Cover

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch
Zum Autor
Widmung
Erster Teil - Die Rückkehr
Nach Hause zurück
Das Schild
Das Nest ausputzen
Die Heilige der Jungfrauen
Eine Sache zwischen Brüdern
Ein Ausflug nach Barcelona
Nachbarn
Eine soziale Organisation
Zweiter Teil - Der Jagdverein
Der Mann
Merkwürdige Befehle
Die Besucher
Plündern
Waffen
Die Reichweite vergrößern
Der Sergent
Befehle
Neun in einem Zug
Der Spion
Dritter Teil - Hinaus in Die Welt
Gehen im Schnee
Nachrichten
Teilen
Allein
Wandern
Mitreisende
Ein Fremder in einem fernen Land
Vierter Teil - Das Land der Àlvarez’
Gemalte Rebstöcke
Winter
Kochen
Maulesel
Ein Klopfen
Alte Schulden
Der Eindringling
Risse
Holz
Veränderungen
Ein Gespräch mit Quim
Übergangsriten
Die Ernte Einbringen
Schwierigkeiten
Was das Schwein wusste
Fünfter Teil - Das Blut Der Trauben
Graben
Der Tausch
Durst
Türme
Rebstöcke
Kleine Schlucke
Wie ein Bruder
Der Besuch
Ein Ausflug zum Markt
Eine Entscheidung
Pläne
Ein Wettkampf in Sitges
Joseps Pflicht
Ein Gespräch mit Nivaldo
Die Vereinigung
Veränderungen
Letzte Ölung
Das Vermächtnis
Reden und Zuhören
Die Guardia Civil
Der Monsieur
Die Meinungsverschiedenheit
Anmerkungen und Danksagung
Glossar
1. Nachwort des Autors
2. Interview mit Noah Gordon
Copyright

Zum Autor

Noah Gordon, 1926 in Worcester/Massachusetts geboren, arbeitete lange Jahre als Journalist beim »Boston Herald«. Mit Der Medicus gelang ihm ein Weltbestseller, der in Deutschland viele Monate auf der Bestsellerliste stand. Auch seine nachfolgenden Romane wurden sensationelle Erfolge. Noah Gordon hat drei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in der Nähe von Boston.

Anmerkungen und Danksagung

Die Freuden guten Weins entdeckte ich erst, als ich, bereits ein Mann in mittleren Jahren, begann, nach Spanien zu reisen, wo ich sehr bald eine tiefe Zuneigung zum spanischen Volk, zu seiner Kultur und seinen Weinen entwickelte.

Als ich beschloss, einen Roman darüber zu schreiben, entschied ich mich für die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, weil es die Zeit der Reblaus-Seuche und der Karlistenkriege war, und ich legte mein fiktives Weingut in die Region Penedès, weil das einem Protagonisten, der dort lebt, einen einfachen Zugang sowohl zu Barcelona wie zu den südfranzösischen Weinregionen ermöglichen würde.

 

 

 

GESCHICHTE ODER PHANTASIE?

 

Es erscheint mir wichtig darzulegen, welche Elemente dieses Romans auf historischen Fakten basieren und welche vom Autor erfunden wurden.

Der Kampf der Karlisten in Spanien war nur zu real und natürlich auch die Katastrophe mit der Reblaus, aber das Dorf Santa Eulalia und der Fluss Pedregós existieren nur in Der Katalane.

