Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts lebte in Prag ein Mann namens Laibl Goldenhirsch. Er war ein bescheidener Mensch, ein Rabbiner, ein Schriftgelehrter, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Geheimnisse, die uns umgeben, zu verstehen. Eine Aufgabe, der er sich mit Leib und Seele widmete. Tag für Tag, Stunde um Stunde brütete er über der Thora, dem Talmud, dem Tanach und ähnlich fesselnden Lektüren. Er hatte, nach Jahren des Lernens und Lehrens, eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Welt war, aber vor allem, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Denn es schien die eine oder andere Diskrepanz zu geben zwischen der lichten Herrlichkeit der Schöpfung und dem ärgerlichen und verregneten Alltag, durch den wir Menschen uns schleppen müssen. Seine Schüler schätzten ihn, zumindest die weniger dämlichen unter ihnen. Seine Worte erhellten das Dunkel des Daseins wie das Licht einer Kerze.
Er lebte mit seiner Frau Rifka in einem ärmlichen Mietshaus nahe der Moldau. Die Wohnung, die aus nur einem Zimmer bestand, enthielt nicht viel mehr als einen Küchentisch, einen Holzofen, eine Spüle und ein Bett, das in der Nacht eines jeden Sabbats rhythmisch knarrte, so wie es Pflicht war und geschrieben stand.
Zwischen den Stockwerken gab es ein Wunder der {6}Moderne, nämlich ein Wasserklosett. Dieses mussten die Goldenhirschs zu ihrem täglichen Ärger mit ihrem Nachbarn aus der Wohnung über der ihren teilen, einem Ochsen namens Mosche, der seines Zeichens Schlosser war und der sich ständig und laut hörbar mit seiner Ehefrau, einem unschicklichen Weibsbild, zankte.
Rabbi Goldenhirsch lebte in einer Zeit des technischen Fortschritts, der ihn jedoch kaum interessierte. Die bedeutenden Veränderungen des neuen Jahrhunderts berührten ihn nur am Rande. So waren vor einigen Jahren die Gaslampen entlang der Straßen gegen elektrische ausgetauscht worden, was manche Menschen für Teufelswerk, andere wiederum für Sozialismus hielten. Auch hatte man am Flussufer Gleise aus Stahl verlegt, auf denen Straßenbahnen fuhren und dabei eifrig Funken versprühten.
So also sah er aus, der Zauber des neuen Zeitalters.
Laibl Goldenhirsch konnte mit alldem wenig anfangen. Straßenbahnen hin oder her, das Leben blieb beschwerlich. Stur und genügsam ging er seinem Alltag nach, so wie es die Juden Europas seit Jahrhunderten getan hatten und vermutlich über Jahrhunderte hinweg weiter tun würden. Der Rabbi bat um wenig, und infolgedessen erhielt er auch wenig.
Sein Gesicht war schmal und blass über dem schwarzen Bart, er hatte dunkle, wache Augen, durch die er das Treiben um sich herum mit einem gewissen Maß an Misstrauen betrachtete. Nach getanem Tagwerk legte der Rabbi seinen Kopf auf das Kissen neben seiner geliebten Rifka, einer starken, schönen Frau mit rauhen Händen, sanftem Blick und kastanienbraunem Haar. Manchmal, in den kurzen {7}Momenten, bevor der Schlaf ihn übermannte, meinte er, durch die Zimmerdecke hindurch bis in den Nachthimmel blicken zu können. Dann ließ er sich treiben wie ein Blatt im Wind, wurde emporgehoben und schaute hinab auf die kleine Welt. So anstrengend das Leben auch sein mochte, hinter dem dünnen Schleier des Alltäglichen gab es eine Herrlichkeit, die ihn stets aufs Neue verzückte.
»Allein schon da zu sein, allein schon zu leben«, pflegte Laibl zu sagen, »ist ein Gebet.«
Aber des Öfteren lag er in letzter Zeit schlaflos und starrte vor sich hin. Es verdross ihn, dass es im Zeitalter der technologischen Wunder keinen Platz mehr für echte Wunder zu geben schien. Denn Rabbi Goldenhirsch hatte in dieser Hinsicht Bedarf.
Etwas fehlte in seinem Leben: ein Sohn. Er brachte zahllose Stunden damit zu, die Söhne anderer zu erziehen – Idioten, allesamt –, und wann immer er in ihre Gesichter blickte, stellte er sich vor, eines Tages in das Antlitz seines eigenen Kindes schauen zu dürfen. Doch bislang waren seine Gebete nicht erhört worden. Für andere ging die Sonne auf, nicht aber für Laibl und Rifka. So manche Nacht mühte er sich auf seiner Frau ab, aber es fruchtete nicht. So knarrte mit der Zeit das Bett immer seltener.
