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Nr. 7

 

Welt der Mediker

 

In der Gewalt des Mantar-Heilers – Sahira soll ihre Geheimnisse preisgeben

 

Björn Berenz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Während die Lage in der Milchstraße eigentlich friedlich erscheint, entwickelt sich im Kugelsternhaufen Thantur-Lok – den die Terraner als M 13 bezeichnen – ein unerklärlicher Konflikt. »Dunkle Befehle« erschüttern das mächtige Kristallimperium der Arkoniden, sie lösen einen Amoklauf unter den Bewohnern aus. Raumschiffe attackieren sich gegenseitig, Planeten werden angegriffen. Wenn sich die Kämpfe ausweiten, ist der Friede in der gesamten Galaxis bedroht.

Mit dem Kreuzer ATLANTIS ist Perry Rhodan zwischen den Sternen des Kugelsternhaufens auf der Flucht. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky sowie Sahira, eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nach wie vor wenig weiß.

Kaum konnten die drei aus der Gewalt des von Unbekannten beeinflussten Atlan fliehen, wartet bereits die nächste Prüfung auf sie. In deren Zentrum steht die WELT DER MEDIKER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sahira Saedelaere – Der »Glanz der Galaxis« muss seine Geheimnisse bewahren.

Goloshir – Der Ara sieht in Sahira seine große Chance.

Aspartamin – Der Mantar-Heiler greift nach Sahiras Geheimnis.

Perry Rhodan – Der Terraner wird fremdbestimmt.

Gucky – Der Mausbiber fühlt sich unterbeschäftigt.

1.

ATLANTIS, 12. Juni 1402 NGZ

Düstere Zukunft

 

»Wir müssen weg hier – so schnell wie möglich!« Perry Rhodan vergeudete keine Zeit mit Begrüßungsfloskeln. Bereits beim Betreten der Zentrale wandte er sich an Vero da Laron, den befehlshabenden Offizier der ATLANTIS. Dieser nickte ihm mit ernster Mine zu.

Knappe Befehle hallten durch den Raum. Die verbliebene Crew bereitete den Kreuzer des Galaktikums auf die Flucht vor.

In konzentrierter Ruhe erfolgten die routinierten Abläufe. Die Besatzung behielt die Nerven.

Dennoch glaubte Rhodan, das blanke Entsetzen an den Gesichtern der Männer und Frauen ablesen zu können. Er trat an die Seite des Kommandositzes und versuchte, sich einen Reim aus allem zu machen.

Die Holokugel in der Mitte der Zentrale zeigte ein Trümmerfeld, das ihn an schlimmste Zeiten erinnerte. Er verstand den Sinn und den Zweck nicht, aber das Kriegsschiff der Arkoniden, die GOS'MIRTAN, hatte soeben ohne einen ersichtlichen Grund den Planeten Ariga angegriffen und dessen halbe Flotte vernichtet.

Nein, verbesserte Rhodan sich gedanklich, abgeschlachtet!

Unter der Befehlsgewalt von Atlan. Seinem langjährigen Freund.

Dicht hinter ihm stehend blickten Gucky und Sahira ebenfalls auf den zentralen Holoschirm. Die überstürzte Flucht und das sich vor ihnen abspielende Horrorszenario ließen sie erstarren.

»Das war nicht Atlan!« Gucky schüttelte sich energisch und ließ dabei seinen Nagezahn aufblitzen. Rhodan kam es vor, als hätte der Mausbiber seine Gedanken gelesen.

»Nein«, bestätigte Sahira. Sie trat dicht an Rhodans Seite. »Es ist dieser Impuls.«

Der Impuls. Was auch immer von Atlan Besitz ergriffen hatte: Kurz vor ihrer Gefangennahme an Bord der GOS'MIRTAN hatte Rhodan ihm für einen winzigen Moment direkt in die Augen sehen können. Zwar waren es nach wie vor die ihm so gut bekannten des Arkoniden, aber was der Terraner darin zu lesen glaubte, war etwas völlig anderes.

Etwas Bedrohliches.

In einem letzten Kraftakt hatte Atlan sich kurz gegen den fremden Willen, der von ihm Besitz ergriffen hatte, behaupten können. Er hatte sie aus der Gefangenschaft in der GOS'MIRTAN befreit und darauf gedrängt, mittels der Parafähigkeiten des Mausbibers auf die ATLANTIS zu teleportieren. Gucky war nicht nur Telepath und Telekinet, sondern auch Teleporter.

