Noch nicht genug?

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Shauna Niequist
Immer mehr von Dir

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Für meine Großeltern Bob und Leah Barry,
die nach all den Jahren immer noch
eine Liebesgeschichte leben
und uns allen zeigen, was es heißt,
sich das Leben schmecken zu lassen.

Titelbild

Inhalt

Einleitung

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

August

September

Oktober

November

Dezember

Dank

Rezeptverzeichnis

Frühstückskuchen mit Blaubeerjoghurt

Zitronen-Dill-Suppe

Fregolotta – Italienische Torte mit Konfitüre

Kürbis-Bananen-Sonstwas-Muffins

Melodys Wurst-Eier-Auflauf

Friséesalat mit Haselnüssen, Ziegenkäse und Dijon-Vinaigrette

Lindsays Schichtauflauf mit grünen Chilis

Pasta-Salat «Ravinia»

Tee-Sandwiches mit Hähnchen-Curry-Salat

Monicas Ziegenkäsetoast

Pikante Erdnussnudeln

Sommersalat

Jennifers Carnitas / Catbirds

Saras Lasagne

Blumenkohlcurry

Überbackener French Toast

Wildreissalat

Eis mit gegrillten Pfirsichen und Karamellsauce

Rindfleischsalat thailändisch

Emilys Mohnkuchen

Annettes Fondue

Niequist

Shauna Niequist

Einleitung

Ich möchte mir dieses Leben schmecken lassen – mein Leben, meine Kinder, meine Mitmenschen, diese herrliche Welt, die Gott geschaffen hat. Das wollen wir doch alle, oder? All das Gute rings um uns aufsaugen, die heiligen Fingerabdrücke überall bemerken, jeden Tag damit rechnen und darauf achten, dass mitten im Alltäglichen immer wieder das Göttliche aufschimmert – in einer Umarmung, einem Tomatensandwich, einem stillen Moment, einer SMS von einem lieben Menschen.

Das wünsche ich mir, und wie oft verpasse ich es. Dann liege ich abends im Bett und bin frustriert über mich selbst, weil ich wieder einmal zugelassen habe, dass die kleinen Widrigkeiten des Lebens die herrliche Grundmelodie darunter übertönt haben. Ich überschlage mich im Alltag und nehme all das Schöne um mich her überhaupt nicht mehr wahr. Ich lasse zu, dass die Angst vor der ungewissen Zukunft oder mein Drang, alles und jeden um mich her unter Kontrolle haben zu wollen, die tiefe Schönheit, die Anmut und den Frieden überdecken, die wie ein stetiger Trommelschlag unter allem anderen liegen.

Mit dieser Sammlung möchte ich versuchen, aufmerksam zu werden, Unrat und Lärm auszuräumen und auch dich dazu einzuladen, diesen Trommelschlag zu hören. Gott redet immer, in jedem Moment. Er ist immer in Bewegung, immer gegenwärtig, immer am Erschaffen, immer am Heilen. Das Kunststück – zumindest für mich – ist, darauf zu achten. Die Kunst ist, es auszukosten.

Ein Großteil meines Lebens spielt sich in meinem Kopf ab. Ich gehe jedes Wort des letzten Gesprächs im Kopf noch einmal durch, bedaure, was ich getan habe, schaue voraus auf das, was kommt, mache mir Sorgen darum, was alles schiefgehen könnte. In der Zeit, die es dauert, mir die Zähne zu putzen oder bis die Brotscheiben aus dem Toaster springen, entfalten sich in meinem Kopf ganze Romanhandlungen – mit Anfang, Mitte und Ende.

Ich bemühe mich, aus meinem Kopf herauszukommen. Mich hinzuknien und meine Finger in die frische Erde meines eigenen Lebens zu graben. Denn es geschieht, egal, ob ich darauf achte oder nicht. Diese Kinder werden jeden Tag größer. Gestern Abend habe ich nach Henry geschaut, und es kam mir vor, als streckten sich seine Beine bis zum Fußende des Bettes, so, als wäre er ein Teenager und nicht erst sieben Jahre alt.

Es wird nicht immer so sein wie heute – es wird Neues passieren, Anderes, Gutes. Aber das hier, das Jetzt, diesen heiligen Alltag, will ich nicht verpassen. Und ich will nicht nur die Oberfläche sehen. Ich will die Tiefen wahrnehmen – das Wirken Gottes überall um mich her, in Gesprächen, im Gebet, in der Stille, in der Musik. Ich suche die Verbindung zu dem Gott, der mich ganz bewusst und mit einer bestimmten Absicht aus dem Staub der Erde gemacht hat. Ich will in einem herzlichen, betenden Gespräch durch meine Tage gehen und mir bei jedem Schritt bewusst sein, dass er mit mir geht, dass er mich hört, wenn ich rede, dass er mich trägt, wenn ich ruhe.

Ich vergesse so leicht, dass es einen größeren Zusammenhang gibt. Wie leicht lasse ich mich von der Hektik des Tages verführen – von Küche und Wäschebergen, Terminen und Essenszeiten. Ich vergesse, dass all das zusammengehalten wird von einem heiligen, liebenden Gott und dass wir seine Mitarbeiter beim Wiederherstellen und Heilen sein dürfen. Ich vergesse, dass da mehr ist, als ich sehen kann, mehr, als ich träumen kann.

Dieses Buch ist mein Geschenk an dich; meine Hand, die sich dir entgegenstreckt – lass uns gemeinsam diese Dinge bedenken. Lass uns gemeinsam Raum schaffen, im Vertrauen darauf, dass uns das, was wir selbst in kurzen Momenten des Gebets und der Stille finden, verwandeln wird. Wenn ich den Tag im Gebet beginne, fällt es mir leichter, so weiterzumachen. Wenn ich den Tag mit Gottes Wort beginne, mit Stille, mit dem festigenden Bewusstsein seiner Liebe zu mir, dann fällt es mir leichter, diese Dinge mit in den Tag zu nehmen. Aber ich finde sie nur schwer, wenn ich nicht zu Beginn bei ihnen innegehalten habe.

Beginnen wir also gemeinsam. Lass uns diesen Tag auskosten, die Schönheit der Welt, die Gott geschaffen hat, den Reichtum der Familie und der Freundschaft, die guten Gaben der Kreativität und Arbeit. All diese Dinge, die unsere Tage füllen, sind es wert, sie sich schmecken zu lassen. Gehen wir ein Stück gemeinsam.

1. Januar
Unsere Geschichten

Denkt also daran, dass ihr Gottes Tempel seid
und dass Gottes Geist in euch wohnt!