Das neue Jahrhundert war noch jung, als ein Krieg ausbrach. Das war an und für sich nichts Ungewöhnliches. Kriege gab es immer wieder mal, so wie gelegentlich irgendwo die Grippe aufflammte. Doch dieses Mal war etwas {8}anders, nur nahmen es Laibl und Rifka Goldenhirsch vorerst nicht wahr. Es begann der Große Krieg, der bald Millionen dahinraffen sollte. Keine Grippe, sondern die Pest. Die Schüler des Rabbi Goldenhirsch fingen an, Fragen zu stellen und ihn um Klärung zu bitten, und zum ersten Mal in seinem Leben sah er sich mit etwas konfrontiert, auf das er keine Antwort wusste. Bisher konnte er in solchen Fällen stets die verlässlich rätselhaften Wege des Herrn bemühen, aber der Krieg war keineswegs göttlichen Ursprungs, sondern Menschenwerk. Der Rabbi war ratlos. Er stand vor seinen Schülern, mit offenem Mund, und stotterte. Die Fakten waren ihm geläufig, aber deren tiefere Bedeutung entzog sich ihm. Er wusste natürlich, dass der Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo von feiger Hand gemeuchelt worden war. Doch Sarajewo war weit weg vom Zentrum der Welt, irgendwo tief auf dem Balkan, was kümmerte es schon die zivilisierte Gesellschaft, wer wen dort abknallte? Die Gojim schossen ja ständig um sich. Was machte es für einen Unterschied, ob nun ein Erzherzog mehr oder weniger auf Erden wandelte? Ihm war selbstredend klar, dass jedes Menschenleben unermesslich wertvoll, der gewaltsame Tod eines Menschen ein Frevel vor Gott war und so weiter, und er wusste auch, dass Seine Majestät, der Kaiser von Österreich und König von Ungarn, dem Rabbi Goldenhirsch und die Einwohner Prags zur Treue verpflichtet waren, sich verständlicherweise grämte. Aber, Hand aufs Herz, was ging unsereinen das an?
Offensichtlich viel. Binnen weniger Monate wurden die Straßen Prags von Unruhe ergriffen. Die Alten marschierten in den Kaffeehäusern auf und ab, ballten die Hände zu {9}Fäusten und wedelten mit zerknüllten Zeitungen. Ein jeder versuchte, die neusten Entwicklungen an dieser oder jener Front zu verstehen und einzuordnen. Auf dem Wenzelsplatz tummelten sich die Frauen und tauschten Informationen über ihre Söhne und Ehemänner aus, über ihre Brüder und Väter, die eifrig in den Krieg gezogen waren. Nur den wenigsten war klar, dass ein Großteil des Mannsvolks nie wieder heimkehren würde. Diejenigen, die zu jung zum Kämpfen waren, lasen die Listen der Versehrten und Gefallenen, als handle es sich um die Ergebnisse einer Fußballmeisterschaft. Wie viele von denen? Wie viele der unseren? Die Jugend war kampfeslustig, und sie sollte bald ihre Chance erhalten. Denn der Krieg wütete viele Jahre lang, und er war nicht wählerisch: Er verschlang alle.
Auch die Juden.
So begab es sich, dass Laibl Goldenhirsch eines sonnigen Tages in die kaiserlich-königliche Armee des alten Franz Joseph eingezogen wurde. Als Rifka vom Markt nach Hause kam und ihren krummen, dürrbeinigen Mann in einer Uniform vorfand, vergoss sie bittere Tränen. Er stand vor dem einzigen Spiegel und betrachtete sich und seine Uniform mit merklicher Verwirrung. Er hielt ihr sein Bajonett hin.
»Was soll ich damit tun?«, fragte er sie.
»Es in einen Russ hineinstecken«, erwiderte Rifka. Vergeblich kämpfte sie gegen ein erneutes Aufwallen ihrer Tränen an. Sie wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht.
Und so marschierte Laibl Goldenhirsch von dannen, zog in einen Krieg, den er noch immer nicht verstand.
Rifka musste nun ohne ihren Gatten zurechtkommen, {10}was sich als bemerkenswert leicht herausstellte. Mit Verwunderung nahm sie zur Kenntnis, dass er im Sinne der Haushaltsführung vollkommen nutzlos gewesen war. Dennoch fehlte er ihr. Noch nie hatte sie etwas so Unnützes mit solcher Leidenschaft vermisst.
Fast jeden Tag verließ Rifka die Stadt und begab sich in die Wälder weit außerhalb Prags. Sie trug Eimer voll Kohle mit sich, die sie in den Bauernhöfen gegen Butter und Brot tauschte, denn besser, sie fror, als dass der Hunger an ihr nagte.
Im Sommer, mit seinen längeren Tagen, wurde ihr Unterfangen schwieriger. Sie musste andere Tauschgüter auftreiben, und sie musste die Butter unter ihrem Rock verstecken, denn überall lauerte Gefahr. Des Öfteren kehrte sie mit leeren Händen heim, besonders wenn Kämpfe in der Gegend ausbrachen und sie sich im Wald versteckte, bis alles vorbei war. Dann blieb nichts übrig als eine warme Spur geschmolzener Butter, die ihre Schenkel hinabrann.
Eines Abends im September kam sie nach Hause und sah Mosche den Schlosser im Treppenhaus sitzen. Er trug die verdreckte Uniform eines Rekruten und weinte. Er bot einen eigentümlichen Anblick, dieser greinende Hüne. Seine gewaltigen Schultern bebten, und sein Kopf wippte vor und zurück. Tiefe, kummervolle Schluchzer entwichen seinem grobschlächtigen Körper. Sie ging zu ihm und fragte ihn, was denn los sei. Er erzählte ihr, er habe ein paar Tage Fronturlaub, doch kaum sei er in die Wohnung getreten, habe ihm seine Frau verkündet, dass sie ihn verlasse. Schon länger habe er nichts mehr von ihr gehört. Keine Briefe, nichts, sagte er schluchzend. Rifka hatte Mitleid mit ihm, {11}die Frau des Schlossers war ihr nie sonderlich sympathisch gewesen, und es überraschte sie nicht, dass das Weibsstück ihn einfach so sitzenließ.