Die erwähnten Mitglieder des spanischen Königshauses sind historische Figuren, und General Juan Prim y Prats verbrachte den Großteil seines Lebens als Soldat und war Politiker und Staatsmann, als er ermordet wurde. Um mehr über das Attentat auf ihn zu erfahren, ging ich zu Professor Pere Anguera, dem Autor der maßgeblichen Biographie über Juan Prim. Ich versuchte, die Attentatsszene so darzustellen, wie Professor Anguera sie mir berichtete. Die Details – der Austausch einer Kutsche durch eine andere, das Anzünden von Streichhölzern, wenn die Kutsche in eine neue Straße einbog, das Stoppen der Kutsche durch zwei blockierende Kutschen und einen Mob, aus dem auf den Präsidenten der spanischen Regierung geschossen wurde – entsprechen so genau wie irgend möglich den Fakten, die Pere Anguera mir freundlicherweise in Überfülle darlegte. Ich danke ihm für diese Informationen und dafür, dass er die Seiten, die sich mit diesem Attentat beschäftigen, nach Abschluss noch einmal durchlas.

Da das tatsächliche Drama dieses Attentats nie durch Verurteilung und Bestrafung der Mörder zu einem Abschluss gebracht wurde, habe ich mir die Freiheit genommen, in meinem Roman meine eigenen fiktiven Charaktere hinzuzufügen. Es ist reine Fiktion, die ausschließlich meiner Phantasie entspringt, dass junge Männer aus einem Dorf Namens Santa Eulalia an diesem Mordanschlag beteiligt gewesen waren.

 

 

 

ANDERE, DIE MIR GEHOLFEN HABEN

 

Für die Beantwortung vieler Fragen danke ich Maria Josep Estanyol i Fuentes, Professorin für Geschichte an der Universität von Barcelona.

Die erste bodega, die ich in Begleitung meiner Frau Lorraine und meines Sohns Michael Seay Gordon besuchte, war die Winzerei Torres in Penedès, der Region des Weinguts in meinem Roman. Es war ein vielversprechender Anfang: Albert Fornos, der dortige Kellermeister, gewährte uns eine hervorragende Besichtigungstour, und Miguel Torres Maczassek lud zu einem fünfgängigen Menü, bei dem zu jedem Gang ein vorzüglicher Torres- oder Jean-Leon-Wein gereicht wurde.

Mein Sohn Michael und ich machten mehrere Ausflüge in die Weinregionen Priorat und Montsant. Dabei fiel mir auf, dass Weingüter so gut wie immer in wunderbaren Landstrichen liegen, was sie umso beeindruckender macht. In einem kleinen lieblichen Tal fanden wir Mas MartinetViticultors, die bodega der Familie Pérez. Sara Pérez Ovejero und ihr Ehemann, René Barbier, haben beide Väter, die sich als Wein-Pioniere einen Ruf gemacht haben, und beide bemühen sich, die Familientraditionen aufrechtzuerhalten, indem sie erfolgreiche und köstliche Weine erzeugen. Sara Pérez Ovejero hat mehrere Alben angelegt, in die sie die Blätter der verschiedenen Rebsorten einklebt und beschreibt, damit ihre Kinder möglichst früh mit ihrer Winzerausbildung beginnen können. Spanischen Käse knabbernd und an ihrem guten Wein nippend, ging ich als sehr dankbarer Schüler diese Alben mit ihr durch.

Mehrmals fuhren Michael und ich auch auf einer schmalen und gefährlichen Straße am oberen Rand eines viel größeren Tals entlang und schließlich einen kleinen, aber steilen Berg hoch zu dem Dorf Torroja del Priorat, wo María Ángeles Torra 1984 ihre Familienwinzerei in einem ehemaligen Kloster gründete. Inzwischen wird sie geführt von ihren Söhnen, Albert und Jordi. Ihre Reben wachsen ganz in der Nähe, einige auf steilen Hängen, und mehrere ihrer gefragten Weine entstehen aus Trauben, deren Stöcke bereits mehr als hundert Jahre in der schieferigen Erde ausharren. Ich bin den Brüdern Albert und Jordi Rotllan Torra sehr dankbar, dass sie das Manuskript dieses Buches gelesen haben.