– 1. Korinther 3,16 (Hfa)

Dies sind meine Geschichten, die Geschichten des Lebens, wie es sich in meinem Blickfeld zeigt, und die Figuren, die darin auftreten, sind meine Freunde, meine Familie und meine Nachbarn. Ich erzähle diese Geschichten, weil sie die einzigen sind, die ich kenne und die zu erzählen ich das Recht habe. Ich glaube aber, dass du darin deine eigenen Geschichten wiederfinden wirst, in denen deine eigenen wunderbaren und seltsamen Figuren und Handlungswendungen vorkommen. Ich glaube, diese Liebesbriefe an mein eigenes Alltagsleben werden die winzigen Schimmer der Hoffnung und Erlösung zum Vorschein bringen, die sich in deinem Winkel der Welt als normales Leben maskieren.

Die Welt ist lebendig, sie blinkt und knackt und zwinkert uns verstohlen zu. Sie lädt uns ein, aufzustehen und zu der Musik zu tanzen, die seit Anbeginn der Zeit zu hören ist, wenn man sich ganz weit niederbeugt und sein Ohr auf den Boden legt.

Du hast Geschichten, die es wert sind, sie zu erzählen. Erinnerungen, die es wert sind, sie hervorzuholen. Träume, die es wert sind, nach Kräften auf sie hinzuarbeiten. Einen Körper, der es wert ist, ihn zu nähren. Eine Seele, die es wert ist, sie zu pflegen. Und außerdem wohnt der Gott des Universums in dir, wo Übernatürliches und Natürliches wahrhaft zusammenkommen.

Du bist mehr als Staub und Knochen.

Du bist Geist und Kraft und Ebenbild Gottes.

DEINE GESCHICHTE ist es wert, sie zu erzählen – sie ist Teil der Geschichte Gottes, und sein Geist wohnt in dir. Nimm dir ein paar Minuten Zeit, um Gott für deine Geschichte und für seinen Geist in dir zu danken.

2. Januar
Fang da an, wo du bist

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

– Psalm 23,5 (Luther)

Meine Freundin Laura hat sich fürs neue Jahr vorgenommen, «da anzufangen, wo sie ist». Das gefällt mir. Ob es irgendetwas ist, das uns Angst macht, eine neue Fähigkeit, die uns unerreichbar scheint, oder ein Vorhaben, das schon seit einer Ewigkeit über unseren Köpfen hängt: Fang da an, wo du bist.

Jede von uns ist von einem heiligen Gott liebevoll erschaffen worden, ganz bewusst und mit einer bestimmten Absicht. Und doch haben viele von uns Angst oder fühlen sich unvorbereitet. Aber hier ist das Geheimnis: Niemand ist ausreichend vorbereitet. Niemand ist vollkommen bereit.

Lass uns gemeinsam beschließen, heute einen Schritt vorwärtszugehen, was auch immer das für ein Schritt sein mag – ein Anruf, eine Stunde schreiben, einen Tag lang irgendwo hinfahren, um zu träumen. Manchmal kann schon eine halbe Stunde für Brainstorming oder Planung den Knoten lösen. Niemand lebt eine spannende Berufung aus, ohne irgendwann einmal einfach einen Schritt nach vorn zu gehen, trotz aller Furcht und Ungewissheit.

Die Welt hat schon genug Leute, die einem einen Knopf an die Backe erzählen können von all den Gründen, wieso sie nicht einfach mit der Sache anfangen können, die sie doch so gerne anfangen möchten. Lass uns keine davon sein. Fangen wir lieber da an, wo wir sind.

WAS IST dein Traum, deine Vision oder dein Vorhaben, zu dem du dich in dieser Phase deines Lebens berufen fühlst? Was wäre eine greifbare Möglichkeit, um da anzufangen, wo du bist?

3. Januar
Bittersüß

Das Gute haben wir von Gott angenommen,
sollten wir dann nicht auch das Unheil annehmen?

– Hiob 2,10 (Hfa)

Der Begriff bittersüß ist dabei, meine Lebensweise zu verändern. Er löst mein ganzes Verständnis des Lebens auf und webt es neu zusammen. Bittersüß heißt, dass es in allen Dingen sowohl etwas Zerbrochenes als auch etwas Schönes gibt, dass es selbst in der finstersten Nacht einen Schimmer der Helligkeit gibt, einen Schatten der Hoffnung in jedem Leid, und dass Freude nicht geringer wird, wenn sie einen Stich der Traurigkeit enthält.

Bittersüß heißt, daran glauben, dass wir wirklich sowohl das Bittere als auch das Süße brauchen. Ein Leben, in dem es nur Süßes gibt, würde uns die Seele ebenso verfaulen lassen wie die Zähne. Das Bittere macht uns stark. Es zwingt uns, durchzuhalten. Mit dem Bitteren verdienen wir uns die Falten in unseren Gesichtern und die Schwielen an unseren Händen. Süß ist schön und gut, aber bittersüß ist wunderbar, nuanciert, voller Tiefe und Vielschichtigkeit. Bittersüß ist mutig, wacker, erdig.

Daran also arbeite ich im Moment, und dich lade ich auch dazu ein: Wenn das Leben süß ist, freu dich und sag Dank. Und wenn das Leben bitter ist, wachse und sag Dank.

NIMM DIR ein paar Minuten Zeit, um Gott auch für die bitteren Dinge in deinem Leben zu danken, weil du auch im Verlust seiner Liebe und Güte vertraust.

4. Januar
Ein Stück von einer Geschichte

Das Wort, das zum Leben führt, war von Anfang an da. Wir haben es selbst gehört.
Ja, wir haben es sogar mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren Händen berührt. … Was wir nun selbst gesehen und gehört haben, das geben wir euch weiter.

– 1. Johannes 1,1.3 (Hfa)

Als mein Freund Doug mir sagte, das Muster von Tod und Wiedergeburt sei die zentrale Metapher des christlichen Lebens, gab er mir etwas weiter, das er sich durch die Brüche in seinem eigenen Leben erarbeitet hatte. Er erzählte mir etwas, das Gott als Teil seiner Geschichte in sein Leben hineingeschrieben hatte. Ich verstand es damals nicht, weil ich es nicht zu verstehen brauchte. Einige Jahre später aber wurde diese Wahrheit unverzichtbar für mich.

Man gibt weiter, was man weiß, was man sich erarbeitet hat, was man mühsam gelernt hat. Man sieht zu, wie es scheinbar auf taube Ohren trifft, und murmelt dann unhörbar irgendetwas von Perlen und Säuen vor sich hin. Doch dann, zehn Jahre später, merkst du, dass ein Fragment deiner Geschichte plötzlich ins Leben eines anderen Menschen eingewoben wird und ihm eine Brücke zu einer neuen Erkenntnis und Lebensweise baut. Ich brauchte keine Beweisführung eines Theologen und keinen Tipp von einem erfahrenen Gemeindemitglied. Ich brauchte ein Stück von einer Geschichte, etwas Reales, voller Leben und Blut und Atem und Leid, etwas, das jemand durchlebt hatte, ein Stück hart erarbeitete Weisheit. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere Geschichten erzählen.

