Nr. 2

 

Aufstand in Thantur-Lok

 

Kugelsternhaufen in Aufruhr – arkonidische Raumschiffe greifen an

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Die Lage in der Milchstraße ist friedlich, die einzelnen Sternenreiche kooperieren. Nur selten kommt es zu Spannungen, für die es meist eine diplomatische Lösung gibt.

Mit dem kleinen Raumschiff MANCHESTER reist Perry Rhodan in den Kugelsternhaufen M 13, das Zentrum des Kristallimperiums. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky sowie Sahira, eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nur wenig weiß.

Ihr Ziel ist der Planet Zalit, wo Rhodan offiziell an einer Konferenz teilnehmen soll. In Wirklichkeit folgt er einer Spur: »Dunkle Befehle« scheinen das Imperium zu gefährden. Recht schnell erweist sich die Spur als handfeste Tatsache.

Gucky und Rhodan werden angegriffen, ihnen gelingt mit letzter Kraft die Flucht. Zwischen den Sternen des Kugelsternhaufens reparieren sie die Schäden an ihrem Raumschiff. Dabei erfahren sie Sahiras Lebensgeschichte – und werden Zeugen vom AUFSTAND IN THANTUR-LOK ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner rettet einen Arkoniden.

Gucky – Der Ilt hat ein Herz für Teenager.

Sahira – Die Schläferin lüftet das Geheimnis ihrer Herkunft.

Renia da Amonte – Die Dagor-Meisterin sorgt für Turbulenzen.

1.

10. Juni 1402 NGZ

Angriff auf die SANTSAKA

 

»Wir werden angegriffen!«, schallte es durch die Zentrale; der Ruf ließ alle hochschrecken.

Der akustische Alarm zerriss das letzte Wort. Innerhalb weniger Sekunden mussten die Besatzungsmitglieder in Bereitschaft sein. Kurz nacheinander prasselten die Bestätigungen von den Stationen herein.

»Das ist unmöglich!« Der Orbton 4. Klasse, Dreimondträger Harmun da Efelith, fuhr im Kommandantensitz hoch. »Wir befinden uns im Anflug auf den Zentralsektor! Das ist Thantur-Lok! Wer sollte uns hier angreifen?«

Das 800-Meter-Schlachtschiff der KOBAN-Klasse erzitterte leicht unter dem Einschlag einer Salve; der sich gerade aufbauende mehrfach gestaffelte HÜ- und Paratronschirm hatte von den ersten Treffern nicht alles abgefangen, die weiteren Einschläge kamen jedoch nicht mehr durch. Das Schiffssystem meldete einige kleine Schäden an der Außenhülle, die Selbstreparatur wurde bereits eingeleitet.

Das Holorama in der Zentrale zeigte einen Schweren Kreuzer, der unaufhörlich sämtliche Offensivwaffen im Dauerfeuer einsetzte. Auf der Außenhülle prangte die Bezeichnung ARANTE.

»Aber ... das ist einer von uns!«, rief Harmun fassungslos. »Funkverbindung herstellen!«

»Sollen wir den Beschuss erwidern?«, erkundigte sich der Waffenleitoffizier.

»Keinesfalls! Was auch immer da drüben los ist, wir beschießen nicht unsere eigenen Leute! Ausweichmanöver einleiten und auf Fluchtgeschwindigkeit gehen!«

»Der Funk ist gestört, Dor'athor!«, kam die Meldung von der Leitstelle. »Es geht nichts mehr hinaus.«

Harmun rieb sich das spitze Kinn. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er sich laut. »Warum beschießen sie uns? Sie sollten am besten wissen, dass sie uns hoffnungslos unterlegen sind ...«

Die SANTSAKA ging beschleunigend auf Ausweichkurs, und der viel kleinere, zweihundert Meter durchmessende Schwere Kreuzer, der mühelos in ihren Hangar gepasst hätte, folgte ihr. Wie eine tharanische Mücke dem Panzerbüffel. Bei diesem Dauerbeschuss musste der ARANTE bald die Energie ausgehen.

»Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn ...« Harmun sah sich mit der Situation völlig überfordert. Er stellte Kontakt zur Medostation her. »Meldung!«

»Wir tun alles, was wir können, Dor'athor!«, kam es hektisch zurück. »Kein Gift, keine Verletzung, kein Schock. Wir können nicht herausfinden, woran es liegt! Und wir können nicht wagen, ihn aufzuwecken, dann könnte sein Kreislauf versagen ...«

»Stabilisiert ihn endlich!«, schrie der Orbton. »Er wird gebraucht!«

Mehrere Augenpaare in der Zentrale richteten sich jetzt auf ihn. Harmun da Efelith gab sich keiner Illusion hin, sie akzeptierten ihn nicht, er war nur der Stellvertretende Kommandant, und das seit gerade mal vier Tontas. Seine schlichte Aufgabe lautete, das Schiff zum Flottenstützpunkt Mashav zu dirigieren. Nicht mehr, nicht weniger. Was sollte da schon schiefgehen?