Im Juni 2006 erhielt ich von der Stadt Zaragoza einen speziellen Literaturpreis, und bei meinem Aufenthalt in dieser Region gewährte der Autor und Journalist Juan Bolea mir seine Freundschaft und ermöglichte mir mehrere Besuche in Weingütern. Ich bin Juan sehr dankbar, und auch den Mitgliedern der Association of Mystery Writers, die mir und meiner kleinen Gruppe Platz einräumten in ihrem Bus, sowie Santiago Begué Gil, dem Präsidenten der Carinyena-Vereinigung, für seine Gastfreundschaft und seine Geschichten über den Wein.

Auf der Finca Aylés, einem riesigen Gut mit 1250 Hektar, auf dem schon im zwölften Jahrhundert Wein hergestellt wurde, hat die Bodega Señorío de Aylés auf siebzig Hektar Wein angepflanzt, bei dem Rosensträucher Anfang und Ende jeder Reihe bilden. Immer wieder sah ich Adler in den Lüften kreisen, was mich ebenso begeisterte wie die Aussage des Besitzers Frederico Ramón, dass dieser wunderbare Landstrich von der Europäischen Union als spezielles Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden soll. Ich danke ihm für seine Gastfreundschaft.

In einem gigantischen Tal, das mich an einige der großen Täler des amerikanischen Westens erinnerte, besuchten wir die Bodegas Victoria. Ich bin José Manuel Segura Cortés, dem Präsidenten der Grupo Segura Serrano, sehr dankbar dafür, dass er mich mit einem Mittagessen aus regionalen Produkten bewirtete und mich durch seine Winzerei führte.

Dankbar bin ich auch Alfonso Mateo-Sagasta, dem preisgekrönten historischen Romancier Madrids, für Informationen über dörfliche Wahlen im neunzehnten Jahrhundert.

Ich danke Delia Martínez Díaz, denn sie brachte mich in die Stadt Terrassa, wo ich einige Stunden in dem wohl einzigartigsten Museum, das ich bisher besucht hatte, verbrachte. Untergebracht in den ausgedehnten Backsteingebäuden einer einstigen Textilfabrik, bringt das Museu de la Ciència i de la Tècnica de Catalunya den Besucher in direkten Kontakt mit der technischen Revolution. Man schlendert an Ausstellungsstücken vorbei, die die Eingeweide und die Maschinerie der frühen Fabrik darstellen, und ich konnte sehen, wie der Einsatz von Dampfmaschinen Jobs wie den Donats in meinem Roman hervorbrachte. Für die unendliche Geduld bei der Beantwortung meiner Fragen danke ich dem Museumsdirektor, Eusebi Casanelles i Rahola, dem Konservator Conxa Bayó i Soler und dem gesamten Personal.

Ich danke Meritxell Planas Castillón, einem Mitglied der Minyons de Terrassa, für die Beantwortung meiner Fragen über castellers.

Àngel Pujol Escoda beantwortete mir unzählbare Fragen über Jagd und Natur mit freundlicher Geduld, und seine Frau Magdalena Guasch i Poquet verriet mir verschiedene Arten der Hasenzubereitung.

Auf dem wunderbaren Hauptmarkt von Sabadell ließ María Pérez Navarro in ihrem Geschäft Cal Prat den Schweinefleischverkauf für einige Minuten sein, um mir die Skizze eines Schweins zu zeichnen und mir genau zu zeigen, wo Josep und Jaume in einem wilden Keiler die besten Stücke finden würden.

Dan Taccini, ein Schreiner, der wunderschöne Möbel entwirft, erklärte mir, wie man damals Türen gefertigt hatte.

Für Details, die den römisch-katholischen Glauben betreffen, wandte ich mich an eine Freundin, Denise Jane Buckloh, einst Schwester Miriam der Kongregation der Eucharistinerinnen, und für ihre Hilfe bin ich ihr zu Dank verpflichtet. Ebenfalls danke ich Dr. Pheme Perkins, Professorin der Theologie am Boston College, die meine Fragen über die römisch-katholischen Beerdigungsriten, die Themen Sünde und Buße stets beantwortete.