Sie nahm ihn in die Arme und tröstete ihn. Die feuchte Butter klebte noch an ihren Beinen.
An einem hellen Mittwochvormittag kehrte Laibl Goldenhirsch heim. Er humpelte, aber abgesehen davon war er blendender Laune. Rifka war gerade damit beschäftigt, ein Hemd zu nähen, als die Tür aufging. Sie schaute auf und sah ihn im Türrahmen stehen. Hager war er geworden. Sie ließ Nadel und Garn fallen und warf sich ihm in die geschwächten Arme. Wie dünn er war! Jeden Knochen konnte sie spüren. Er hielt sie fest, so gut er konnte. Tränen der Freude rannen ihr über das Gesicht.
»Gute Nachrichten«, sagte er und hielt sein Bajonett hoch. »Der Russ hat mir seins zuerst reingesteckt. Ich lag im Lazarett.«
Laibls Verletzung war zum Glück nicht weiter dramatisch, er zeigte Rifka eine Narbe am Schenkel. Sein Vorgesetzter, erzählte er ihr, habe sich dafür eingesetzt, dass er nicht mehr an die Front zurückmusste und sein Bein in einem Sanatorium in Karlovy Vary auskurieren konnte. Ein Humpeln war ihm geblieben, und Laibl war nun offiziell ein Kriegsversehrter. Er setzte sich. Rifka gab ihm Brot und bat ihn, ihr vom Krieg zu berichten. Doch sein Lächeln gefror ihm auf den Lippen, und es schien, als schaue er durch sie hindurch. Er nahm ihre Hände in die seinen und küsste {12}zärtlich ihre Fingerspitzen. Suchend blickte sie in seine Augen, doch sie fand dort nur Finsternis. Er schüttelte den Kopf, und so trafen sie das schweigende Abkommen, darüber nicht zu sprechen.
Nur knapp drei Wochen später gab es nach vier Jahren endlich Frieden. Der Krieg, der alle Kriege hätte beenden sollen, war beendet. In den Straßen feierten die Menschen. Der Frieden war da, der Frieden! Aber ohne den glorreichen Sieg, von dem man geträumt hatte. Es war wie das Erwachen aus einem Alptraum. Die Überlebenden tranken und sangen, erleichtert, dass sie noch lebten. Es wurde gegrölt, getanzt, es wurden ein paar Fenster eingeschmissen, wie es bei freudigen Ereignissen so Sitte ist, aber über dem Land lag eine Art beschämte Erschöpfung. Die Völker Europas waren des Kämpfens und Mordens und Sterbens überdrüssig geworden, zumindest vorläufig. In Deutschland und Russland waren Revolutionen ausgebrochen. Den Zaren und seine Sippschaft hatte man abgeschlachtet. Der deutsche Kaiser befand sich im Urlaub und entschied sich, dort auch zu bleiben. Das Königreich Böhmen wurde zur Republik Tschechoslowakei. Alles in allem waren das gute Neuigkeiten, aber nicht so gut wie die, die Rifka für Laibl Goldenhirsch hatte:
»Ich bin schwanger.«
Rifkas Gatte war überwältigt, er konnte es kaum fassen. Wie war das möglich? Gut, das Bett hatte bei seiner Rückkehr ein paar Nächte lang ordentlich geknarrt, aber war es nicht zu früh, um schon die Anzeichen einer Schwangerschaft zu bemerken? Und doch rundete sich unter Rifkas Kleid bereits ein kleines Bäuchlein.
{13}Laibl marschierte in der Stube auf und ab, sein Kaftan flatterte wie die Flügel einer aufgescheuchten Taube. Und wie Rifka so zum Fenster hinausblickte, kam ihr eine Idee. Was war es noch gleich, woran die Gojim glaubten? Was hatte die vermeintliche Jungfrau Maria zu ihrem Joseph gesagt?
»Es ist ein Wunder«, rief Rifka aus.
»Ein was?«, fragte Laibl.
»Gott hat ein Wunder für uns vollbracht.« Und wie sie das sagte, schlug sie den Blick nieder und hoffte, dass sie angemessen fromm aussah. Sie zwang ihren Lippen und Händen ein Zittern ab, denn sie erinnerte sich vage, dass Wunder von einem Tremor begleitet werden.
»Ein Wunder?« Laibl war verdutzt und misstrauisch. Als Rabbiner sah er sich selbst als eine Art Experten auf dem Gebiet der Wunder an. Und dieses hier kam ihm verdächtig vor. »Oj Gewalt!«, rief er.
»Schau dich um«, sagte Rifka flehend. »Alles, was wir haben, verdanken wir Gott. Alles! Warum sollte er also nicht auch ein Wunder für uns bewirken? Er wusste doch, wie sehr du dir einen Sohn wünschst.«
Und dass es ein Sohn werden würde, das meinte sie zu spüren. Sie ging zu Laibl und legte ihre Hand auf seine Schulter. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr, so süß wie Honig: »Gott hat dir deinen Wunsch erfüllt.«
Rabbi Goldenhirsch war ob des angeblichen Wunders noch immer verstört. Auch verspürte er ein unangenehmes Rumoren im Gedärm.
»Es war eine unbefleckte Empfängnis«, erklärte Rifka fachmännisch.