Und dort standen sie nun und blickten fassungslos auf das Kampfgebiet.

Im Holo flammten weitere Explosionen auf. Jede Detonation war ein zerstörtes Raumschiff, und in jedem Schiff waren Besatzungsmitglieder gewesen; Dutzende, Hunderte oder Tausende von Ariganern. Rhodan war sich schmerzlich bewusst, dass mit jedem Aufblitzen sinnlos Leben ausgelöscht wurden.

Atlan schien den inneren Kampf endgültig verloren zu haben. Die GOS'MIRTAN setzte ihren Vernichtungsfeldzug gegen die ariganischen Schiffe unbeirrt fort.

»Bringt das Schiff auf Linearraum-Eintrittsgeschwindigkeit.« Vero da Laron sprach mit fester Stimme und versuchte, seiner vorübergehenden Rolle als Kommandant der ATLANTIS gerecht zu werden. Doch auch in seine Gesichtszüge hatte sich die Sorge fest eingebrannt.

Rhodan konnte sich zu gut vorstellen, wie es in dem jungen Arkoniden aussah. Es waren seine Kameraden an Bord der GOS'MIRTAN, die Atlans Befehl befolgten und Unschuldige töteten. Viele von ihnen kannte er vermutlich persönlich. Sie hatten ihn während seiner Laufbahn in der Raumakademie begleitet, waren vielleicht sogar seine Freunde.

Die ATLANTIS manövrierte durch die trudelnden Trümmerteile mehrerer ariganischer Raumschiffe. Für Rhodans Empfinden waren sie noch immer viel zu langsam unterwegs. Ihm kam es wie im Schleichflug vor. Sie mussten weg, sich in Sicherheit bringen, statt einen sinnlosen Kampf auszufechten, der nicht zu gewinnen war.

»Gibt es Überlebende, die wir noch retten können?«, fragte Gucky. Der Mausbiber betrachtete aufmerksam das grün schimmernde Anzeigenpult des Bordpositronikers und kannte die Antwort bereits, ehe dieser den Kopf schüttelte.

»Meldung!«, verlangte da Laron kurz angebunden von seiner Besatzung.

»Wir sind bereits bei vierzig Prozent Licht«, klärte ihn der Navigationsoffizier auf.

Er ließ mehrere Holoansichten der Szenerie aufrufen und zeigte damit das wahre Ausmaß des Angriffs.

Rhodan traf es wie ein Faustschlag.

Die Trümmer der vernichteten Flotte wirkten wie ein künstlich geschaffener Asteroidenschwarm. Die letzten halbwegs intakten Raumschiffe, die noch dazu in der Lage waren, traten die Flucht an.

Das Wartoksystem war gefallen.

Das Kristallimperium steuerte geradewegs auf einen Bürgerkrieg zu. Aber wieso? Der Terraner verstand es nicht. Er konnte diese Ereignisse nicht einordnen. Wer hatte ein Interesse daran, Tausende und Abertausende von Kolonialarkoniden zu töten?

Der erste Offizier vergrößerte einen Ausschnitt. Das aufleuchtende Bild dehnte sich rasch aus und zeigte die GOS'MIRTAN. Sie schob sich durch das Trümmerfeld und steuerte geradewegs auf sie zu.

Es war ein widerwillig faszinierender Anblick. Rhodan musste sich in Erinnerung rufen, dass sich an Bord dieses achthundert Meter großen Trägerschiffs sein Freund Atlan befand, ferngesteuert von einer fremden Befehlsgewalt, deren Ziele er nur vermuten konnte.

»Es ist fast schon komisch.« Gucky lachte freudlos auf. »Eben noch waren wir selbst auf der Flucht vor der ATLANTIS. Und nun fliehen wir mit ihr vor der GOS'MIRTAN ... es gibt immer ein noch größeres Raubtier.«

»Wir sollten jetzt wirklich verschwinden!«, drängte Sahira.

»Entfernung zur GOS'MIRTAN?«, hakte der Offizier nach.

»Viel zu nah!«, warf Gucky ein.

Das Holo wechselte und zeigte die aktuellen Leistungsparameter an. Die ATLANTIS beschleunigte mit Höchstwerten in der Sekunde. Doch der Abstand zur GOS'MIRTAN blieb unverändert.

»Noch eine Minute bis zum Eintritt in den Linearraum.« Ohne aufzusehen, reckte der Pilot dem befehlshabenden Offizier den Daumen entgegen. Rhodan wusste nicht, ob er Optimismus verbreiten wollte oder lediglich die Eins anzeigte. Vermutlich letzteres. Warum sonst sollte er eine Geste aus der terranischen Vergangenheit benutzen?

