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Nr. 12

 

Kampf um Arkon

 

Ein Plan tritt in seine letzte Phase – die große Raumschlacht steht bevor

 

Marc A. Herren

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Während die Lage in der Milchstraße eigentlich friedlich erscheint, entwickelt sich im Kugelsternhaufen Thantur-Lok – den die Terraner als M 13 bezeichnen – ein unerklärlicher Konflikt. »Dunkle Befehle« erschüttern das mächtige Kristallimperium der Arkoniden, sie lösen einen Amoklauf unter den Bewohnern aus. Raumschiffe attackieren sich gegenseitig, Planeten werden angegriffen. Wenn sich die Kämpfe ausweiten, ist der Friede in der gesamten Galaxis bedroht.

Doch Perry Rhodan ist den Drahtziehern des Plans der ARK-SUMMIA-Bewegung auf der Spur. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky sowie Sahira, eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nach wie vor wenig weiß.

Auf dem geheimnisvollen Wandelstern kommt es zur Konfrontation mit dem Gegner – während zugleich im Arkonsystem eine militärische Auseinandersetzung bevorsteht. Und so beginnt der KAMPF UM ARKON ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner will seinen Freund retten.

Sahira – Alaska Saedelaeres Tochter muss eine Entscheidung treffen.

Gucky – Der Mausbiber muss all seine Talente einsetzen.

Atlan – Der Arkonide steht im Bann der dunklen Befehle.

Kerlon da Orbanaschol – Er kämpft um seinen Sieg in einem großen Spiel.

1.

Gefangen

 

Rhodan starrte auf den leeren Transmitter, durch den Sekunden zuvor Kerlon, der ferngesteuerte Atlan und die Antigravplattform mit der Schwarzen Maschine verschwunden waren.

Sahira, Gucky und ihn umgab ein Energiefeld, das der Mausbiber weder telekinetisch noch mittels Teleportation überwinden konnte. Sie waren gefangen.

In Rhodan brodelte es.

Er kannte diese Art von Situation, hatte sie in seinem mehrtausendjährigen Leben immer wieder erlebt. Erleben müssen. Diese Momente, wenn alles verloren schien. Wenn Emotionen wie Wut und Enttäuschung fast übermächtig wurden. Sie ballten sich zusammen zu einer Singularität, die alles Licht zu verschlingen drohte.

Dagegen gab es nur ein Rezept: die Emotionen niederzukämpfen, die Finsternis nicht zuzulassen. Denn sie waren nur das: Emotionen. Flüchtige Hindernisse in Köpfen. Taten waren stets stärker als Emotionen.

Rhodans Blick schweifte durch Kerlons Kommandoraum, blieb auf den Holokugeln hängen. Sie erlaubten einen Blick auf die aktuelle Situation im Arkonsystem.

Drei Raumschiffsverbände belauerten einander: die arkonidische Heimatflotte, die ARK-SUMMIA-Einheiten und die galaktische Flotte, die – neben einigen wenigen USO-Schiffen – in erster Linie aus dem mächtigen PRAETORIA bestand. Zudem schwebte der riesige rot glühende Wandelstern zwischen all diesen Raumschiffen: ein neues, allen Seiten unbekanntes Element.

Ein Pulverfass, bei dem ein einziger Schuss eines nervösen Feuerleitoffiziers eine verheerende Schlacht auszulösen vermochte.

»Aber ... das kann doch gar nicht sein«, flüsterte eine junge, weibliche Stimme. »Wie hat er all das gemacht?«

Rhodan schaute Sahira an. Alaska Saedelaeres Tochter war so vieles mehr, als was man ihr ansah. Äußerlich eine Fünfzehnjährige, innerlich zweihundert Jahre älter. Ein kosmischer Hauch umwehte sie. Nicht so stark wie bei ihrem Vater, aber er war da. Ein Teil des Wissens der absterbenden Nocturnenstöcke war auf sie übergegangen, hatte ihr Einblicke in kosmische Phänomene gegeben, um die er sie beneidete.

Andererseits war Sahira Saedelaere dank des Einflusses ihrer Mutter fernab von Rhodans Welt aufgewachsen. Im kleinen Kontor von Fornax hatte sie sich nie mit politischen Intrigen befassen müssen. Mit hinterhältigen Manövern.

Mit Machtmenschen, die einzig und allein auf ihre eigenen Ziele konzentriert waren und sich nicht einen Deut um die Gefühle anderer scherten. Die ihre persönlichen Bedürfnisse stillten, Rache nahmen, wenn sie das Gefühl hatten, im Recht zu sein. Oder einfach, weil sie es konnten.