Lorraine Gordon lebt mit mir und schenkt mir Kraft auf eine Art, die über das leibliche Wohl weit hinausgeht.

Meine Tochter Lise Gordon war wieder meine erste Lektorin, und ihre Argumente und herausragenden Fähigkeiten, was Formulierungsverbesserungen und redaktionelle Mitarbeit angeht, machten aus meinem Text ein besseres Buch.

Mein Sohn Michael ist der beste Reisebegleiter, manchmal lustig, immer verantwortungsvoll, mit einem scharfen und schnellen Verstand und einem starken Arm. Ein klärender Anruf oder die Recherche eines Details ist bei ihm immer in besten Händen.

Meine Tochter Jamie Beth Gordon, Lorraine, Michael und mein Freund Charlie Ritz haben das Manuskript ebenfalls gelesen und mir mit Kommentaren und Anregungen weitergeholfen.

Meine Schwiegertochter, Maria Palma Castillón, war immer gern bereit, Recherchen für mich durchzuführen, und dafür danke ich ihr und dem Centre de Promoció de la Cultura Popular i Tradicional Catalana in Barcelona, das die Fragen beantwortete, die sie in meinem Namen stellte, ob es nun um den Klang von Kirchenglocken ging oder um den Brauch, Frauen anzustellen, die bei Beerdigungen weinen.

Roger Weiss, mein Schwiegersohn und technischer Experte, hielt meinen Computer immer am Laufen und bewahrte mich oft vor Misserfolg und Verzweiflung. Ich danke ihm für sein Wissen und für seine Bereitschaft, auf jeden meiner Hilferufe prompt zu reagieren.

Ich danke meinem literarischen Agenten, Samuel Pinkus, für seine Geduld und seine Beratung.

Alle oben erwähnten Personen haben mir geholfen; doch dieses Buch ist das meine, und wenn es Mängel und Fehler enthält, sind auch sie allein die meinen. Ich biete diese Geschichte jedem Leser mit Zuneigung und Respekt an.

 

Noah Gordon
Brookline, Massachusetts
11. Juli 2007

1. Nachwort des Autors

Ich habe nie auf einem Weingut gelebt wie Josep Alvarez in diesem Roman, aber meine Frau und ich hatten fast zwei Jahrzehnte lang eine Farm in einem faszinierenden Bauerndorf im Hügelland von Western Massachusetts. Die Landwirte dort betrieben Milchwirtschaft und bauten statt Wein fast ausschließlich Mais an, aber als ich mich daran machte, über das Leben in einem spanischen Dorf zu schreiben, stellte ich fest, dass sich meine Erfahrungen in diesem kleinen amerikanischen Dorf gut auf den europäischen Weinbau übertragen ließen.

Lorraine und ich waren schon nicht mehr ganz jung, als wir das Landleben für uns entdeckten. Auch unser jüngstes Kind hatte das Haus in einem Vorort verlassen und besuchte nun die Universität. Also kauften wir uns gut 46 Morgen Land in den Hügeln. Es bestand aus einem Areal, das Naturforscher eine Mischlandschaft nennen würden, denn dort trafen verschiedene Geländeformen aufeinander: Wiesen, Ackerland, Sumpfgebiete, Wald und ein eiskalter Wildbach voller Forellen namens Bear River. Mischlandschaft nennt man ein Gebiet, auf dem es eine breite Vielfalt natürlicher Lebensformen gibt, und unser Grund stellte da keine Ausnahme dar.