{14}»Unsinn«, sagte der Rabbi. »Jede Empfängnis ist befleckt, und diese hier ganz besonders. Wer ist der Vater?«
»Der Vater ist Gott«, beharrte sie stur. »Ein Engel hat mich besucht.«
Der Rabbi warf die Hände in die Luft und nahm seine Wanderungen durch die Stube wieder auf. Als die Nacht anbrach und er der Lösung dieses Mysteriums noch keinen Schritt näher gekommen war, fand er, dass er sich eine Pause verdient hätte. Das Grollen im Darm war mittlerweile zu einem Donner angeschwollen.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte er. Er nahm den großen Toilettenschlüssel vom Haken, stürmte aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu. Er eilte die Treppe hoch, wo ihn zwischen den Stockwerken das Wunder der Moderne erwartete.
Es war besetzt.
Nach einigen Minuten des mehr oder minder geduldigen Ausharrens und auf den Fußballen Wippens wurde der Schriftgelehrte von Unrast übermannt und klopfte. Er hörte eine rauhe Stimme aus dem Inneren. Jemand raschelte. Schließlich, nach einer Ewigkeit in dem dunklen, kalten Treppenhaus, ging die Tür auf.
Heraus kam sein Nachbar von oben, Mosche der Schlosser. Er murmelte etwas Unverständliches, was wohl ein Gruß sein sollte. Den Blick wandte er hastig ab. Dann ging er verstohlen an Laibl vorbei zur Treppe. Er war zu groß für seinen Körper. Er war in Lumpen gekleidet, und seine Bewegungen waren unbeholfen, wie seine Gedanken. Ein Golem von einem Mensch. Der Rabbi schaute ihm nach.
Da kam ihm ein Gedanke. »Herr Nachbar!«, rief er.
{15}»Ja?« Der Schlosser starrte den Rabbi an. Zwischen den beiden Männern hatte es stets eine gewisse Feindseligkeit gegeben. Der Rabbi hielt den Schlosser für einen Idioten, und dieser hielt den Rabbi für einen arroganten Narren. Laibl schaute Mosche in die Augen und hoffte, darin etwas zu entdecken, vielleicht einen Hauch von Schuld.
»Ich wollte Sie etwas fragen«, begann der Rabbi vorsichtig.
Mosche starrte den Rabbi immer noch unverwandt an. Schuldgefühle waren ihm jedenfalls nicht anzusehen.
»Also, die Sache ist die …« Weiter kam Laibl Goldenhirsch nicht. Seine Worte verrannen wie Wasser im Sand.
»Ja?«
Er raffte sich erneut auf. »Es geht um ein Schloss.«
»Was ist damit?«
»Ich krieg’s nicht auf«, sagte der Rabbi. »Ich stecke meinen Schlüssel rein und drehe, aber …« Er sammelte seine Gedanken: »Es tut sich nichts.«
»Muss am Schlüssel liegen«, sagte Mosche mit der Überheblichkeit eines tüchtigen Handwerkers, der mit einem Laien spricht.
Laibl Goldenhirsch blieb allein im Halbdunkel des Treppenhauses zurück.
Plötzlich hörte er, wie Mosche ihn von oben rief: »Rabbi? Sind Sie noch da?«
»Ja«, sagte er.
Ein paar Sekunden lang herrschte Stille. Dann erklang wieder Mosches Stimme. Sie zitterte. »Verzeihen Sie mir«, sagte der Schlosser, so leise, dass seine Worte beinah vom Dunkel verschluckt worden wären.
{16}»Aber wofür denn?«
Eine weitere Pause. Dann hörte der Rabbi ein einzelnes, verzweifeltes Schluchzen, das aus dem Nichts zu kommen schien.
»Sie fehlt mir so«, sagte Mosche. Dann trampelte er die letzten Holzstufen hoch, floh in seine Wohnung und knallte die Tür zu.
Der Rabbi war völlig verdutzt.
Er schaute aus dem runden Fenster des Treppenhauses und sah die schneebedeckten Dächer im Mondlicht schimmern. Der Anblick war so schön, es grenzte an ein Wunder. Der Rabbi musste daran denken, dass es allein der Glaube ist, der Wunder wahr werden lässt.
Er sah, wie sich eine Wolke vor den hellen, blassen Mond schob. Der Rabbi überlegte. Falls die Wolke den Mond vollständig verdecken sollte, so würde er das als ein Zeichen Gottes betrachten. Dann würde er die Schwangerschaft als Wunder akzeptieren.
Er schaute gebannt zu, wie die Wolke gemächlich über den Nachthimmel schwebte.
Und dann verdeckte sie den Mond. Einen kurzen Moment lang stand der Rabbi in vollkommener Finsternis, so wie am Anbeginn der Welt.
Kurz darauf trieb die Wolke weiter, und das milchige Mondlicht fiel auf sein Gesicht. Die Anspannung verließ ihn. So stand er da, in der Kälte zitternd. Seine Gefühle kamen ihm auf einmal vor wie ein bodenloses Meer. Wellen der Dankbarkeit und Liebe stiegen zur Oberfläche und trieben salzige Tränen auf seine Wangen.
Er atmete tief durch und öffnete die Tür zur Toilette. Er {17}ging hinein, schloss die Tür, knöpfte seine Hose auf, hob seinen Kaftan und setzte sich. Jedes Kind ist ein Geschenk, dachte der Rabbi und entschloss sich, es anzunehmen. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Er würde einen Sohn bekommen.