»Das wird knapp.« Guckys Nasenspitze zuckte nervös. Das Holo spielte die Geschwindigkeit der GOS'MIRTAN ein. »Das wird denkbar knapp.«

»Wir schaffen das«, versuchte sich nun auch Rhodan in Zuversicht, obwohl er sich sehr wohl darüber im Klaren war, dass Gucky wusste, wie es wirklich in ihm aussah.

Aber er sagte es nicht, um den Mausbiber zu beruhigen. Ihm ging es vor allem um Sahira, die noch ein Stück näher an ihn herangerückt war. Der Anblick des übermächtigen Kreuzers, der nun das ganze Holobild einnahm, ließ sie zusammenzucken. Was auch immer sie an Bord der GOS'MIRTAN gespürt hatte: Es schien ihr große Angst einzujagen.

Niemand sprach mehr. Alle warteten gebannt darauf, dass die ATLANTIS endlich die benötigten fünfzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichte, um in den Linearraum eintreten zu können. So schnell wie möglich raus aus dem Zugriffsbereich der GOS'MIRTAN. Mit Atlans Hilfe hatten sie es geschafft, der Gefangenschaft zu entkommen. Rhodan legte keinen Wert darauf, es noch einmal so weit kommen zu lassen.

Er plante in Gedanken bereits die nächsten Schritte – sofern ihnen die Flucht gelingen würde. Momentan überschlugen sich die Ereignisse. Er versuchte, all das zu verstehen, und war gleichermaßen besorgt um Atlan. Hatte er seinen Freund womöglich für immer verloren?

Selbst Sahira gab ihm mehr Rätsel denn je in ihrer kurzen Bekanntschaft auf.

Seit Gucky und er sie aus dem künstlichen Tiefschlaf befreit hatten, war sie nicht mehr von Rhodans Seite gewichen. Er konnte sich nur schwerlich vorstellen, was gerade in dem Mädchen vorging. Dabei war sie genau das nicht: ein Mädchen. Immer wieder musste er sich bei ihrem Anblick ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht der fünfzehnjährige Teenager war, den er vor sich sah, sondern ein über zweihundert Jahre altes Wesen mit ausgeprägtem Sinn für kosmische Zusammenhänge. Ihre körperliche Rückentwicklung war dem mysteriösen Impuls geschuldet, ihre Fähigkeiten blieben davon jedoch verschont.

»Alles in Ordnung?« Er betrachtete sie, wie sie dastand, zwang sie mit seinem Blick förmlich dazu, ihn anzusehen. Sie nickte kurz. »Du hast es auch gespürt, nicht wahr? Weißt du, wer oder was Besitz von meinem Freund ergriffen hat?«

Sahira hielt seinem Blick stand. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich ihr Mund endlich öffnete. »Sie werden Jagd auf uns machen.«

»Eintritt beginnt in fünf Sekunden«, presste der Pilot hervor.

Sahiras Haltung versteifte sich. Sie umgriff den Arm des Terraners und drückte fest zu.

Rhodan zählte die Sekunden in Gedanken rückwärts.

Er kam bis zwei.

Plötzlich löste sich der schraubstockartige Griff um seinen Arm. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sahiras Beine wegsackten. Rhodan griff nach ihr, wollte Hilfe leisten, doch irgendetwas stimmte nicht. Er verfehlte sie und sein Schritt ging ins Leere – als würde er über den Rand einer Klippe treten. Zumindest fühlte es sich so an. Er verlor den Halt und schließlich die völlige Kontrolle über seinen Körper. Beinahe zeitgleich schlugen sie auf den Boden der Kommandozentrale auf. Wie Marionetten, denen man die Schnüre gekappt hatte.

In einem nebulösen Gedanken versuchte er sich auf den Schmerz des ungeschützten Aufpralls vorzubereiten. Doch da war nichts. Kein Gefühl. Nur noch Dunkelheit, die ihn voll und ganz umgab und schließlich den letzten Funken seines Bewusstseins auslöschte ...

2.

Aralon, 13. Juni 1402 NGZ

Tag der Entscheidung

 

Die Atmosphäre von Rotrom hatte für Goloshir etwas Hypnotisches. Immerzu schien die Sonne, und die Temperaturen sanken nie unter dreißig Grad. Dennoch machten die milden Mohura-Winde die bleierne Hitze auf dem größten Kontinent von Aralon erträglich. Das Klima blieb stets gleich.