Wir nahmen nur sehr wenige Änderungen daran vor, und auch die nur nach langer Überlegung und vielen Diskussionen. Während der Verkaufsverhandlungen erklärte sich der Bauer, dem wir das Land abkauften, bereit, ein großes Maisfeld in eine Wiese umzuwandeln und zweimal im Jahr das Gras zu schneiden und Heu zu machen. Unser Haus ließen wir am Rand dieser Wiese vor einem Wäldchen erbauen. Eine Ecke der Wiese verwandelte ich in einen Obstgarten mit dreißig verschiedenen Baumsorten, und fünf weitere Obstbäume platzierte ich ganz in der Nähe des Hauses und des Gemüsegartens. Wir entschieden uns gegen Tierhaltung. Auf dem feuchten Weideland pflanzten Lorraine und ich etwa tausend Nadelbaumsetzlinge an und in einem sumpfigen Gebiet vier Lärchen, die mich jeden Herbst mit ihrem strahlend gelben Blätterkleid erfreuten.

Der größte Teil unseres Landes bestand aus Wald. Wir setzten einen überwucherten, fast eine halbe Meile langen Pfad entlang des sich hin und her schlängelnden Flüsschens wieder in Stand und setzten ihn bis zum Haus fort. Biber hatten Dämme gebaut, so dass kleine Rinnsale entstanden waren, die einen großzügigen Teich speisten. Hinter einen Sichtschutz aus Ästen stellte ich einen Plastikstuhl, von dem aus ich mit Hilfe eines Fernglases nicht nur die Biber, sondern sogar zwei große gefräßige Wasserschildkröten beobachten konnte. In dem Plastikstuhl müssen irgendwelche Salze verarbeitet gewesen sein, denn oft fand ich ihn umgekippt und mit neuen Bissspuren vor.

Es machte mir Freude den Teich zu beobachten, aber er war nicht mein liebster Observierungsstandort. Der befand sich nämlich mitten im Bear River: eine mit Flechten überzogene Steinplatte unter einem Felsvorsprung. Gleich daneben war ein Ahornbaum in den Fluss gestürzt und hatte die halbe Böschung mitgerissen. Ein tiefes Becken hatte sich vor dem Baumstamm gebildet; sein Gewirr aus Wurzeln und Ästen zog Forellen an und stellte im Frühjahr immer ein Hindernis für die Lachse dar.

Am Rand des Felsvorsprungs, links von dem Ahorn, hatte ich ein Stück gespaltenen Baumstamm auf zwei Steine gelegt. Achtzehn Jahre lang saß ich so oft es ging auf dieser kleinen Bank und ihren vielen Nachfolgern. Im Winter verschwand die Bank unter einer dicken Schneedecke, aber trotzdem machte ich mich immer mit Schneeschuhen oder Skiern dorthin auf den Weg. Am Fels angekommen, lehnte ich mich auf meine Skistöcke und lauschte dem Fluss, der unter dem Eis in fremdartigen Zungen vor sich hin plapperte. In den Hügeln ließ der Frühling lang auf sich warten. In einer Mulde nahe meiner Lieblingsbank lag immer noch Schnee, wenn der Wald längst in frischem Grün erstrahlte und der Fluss, vom Tauwasser angeschwollen, wild dahinrauschte. Und in der brütenden Hitze des Sommers in den Berkshire Hills ließ ich meinen erhitzten Körper so manches Mal von seinen kühlen Wassern umarmen. Selbst wenn der Herbst ohne Regen daherkam, so rüttelte an seiner statt der Wind an unzähligen Ästen und raschelte laut und rastlos mit dem Laub.

Ich habe zwar nie Wildschweine gesehen wie Josep in diesem Buch, aber über die Jahre dafür so manch anderes Tier: einen Bären, der auf der Suche nach Nahrung gemächlich das andere Ufer entlang trottete; eine Natter, harmlos zwar, aber so riesig, dass sie mir größere Angst einjagte als Meister Petz; ungezählte Truthähne und Wildenten; einen schnaubenden, brunftigen Hirschbock mit weißem Bürzel und einem Geweih so wuchernd wie die Äste eines alten Baumes; große Blaureiher, deren Nest sogar einmal die Bruchstelle des umgestürzten Baumes krönte; drei Otter, die im Wasser so dicht hintereinander her jagten, dass sie aussahen wie eine dicke Schlange; Kaninchen; durch die Äste turnende Eichhörnchen; eine Gang von Raben, die sich gegen eine unglückliche Eule verschworen hatten, die auch prompt die Flügel spreizte und die Flucht ergriff.