WESSEN GESCHICHTE hat dir zu neuer Erkenntnis und Lebensweise verholfen? Wem ist durch deine Geschichte, dein mühsam errungenes Verständnis schon geholfen worden?

5. Januar
Das hier ist es

Darum rühme ich die Freude, denn es gibt für den Menschen nichts Besseres auf der Welt,
als zu essen und zu trinken und sich zu freuen.
Das wird ihn bei seiner Mühe begleiten das kurze Leben hindurch, das Gott ihm gegeben hat.

– Prediger 8,15 (Hfa)

Diese Erkenntnis blitzt in mir immer wieder auf: Das hier ist es. Das hier ist es, und zwar im besten Sinne. Das, worauf ich warte, dieses Abenteuer, dieses wunderbare Erlebnis, zu dem Filmmusik erklingen müsste – das hier ist es. Das normale Alltagsleben, das auf unseren Straßen und Bürgersteigen, in unseren Träumen und Gebeten und Kämpfen und Geheimnissen vorüberzieht. Dieses prosaische Leben ist das Kostbarste, was irgendeine von uns je erleben wird.

Ich glaube, diese Art zu leben – diese Ausrichtung auf die Gegenwart, das Alltägliche, das Greifbare, diese intensive Konzentration nicht auf die Schlagzeilen, sondern auf die Blumen, die in deinem eigenen Garten gedeihen, die Kinder, die in deiner Familie aufwachsen –, diese Art zu leben hat das Potenzial, den Himmel aufzureißen und uns eine Handvoll glitzernder Diamanten zu bescheren, wo eben noch nichts als Kohle war. Indem wir so leben, auf die Dinge achten, unser Leben bauen und gestalten, können wir die Filmkulissen zerreißen und den Soundtrack zum Schweigen bringen und brauchen nicht mehr darauf zu warten, dass unser Leben endlich beginnt. Stattdessen werden wir frei dafür, das Leben zu sehen, das wir schon die ganze Zeit gestaltet haben, ohne es zu merken.

ALLTÄGLICHES LEBEN ist ein kostbares Geschenk. Wie würde es aussehen, wenn du heute wirklich auf dieses Geschenk achten würdest?

6. Januar
Was hätte sein können

Du siehst doch, wie lange ich schon umherirre!
Jede Träne hast du gezählt, ja, alle sind in deinem Buch festgehalten.

– Psalm 56,9 (Hfa)

Wenn du die Narben von etwas trägst, das hätte sein können, dann vergisst du es nicht. Du kennst den Tag, die Jahre. Du weißt, wann das Baby geboren worden wäre. Du weißt genau, welchen Hochzeitstag du feiern würdest, wenn es zu der Hochzeit gekommen wäre. Du weißt genau, wie alt sie jetzt wäre, wenn sie noch lebte. Du wirst nie vergessen, wann du dein Kind zum letzten Mal gesehen hast oder wann für dich «Krebs» zuletzt ein Wort war, das nur das Leben anderer Leute betraf, oder an welchem Tag sich für dich einfach alles verändert hat. Der Kalender kommt dir dann vor wie ein Minenfeld, so als müsstest du dauernd auf Zehenspitzen über die Sprengkörper der Trauer staken, bis du eines Tages doch auf einen davon trittst und von dem, was hätte sein können, zerrissen wirst.

Ich weiß nicht, welches Datum das für dich ist – was an jenem Tag zerbrochen ist, was du verloren hast, welche Erinnerungen für immer mit diesem Tag im Kalender verhaftet sind. Aber ich hoffe, dass du dich an jenem Tag wenigstens einen Moment lang für die Erinnerungen offen und verwundbar machen kannst. Als jemand, der auch trauert, trauere ich mit dir um das, was du verloren hast oder was hätte sein können.

HAT DEIN Leben Narben von dem, was hätte sein können? Welche bedeutungsvollen Traditionen oder Momente praktizierst du an solchen Tagen? Lass heute den Gott, der dich liebt, deine Traurigkeit für dich tragen.

7. Januar
Die Wagenburg

[Die Liebe] freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt.
Liebe ist immer bereit zu verzeihen, stets vertraut sie,
sie verliert nie die Hoffnung und hält durch bis zum Ende.

– 1. Korinther 13,6–7 (Hfa)

Ich glaube, die Freundschaft ist Gottes größter Beweis seiner selbst hier auf der Erde. Jeder braucht seine Mannschaft im Rücken: eine verschworene Gemeinschaft aus Leuten, zu denen man immer kommen kann, und sei es mitten in der Nacht, bei denen man nicht erst anklopfen muss. Leute, die uns durchtragen, wenn alles auseinanderbricht. Ich glaube, manchmal ist es gut, eine Wagenburg zu bilden – deine Leute um dich zu scharen, damit sie dir die Wahrheit sagen, während all die anderen Stimmen da draußen dir schlechte Nachrichten entgegenschreien. Und natürlich finde ich es am besten, wenn all diese Liebe, dieses Sich-gegenseitig-die-Wahrheit-Sagen, dieses Beten und Lachen sich rund um den Tisch abspielt.

Deswegen liebe ich die Donnerstagabende so sehr. Donnerstags trifft sich unser Hauskreis. Wir essen immer zusammen. Zu Beginn und zum Ende unserer gemeinsamen Zeit beten wir miteinander. Wir schaffen Raum, damit jeder gehört wird und vom Guten und vom Schweren in seinem Leben erzählen und die anderen um Gebet und Hilfe bitten kann. Wir nehmen es sehr ernst damit, dass alles, was am Tisch gesagt wird, vertraulich und gut aufgehoben ist. Eine Bibelarbeit machen wir nicht immer. Oftmals lesen wir in der Bibel. Manchmal leitet jemand eine Liturgie oder eine Lesung. Manchmal leitet uns jemand in einer Übung, die uns hilft, mit einem Bibeltext, einem Gedankengang oder mit einer geistlichen Praktik in Beziehung zu treten. Aber um den Tisch versammeln wir uns jede Woche, und jede Woche ist mein Herz voller Dankbarkeit dafür.

WER GEHÖRT zu der Mannschaft in deinem Rücken? Wie pflegst du diese Verbindungen und Beziehungen?

8. Januar
Bewusstsein für das Heilige

Und er nahm das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach:
Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.

– Lukas 22,19 (Luther)

Nach meiner Überzeugung fordert Jesus uns auf, seiner immer zu gedenken, wenn wir Brot brechen und Wein trinken, bei jeder Mahlzeit, jeden Tag – egal, wo wir sind, wer wir sind oder was wir getan haben.