Zumindest solange, bis zum Gezeitenwechsel die unberechenbaren Jetin-Winde aus dem Süden kamen und über den Sijad-See fegten. Sie wirbelten alles durcheinander und warfen sich mit aller Kraft gegen die ungeschützte Küste.

Doch die Jetin-Winde wühlten nicht nur den meeresartigen See auf. Sie brachten auch die Gemüter und Hormone in Wallung und stifteten selbst bedachtsame Wesen zu Taten an, die sie über sich hinauswachsen ließen – im Guten wie im Bösen.

Der Ara Goloshir war eines dieser Wesen. Er bewegte sich auf etwas Großes zu, so viel stand fest. Und er würde einen Weg einschlagen, der nicht unbedingt voll Ruhm und Ehre war. Zumindest nicht auf Anhieb. Aber war es nicht der Zweck, der die Mittel rechtfertigte?

»Warum bist du hier?« Diese spontane Frage traf ihn völlig unvorbereitet und brachte ihn zurück unter die Erde.

Goloshir nahm den Blick von dem Rundumdisplay, das die gesamten Wände des Arbeitsraumes seines Chefmedikers Kantripal ausfüllte. Typische Tageslichtprojektionen, die eine natürliche Atmosphäre vorgaukelten. Künstliche Fenster. Unecht.

Oft fragte er sich, wie es wohl wäre, wenn er nicht auf einem Planeten leben würde, dessen gefährliche Sonnenstrahlung seine Bewohner unter die Erde zwang.

»Weil es die beste Klinik auf ganz Aralon ist.« Stolz schwellte sich die Brust unter seinem Medikerhemd. »Vielleicht des gesamten Galaktikums.«

»Bestimmt sogar.« Sein Gegenüber hatte sich von seinem Antigravsessel erhoben und sah zu ihm herab. Er war groß, viel größer als er, eine dünne, beinahe skelettartige Gestalt mit tief liegenden Augen und einem ungewöhnlich hohen Stirnansatz, den ein Flaum weißer Haare einrahmte. Für einen Ara hatte der alte Mann ungewöhnlich volles Haar. Es war derart dicht, dass es die typisch spitz zulaufende Schädelform kaschierte. Doch trotz seiner Größe schüchterte Kantripal ihn nicht ein.

Im Gegenteil: Obwohl er selbst eher schmächtig gebaut und für einen Ara dazu noch recht kleingewachsen war, hatte Goloshir für seinen Vorgesetzten nur ein mildes Lächeln übrig. Zeit seines Lebens hatte dieser Mann mit unwichtigen Studien und Forschungsreisen verbracht, von denen er sich endlich den Karrieresprung zum Mantar-Heiler erhofft hatte. Nun war er beinahe zu alt, um überhaupt noch in diesen Stand einberufen zu werden. Goloshir wusste zu gut, dass ihm die Zeit durch die Finger glitt. Und dies wollte er sich unbedingt zunutze machen.

Er ließ seinen Blick über den Raum schweifen und schaffte es nicht, ein abfälliges Kopfschütteln zu unterdrücken. Das Büro des Chefmedikers glich einem Panoptikum. Dank seiner Reisen in die entlegensten Winkel der Galaxis hatte sich ein Sammelsurium an absurden Gegenständen angehäuft, die jedes Regal und alle Ecken des Arbeitszimmers verstopften. Dazu kamen Stapel aus Datenkristallen und Gerätschaften, deren Bedeutung sich Goloshir auch bei intensiver Betrachtung nicht erschließen wollte. All dies zu entfernen wäre die erste Handlung, die er vorzunehmen gedachte. Sobald dies sein privater Arbeitsraum war.

»Man hat dich in die Mantar-Klinik beordert, weil der Rat dich für ein vielversprechendes Talent im noch jungen Bereich der Fünf-D-Medizin hielt.«

Goloshir nickte pflichtschuldig. Um den direkten Blickkontakt mit seinem Vorgesetzten zu vermeiden, betrachtete er weiter die Projektionswände, die die Klippen der Sija-Küste zeigten. Es war, als stünde er mitten darin und würde überrollt von einer besonders großen Welle, die sich gegen den Fels warf. Er konnte die Gischt förmlich auf seiner Haut spüren. Die Jetin-Winde. Sehnsuchtsvoll wünschte sich Goloshir nach draußen an die Küste.