Manchmal erschreckte ich die Tiere, aber meist erregte ich keinerlei Anstoß, da ich immer versuchte, mit der Landschaft zu verschmelzen.

Aber nichts währt ewig. Eines Tages verkauften Lorraine und ich unser Stück Land wieder und zogen weg.

Ich weiß nicht, wem es nun gehört, aber das spielt auch keine Rolle.

Nach meinem Tod, wenn ihr mich besuchen wollt, dann geht den Pfad am Fluss entlang, haltet Ausschau nach der Steinplatte unter dem Felsvorsprung; gleich dahinter beginnt der Wald und vielleicht ist auch noch etwas von dem Baum im Wasser übrig.

Es ist nicht schwer zu finden.

 

Noah Gordon
Massachusetts
Sommer 2009

2. Interview mit Noah Gordon

Sie haben im November Ihren 81. Geburtstag gefeiert, Herr Gordon. Oder war es der 70.?

(Lacht.) Ich sehe keinen Tag älter aus als 81, oder?

 

Hält Sie das Schreiben jung?

Schreiben hält mich geistig wach. Dadurch lebe ich nicht einfach nur, sondern bin wirklich lebendig, interessiert an den Dingen, die passieren. Im Moment beschäftigt mich die Auseinandersetzung der politischen Kontrahenten. Unser System ist einfach furchtbar.

 

Was meinen Sie genau mit furchtbar?

Wissen Sie, ich bin Demokrat. Die beiden Kandidaten haben momentan nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig anzugreifen. Alle wichtigen Inhalte, alle Probleme sind vergessen. Bei uns zu Hause ist die Situation momentan angespannt. Ich bin für Obama, meine Frau Lorraine ist für Clinton. Das ist ungewöhnlich. Wir sind schon seit langer Zeit verheiratet, und ich weiss, dass wir in politischen Dingen fast immer der gleichen Meinung sind.

 

In Ihrem neuen Buch »Der Katalane« spielen politische Ränkespiele auch eine Rolle. Das Hauptthema ist allerdings Wein und Weinbau im 19. Jahrhundert. Eignet sich dieser Inhalt für einen Bestseller?

Ich schreibe keine Bestseller, sondern Bücher. Natürlich bin ich glücklich, wenn ich viele Leute erreiche. Aber wenn ich gefragt werde, wie man einen Bestseller schreibt, ist die Antwort: Ich weiss es nicht. Vor acht Jahren habe ich mit dem »Medicus von Saragossa« ein Buch veröffentlicht, das von einer sehr harten Zeit in der spanischen Geschichte handelt. Irgendwann dachte ich mir dann: Warum nicht ein Buch schreiben, das von einer weniger grimmen Zeit handelt. Natürlich finden sich auch tragische Elemente im Buch – Krieg, Gewalt –, aber im Großen und Ganzen geht es um Menschen mit einer positiven Haltung zum Leben. Ich überlegte mir dann, welches Detail neben den Leuten und der Landschaft besonders schön an Spanien ist. Und so kam ich auf den Wein. Und ich dachte mir: Da wird doch schon das Recherchieren Spaß machen. (Lacht.) Mein Sohn und ich fuhren zu einer Reihe von Bodegas. Ich sprach mit Winzern über ihre Vorfahren, die Entwicklung des spanischen Weins, den Boden, über chemische Abläufe und das Terroir.

 

Dann sind Sie ein richtiger Weinexperte mit großem Weinkeller?