»Kerlon spielt ein großes Garrabospiel«, erläuterte Rhodan. »Die übernommenen Arkoniden sind seine Figuren, die er fast wahllos ziehen kann. Sie handeln nach seinen direkten oder vorprogrammierten Befehlen. Dabei ist er so geschickt vorgegangen, dass er für alles gewappnet war. Selbst wenn es uns gelang, uns aus dem Netz zu befreien, das er geknüpft hatte, zog es sich schon bald darauf wieder zusammen, weil er es dank der Schwarzen Maschine und seiner Haube so perfekt beherrscht.«

»Du willst sagen, dass Kerlon hinter allem steckte, was bisher geschah? Er hat die ATLANTIS in Fernsteuerung genommen, nachdem wir aus der GOS'MIRTAN geflohen sind? Er hat mich entführt und an Aspartamin übergeben, damit mich dieser untersuchen konnte?«

Rhodan hob die Schultern. »Er hat dich sicherlich nicht persönlich aus der ATLANTIS geholt. Dafür reichte ein dunkler Befehl an eine seiner Figuren, die dann ein Enterkommando auf die ATLANTIS geschickt und dich hat abholen lassen.«

»Und weshalb hat er euch dann auf der ATLANTIS zurückgelassen?«

»Weil er Zug um Zug vorgegangen ist«, antwortete Gucky an Rhodans Stelle zerknirscht. »Er sah, er plante, er zog seine Figuren. Zudem scheint er eine sadistische Ader dafür zu haben, dem Gegner Freiheiten einzuräumen. Kerlon ließ zu, dass wir überraschende Züge machten. So konnte er nicht damit rechnen, dass wir ausgerechnet von Ronald Tekener befreit werden. Aber was hat es uns gebracht?«

Der Mausbiber machte eine weite Geste, die ihre aktuelle Situation unterstreichen sollte.

»Ich verstehe ihn nicht.«

Rhodan lächelte milde. »Das musst du auch nicht. Der Junge hat ein unglaubliches Potenzial. Was hätte aus ihm werden können, wenn er seine Fähigkeiten für das Gute eingesetzt hätte? Schon allein mit dieser Haube, mit der er die Positroniken und damit die Schwarze Maschine steuerte, hätte er sich als Wissenschaftler in den galaktischen Geschichtsbüchern verewigen können.«

Guckys sensiblen Tasthaare zitterten vor Zorn. »Und ich hätte es in den Händen gehabt, den Schurken zu enttarnen! Lässt sich frech von mir retten und auf die MANCHESTER bringen, spielt das Opfer ... Und ich habe es nicht einmal gemerkt!«

»Es ist nicht so schlimm, nicht in jedem Fremden einen verschlagenen Feind zu sehen«, sagte Rhodan tröstend. »Wir sind alle auf ihn hereingefallen. Du konntest nicht wissen, dass sein Makel des nicht aktivierbaren Logiksektors gleichzeitig seine größte Trumpfkarte war. So konnte er seine Gedanken vor dir verbergen.«

»Ich hätte es merken müssen!«, beharrte Gucky.

»Das ist jetzt irrelevant. Hak es ab!«

Der Mausbiber rümpfte die Nase, dann nickte er. »Wie auch immer. Was denkst du, hat er nun vor? Und welche Rolle hat er im Endspiel um das Arkonsystem für uns vorgesehen?«

»Ich kann nur spekulieren. Es ist offensichtlich, dass es Kerlon nicht reicht, einfach nur das Arkonsystem einzunehmen. Er will triumphieren. Dazu gehört, dass er nicht nur die Extrasinnträger, sondern auch galaxisweit bekannte Persönlichkeiten wie dich und mich öffentlich diskreditieren möchte – und wahrscheinlich danach auch töten möchte. Ich gehe davon aus, dass er die verheerende Schlacht tatsächlich will.«

»Und wenn das Arkonsystem in Schutt und Asche liegt«, flüsterte Gucky, »wenn Bostich tot und die Extrasinn- plus zwei Zellaktivatorträger als Täter gebrandmarkt sind, wird er sich zum neuen Imperator erheben, seine Gegner vernichten und ein neues Kristallimperium ausrufen.«

Rhodan nickte. »Genau das könnte er planen.«

Sahiras ohnehin schon sehr heller Teint wurde noch eine Spur blasser. »Aber das müssen wir doch irgendwie verhindern!«