Alles, wie es schien.

»Kommandant, da ist eine ...«, rief der Waffenleitoffizier. »... seltsam, schon wieder vorbei.«

»Was ist vorbei?«

»Das System hat kurzzeitig eine Strukturlücke im Schirm angezeigt, aber ... das muss eine Fehlfunktion gewesen sein. Vielleicht durch den Beschuss verursacht.«

»Wo befand sich die Strukturlücke?« Harmun merkte, wie seine Stirn feucht wurde, seine Augen tränten.

»Ich sagte doch ...«

»Wo?«

Gleich darauf sah er es auf dem Holo. Ganz zweifellos eine strategische Stelle. Das konnte kein Zufall sein.

»Was ist mit dem Funk? Es muss uns doch möglich sein, diese Störung zu umgehen! Wir fliegen hier ein modernes Schlachtschiff, bei allen Sternengöttern!«

»Bisher negativ. Tut mir leid. Ich verstehe es auch nicht.«

Weil wir alle das Offensichtliche nicht wahrhaben wollen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Harmun hatte keinerlei Erfahrung mit einer solchen Situation, vor allem, weil alles gleichzeitig geschah. Vor vier Tontas war Vere'athor Genshar da Minterol aus unbekannter Ursache in seinem Kommandantensessel zusammengebrochen und schwebte seither in Lebensgefahr, und jetzt wurde sein Schiff von einem unbekannten Angehörigen der arkonidischen Flotte kurz vor dem Erreichen des Stützpunktes unter Beschuss genommen!

Gegen einen Feind hätte Harmun gewusst, was zu tun war – aber gegen die eigenen Leute?

Wenn der Orbton wenigstens Mashav anfunken könnte, um von dort aus Instruktionen und Hilfe zu erbitten ... oder irgendjemanden ... Und natürlich kreuzte gerade niemand sonst in diesem Sektor, sodass der Angriff von einem Beobachter bemerkt würde ...

»Was geht hier vor sich?«, flüsterte er.

Da schaltete eine schiffsinterne Anzeige an seinem Pult auf Rot, und die Meldung eines schweren Schadens blinkte auf. In einem Hangar hatte es eine Explosion gegeben. Präzise gesagt, im Arkon-Jet-Hangar 03, der sich nicht weit von der Zentrale befand. Fast genau an der Position, an der es zuvor die Strukturlücke gegeben hatte.

»Aber ... aber das ist unmöglich«, stotterte Harmun, ohne darauf zu achten, dass er sich wiederholte. »Das würde ja bedeuten ...«

»Der Angriff war eine Ablenkung, und jemand ist unbemerkt an Bord gelangt«, wurde der Satz von der Pilotin vollendet.

Endlich sprach jemand aus, was schon seit dem Funkausfall offensichtlich war. Der Angriff erfolgte von innen.

Da öffnete sich das Schott zur Zentrale.

 

*

 

»Bei Fartuloons Skarg!«, schrie der oberste Bauchaufschneider. »Was taugen diese verdammten Geräte eigentlich? Und wozu dienen diese skandalös antiken Spardosen, wenn sie nicht in der Lage sind, zu scannen und daraus eine vernünftige Diagnose zu stellen?«

Der eher kleinwüchsige, sich stets in Eile befindliche Arkonide stürmte durch den Raum, kontrollierte die Anzeigen, schmetterte Befehle.

Die Assistenten waren vollauf damit beschäftigt, ihm auszuweichen, und niemand wagte ein Wort, solange der Chefmediker sich in einer solchen Stimmung befand. In diesem Fall war die Panik allerdings verständlich, da sie allesamt, einschließlich der robotischen Einheit, vor einem Rätsel standen.