Wenn wir dieses Gedächtnis nur beim Abendmahl in der Kirche praktizieren, lassen wir uns jeden Tag drei Gelegenheiten entgehen, uns an ihn zu erinnern. Was für ein Zerrbild! Eugene Peterson sagt: «Für den, der Augen hat zu sehen, ist jeder Busch ein brennender Busch.» Für diejenigen unter uns, die das ganze Leben für etwas Heiliges halten, ist jeder Krümel Brot und jeder Schluck Wein eine Eucharistie, ein Gedenken, ein Aufruf zum Bewusstsein für das Heilige überall da, wo wir gerade sind.

Ich wünsche mir, dass die Heiligkeit der Eucharistie aus den Kirchenmauern, aus den Händen der Priester überfließt auf die gewöhnlichen Straßen und Bürgersteige, in die Hände von ganz normalen, schmuddeligen Leuten wie dir und mir, auf unsere Tische, in unsere Küchen und Esszimmer und Gärten.

Das Heilige ist überall, wenn wir die Augen dafür offen halten. Das Flüstern und der Trommelschlag des Geistes Gottes umgeben uns von allen Seiten, wenn wir darauf lauschen. Die Zutaten selbst der einfachsten Mahlzeit – Brot und Wein – erinnern uns daran: Er ist hier. Er ist hier, und er ist gut.

JEDE MAHLZEIT ist eine Gelegenheit, sich an Jesus zu erinnern, ihn zu ehren und das Heilige zu feiern.

9. Januar
Segnungen und Flüche

Ihr wolltet mir Böses tun,
aber Gott hat Gutes daraus entstehen lassen.

– 1. Mose 50,20 (Hfa)

Wenn du erkennst, dass du die Geschichte deines Lebens auf tausenderlei Weise erzählen könntest, dass du sie als Tragödie erzählen könntest, dich aber stattdessen entscheidest, sie ein Epos zu nennen, dann fängst du an zu lernen, was Feiern heißt. Wenn das, was du vorfindest, so ganz anders ist als das, was du dir erträumt hast, aber du hast den Glauben, die Kühnheit, den Mut, es als etwas Schönes aufzufassen und nicht als etwas Falsches, dann feierst du.

Wenn du dich ganz und gar hingeben kannst an das Leben, das dich umgibt, statt dich ein für alle Mal aus dem Spiel abzumelden, weil dir das Leben so übel mitgespielt hat, dass ja wohl keiner von dir erwarten kann, dass du trotzdem weitermachst, dann bist du ein reich beschenkter Mensch.

Du bist an dem Punkt, wo die vermeintlichen Flüche aufstehen und glitzern und anfangen zu tanzen, und du merkst, dass sie vielleicht in Wirklichkeit schon von Anfang an Segnungen waren. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht waren es tatsächlich Flüche, aber die Kraft deines Glaubens, deiner Hoffnung und deiner unbändigen Liebe zum Leben hat aus dem Fluch einen Segen herausgeholt wie Wasser aus einem Felsen, wie Leben aus einem Grab, wie es in Gottes Geschichte immer wieder geschieht.

WELCHE EREIGNISSE in deiner Vergangenheit kamen dir wie Flüche vor und entpuppten sich dann als Segnungen? Gibt es im Moment in deinem Leben etwas, das eher wie ein Fluch aussieht? Bitte Gott, dir das Gute zu zeigen, das er daraus entstehen lassen will.

10. Januar
In Gottes hohler Hand

Er führte mich hinaus ins Weite,
er riss mich heraus; denn er hatte Lust zu mir.

– Psalm 18,20 (Luther)

Ich habe entdeckt, dass ich mehr aushalten kann, als ich dachte, und dazu gar nicht so viel brauche, wie ich dachte. So naiv, zu glauben, dass die Veränderungen jetzt vorüber seien oder dass die nächsten leichter würden, bin ich nicht, aber ich habe mühsam gelernt, dass Veränderung eines der größten Geschenke Gottes und eines seiner nützlichsten Werkzeuge ist. Veränderung kann uns treiben, uns ziehen, uns zurechtweisen und uns erneuern. Sie kann uns zeigen, was aus uns geworden ist, im Guten wie im Schlechten. Sie ist nicht etwas, wovor wir fliehen müssten, selbst wenn wir das könnten. Oftmals kommt Veränderung nicht aus der Grausamkeit des Lebens, sondern aus der Gnade Gottes.

Veränderung ist etwas Gutes, so wie eine Entbindung etwas Gutes ist. Leid ist etwas Gutes, und Versagen ist etwas Gutes. Damit meine ich, dass Veränderung unglaublich schmerzhaft ist, und noch um ein Vielfaches schmerzhafter, wenn wir dagegen ankämpfen. Aber sie hat auch das Potenzial, dich aufzuschließen, das Leben aufzuschließen, dich geradewegs in die hohle Hand Gottes auszuliefern. Genau dahin, wo du eigentlich schon immer sein wolltest. Nur warst du zu sehr damit beschäftigt, dein Leben so zurechtzuschieben und -zuzerren, wie es deiner Meinung nach sein sollte.

OBWOHL VERÄNDERUNG schwer und beängstigend sein kann, gebraucht Gott sie oft auf gute, machtvolle Weise. Gibt es Veränderungen in deinem Leben, die möglicherweise von Gottes Gnade zeugen, auch wenn sie dir im Moment schwerfallen?

11. Januar
«Sollte» ist ein Warnsignal

Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich
und zog mich aus großen Wassern.

– Psalm 18,17 (Luther)

Wir haben alle unsere seltsamen Regeln und Vorschriften, was wir lieben sollten, was uns glücklich machen sollte und wie die Dinge laufen sollten. Offen gesagt, sollte ist ein Warnsignal. Wenn du merkst, dass du immer häufiger das Wort sollte gebrauchst, ist das ein Zeichen, dass du dich in deinem Leben immer weiter von deinem wahren, besten Ich entfernst. Du lebst dann für irgendwelche anderen Maßstäbe oder Bestätigungen, von denen du dir erwartest, dass sie dich glücklich machen.

Sollte macht niemanden glücklich.

In einer Zeit, als ich besonders beschäftigt war, hatte ich das Gefühl, ich sollte eigentlich glücklich sein, weil ich Dinge tat, die ich tun wollte – glaubte ich zumindest. Als Mac noch ein Baby war und fast ein Jahr lang keine Nacht durchschlief, hatte ich das Gefühl, ich sollte mich nicht beklagen, weil ich mich doch so sehr danach gesehnt hatte, ihn zu bekommen. Also verkniff ich es mir, zu sagen, dass ich müde war und die Rechnung nicht aufging und dass mir die Fähigkeit verloren ging, mein Leben zu lieben und auszukosten und mit allen Sinnen zu erfahren. Das hätte sich ja wie ein Versagen angefühlt.

Bis ich plötzlich merkte, dass mir sollte egal wurde.

Ich wollte so leben, dass es sich wie Leben anfühlte und nicht wie Ertrinken.

