dies ohne vorherige Berechnung und geometrische Schablonenhilfe glückte. Warum aber in ausgeklügelter Propellerform?
1994 legte ich dem ehemaligen NASA-Projektleiter Josef F. Blumrich (1913 – 2002) Fotos des seltsamen Fundes vor und wollte seine kompetente Meinung dazu wissen. Ingenieur Blumrich, Mitkonstrukteur der Saturn-V-Mondrakete, antwortete mir brieflich: „Wie so oft sind alte Dinge doch sehr interessant anzusehen. Über dem von Ihnen gesandten Material habe ich wiederholt gesessen und auch die Anmerkung dazu gelesen. Auf den ersten Blick sieht die Schale wie etwas ‚Technisches‘ aus; aber ich habe keine Ähnlichkeit mit irgendeinem tatsächlichen technischen Detail finden können.“
Neugierig geworden, wollte der Raketenexperte von mir wissen: „Im Übrigen ist die Formgebung des Objekts von einer geradezu raffinierten Schönheit; war in dem Grab sonst nichts von irgendeiner Bedeutung?“ Das bleibt Spekulation. Niemand weiß, ob den Grabschändern und Plünderern Gegenstände in die Hände fielen, die vielleicht das Geheimnis der „Luftschraube“ hätten preisgeben können.
Die ägyptologische Fachwelt vermutet in dem geschnitzten Kunstobjekt einen „kultischen“ und „religiösen“ Hintergrund. Der „Sockel einer rituellen Öllampe“ wird genauso in Erwägung gezogen wie der Stabaufsatz einer „Kultkeule“ oder eines „Zepters“. Eine praktische Anwendung halten die meisten Gelehrten für unwahrscheinlich. Das zerbrechliche Material würde einer starken Belastung, etwa bei der Hypothese als funktionierende „Schiffsschraube“, nicht lange standhalten. Das gab auch Josef F. Blumrich zu bedenken: „Schiefer oder der im Grabungsbericht erwähnte Alabaster sind beide ziemlich weiche Gesteine, die wegen ihrer raschen Abnutzung bei ernsthafter Verwendung technisch kaum brauchbar wären.“ Der Raketenkonstrukteur schloss die Möglichkeit einer Nachbildung nicht aus, bedauerte jedoch, dass er dazu „leider keine Vergleichsmöglichkeit“ besitze. Dass das Steinobjekt „die Form eines ursprünglich metallischen Objektes kopierte“, vermutete auch der britische Ägyptologe Cyril Aldred (1914 – 1991).
Vor 5000 Jahren? Hergestellt in einer Gussform aus Kupfer? Die berechtigte Frage nach Zweck und Herkunft wäre damit noch brisanter. Dazu ein mythologischer Tipp: Der mächtige Schutzpatron der Nekropole Sakkara war der Totengott Sokar. Wie Horus wurde er als Himmelsfalke dargestellt, der Erscheinungsform des regierenden Königs. Überliefert ist, dass bei seinem jährlichen Fest ein nicht näher beschriebener „Kultstein“ auf einer geschmückten „Sonnenbarke“ gestanden haben soll. In einer feierlichen Prozession wurde das heilige Relikt „um die Mauern“ von Memphis gezogen. Sokar genoss außerdem besondere Verehrung als Schutzgott der Metallarbeiter und Handwerker.
Sucht man nach technischen Vergleichsobjekten zum Wunderwerk aus Sakkara, fällt einem am ehesten noch die Ähnlichkeit mit einem „Schwungrad“ auf. Diese diskusförmigen Maschinenelemente aus Metall sind auf der rotierenden Kurbel einer Maschine oder einem Motor aufgesetzt. Sie speichern Bewegungsenergie und regulieren die Rotationsgeschwindigkeit der Geräte. „Schwungräder“ kommen in einem Spielzeugkreisel genauso zur Anwendung wie bei Moped, Auto oder Bahn. Sie sind auch Bestandteil der Raumfahrttechnik und dienen Satelliten bei der Stabilisierung. Das Grundprinzip zur Erhaltung des Drehimpulses wurde bereits vor rund 6000 Jahren mit den ersten Schwungscheiben zum Töpfern erkannt.
Dem US-Autor und Orientalist Zecharia Sitchin (1920 – 2010) ließ die archäologische Anomalie aus Sakkara keine Ruhe. Er suchte Rat beim Raumfahrtkonzern Lockhead und der Flugzeugbaufirma AiResearch, die neue, leistungsstarke „Schwung“- beziehungsweise „Flugräder“ für die Industrie entwickeln. „Auf meine Anfrage hin übersandte mir AiResearch Fotografien ihres Flugrades sowie eine Informationsmappe mit seinen kompletten technischen Daten, die mich in meiner Annahme bekräftigen, dass das antike Objekt tatsächlich eine Art Flugrad in einem hoch entwickelten Design war, das Energie in seinem dünnen Ringrahmen speicherte und in einem flüssigen Schmiermittel rotierte“, resümierte Sitchin.
Eine alternative Hypothese erklärt Prinz Sabus „Wunderschale“ als Modell eines Kreiselstabilisators, auch Gyroskop genannt. Sie werden als Navigationsinstrumente in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt und dienen unter anderem im Flugzeugrumpf für die Steuerung des Autopiloten. Prominentester Einsatzort ist die internationale Raumstation ISS, wo das Gyroskop zur Lage- und Positionsbestimmung im Erdorbit dient.
Ein bekannter Raumfahrtexperte, den ich neben Josef F. Blumrich zum Sakkara-Fund befragte, ist Univ.-Prof. Dr. Ing. Harry O. Ruppe, der schon am Apollo-Programm im Team von Wernher von Braun mitwirkte und den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik am Institut für Raumfahrttechnik in München innehatte. Ruppe ist zwar skeptisch und hält es für wahrscheinlich, „dass auch Vögel, Insekten, Fledermäuse und dergleichen für einige Funde Pate gestanden haben könnten“, räumt aber ein, dass dies für die Anfertigung von „Luftschrauben natürlich nicht gilt, obwohl einige Pflanzensamen propellerhafte Eigenschaften haben“.