Metformax ließ zum wiederholten Mal den Blutdruck messen und das Blutbild untersuchen, kontrollierte die Sauerstoffsättigung und verstand es nicht. »Das Herz braucht einen Bypass«, murmelte er. »Aber bei diesem instabilen Zustand können wir es nicht wagen, ihn aufzuschneiden.«

»Was an und für sich durch das künstliche Koma ausgeschlossen sein sollte.« Es gab nur eine einzige Person in diesem Raum, die keine Scheu zeigte. Verbene, Metformax' Tochter. »Allmählich neige ich zu der Ansicht, dass wir nach herkömmlicher Sitte vorgehen sollten.«

Der Bauchaufschneider hielt inne und musterte die zierliche junge Frau. »Du meinst ... ganz ohne Maschinen?«

»Nein, das nicht, die Lebenserhaltungssysteme benötigen wir selbstverständlich. Aber die Untersuchung sollten wir selbst durchführen. Fühlen, tasten, daraus lernen. Wie du es mich gelehrt hast.«

Metformax nickte. »Wir werden bei lebendigem Leibe seziert, wenn wir nicht bald eine Lösung finden.« Er richtete den Blick der Reihe nach auf die übrigen Mediker. »Irgendwelche Einwände?«

Sie verneinten. Keiner von ihnen wusste weiter. Doch sie mussten unter allen Umständen das Leben des Kommandanten retten.

Dreiplanetenträger Genshar da Minterol entstammte einem alten und sehr großen, einflussreichen Khasurn und stand kurz vor der Beförderung zum Sonnenträger, zum Has'athor. Sollte ihm etwas zustoßen, würden sie nicht nur von der SANTSAKA weg strafversetzt, sondern womöglich auch noch unter Anklage wegen Behandlungsfehlern gestellt. Dann wäre ihre Karriere ein für alle Mal vernichtet, und sie könnten vielleicht noch Aufträge auf dem Land zum Impfen von Flecksäuen und taurischen Stinkhörnern finden.

Als hätten sie nicht schon genug Druck, meldete sich der Stellvertretende Kommandant aus der Zentrale und verlangte den Statusbericht. Er klang dabei nicht minder gestresst und schrie drauflos. Damit war – wie zuvor – auch niemandem gedient.

»Was bildet der sich eigentlich ein?«, rief Metformax, nachdem die Verbindung unterbrochen war. »Soll er doch selbst herkommen und dem Vere'athor einen waldoresischen Heilungszumb vortanzen, vielleicht hilft das ja!«

»Ich werde jetzt etwas anderes versuchen«, sagte Verbene. »Medo, kann er selbsttätig atmen?«

»Das kann nicht garantiert werden aufgrund der ständig wechselnden Werte«, lautete die nüchterne Antwort der Systemeinheit.

»Was hast du vor?«, fragte ihr Vater.

»Wir müssen versuchen, ihn aufzuwecken.«

»Ausgeschlossen! Das Risiko, dass er kollabiert, ist viel zu groß! Aus dem Grund haben wir ihn schließlich ins künstliche Koma versetzt!«

»Da bin ich nicht so sicher. Ich habe mir die Werte noch einmal angesehen und verglichen. Ich glaube, das Problem liegt nicht am Herzen, sondern ...«

Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment ging das Licht aus, und sämtliche Maschinenanzeigen erloschen.

 

*

 

Durch das halb geöffnete Schott drangen Katsugos herein, die auf den ellipsoiden Grundkörper ein vierarmiges Chassis mit fest installierten Waffensystemen aufgesetzt hatten. Sie waren etwa zwei Meter groß, bewegten sich per Antigrav vorwärts und verteilten sich blitzschnell.

In der Zentrale brach Chaos aus. Niemand war bewaffnet, deshalb blieb zur Verteidigung nur ... nichts. Nicht einmal die Flucht. Einige Offiziere warfen sich zu Boden und suchten nach Deckung, andere spurteten los, um zwischen den Lücken hindurch zum einzigen Schott zu gelangen.

Gut gezielte, auf tödliche Wirkung eingestellte Warnschüsse hielten sie auf. Die Strahlen schossen dicht an den Fliehenden vorbei und schlugen vor oder neben ihnen in die Konsolenverkleidungen ein, wo sie zischende und rauchende Löcher hinterließen. Die Flüchtenden verharrten daraufhin, hoben die Arme und ergaben sich. Keiner war so töricht, mit blanken Händen einen Kampfroboter angreifen zu wollen.

Ein Katsugo nahm Harmun direkt ins Visier, noch bevor der überhaupt Gelegenheit gehabt hatte, auch nur einen Finger zu rühren.

Vier in geschlossene Raumanzüge gehüllte Gestalten, die Gesichter hinter verdunkelten Sichtscheiben der Helme verborgen, betraten nach den Kampfrobotern gemächlich die Zentrale. Sie hielten entsicherte schwere Kombiwaffen in ihren Händen. Zwei von ihnen postierten sich links und rechts vom Schott, die anderen beiden näherten sich dem Kommandopult. Es war nicht erkennbar, ob sie männlich oder weiblich waren, die SERUNS waren aus arkonidischer Fertigung und schimmerten perlweiß. Die Bewaffneten trugen abgesehen davon keinerlei Rangabzeichen oder sonst irgendeinen Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einer Einheit der arkonidischen Flotte.