Eine lange Zeit danach, zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, lebte in der Neuen Welt, in der Stadt der Engel, ein Junge namens Max Cohn. Knapp drei Wochen vor seinem elften Geburtstag gingen seine Eltern mit ihm in ein japanisches Restaurant am Ventura Boulevard und sagten ihm, dass sie sich scheiden lassen würden. Natürlich rückten sie nicht sofort damit heraus. Sie brachten den Großteil des Abends damit zu, so zu tun, als wäre alles wie immer. Aber Max ahnte, dass etwas nicht stimmte. Sie waren einfach viel zu nett zu ihm. Er hatte von Anfang an einen Verdacht gehabt. Sein bester Freund in der Schule, Joey Shapiro, hatte vor einigen Monaten etwas ganz Ähnliches durchgemacht, weshalb man ihn in der Klasse als eine Art tragischen Helden betrachtete, der gleichermaßen bewundert und bemitleidet wurde. Joey hatte vom bittersüßen Nektar der Tragödie gekostet und war somit einen Schritt näher am Erwachsensein als der Rest der 4A.
Joey hatte Max damals einen weisen Rat gegeben: »Sie werden mit dir essen gehen und dich fragen, worauf du Lust hast.« Er beugte sich näher an Max heran und flüsterte. »Ich hab gesagt: Pizza. Das war mein Fehler.«
»Na und?«, fragte Max und dachte sich: Wie kann Pizza ein Fehler sein?
{19}»Wir sind zu Mickey’s Pizza Palace gegangen.«
Max kannte Mickey’s Pizza Palace. Eine Fastfood-Kette für Kinder, wo es nicht nur riesige Pizzas gab, sondern auch eine Krabbelecke, Videospiele und vieles mehr. Dort wollte Max seinen Geburtstag feiern.
»Na und?«
»Ich hab mir eine mittelgroße Pizza mit Salami und viel Mozzarella bestellt.«
»Ja, weiter!«
»Und dann haben sie mir gesagt, dass sie sich scheiden lassen. Und ich saß da, mit meiner Pizza …«
Dann machte Joey ein seltsames Geräusch, wie ein Husten, und wandte den Kopf ab.
»Solange ich lebe«, sagte er, »kann ich nie wieder Pizza essen.«
Max war schockiert. Klar, Eltern lassen sich scheiden, so was kommt vor, aber er hatte gedacht, dass Pizza zu den wenigen verlässlichen Dingen im Leben zählt. Den Dingen, an denen man sich festhalten kann.
Max war überzeugt, dass seine Eltern so etwas niemals tun würden. Sie liebten ihn, sie liebten einander, sie liebten vermutlich auch Hugo, den Haushasen, ein charmantes Tier mit weißem Fell und rosa Nase, das meist nur im Käfig saß und putzig vor sich hin schaute. Und das war’s. Dachte er zumindest. Doch bald schien ihm, als sei da etwas, was sich ihm auf den ersten Blick entzog, kleine Hinweise auf eine verborgene Wahrheit. Er sah Mom, wie sie sich schniefend mit einem Taschentuch die Augen tupfte, ihr sonst so sorgfältig aufgetragener Lidschatten leicht verschmiert. Ihm fiel auf, dass Dad nicht mehr so oft zu Hause war. Er blieb {20}länger im Büro und hatte auch an Wochenenden »zu tun«. Manchmal schlief er auf dem Sofa im Wohnzimmer und ließ den Fernseher die ganze Nacht laufen, was Max nie im Leben gedurft hätte. Türen, die zuvor offen waren, wurden nun regelmäßig geschlossen. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte er.
Und als er eines Tages aus der Schule kam, sein Fahrrad achtlos auf dem Rasen liegen ließ und ins Haus rannte, sah er seine Eltern stocksteif auf dem Sofa sitzen, als hätten sie auf ihn gewartet. Sie lächelten ihn gekünstelt an.
»Wie wär’s, wenn wir essen gehen?«, sagte Dad, und seine Stimme war ein wenig zu fröhlich, zu laut. Alarmglocken schrillten in Max’ Kopf. »… wo du willst«, hörte er Dad noch sagen.
»Was?«, fragte Max.
»Was willst du essen?«
Max überlegte einen Moment, dann sagte er: »Wie wär’s mit Sushi?«
Seine Eltern schauten ihn verblüfft an.
»Bist du sicher, Schatz?«, fragte Mom.
»Ja«, sagte Max. Es war ihm völlig egal, ob er jemals wieder rohen Fisch essen würde.
Also gingen sie Sushi essen. Max bestellte Thunfisch, Schwertfisch und Seeigeleier, obwohl Dad meinte, dass Seeigel nicht koscher seien. Sie waren so eklig, dass er fast gekotzt hätte, und als seine Eltern sich plötzlich an den Händen berührten und ihm sagten, dass sie ihn sehr, sehr lieb hätten und dass sich für ihn absolut nichts verändern würde, wurde er rot und musste gegen die Tränen ankämpfen. Er fing an zu zittern. Sein Mund war voller Fischwichse {21}oder was das war, und er sagte sich immer und immer wieder: Pizza, wenigstens Pizza bleibt mir noch.