Gucky ließ den Nagezahn aufblitzen. »Klar doch! In der Vergangenheit haben wir schon weit stärkeren und finstereren Typen das Handwerk gelegt.«

»Das stimmt«, meinte Rhodan. »Allerdings ist ein kluger Galaktiker mit einem Plan mitunter gefährlicher als ein höheres Wesen, das so mächtig ist, dass es die Feinheiten der örtlichen und aus seiner Sicht niederen Verhältnisse nicht versteht. Und solange wir in diesem Energiefeld festsitzen, sind uns erst einmal die Hände gebunden.«

»Ich weiß vielleicht eine Lösung«, verkündete Sahira kleinlaut.

2.

In der Geisterstadt

 

Kerlon da Orbanaschol trat aus dem Transmitterkäfig und sog die trocken-warme Luft ein, in der ein Hauch von Hamsoch-Blüten hing.

Atlan hatte seinen schweren Kombistrahler gezogen. Routiniert sicherte er den Raum, in dem sie materialisiert waren. Groß und hell war er, mit mächtigen Ziersäulen, die ihm jenen imperialistischen Anstrich gab, in dessen Stil dieses ehemalige Verwaltungsgebäude erbaut worden war.

»Alles in Ordnung.«

Kerlon zog eine Augenbraue nach oben. »Alles in Ordnung ... wer?«

Der Zellaktivatorträger sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Dann erst lief ein Schauer über sein Gesicht. Die Mundwinkel verhärteten sich, an der linken Schläfe pulsierte eine Ader.

»Alles in Ordnung ... Erhabener.«

Kerlon nickte. »Na, es geht doch. Sichere das Gebäude, dann nimm mit den Kralasenen Kontakt auf. Frag sie, ob der neue Imperiumssitz so weit vorbereitet ist, dass ich ihn betreten kann.«

»Das werde ich, Erhabener.«

Atlan schloss das Helmvisier seines Kampfanzuges und verließ den Raum. Lächelnd sah Kerlon ihm nach.

Er brauchte das ganze Titulierungsbrimborium nicht wirklich. Tatsächlich hatte ihn die endlose Titel- und Umschreibungsaneinanderreihung Bostichs stets zutiefst angewidert.

Seine Millionenäugige, Allessehende, Alleswissende Erhabenheit, Herrscher über Arkon und die Welten der Öden Insel, Seine Imperiale Glorifizienz, Gaumarol Bostich der Erste da Arkon, Heroe aus dem Geschlecht der Weltältesten ... und so weiter, über endlose Zeilen hinweg und der Albtraum eines jeden, der den Imperator je bei offiziellen Anlässen und ohne technische Unterstützung hatte vorstellen müssen.

Wenn Kerlon endlich auf dem neuen Kristallthron Platz genommen hatte, würde er sich schlicht als Imperator ansprechen lassen.

Imperator Kerlon da Orbanaschol.

Das reichte vollkommen. Dann würde er sich auch der alteingesessenen Hochadligen entledigt haben, der Starrsinnigen, Rückwärtsgerichteten, die auf solche Nebensächlichkeiten Wert legten, weil man es schon immer so gehandhabt hatte.

Bis dahin würde er sich aber noch ein wenig an den inneren Kämpfen seiner Garrabofigur Atlan erfreuen.

Nachdenklich strich er mit den Fingerkuppen über die Verschalung der Schwarzen Maschine, die ihm all dies ermöglichte.

Den Kampfgeist des vieltausendjährigen Ex-Imperators hatte Kerlon längst gebrochen, dafür hatte die Maschine gesorgt. Im Gegensatz zu den anderen Spielfiguren hatte Atlan bemerkenswerten Widerstand geleistet, der darin gegipfelt hatte, dass er Rhodan und seine Begleiter bei der Schlacht um Ariga zur Flucht verholfen hatte.

Erst danach hatte sich der Alte geschlagen gegeben und seinem Extrasinn die vollkommene Steuerung seines Körpers zugestanden.

Seltsamerweise war es nun eben jener Extrasinn, der ab und zu gegen die Kontrolle der Schwarzen Maschine aufbegehrte. Offenbar empfand es der Logiksektor als respektlos, wie Kerlon mit ihm umging.

Aber damit konnte der zukünftige Imperator leben. Die Maschine hatte für die Kontrolle von Atlans Extrasinn mehr Rechenkraft und Befehlsimpulse aufgewendet als für hundert einfacher gestrickte ARK-SUMMIA-Arkoniden.