Einer der beiden Eindringlinge wandte sich den Kontrollen zu und nahm einige Schaltungen vor. Der andere zielte direkt auf den Dor'athor.

»Du«, erklang eine verfremdete Stimme. »Rühr dich nicht, und dir wird nichts geschehen!«

»Wer seid ihr?«, fragte Harmun. »Ihr könnt nicht ...«

»Mund halten!« Der Wortführer drückte ihm den Lauf des Kombistrahlers auf die Brust. Ein kurzer Druck auf den Abzug, und von dem Orbton wäre nicht mehr genug übrig für eine Bestattungszeremonie.

Harmun schloss den Mund und saß wie versteinert.

Der Wortführer drehte den Oberkörper kurz nach links und rechts, ohne die Waffe wegzunehmen. »Ihr anderen«, dröhnte es durch die Zentrale, »für euch gilt dasselbe! Kehrt schön auf eure Plätze zurück und wartet auf Anweisungen!«

Nachdem sich niemand rührte, schrie er: »Wird's bald? Oder sollen die Katsugos euch Beine machen?«

Zögernd kamen die Offiziere der Aufforderung nach, ohne die Angreifer aus den Augen zu lassen.

»Auf die Hände setzen!«, befahl der Wortführer. »Los, ich scherze nicht!«

»Wir werden nicht ...«, begann die Pilotin, woraufhin der Wortführer einen kurzen Befehl bellte.

Der am nächsten befindliche Katsugo schnellte auf die Pilotin zu und schlug ihr mit einem Waffenarm gegen den Kopf. Blut spritzte aus einer Platzwunde, und ihr Körper sackte zusammen.

»Verdammte Faulschlammmade!«, schrie der Waffenleitoffizier und sprang hoch, andere schienen ebenso drauf und dran, ihre Sitze zu verlassen.

Der Waffenleitoffizier schrie schmerzgepeinigt auf, als ihn, noch bevor er seinen Platz verlassen hatte, ein Streifschuss am Arm traf. Seine blütenweiße Uniform verschmorte am Oberarm zu fahlem Schwarz, und Dampf stieg von der Wunde auf, die von dem Strahl sofort nach dem Aufreißen verödet worden war. Stöhnend hielt der Mann sich den Arm und sank in den Sessel zurück.

»Letzte Warnung!«, schnarrte der Wortführer. »Ich wiederhole: Das ist kein Scherz und keine Übung!«

Der Verhüllte an den Schaltungen meldete: »Alles bestätigt, das Schiff ist in unserer Hand. Ich habe die Systemkontrolle übernommen.«

»Ausgezeichnet.« Der Wortführer schien sich gerade entspannen zu wollen, da nahm er wohl eine Bewegung wahr, denn plötzlich fuhr er herum.

Einer der Offiziere war nicht auf seinen Platz zurückgekehrt, sondern hatte sich auf allen vieren bis zum Kommandostand herangeschlichen und sprang nun aus seiner Deckung heraus den Wortführer an.

»Nein!«, schrie Harmun auf. Geblendet schloss er die Lider und spürte, wie seine Haut um die Augen Verbrennungen erlitt, als der Energiestrahl zu dicht vor ihm die Luft stark erhitzte. Auch andere Offiziere schrien, als der Kamerad mit voller Wucht getroffen wurde. Für einen Herzschlag wurde seine Gestalt in grelles Licht gehüllt, dann stürzte er verkrümmt zu Boden. Rauchfäden stiegen von ihm auf, und der Gestank nach verbranntem künstlichem und organischem Gewebe breitete sich aus.

Vor Entsetzen wagte niemand mehr, sich zu bewegen.

»Bitte verschone meine verbliebenen Leute!«, stieß Harmun hervor und schirmte seine verletzten Augen vor dem Licht ab; er konnte kaum etwas erkennen. »Nenne deine Bedingungen, und wir werden sie erfüllen.«

»Oh, von euch will ich gar nichts.«

Ein Signal ertönte, und der Verhüllte, der sich um die Systeme kümmerte, aktivierte den Bordfunk.

»Hallo, Zentrale!«, erklang eine Stimme, und Harmun da Efeliths Herz setzte für einen oder zwei Schläge aus. »Wie sieht es aus?«

»Alles in bester Ordnung«, antwortete der Wortführer. »Wir können starten.«

»Prächtig. Lass die Zentrale räumen und mit deinen Leuten besetzen. Wir treffen gleich bei euch ein.«

Harmun erkannte verschwommen, wie der Wortführer sich ihm wieder zuwandte. Seine Augen und die Haut brannten wie Feuer, doch er bemühte sich um Haltung.