Eigentlich bin ich aufgewachsen, ohne groß mit Wein in Kontakt zu kommen. Nur bei jüdischen Hochzeiten tranken wir Wein – ein pappsüßes Zeug, und davon auch nie viel. Als ich das erste Mal wirklich gute Weine verkostete, war ich schon ein Mann in mittleren Jahren. Am Anfang konnte ich eine Zwei-Dollar-Flasche nicht von einem guten Gewächs unterscheiden. Ich trank einfach, was ich im Glas hatte. Langsam begann ich mich stärker für die Sache zu interessieren. Vor einigen Jahren habe ich mir dann einen kleinen Weinkeller für 220 Flaschen aus Terrakottarohren gebaut.

 

Haben Sie bei Ihren Recherchen auch Weinjournalisten befragt?

Nein, für das Buch nicht. Ich lese natürlich Weinmagazine, um mich selbst als Konsument weiterzubilden.

 

Was halten Sie denn von Ihrem Landsmann Robert Parker? Ich weiss, dass er wegen seines Punktesystems kritisiert wurde. Ich glaube auch nicht, dass jemand in der Lage ist, zweifelsfrei den Unterschied zwischen einem Wein mit 88 und einem mit 91 Punkten zu erkennen. Allerdings, als Leser kann man sich den Unterschied zwischen einem Wein, der mit 88 Punkten bewertet worden ist, und einem mit 71 Punkten gut vorstellen. Man kann mit einer solchen Relation etwas anfangen.

 

Trinken Sie auch deutsche Weine oder nur spanische?

Ich mag spanische Weine sehr gerne, deutsche trinke ich eher nicht. Es ist wahrscheinlich einer meiner Fehler, aber ich trinke nur Rotwein. Ich habe natürlich gehört, dass es mittlerweile sehr gute Rote in Deutschland gibt, und freue mich darauf, einmal einen zu probieren.

 

»Der Katalane« spielt, wie man es von Ihren Büchern gewohnt ist, vor europäischer historischer Kulisse. Woher kommt Ihr Interesse für die europäische Vergangenheit?

Wahrscheinlich daher, dass ich selbst väterlicherseits das Kind von Einwanderern bin. Mein Vater war ein russischer Jude, der nach Amerika emigrierte. Ich lernte zwar die Jüdische Kultur kennen, nicht jedoch diese russischen Wurzeln. Bereits als Kind entwickelte ich eine große Neugierde auf die Geschichte anderer Völker, denn ich wusste ja, dass meine eigenen Vorfahren einer anderen Kultur entstammten.

 

Sie haben eine große Fangemeinde in Europa, nicht so in den USA. Sind die Amerikaner weniger interessiert an der europäischen Vergangenheit?

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die der Masse der Amerikaner nicht zutrauen, sich auch für Themen außerhalb Amerikas zu interessieren. Dass es so unterschiedlich gelaufen ist, hat vielmehr mit den jeweils anderen Veröffentlichungsbedingungen zu tun. In Amerika hatte ich meinen ersten Bestseller 1965. Wenn man dann nicht bald wieder ein Buch nachlegt, riskiert man, dass man ins Niemandsland abrutscht. Zusätzlich wechselte mein amerikanischer Agent, kurz bevor »Der Medicus« auf den Markt kam, das Unternehmen. Ich war deshalb, wie man von Autoren in einer solchen Situation sagt, verwaist. Früher dachte ich mir, dass sich ein gutes Buch auf jeden Fall verkaufen würde. Dann musste ich aber einsehen, dass dem nicht so ist. In Deutschland und Spanien war alles ganz anders. Hier haben sich Menschen intensiv für meine Bücher eingesetzt.

 

Neben Ihrem großen Erfolg bei den Lesern wurden Ihnen auch einige Literaturpreise verliehen. Lesen Sie eigentlich noch Kritiken?