Sie hielt ihn mit eisernem Griff gefangen. Atlan würde den Kombistrahler auf seinen Schädel richten und ihn auslösen, falls Kerlon dies für nötig befand.

Atlan war Kerlon da Orbanaschols wichtigste Garrabofigur. Sein Vretatou. Was ein wenig ironisch war, da Atlans Mutter ihren Jungen nach einem anderen Heroen, Tran-Atlan, benannt hatte; einem der Schwertkämpfer auf dem Garrabobrett.

Ex-Imperator Bostich entsprach nur der zweitwichtigsten Figur, Osmaá Loron – was ebenfalls einer gewissen Situationskomik nicht entbehrte, da es sich bei Osmaá Loron um einen weiblichen Heroen handelte.

Allerdings hatte die Schwarze Maschine seit etwas mehr als einem Prago keinen Kontakt mehr zu Bostichs Extrasinn. Der terranische Zellaktivatorträger Ronald Tekener war erneut überraschend aufgetaucht und hatte es geschafft, den Noch-Imperator aus der Kontrolle der Maschine zu entwinden.

Kerlon wusste nicht, ob der Todesimpuls in Bostichs Logiksektor ausgelöst worden war.

Dieser Umstand erschwerte seine Situation auf dem galaktischen Garrabobrett. Er zwang ihn zu andern Zugabfolgen.

Das Spiel aber, das würde er gewinnen.

Und danach könnte er vielleicht Atlan als Köder benutzen, um Tekener in eine Falle zu locken. Im Gegensatz zu Atlans und Rhodans Zellaktivator war das lebensverlängernde Gerät des USO-Agenten nicht auf seinen Träger geeicht und somit übertragbar.

Den Geschmack der Unsterblichkeit ... wer würde ihn ernsthaft verweigern wollen?

Gucky benötigte er genau wie Rhodan, um sie als Drahtzieher der Aktion gegen Bostichs Kristallimperium zu präsentieren.

Andererseits ... Danach würde er sie sowieso beide töten müssen. Dann wäre zumindest ein weiterer Zellaktivator frei, über den er verfügen konnte.

Kerlon da Orbanaschol überprüfte den Sitz seiner weinroten Ledermontur und steckte die Messinghaube in ihr Futteral an seinem breiten Gürtel. Dann setzte er die Antigravplattform mit der Schwarzen Maschine in Bewegung, dirigierte sie aus dem Raum und über die breite Treppe in den Eingangsbereich des ehemaligen Verwaltungsgebäudes.

Wem sollte er das Privileg der Unsterblichkeit gönnen, falls es so weit käme?

Seinem verräterischen Bruder Kassian?

Aber barg ein unsterblicher Kassian III. da Orbanaschol nicht das Potenzial zu einem mächtigen Gegenspieler Kerlons?

Was würde geschehen, wenn die Schwarze Maschine plötzlich ihren Dienst aufgab? Immerhin war sie Jahrtausende alt. Es sprach für die Fähigkeiten ihres Erbauers, dass Kerlon sie nach dieser langen Zeit überhaupt hatte aktivieren können. Nun stand sie im Dauerbetrieb, und Kerlon verfügte weder über Fertigungspläne noch über Ersatzteile.

Er war zwar ein, wie er fand, begnadeter Ingenieur, aber es gab Gründe, weshalb es in den Jahrtausenden, seit es die ARK SUMMIA gab, niemand anderes es fertiggebracht hatte, eine zweite Maschine zur Steuerung der Extrasinnträger zusammenzubauen.

»Hmm«, machte er.

Das war nicht nur ein Problem, sondern gleich mehrere Tausend. Sobald er die Zeit dazu fand, musste er den Todesimpuls in den Logiksektoren seiner Garrabofiguren verankern, sodass er im Falle eines Ausfalls der Schwarzen Maschine sofort ausgelöst wurden.

Die Extrasinnträger konnten gefährlich werden, wenn ihre Bewusstseine plötzlich freigelassen wurden und sie entschieden, sich gegen ihren vormaligen Unterdrücker zu wenden.

Aber wie sollte er sich bei Kassian verhalten?

Todesimpuls: ja oder nein?

Zellaktivator: ja oder nein?

Gewiss – wenn sich der Zwillingsbruder ganz auf ihren Khasurn konzentrierte, konnte es klappen. Kassian hätte sogar die Freiheit, den Nert zu stürzen und sich seinerseits als Herrscher über die Traversan-Enklave zu erheben. Die Traversaner nahmen im Kristallimperium sowieso eine Außenseiterrolle ein. Kerlon benötigte sie für seine Pläne nicht.