Noch bis vor kurzem war das Leben von Max Cohn in ruhigen Bahnen verlaufen. Er war ein normaler Zehnjähriger, schlaksig, blasse Haut, zotteliges rotes Haar. Er trug eine Brille, die Mom mit Isolierband geflickt hatte, nachdem Dad sich eines Tages aus Versehen draufgesetzt hatte. Max wohnte mit seiner Familie in einem kleinen Haus in Atwater Village. Sein Dad war ein »Anwalt für Musiklizenzen«, was auch immer das sein mochte, und seiner Mutter gehörte eine kleine Boutique am Glendale Boulevard, wo sie Möbel aus Asien und allerlei anderen Schnickschnack verkaufte. Es gab in seiner Familie auch das übliche Sammelsurium an Tanten, Onkeln und Cousins. Die schlimmsten waren sicher Onkel Bernie und Tante Heidi, die sich ständig stritten. Und dann war da noch Omchen, eine neurotische und anstrengende Frau, die auf der anderen Seite der Berge lebte, irgendwo in der Wildnis des San Fernando Valley, an einem verwunschenen Ort namens Encino.
In der Schule verbreitete sich die Nachricht der baldigen Scheidung von Max’ Eltern wie ein Lauffeuer, besonders in der 4A. Joey Shapiro nahm Max sogar in den Arm, und sie fanden das nicht schwul. Selbst die Mädchen schauten ihn jetzt ganz anders an, und Myriam Hyung – mit der er bislang eigentlich nichts zu tun gehabt hatte – kam in der Pause auf ihn zu und sagte:
»Tut mir echt leid, das mit deinen Eltern.«
{22}Blödes Gesülze, dachte er. Aber sie war ja nur ein Mädchen und nicht zu großer Vernunft fähig, er wollte ihre dürftigen Bemühungen um menschliche Anteilnahme nicht zurückweisen. Daher nahm er ihre Kondolenz großzügig an und sagte: »Na ja, ist halt so.«
Von heute an war er ein Mann. Die Scheidung deiner Eltern, das wusste Max jetzt, ist deine wahre Bar-Mizwa. Ein Initiationsritus, der aus Kindern Männer macht. Ihm wurde klar, dass viele seiner Mitschüler aus »zerbrochenen Familien« kamen, wie Rabbinerin Hannah »die Lesbe« Grossman zu sagen pflegte.
Anfangs war es echt klasse, eine zerbrochene Familie zu haben. Vorerst blieb alles beim Alten, nur dass Mom jetzt im Elternschlafzimmer schlief und Dad auf dem Sofa im Wohnzimmer, was ein wenig nervte, denn im Wohnzimmer war auch der Fernseher, und den hatte Max bisher als sein Eigentum betrachtet. Jetzt schaute Dad ständig Sportsendungen. Aber es gab auch Vorteile. Immerhin konnte Max sich in den Mantel des Märtyrers hüllen. Er wurde mit einem Maß an Aufmerksamkeit und Comics beschenkt, das alles bisher Gekannte überstieg. Sein Dad kaufte ihm den neuen Spider-Man und gleich mehrere Batman-Sammelbände. Früher hatte Max sich immer entscheiden müssen: Marvel oder DC. Dad hatte gesagt, dass es im Leben um Entscheidungen gehe, die man treffen müsse. Totaler Quatsch, wie sich herausstellte. Man konnte alles haben. Das also bedeutete Erwachsenwerden. Die Trennung seiner Eltern war ohne Zweifel das Beste, was seiner Comicsammlung je hätte passieren können.
Doch tief in seinem Inneren war er besorgt. Er trug ein {23}Geheimnis mit sich herum. Er wusste nämlich, warum seine Eltern sich scheiden ließen: Es war seine Schuld! Zwar hatte Mom gesagt, dass der Scheidungsgrund »diese Schlampe von einer Yogalehrerin« sei, aber Max kannte die Wahrheit.
Es war ein paar Wochen vor dem schicksalsträchtigen Sushi-Essen geschehen. Max musste wieder einmal den Hasenkäfig saubermachen. Mom hatte ihn wiederholt darauf hingewiesen, dass schließlich er es gewesen sei, der den verdammten Hasen haben wollte. Max hatte Dad gebeten, es für ihn zu übernehmen, nur dieses eine Mal, bitte, bitte, bitte, denn er wollte so gerne mit Joey Shapiro ins Kino. Aber Dad hatte nein gesagt. Es war zu einem Streit gekommen, Max war der Geduldsfaden gerissen, er hatte Dad angemault, und Dad hatte nun erst recht auf seinem Standpunkt bestanden.
Also musste Max, statt im klimatisierten Kino Popcorn und Eiskonfekt in sich hineinzuschaufeln, den Hasendreck entsorgen. Es war so ungerecht! Als er endlich – unter Murren und Protesten – die Abfalltüte rausbrachte, stand sein Dad in der Tür und schaute ihn missbilligend an. »Nicht in dem Ton, junger Mann!«, sagte er. »So läuft das hier nicht. Wenn du noch einmal so ein Theater machst, geben wir Hugo weg.«
Max warf den Hasendreck vorschriftsmäßig in die Tonne und fühlte dabei die Wut in seinem Bauch brodeln. Hugo weggeben, was für eine fiese Drohung!
Auf einmal sah Max neben der Mülltonne einen Penny liegen. Seine Oma hatte mal gesagt, dass man sich bei einem solchen Fund etwas wünschen könne. Man müsse den Penny nur in die Hand nehmen, sich etwas wünschen und {24}dabei die Augen zumachen, und es würde wahr werden. Aber man dürfe seinen Wunsch niemandem verraten.