Die verfremdete Stimme klang süffisant. »Du hast es gehört. Ihr werdet nicht mehr gebraucht.« Der Lauf der Waffe drückte sich erneut so fest gegen Harmuns Brustplatte, dass er glaubte, sie müsse jeden Moment brechen.

»Bitte nicht«, flüsterte der Stellvertretende Kommandant und spürte, wie ihm der Schweiß an den Schläfen hinabrann. Wie bei einem Terraner, dachte er verbittert. So tief bin ich jetzt gesunken. »Tu ihnen nichts ...«

Verzerrtes Lachen. »Keine Sorge. Wir verschwenden kein kostbares Material, wenn es nicht erforderlich ist. Wir sperren euch erst mal ein und entscheiden später, was mit euch geschehen soll.«

Harmun atmete keuchend auf, als der Druck von seiner Brust wich. Halb blind versuchte er nachzuvollziehen, was in der Zentrale geschah. Den Leichnam dicht bei sich konnte er immer noch riechen, und sein Magen klumpte sich zusammen.

Nicht das auch noch, dachte er verzweifelt und rang die Übelkeit nieder. Er empfand sich gedemütigt genug.

Der Wortführer richtete sich an die Zentralebesatzung. »Alle herhören! Ihr werdet jetzt geordnet und gesittet die Zentrale verlassen und euer Quartier beziehen. Insofern erforderlich, erhaltet ihr medizinische Hilfe. Im Übrigen bleibt ihr an Ort und Stelle und wartet auf unsere Befehle.«

Ein Katsugo wurde angewiesen, die bewusstlose Pilotin zu tragen. Ein anderer wurde mit dem Abtransport der Leiche beauftragt.

Die Offiziere kamen der Aufforderung nach, ohne aufzubegehren, genau wie Harmun, der sich vorsichtig vorantastete, bis er eine helfende Hand spürte. Immerhin wurde es gestattet, dass man ihn führte.

Niemand sprach ein Wort, aber das war auch nicht notwendig. Sie hatten alle in dem Moment aufgegeben, als sie genau wie Harmun die Stimme aus dem Bordfunk erkannt hatten.

 

*

 

»Was ist denn jetzt los?«, brüllte Metformax, als sie kurzzeitig im Stockdunklen standen, bevor sich die Notsysteme aktivierten. Es ging aber nur das stark heruntergedimmte Notlicht an. Die Maschinen blieben abgeschaltet, mit Ausnahme von den Lebenserhaltungssystemen der Medoliegen.

Das Schott fuhr auf, und vier fremde, in SERUNS gehüllte, bewaffnete Gestalten stürmten herein, gefolgt von drei Katsugos.

»Immer langsam und mit der Ruhe!« So schnell ließ sich der Bauchaufschneider keinen Schrecken einjagen. »Was geht hier vor sich?«

Seine Tochter und die Mitarbeiter drängten sich mit erhobenen Händen zusammen; sie waren in der Heilung von Krankheiten und Verwundungen ausgebildet und gute Wissenschaftler, aber keine Kämpfer. Und dass sie gegen eine bewaffnete Übermacht wie diese keine Chance hatten, brauchte man ihnen nicht erst beizubringen.

Die Helmvisiere waren verdunkelt, sodass nicht erkennbar war, um wen es sich bei den Aggressoren handelte.

»Mund halten und zurück an die Wand!«, forderte der Vorderste der Eindringlinge die Mediker auf und bewegte nachdrücklich den Impulsstrahler. »Wenn alle vernünftig sind, geschieht keinem von euch etwas.«

Metformax, der vor der Liege stand, wich keinen Fußbreit. »Ich bin verantwortlich für das Leben meines Patienten, und ich setze ihn keiner weiteren Gefahr aus.«

»Dir gebe ich Gefahr, Alter!« Ein anderer Eindringling wollte vortreten, wurde jedoch von dem Vordersten aufgehalten.

»Lass ihn.« Die Stimme klang amüsiert. »Mir wurde bereits angekündigt, dass der oberste Bauchaufschneider knorrig sei.«

»Knorrig, was für eine Unverschämtheit!«, empörte sich Metformax und schüttelte den Arm seiner Tochter ab, die ihn mit sich ziehen wollte. »Lass mich!«

»Komm schon, Vater, es hat keinen Sinn«, versuchte es Verbene mit Vernunft. »Sie erschießen dich eben zuerst und dann deinen Patienten.«