Andererseits ...

Kassian blieb ein Risikofaktor.

Dann wusste er es.

Mutter, dachte Kerlon.

Endra da Orbanaschol würde sich nie gegen ihn wenden.

Sie gäbe nicht nur eine würdige Unsterbliche ab, sie könnte Kerlon auch eine wichtige Verbündete sein. Dazu kam, dass bei ihr Kassian niemals auf die Idee käme, ihr den Zellaktivator abzujagen. Und ihre Mutter würde auch über genügend Einfluss verfügen, um Kassian gar nicht auf die Idee kommen zu lassen, seine Hände nach dem neuen Kristallthron auszustrecken.

Kerlon da Orbanaschol lächelte, während er das Verwaltungsgebäude verließ und auf die leere Straße trat.

Ja, das wäre eine kluge Lösung.

Blinzelnd blickte er hoch zur flammenden Sonne Arkon, atmete tief den Geruch der Hamsoch-Blüten ein.

Die Rankpflanzen hatten die Hauswände der vor Jahrzehnten verlassenen Gebäude erobert. Die ganzjährig blühende Wüstenblume mit ihren roten, weißen und blauen Kelchen verwandelte die Geisterstadt Mirkandol in ein farbgesättigtes Fabelreich.

Mirkandol.

Bostichs Prestigeobjekt und der Versuch, Arkon zum neuen Nervenzentrum der galaktischen Völker zu machen. Zwischen 1290 und 1344 NGZ hatte hier das Galaktikum getagt, bis sich zuerst die kosmische Konstante der Hyperimpedanz erhöht hatte und danach die Terminale Kolonne TRAITOR über Arkon und die Galaxis hereingebrochen war.

Seither lag die mehr als dreihundert Quadratkilometer große Stadt inmitten der Wüste Khoukar des Kontinents Laktranor verlassen da. Bostich hatte es nie geschafft, sich die Niederlage einzugestehen und die Stadt den Arkoniden zur Besiedlung zu überlassen. Nicht einmal dann, als die Welt Aurora zum neuen Galaktikumssitz auserkoren worden war.

Hatte er insgeheim gehofft, das Projekt Aurora würde irgendwann scheitern und Mirkandol wieder zum Zug kommen?

Kerlon wusste es nicht. Falls Bostich noch lebte und er ihn wieder durch die Maschine erreichen konnte, würde er ihn vielleicht fragen. Wahrscheinlich auch nicht. Wer interessierte sich noch dafür, was Bostich im Schilde geführt hatte?

Jedenfalls stand Mirkandol zur Besiedlung bereit. Ein Heer von Wartungsrobotern hatte die Stadt in Schuss gehalten. Einzig den Hamsoch-Blumen hatten sie gestattet, sich auszubreiten. Ansonsten hatte sich die Wüstenstadt in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. Selbst die verspielten Springbrunnen arbeiteten noch. Sie speisten die künstlichen Wasserläufe, die sich zwischen den sanften Hügeln hindurchschlängelten und in Richtung der zentralen Parkanlagen mit dem riesigen Trichterbau flossen.

Kerlon schaute zum Hauptgebäude, das wie ein einzelner, riesiger Kristall das Bild der Stadt dominierte: ein achthundert Meter hoher Trichter, dessen kristallene Fassade je nach Sonnenstand in den unterschiedlichsten Farbnuancen glitzerte. Darin hatten die mehreren Tausend galaktischen Räte und Delegationen getagt.

Nun würde das Gebäude zu einem weit wichtigeren Symbol für das arkonidische Reich werden: zum neuen Kristallpalast.

Welchem Gebäude, wenn nicht diesem derzeit in einem satten Orangerot strahlenden Kristall, gebührte diese Bezeichnung eher?

Kerlon vernahm die Tritte schwerer Stiefel. Er wandte sich um.

Atlan schritt auf ihn zu. Einer der Kralasenen begleitete ihn.

Tarom'Gor, der Mann mit den fleischroten Ziernarben, die vom Kinn bis zum Scheitelpunkt quer über die linke Kopfseite reichten. Er trug die für die Kralasenen typische schwarze Kampfmontur aus verstärktem Leder.

Der junge Kralasene sah ihn mit unverhohlenem Misstrauen an. »Wo ist Seine Erhabenheit?«, wollte er in barschem Ton wissen.