Also hob er die Münze auf, kniff, so fest er nur konnte, die Augen zu und wünschte sich, dass Dad verschwinden würde. Einfach so. Als er seine Hand wieder öffnete, lag der Penny scheinbar harmlos auf seiner Handfläche. Max hörte ein fernes Donnergrollen in den San Gabriel Mountains. Es würde bald regnen. Plötzlich fühlte er sich schuldig. Er schaute sich um und zwang sich, sofort an etwas anderes zu denken, aber es war zu spät. Irgendjemand – vielleicht Gott? – musste seine Gedanken gehört haben.
Einige Wochen lang tat sich nichts, und Max dachte, dass er vielleicht doch ungestraft davonkommen würde. Bis zu dem Abend im Sushi-Restaurant. Da wusste Max, dass er einen Fluch über seine Familie gebracht hatte. Außer dem Hasen, dem schien es so weit gutzugehen.
Anfangs bemühte sich Max, nicht allzu sehr über seine Schuld an der Tragödie zu brüten. Stattdessen genoss er die Früchte der Trennung. Auch Mom begann, ihn reich zu beschenken, vermutlich, weil sie Dad übertreffen wollte.
»Du kannst dir zum Geburtstag wünschen, was du willst«, sagte Mom.
Ein durchsichtiger Versuch, seine Gefühle zu erkaufen. Doch jeder Mensch hat seinen Preis, und bei Max war dieser nicht sonderlich hoch.
»Egal was?«
Jedes neue Geschenk, jedes neue Spielzeug, das seine Eltern ihm gaben, war ein Liebesbeweis. Doch die Beweise verloren bald an Kraft. Es gab nichts Festes mehr in seinem Leben. Alles begann sich zu verändern, und Max mochte {25}Veränderungen nicht sonderlich. Es war doch nicht so cool, aus einer zerbrochenen Familie zu kommen. Im Gegenteil, ihm wurde klar, dass das Konsequenzen hatte. Dass er im Begriff war, etwas Wichtiges zu lernen, eine Lektion, die seine Vorbilder – Spider-Man und Joey Shapiro – auch hatten lernen müssen, und zwar auf die harte Tour.
Es war Harry und Deborah Cohn sehr schwer gefallen, ihrem Sohn von der Scheidung zu erzählen. Besonders Harry fürchtete sich vor diesem schicksalhaften Moment. Im Privatleben vermied er Konfrontationen jeglicher Art. Deborah hatte damit weniger Probleme. Obwohl sie sich offiziell zum Buddhismus bekannte, schien sie bei Konflikten regelrecht aufzublühen. Harry hatte sie immer eine »wütende Buddhistin« genannt. Sie fand das nicht witzig. Sie fand in letzter Zeit so gut wie nichts mehr witzig, was ihren zukünftigen Exmann betraf. Seine bloße Anwesenheit brachte sie in Rage. Wie er durchs Haus schlurfte! Eigenheiten, die sie früher charmant gefunden hatte, trieben sie jetzt zur Weißglut. Sie konnte es kaum erwarten, dass er auszog.
Aber da war natürlich noch Max. Sie hatten sogar in Betracht gezogen, ihm zuliebe zusammenzubleiben. Genau genommen hatte Harry das in Betracht gezogen und Deborah nicht.
»Ich will, dass du ausziehst«, hatte sie mit fester Stimme gesagt. Sie wollte ihn nicht bestrafen, oder zumindest nicht nur. Seine Affäre hatte sie bis ins Mark erschüttert. Sie wollte ihn einfach loswerden. Sie mochte ihn nicht mehr {26}anschauen. Er war wie ein Pflaster, das sie abreißen musste. Je schneller, desto besser.
»Aber was ist mit Max?«, sagte Harry mit weinerlicher Stimme.
»Max«, erwiderte Deborah, »ist ohne dich viel besser aufgehoben.«
Und dann ging es wieder los. Sie versuchten, zivilisiert miteinander umzugehen, aber fast jedes Gespräch artete in einen schrillen Streit aus.
»Und wie sagen wir’s ihm?«, fragte Harry irgendwann.
»Ihr solltet es ihm behutsam beibringen«, riet ihnen Mrs. Shapiro, die in dieser Hinsicht bereits Erfahrung hatte. »Und noch etwas: Geht mit ihm in ein Restaurant.«
Deborah nickte aufmerksam und tippte sogar eine Notiz in ihr Handy.
So kam es, dass Deborah Cohn eines schönen Vormittags den Freeway in Richtung Woodland Hills entlangfuhr. Die Kanzlei Gutierrez & Partners befand sich in einem dreistöckigen, verglasten Bürohaus, einem Monument der Geschmacklosigkeit. Innen war es nicht viel besser. Im Empfangszimmer hing ein Gemälde, das Hunde bei einem Pokerspiel zeigte. Wer kauft sich so was?, dachte Deborah. Dann wurde sie ins Büro von Mr. Gutierrez gerufen, Seniorpartner und Spezialist für Scheidungsrecht.
Mr. Gutierrez war ein für seinen Beruf unnatürlich fröhlicher Mann, ein dicklicher, stets vergnügter Henker der Liebe mit schlaffem Händedruck.