Und der erste und wichtigste Schritt dazu war, das laut auszusprechen.

WIE OFT gebrauchst du das Wort «sollte»? Und sei es nur in Gedanken? Wo stehst du auf dieser Skala zwischen Leben und Ertrinken? Sei im Hinblick darauf ehrlich zu dir selbst, und dann zu Gott und zu den Menschen, die du liebst und denen du vertraust.

12. Januar
Warten

Ermahnt und ermutigt einander immer wieder,
solange jenes «Heute» gilt.

– Hebräer 3,13 (Hfa)

Ich habe mein Leben lang gewartet. Gewartet, jemand anderes zu werden. Gewartet darauf, zu der Person zu werden, von der ich immer dachte, dass sie in mir steckt. Gewartet auf das Leben, das ich mir für mich vorstellte. Im Geist war ich immer nur einen Schritt davon entfernt. Auf der Highschool wartete ich darauf, zu der College-Version meiner selbst zu werden, die ich vor meinem geistigen Auge schon ganz deutlich sehen konnte. Auf dem College stand mir immer die «Erwachsene» nach dem Abschluss vor Augen, klüger, stärker, besser organisiert. Dann die verheiratete Frau, dann die Person, die ich werden würde, wenn wir erst Kinder hätten. Seit zwanzig Jahren warte ich darauf, die schlanke Version meiner selbst zu werden, denn dann fängt mein Leben eigentlich erst an.

Mein Leben geht vorbei, Tag für Tag, und ich warte darauf, dass es anfängt.

Ich will nicht mehr warten. Ich glaube, es gibt nichts Heiligeres oder Tieferes als diesen heutigen Tag. Vielleicht sind in diesen Tag tausend große Momente eingebettet, winzige Goldkörnchen, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Die großen Momente sind eigentlich winzige Momente der Tapferkeit und Vergebung und Hoffnung, an denen wir uns festhalten und die wir uns gegenseitig schenken. Solche großen Momente gibt es in jedem Gespräch, in jedem gemeinsamen Essen und in jeder Begegnung. Das ist das Drama des Lebens, das uns umtost.

WORAUF WARTEST du? Was hält dich an den Seitenlinien deines Lebens fest? Und was würdest du tun, wenn du beschlössest, hineinzuspringen und nicht mehr zu warten?

Frühstückskuchen mit Blaubeerjoghurt

Den Sommer verbringen wir immer in einer winzigen Ortschaft am See, die für ihre Blaubeeren bekannt ist. Davon pflücken wir unfassbare Mengen, um sie einzufrieren, und ich halte immer Ausschau nach neuen Verwendungsmöglichkeiten dafür. Auf dem Markt in jenem kleinen Dorf gibt es eine Frau, die daraus einen Frühstückskuchen macht, auf den ich ganz verrückt bin – die perfekte, nicht zu süße Köstlichkeit am Morgen. Dieser Kuchen ist von all diesen Dingen inspiriert: von den Sommern am See, von den Blaubeeren, von jenem Frühstückskuchen auf dem Markt. Der herbe Joghurtgeschmack ist ein gutes Gegengewicht für die süßen, saftigen Beeren. Man streut sie über den Teig, aber am Ende sind sie überall zu finden, aufgeplatzt und zart.



13. Januar
Der nächste richtige Schritt

Ein gutes Essen macht fröhlich.

– Prediger 10,19 (Hfa)

Ich lerne ganz allmählich, gutes Essen und Fasten in einen Rhythmus zu bringen, der meinem Jahresablauf eine klangvolle Melodie verleiht. Das Wort Fasten gebrauche ich hier im weiteren Sinne als Gegenbegriff zum guten Essen – mal sich etwas gönnen, mal Disziplin üben; das ist ein notwendiges Hin und Her entlang der Skala unserer Essgewohnheiten.

Die Wochen zwischen Thanksgiving und Neujahr sind eine Zeit für gutes Essen. Ich liebe die Traditionen und Geschmacksrichtungen dieser Jahreszeit – süße Kartoffelplätzchen mit Ahornbutter, Tante Marys Rosinenbrot, getoastet und mit pikanten geschmolzenen Käsescheiben belegt.

Und im Januar gibt das Fasten mir dann Gelegenheit, mich in Disziplin zu üben und mir nicht jederzeit alles zu nehmen, was ich will, meinen Verzehr einzuschränken, in meinem Körper und Geist Raum zu schaffen für ein neues Jahr, eines, in dem nicht immer nur mein Mund regiert mit dem, was er will und verzehrt.

Am Anfang, finde ich, ist das Fasten ein Akt, der den Körper betrifft, aber er gewinnt rasch eine geistliche Dimension: Bin ich eine Sklavin meiner Begierden? Lasse ich mich von meinem Hunger beherrschen? Vertraue ich darauf, dass Gott meine Bedürfnisse befriedigt, oder bin ich ungeduldig und gierig, so dass ich unbedingt selbst für sie sorgen will? Das köstliche Essen und der feste Wert der Feiertage, gezügelt durch die Einschränkungen und die Struktur des neuen Jahres, ergeben einen Rhythmus, der mich näher zu Gott hinzieht, mich abhängiger von ihm macht, mich enger an ihn bindet, mich dankbarer sein lässt für seine Gegenwart.

WELCHE RHYTHMEN und Muster gibt es in deinem Jahr? Was machst du von Jahreszeit zu Jahreszeit anders, um gesund zu bleiben?

14. Januar
Schlafen und Beten

Ich kann ruhig schlafen, auch wenn kein Mensch zu mir hält,
denn du, Herr, beschützt mich.

– Psalm 4,9 (Hfa)

Teilweise glaube ich an Gott, weil ich nicht anders kann, weil ich jemanden brauche, an den ich mich im Gebet wenden kann mit der wilden Mixtur aus Furcht und Liebe, die in mir steckt. Als Henry ein Baby war, wäre bei mir jede Nacht eine Sicherung durchgebrannt, hätte ich ihn nicht Gottes Obhut anvertrauen können, während ich schlief. Schlafen fällt mir sowieso schon schwer genug, und deshalb klammere ich mich verzweifelt an Gott. Ich könnte nie ein Auge zutun, wenn ich es nicht täte.

An jenen ersten Abenden betete ich jede Nacht laut und bat Gott, Henry über Nacht am Leben zu erhalten. Ich hatte keinerlei Grund zu der Befürchtung, dass ihm irgendetwas passieren würde. Er war gesund und normal, wenn es auch relativ zu sein scheint, was gesund und normal eigentlich bedeutet. Neugeborene Kinder sind ja so winzig und wackelig und fremdartig. Also betete ich laut voller Inbrunst, als wäre ich bei einer Erweckungsversammlung. «Lieber Gott, bitte, bitte, bitte pass auf unser Baby auf, damit es über Nacht gesund und am Leben bleibt. Danke, danke, danke für ihn, und bitte, bitte, bitte bewahre ihn während der Nacht.» Sprachlich war ich dabei nicht gerade kreativ, aber was mir an Wortschatz fehlte, machte ich durch Eindringlichkeit wett.