Kantripal musterte ihn eindringlich. Goloshir gefiel dieser abschätzige Blick überhaupt nicht. In einer unbeholfenen Geste rückte er die Sensorik auf seinem Kopf zurecht.

Der Chefmediker hob ein Bündel Folien hoch. »Doch in all dieser Zeit hast du nicht auch nur einen Forschungsfortschritt vorweisen können – von der Krone einmal abgesehen, die du tagtäglich voller Stolz trägst und von der wohl nur du allein weißt, was sie bezweckt. Alle deine Versuche zogen ein beispielloses Scheitern nach sich.« Er beugte sich nach vorn und seufzte tief. »Sag mir, warum opferst du dein Leben ausgerechnet der Fünf-D-Medizin?«

»Du kennst die Antwort.«

»Ich will sie noch einmal aus deinem Mund hören.«

Goloshir schloss die Augen, nickte langsam und tat seinem Vorgesetzten den Gefallen: »Weil ich herausfinden will, wie man Mutanten künstlich erschaffen kann ...«

Mit einer ungeduldigen Handbewegung brachte ihn der Mediker zum Schweigen. »Du bist ein hoffnungsloser Träumer, Heilloser!«

Goloshir spürte Wut in sich aufsteigen. Hinter seinem Rücken ballten sich seine Hände zu Fäusten. Wie er es hasste, wenn man ihn so nannte! Er presste die Zähne fest aufeinander und musste sich zusammenreißen, um nicht mit bloßen Händen gegen den alten Mann vorzugehen. Eine Gänsehaut zog sich seine nackten Arme hinauf bis zu den Schultern.

Vielleicht, so dachte er, behielt die Volkssage recht, und die Winde brachten das Blut in Wallung. Womöglich war nicht er es, der diesen Zeitpunkt für sein Experiment gewählt hatte, sondern die Winde.

»Warum bist du nur so besessen von Mutanten?«

»Weil ich es nicht akzeptieren kann!« Goloshir verfluchte sich innerlich. Seine Antwort kam viel zu schnell aus ihm heraus, zu unbedacht. Zu aufbrausend.

»Was kannst du nicht akzeptieren?« Abschätzig neigte sich der Kopf des Chefmedikers.

Goloshir ließ sich Zeit mit seiner Antwort, wählte seine Worte mit Bedacht.

»Die Willkür der Natur«, sagte er schließlich, »die sich ohne ersichtlichen Grund Wesen herauspickt und sie zu etwas Besonderem macht. Es fehlt die erkennbare Logik dahinter.«

Was vor allem fehlte, war Goloshirs Verständnis, dass die Natur nicht ihn zu etwas Besonderem gemacht hatte. Zeit seines Lebens hatte er darauf hingearbeitet, aus dem Mittelmaß herauszustechen.

Kantripal hatte recht: Seine bisherigen Ergebnisse offenbarten ein beispielloses Scheitern. Doch das würde sich bald ändern. Er war noch jung, und ihm stand die Zukunft offen.

»Was erhoffst du dir von deiner Forschung?«

Goloshir sah seinen Vorgesetzten irritiert an. »Das sagte ich doch bereits.«

»Du bist nun schon seit acht Monaten in diesem Forschungsteam.«

»Genau genommen seit siebeneinhalb«, verbesserte Goloshir mit dem gebührenden respektvollen Ton.

»Du schaffst es nicht, dich anzupassen, arbeitest alles andere als teamorientiert.« Kantripal unterbrach sich selbst mit einem lang gezogenen Seufzen. »Dein übermotivierter Ehrgeiz wird dir einmal zum Verhängnis werden. Dir muss klar sein, dass diese Arbeit deine letzte Chance ist.«

Goloshir nickte demütig, doch innerlich lachte er auf. Dieses Forschungsteam war einfach lächerlich, dessen Arbeiten ebenso.

»Also gut, warum hast du um dieses Gespräch gebeten?«

Erneut blickte Goloshir verdutzt in das faltige Gesicht des Chefmedikers. Dann fiel ihm endlich der wahre Grund ein, warum er hier war. Er senkte seine Stimme in einen verschwörerischen Ton.

»Ich habe gravierende Fortschritte gemacht.« Er leckte sich über die Lippen. »Evolutionäre sozusagen.«

Der ältere Mann lächelte dünn. »Inwiefern?«

»Ich habe das Rätsel gelöst«, ließ Goloshir endlich die Tarakulkatze aus dem Medikamentenschrank. »Ich habe den Kern entschlüsselt und weiß nun, wo das Zentrum liegt und wie sie aktiviert werden können!«