Das sagen zwar alle Autoren, aber in meinem Fall ist es wirklich so: Ich lese keine Kritiken mehr. Das Problem ist doch, dass die guten einen besser machen, als man ist, und die schlechten machen einen schlechter …

 

Ihr Protagonist aus »Der Katalane« ist jung, entwickelt sich stetig weiter. Auch im »Medicus« ist Ihr Protagonist ein adoleszenter Charakter. Sie scheinen Interesse an der Jugend zu haben …

Ja, solche Charaktere interessieren mich sehr. Es ist eine geradezu dramatische Zeit für einen Jugendlichen – die ganzen Herausforderungen, die dieses Alter mit sich bringt. Solche Herausforderungen durchlebt eben auch Josep in »Der Katalane«. Als er auf einmal auf sich selbst gestellt ist, keinen Freund an seiner Seite hat, kann er es zunächst nicht fassen. Und er hat Angst, große Angst, sich alleine in der Welt zurechtfinden zu müssen. Wenn man so etwas schreibt, dann fühlt man selbst diese Angst, die er hat. Auf das kommt es als Autor an: in seinen Charakteren aufzugehen.

 

Ihr Protagonist durchlebt eine schwierige Zeit. Sie selbst schreiben in Ihrer Vita, dass auch Sie harte Zeiten hinter sich gebracht hätten. Welche meinen Sie damit?

Ich wuchs in Zeiten der Weltwirtschaftskrise auf. Viele Familienmitglieder hatten keine Arbeit. Ich kann mich an einen Onkel erinnern, der Tag für Tag einfach nur herumgesessen ist. Wir waren zwar sehr arm, aber ich kann mich nicht daran erinnern, jemals hungrig ins Bett gegangen zu sein. Außerdem fühlte ich mich als Teil eines großen Familienclans sehr geborgen. Und dann sind da meine zwei Jahre in der Armee. Ich war zwar nie in wirklicher Gefahr, weil ich erst gegen Ende des Krieges eingezogen wurde und in keine Kampfhandlungen verwickelt war, aber ich mochte das Militär nicht. Man durfte niemals fragen: Wieso soll ich das jetzt machen? Das fand ich bescheuert. Ich hätte also niemals ein guter Soldat werden können.

 

Und die guten Zeiten?

Familie! Ich bin ein absoluter Familienmensch. Wenn die Großfamilie an Thanksgiving zusammenkommt, sind wir 50 Personen. Da ist viel los, die Kinder spielen … Dann ist da natürlich meine eigene Familie, meine drei Kinder und Enkel. Einer meiner Enkel ist ein guter Fußballer, vielleicht spielt er einmal in Europa. (Lacht.) Und meine Frau, mit der ich seit über 50 Jahren eine glückliche Ehe führe. Ein Autor braucht eine wirklich mutige Frau und das ist Lorraine. (Lacht.)

 

Glauben Sie, dass Ihre Bücher in 50 Jahren noch gelesen werden?

Wie lange man meine Geschichten lesen wird, weiss ich nicht. Ich habe vor kurzem gehört, dass John Grisham glaubt, seine Bücher würden in 40 Jahren niemanden mehr interessieren. Mein erster großer Erfolg »Der Rabbi« wurde 1965 veröffentlicht, und das Buch wird noch immer gelesen. Insofern kann ich mich also sehr glücklich schätzen. Aber es ist auch nicht so wichtig, ob ich in 50 Jahren noch eine sehr große Leserschaft habe. Als ich ein Kind war, wollte ich nur zwei Dinge: Ich wollte Zeitungsjournalist werden und Autor. Und beides habe ich geschafft.

 

Was kommt nach »Der Katalane«?

Ich habe vor, einen Kurzgeschichtenband zu veröffentlichen. Wenn ich im Schnitt für einen Roman vier Jahre brauche, dann bedeutet das einfach, dass ich nicht mehr viele Romane schreiben kann. In meiner Jugend habe ich schon Kurzgeschichten geschrieben, die ich an unterschiedliche Magazine verkauft habe. Auf diese Arbeit freue ich mich schon sehr.

 

Das Interview führte Andreas Seidl
© Andreas Seidl, VINUM, Europas Weinmagazin
(Juni 2008)