WOFÜR BETEST du zurzeit so eindringlich und inbrünstig? Denk daran, dass Gott uns trägt, wenn wir schlafen, dass nicht alles an uns liegt, dass sein Schutz und seine Macht real sind.

15. Januar
Was wir lieben

Der Herr schaut vom Himmel herab und sieht jeden Menschen.
Von seinem Thron blickt er nieder auf alle Völker der Erde. Er gibt ihnen die Fähigkeit zum Denken und Handeln; über alles, was sie tun, weiß er Bescheid.

– Psalm 33,13–15 (Hfa)

Lynne Rossetto Kasper, die Moderatorin der amerikanischen Kochsendung The Splendid Table, sagt, es gebe zwei Arten von Menschen auf der Welt: Leute, die beim Aufwachen darüber nachdenken, was es zum Abendessen gibt, und Leute, die das nicht tun. Ich gehöre auf jeden Fall in die erste Gruppe.

Ich wache morgens auf und denke übers Abendessen nach. Ich denke über die Lebensmittel nach und die Leute und darüber, was wir vielleicht alles über das Leben und übereinander entdecken werden. Ich denke an das Zischen des Öls in der Pfanne und daran, wie der Rosmarin seinen Duft verströmt, wenn ich ihn schneide. Mag sein, dass Gott mich vom Moment meiner Geburt an so gemacht hat, oder vielleicht hat er mich auch erst im Lauf der Zeit so werden lassen, als ich die Heimlichtuerei, die Verleugnung und die Scham hinter mir ließ, die mich jahrelang geprägt haben. Entscheidend ist, dass zum Erwachsenwerden auch gehört, dass wir uns offen zu dem bekennen, was wir lieben.

Ich liebe den gedeckten Tisch. Ich liebe das Essen: was es bedeutet, was es tut und wie es sich in meinen Händen anfühlt. Es ist Morgen, und ich habe Hunger. Ich denke an das Abendessen, nicht nur das von heute Abend, sondern auch von morgen und übermorgen. Es gibt zwei Arten von Menschen, und ich bin es leid, so zu tun, als gehörte ich zu der anderen Sorte.

WELCHE LIEBE hat Gott dir mit auf den Weg gegeben? Wie bekennst du dich zu dieser Liebe und lebst sie aus?

16. Januar
Nieder mit der Hektik

Achtet darauf, dass ihr ruhig und besonnen lebt.

– 1. Thessalonicher 4,11 (Hfa)

Ich glaube, ich bin seit fast sieben Jahren in Eile. Vor sieben Jahren fand ich heraus, dass ich mit Henry schwanger war. Noch in derselben Woche wurde mir ein Vertrag angeboten, das Buch Cold Tangerines zu schreiben. Und seither kommt es mir so vor, als wäre ich in einem Wettlauf gegen die Zeit. Meine Pläne und Vorhaben stapeln sich eins auf dem anderen. Immer wird noch etwas dazwischengequetscht – es wird geschoben, gehudelt und gerannt. Ich habe Strategien entworfen, immer mehrere Sachen gleichzeitig erledigt, Verpflichtungen übereinandergeschichtet wie Mauersteine.

Hektik herrscht dann, wenn deine Gedanken immer schon sieben Schritte voraus sein müssen, anstatt da zu sein, wo du bist, weil schon wieder ein Termin näher rückt und vor der Reise noch die Wäsche erledigt werden muss, weil du auf keinen Fall vergessen darfst, Schneehosen für die Schule einzupacken, und weil du um Aufschub für dieses Projekt bitten musst. Mal wieder.

Ich bin nicht allein. So viele von uns haben die Nase gestrichen voll von dieser Hetze. Entschleunigen ist angesagt, zurück zum Anfang gehen, innehalten. Ich habe genug von der Hektik. Für mich gibt es einen neuen Grundsatz: Wenn ich jetzt Ja dazu sage, wird mich das in Hektik bringen? Mein neuer Slogan ist: Nieder mit der Hektik! Für meine Kinder da sein. Für mein eigenes Leben da sein. Nieder mit der Hektik.

BIST DU die Hetze und die Hektik auch so leid? Wie würde es aussehen, wenn du entschleunigen und innehalten könntest? Wie fühlt es sich an, über diese Frage auch nur nachzudenken?

17. Januar
An der Ehe bauen

Er sagt zu mir: «Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!»

– Hoheslied 2,10 (Hfa)

Letzte Woche unterhielt ich mich mit einer neuen Freundin aus Nashville. Sie bat mich um einen Rat zum Thema Ehe. Sie ist frisch verheiratet, beruflich stark eingespannt, und sie erzählte mir, sie wolle gerne eine gute Ehefrau sein, aber es fiele ihr so schwer, das Haus sauber zu halten und kochen zu lernen usw. Ich sagte: Moment mal, mach dir nicht zu viele Gedanken über das Kochen und Putzen. Mit Kochen und Putzen baut man keine Ehe. Sondern damit, dass man sich gegenseitig zuhört, gemeinsame Erinnerungen sammelt und einander in die Augen schaut. Nehmt euch Zeit, um zusammen zu sein, miteinander auszugehen und Radtouren zu machen und einander zuzuhören.

Was uns wieder zusammenbringt, wenn Aaron und ich gestresst sind, ist, dass wir uns bewusst und intensiv Zeit füreinander nehmen. Wir gehen miteinander aus, ich ziehe schicke Schuhe an und lege Parfüm auf, er bindet sich eine Krawatte um, wir halten einander an den Händen und reden und reden und reden. Es tut uns unendlich gut, uns diese Zeit zu nehmen, uns aufzuraffen und aus dem Haus zu gehen, selbst wenn wir müde sind, denn es erinnert uns daran, dass wir in einer Liebesgeschichte leben und nicht bloß zusammen ein kleines Unternehmen führen. Es erinnert uns daran, dass zur Liebe auch gehört, dass man sich die Zeit nimmt, sich die winzigen Einzelheiten im Leben des anderen anzuhören und wirklich wichtig zu nehmen.

WENN DU verheiratet bist, wie sorgst du für genügend Zeit, um die Verbindung zu deinem Mann zu halten? Wie sieht das für dich aus? Habt Ihr in letzter Zeit genügend solcher Zeiten miteinander gehabt?

18. Januar
Warum ich bete

Als ich schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, dachte ich an dich,
und du hörtest mein Gebet in deinem heiligen Tempel.

– Jona 2,8 (Hfa)

Ich bete, weil ich es brauche. Weil ich es nötig habe, mir in Erinnerung zu rufen, dass da oben etwas ist und dass es gut ist. Ich bete, um gehört zu werden, sicher, aber praktisch gesehen ist das, was der Akt des Betens in meinem Leben bewirkt, an sich schon tiefgreifend genug. Der Akt und die Haltung des Gebets binden mich wieder an etwas, das ich so oft verliere, etwas, das manchmal zerreißt wie ein dünner Faden. Das Gebet knotet die Schnur wieder zusammen. Das Gebet sagt: Ich weiß, dass du da oben bist. Ich glaube dir. Ich kann es schaffen. Ich weiß, du bist gut. Indem ich bete, sage ich, dass da mehr ist, als ich sehen kann, und mehr, als ich tun kann. Es läuft mehr, als das Auge wahrnimmt.

Das Gebet heilt all die Muskeln, die ich so lange angespannt habe, während ich alles beisammenhalte, die Zähne zusammenbeiße und auf den Aufprall warte. Gebet – ähnlich wie Stretching und Gesang – bringt aus dem Harten das Weiche hervor, aus dem Spröden das Biegsame, aus dem Unmöglichen das Mögliche, aus dem Kalten das Warme, aus dem Atemlosen den Atem. Und egal, was dich dorthin bringt, es ist besser, dort zu sein, als nicht dort zu sein.

NIMM DIR einen Moment Zeit zum Beten und lass dich durch diesen Akt daran erinnern, wer Gott ist und was er in unserem Leben tut.

19. Januar
Russische Puppen

Freu dich über jedes neue Jahr, das du erleben darfst!
Auch wenn noch viele vor dir liegen …

– Prediger 11,8 (Hfa)

Meine Oma ist 82, und ich schaue mir sehr gern alte Fotos von ihr und meinem Opa an. Sie hat mir erzählt, wenn man alt wird, ist es so, als trüge man lauter verschiedene Ichs mit sich herum. Sie erinnert sich noch genau daran, wie das 13-jährige Mädchen auf dem Foto sich gefühlt hat, wie diese 19-jährige Braut sich gefühlt hat und wie diese 30-jährige Frau auf dem Motorrad sich gefühlt hat. Man trägt sie alle in sich, sagte sie, sammelt sie unterwegs ein, und mit jedem Jahr, das vergeht, trägt man immer mehr Ichs in sich, wie diese ineinandergesteckten russischen Puppen.

Neulich abends fiel mir ein altes Foto von Aaron und mir in die Hände. Wir waren auf einer Hochzeit, kurz nachdem wir uns befreundet hatten, und daran, wie er seinen Arm ganz eng um mich legt und wie ich mich ganz dicht an ihn kuschle, sieht man genau, dass ich ihm am liebsten auf den Schoß geklettert wäre, und wenn es nicht so ungehörig gewesen wäre, hätten wir uns vermutlich die ganze Feier hindurch geküsst.

Wenn ich mir dieses Foto anschaue, sehe ich ein Mädchen, das ganz verrückt nach einem Jungen war, und einen Jungen, der ebenso verliebt in dieses Mädchen war. Es macht mich glücklich, zu wissen, dass die beiden immer noch in uns drinstecken, wie russische Puppen.

WENN DU dir alte Bilder anschaust oder dich an dein Leben zurückerinnerst, welche «jüngeren Ichs» fallen dir dann ein? Wie hat Gott dich auf dem Weg verändert?

20. Januar
Abbitte an meinen Körper

Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast!
Großartig ist alles, was du geschaffen hast – das erkenne ich!

– Psalm 139,14 (Hfa)

Ich muss meinen Körper um Entschuldigung bitten. Genau genommen muss ich meinen Körper tausendfach um Entschuldigung bitten für die tausende Male, die ich ihn angeklagt, getrieben, gezerrt, ausgehungert, vollgestopft, verspottet, über ihn gelogen, ihn versteckt und gehasst habe. Aber jetzt schulde ich ihm noch eine weitere Abbitte, und außerdem schulde ich ihm Dankbarkeit.

Es tut mir leid, dass ich dich für selbstverständlich genommen habe, dass ich mir gewünscht habe, du wärst anders, und dass ich dich beschimpft habe, weil du anders ausgesehen hast, als ich dich haben wollte. Es tut mir leid. Danke dafür, dass du, obwohl ich dir so zugesetzt habe, stark und leistungsfähig bist, wo es wirklich zählt. Danke, dass du meinen Sohn getragen und geboren und ernährt hast.

Wozu ein Körper während der Geburt imstande ist, kann einem schon den Atem nehmen. Ich bin ein ängstlicher, zimperlicher Mensch, der beim Anblick eines Tropfens Blut in Ohnmacht fällt, aber wenn ich Henrys Geburt jeden Tag neu durchleben könnte, würde ich es tun. Es war ein heiliges Erlebnis, überwältigend und voller Schönheit und Gebet. Davor müssen all die Stimmen verstummen, die jahrelang auf meinen Körper eingeschrien haben.

Dieser Körper sieht vielleicht nicht nach viel aus, aber an jenem Tag hat er das vollbracht, wozu er da war, und dafür bin ich dankbar, und ich bitte ihn aufrichtig um Verzeihung.

NIMM DIR einen Moment, um Gott zu danken, der deinen Körper gemacht und gebildet hat: für deinen Atem, deine Kraft und deine Gesundheit.

21. Januar
Die Mitte

Und als die Stunde kam, setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide.
Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes.

– Lukas 22,14–16 (Luther)

Worum es in einer Geschichte geht, weiß man nicht, wenn man noch mittendrin steckt. Man kann nur immer weitergehen.

Am Anfang hat man Schwung und ist ein bisschen übermütig. Der Weg, der vor einem liegt, sieht schön und hell aus, und man geht mit voller Entschlossenheit und Kraft, in der Gewissheit, dass man ihn mit Optimismus und Mut bewältigen wird.

Und das Ende ist auch schön. Man ist klüger, besser, tiefer geworden. Das Ende ist Offenbarung, Auflösung, ein weicher Landeplatz.

Aber ach, die Mitte. Die Mitte ist voller Nebel, Erschöpfung, Einsamkeit, den täglichen Kampf gegen die Verzweiflung und die nagende Furcht, dass es morgen genauso sein wird wie heute, nur dass man morgen noch müder ist und sich nicht mehr so gut dagegen wehren kann.

Das Höchste, was man sich in der Mitte erhoffen kann, sind schöne Momente des Verschnaufens im Kreis der Menschen, die man liebt. Ein paar Stunden lang fühlt man sich geschützt durch das kostbare Gut der Freundschaft und das Leben rund um den Tisch, und das ist das Beste, was ich mir vorstellen kann.

DAS LEBEN hat so viele raue Wegstrecken, und wir müssen einander mit Freundschaft und Gemeinschaft Zuflucht geben. Gibt es jemanden in deinem Leben, der mitten in einer schwierigen Zeit eine Verschnaufpause gebrauchen könnte? Wie könntest du sie dieser Person verschaffen?

22. Januar
Kinder in Gottes Obhut geben

«Aber nein, mein Herr, ich bin nicht betrunken», widersprach Hanna. «Ich bin nur sehr, sehr traurig und habe dem Herrn mein Herz ausgeschüttet. Halte mich bitte nicht für eine heruntergekommene Frau. Wirklich, ich habe nur aus lauter Verzweiflung so lange gebetet.»

– 1. Samuel 1,15–16 (Hfa)

Einmal, als der zehn Tage alte Mac mit hohem Fieber auf der pädiatrischen Intensivstation lag, schickte mich mein Vater aus dem Zimmer. Er sagte mir, ich solle mir die Beine vertreten, ein bisschen frische Luft schnappen und etwas essen. Es gäbe auch eine Kapelle im Krankenhaus, fügte er hinzu und schlug mir vor, dorthin zu gehen.

Ich hatte meiner Freundin Emily eine SMS geschickt, und in ihrer Antwort schrieb sie mir, wenn sie Angst um ihr Baby habe, erinnere sie ihre Mutter daran, zu Maria zu beten, der heiligen Mutter, die gewiss wie keine andere verstehen könne, wie es ist, sich Sorgen um ein Kind zu machen. Sie werde ein Ave Maria für mich und den kleinen Mac beten, versprach Emily.

Ich dachte also sowieso gerade an Maria, auch wenn ich nicht zu ihr betete, so dass es mich nicht überraschte, in der Kapelle eine große schlanke Statue von ihr vorzufinden. Ich kniete in ihrer Nähe nieder und betete für unser Baby. «Lieber Gott, wir brauchen deine Hilfe», sagte ich. «Hilf meinem Baby. Hilf meinem Baby. Hilf meinem Baby.» Inzwischen war es kein Gebet mehr, eher ein Wehklagen, ein leises Jammern. «Hilf meinem Baby. Hilf meinem Baby.» Die Marienstatue, bleich und schweigsam, erinnerte mich daran, dass ich Teil einer langen Reihe von Müttern war, die ihre Kinder der Obhut Gottes anvertrauten, so beängstigend das ist.

WENN DU Kinder hast, wie hast du sie Gottes Obhut anvertraut? Falls du keine eigenen Kinder hast, gibt es in deinem Leben Kinder, vielleicht Nichten und Neffen und Freunde der Familie, die du liebst und für die du betest?

Zitronen-Dill-Suppe

Diese Suppe habe ich im Winter immer wieder gemacht – sie hat diese perfekte Mischung aus wärmenden, tröstenden Winterkomponenten und hellen, beinahe überraschenden Geschmacksnoten. Die Gäste wollen immer Nachschlag, und sie ist auch leicht für Veganer zuzubereiten.



23. Januar
Freundschaften sind wie Frühstück

Einer kann leicht überwältigt werden, doch zwei sind dem Angriff gewachsen.
Man sagt ja auch: «Ein Seil aus drei Schnüren reißt nicht so schnell!»

– Prediger 4,12 (Hfa)

Gute Freundschaften sind wie Frühstück. Mach dich auf den Weg über die Straße oder fahr durch die Stadt oder fliege sogar quer durchs Land, aber lass nie zu, dass wirklich enge, liebevolle Freundschaften zum letzten Punkt auf einer langen To-do-Liste werden. Du denkst vielleicht, du hättest zu viel zu tun, um zu frühstücken, aber dann merkst du nach einem halben Tag, wie erschöpft und mies gelaunt du bist, und du stellst fest, dass dein Versuch, Zeit zu sparen, total nach hinten losgegangen ist. Genauso kannst du auch versuchen, deinen Weg allein zu gehen, weil du keine Zeit hast oder weil dein Haus zu unordentlich ist, um Leute einzuladen, oder weil du einen genauso großen Horror davor hast, neue Freundschaften zu schließen, wie du vor peinlichen ersten Verabredungen flüchtest. Doch auf halbem Wege durch einen schweren Tag oder eine schwere Woche wird dir dann schlagartig klar, dass du atemberaubend einsam bist und dass dir die Weihnachtskarten auch nicht viel Gesellschaft leisten können. Mach dich auf, ruf an, buche einen billigen Flug, öffne deine Haustür.

Es geht wirklich nichts über gute Freunde, über den Klang ihres Lachens, den Ton ihrer Stimmen und die Dinge, die sie uns in den stillsten, kleinsten Momenten lehren.

WIRKLICH ENGE Freundschaften nähren und stärken uns, und wir müssen sie durch gemeinsam verbrachte Zeiten pflegen. Investierst du die Zeit, die diese Freundschaften brauchen? Wenn nicht, warum nicht?

24. Januar
Gezählte Tage

Mach uns bewusst, wie kurz unser Leben ist,
damit wir endlich zur Besinnung kommen!

– Psalm 90,12 (Hfa)

Als mein Bruder und ich noch klein waren, gab es eine Familie aus unserer Gemeinde, die meine Eltern immer ermahnte, mit der Familie in Urlaub zu fahren. Meine Eltern hatten sehr wenig Zeit und noch weniger Geld, aber damals wurde der Familienurlaub für uns zur Tradition. Und es war immer toll.

Als der Ehemann und Vater der Familie, die uns zu diesen Urlauben gedrängt hatte, viel zu jung starb, saßen wir bei seiner Beerdigung mit seiner Familie zusammen. Es gab hunderte Fotos und Videos aus den Urlauben der Familie, lustige und wunderschöne.

Nach der Trauerfeier fing mein Vater an zu weinen. Es war das erstickte Schluchzen eines Mannes, der selten von Tränen überwältigt wird und sie nun nicht aufhalten kann. Er zog uns alle zu einem Kreis zusammen und legte seine Arme um uns.

«Wir müssen es genauso machen wie sie», sagte er mit tränenerstickter Stimme. «Wir müssen uns die Zeit gerade jetzt nehmen, weil es nichts Wichtigeres gibt als das.» Er beugte seinen Kopf und weinte. «Wir müssen es genauso machen.»

Seither haben unsere Familienurlaube die Bürde jenes Tages getragen, die Bürde des Wissens, dass eines Tages auch unsere Familie so trauern wird, wie ihre Familie es tat, und dass wir dann auch eine solche Tiefe und Breite an Erinnerungen brauchen wie sie.

FAMILIENURLAUBE SIND unschätzbar wertvolle Investitionen in unsere Liebe und unsere Beziehungen. Wie kannst du solche gemeinsamen Zeiten zu einer Priorität in deinem Familienleben machen?

25. Januar
Zwanzig Grad minus

So soll jeder für sich selbst entscheiden, wie viel er geben will,