»Was kann ich für Sie tun?«
Sie erläuterte ihm die Situation, und er hörte schweigend und kopfnickend zu. Nach einigem Hin und Her hatten {27}sich Harry und Deborah zu einem »einvernehmlichen Scheidungsverfahren« entschlossen, ein Begriff, den Deborah im Internet gefunden hatte und der im Klartext bedeutete, dass sie sich außergerichtlich über das Sorgerecht und die Güteraufteilung einigen würden. Mr. Gutierrez wirkte ein wenig verstimmt, denn er hatte sich auf viele schöne verrechenbare Stunden gefreut.
Eine einvernehmliche Scheidung sei im Grunde ganz einfach, erklärte er. Deborah würde die Papiere vor Gericht einreichen, dann gingen sie an Harry weiter. Seien sich die Parteien über die Rahmenbedingungen einig, werde das Scheidungsgesuch dem Obersten Gericht von Los Angeles County vorgelegt, wo ein Richter sich der Sache annehme. Falls alles akzeptabel sei, würden die Parteien die Papiere unterschreiben, und das war’s dann.
Sie konnten binnen weniger Wochen geschieden sein und einen Schlussstrich unter ihr gemeinsames Leben ziehen.
Die Hochzeit war viel aufwendiger gewesen, dachte Deborah.
Eines war für Harry und Deborah klar: Sie wollten es Max nicht zumuten, sich jahrelang vor Gericht zu bekriegen. Er sollte sich auch nicht zwischen ihnen entscheiden müssen. Sie hatten sogar schon vereinbart, wie es laufen würde, wenn Harry auszog, was, wie Deborah fand, ohnehin viel zu lange dauerte. Deborah würde sich unter der Woche um ihren Sohn kümmern und Harry jeweils von Freitag bis Sonntag. Er würde ihn von der Schule abholen und ihn montags wieder dorthin zurückbringen, um den Kontakt mit Deborah auf ein Minimum zu beschränken.
Es waren für alle Beteiligten schwierige Zeiten. Harry {28}fing wieder zu trinken und Deborah zu rauchen an. Auch der Beruf litt allmählich unter ihren Problemen. Deborah verpasste Besprechungen mit Grossisten und Kunden, obwohl sie sich wie eine Besessene in die digitale Kommunikation stürzte, und Harry tauchte ständig zu spät und oftmals verkatert im Büro auf. Seine Kollegen sahen ihm das eine Weile nach, Harry stellte fest, dass man ihn bemitleidete und dass ihn die Damen im Büro liebevoll umsorgten. Aber er war bei der Arbeit unkonzentriert, und seine Leistung ließ merklich nach.
Beide hatten das Gefühl, dass ihr Leben ihnen entglitt, wie Sand, der ihnen durch die Finger rann.
Rifka Goldenhirsch verfluchte die Welt. Sie verfluchte sich selbst, ihren Mann, aber in erster Linie verfluchte sie den Engel, der sie geschwängert hatte. Sie lag im Bett ihrer kleinen Wohnstube. Ihr Mann Laibl saß an ihrer Seite und hielt ihre Hand, der Narr.
»Es wird schon«, sagte er unbeholfen und tätschelte sie.
Rifkas Beine waren auf zwei klapprige Stühle gestützt, auf dem Ofen stand ein Topf mit heißem Wasser, neben dem Bett lagen saubere Tücher, und Hedvika, die Hebamme, saß zwischen Rifkas Beinen und wartete auf das Ergebnis.
Rifka war auf dem Land aufgewachsen, in einem kleinen Dorf bei Plzeň. Als junges Mädchen hatte sie mehr als einmal miterlebt, wie eine Kuh ein Kalb gebar, ein äußerst qualvoller Vorgang, der oft mehrere Tage andauern konnte und von schmerzerfülltem, empörtem Muhen begleitet wurde. Sie konnte das Martyrium dieser Kühe jetzt gut verstehen. Und ihr nutzloser Schmock von einem Gatten saß einfach nur da und tätschelte.
Hedvika lugte hinunter und sagte: »Ich kann den Kopf sehen.«
Rifka stöhnte.
»Drücken«, sagte Hedvika.
{30}»Was«, schrie Rifka, »glaubst du denn, was ich hier tue?«
Hedvika war eine junge Gojete, die außerhalb der Prager Josefstadt lebte. Sie galt als eine der besten Hebammen der Stadt, was hieß, dass die meisten Kinder, die sie zur Welt brachte, diese auch lebend betraten. Rabbi Goldenhirsch hatte jeden Monat beharrlich ein paar Münzen beiseitegelegt, um sich ihrer Dienste zu vergewissern. Und jetzt war es so weit. Der Sommer, der gerade begonnen hatte, würde einen neuen Erdenbürger begrüßen. Hedvika betupfte mit einem Tuch Rifkas Stirn, während Laibl weiterhin tätschelte. Der Erdenbürger ließ sich Zeit.
Doch schließlich kam er.
Hedvika hielt den Säugling an den Beinen hoch, schnitt die Nabelschnur mit einem heißen Küchenmesser durch und gab dem Kleinen einen Patsch auf den Tuches.
Das Kind fing zu schreien an, ein schriller Klang, der die dichte, verschwitzte Stille des Raums scharf durchschnitt. Hedvika rubbelte das Kind mit frischen Tüchern sauber und achtete dabei sorgfältig darauf, ihm nicht weh zu tun.
Hedvika gab das Kind der Mutter. »Ein strammer Bub«, sagte sie.
Rifka nahm den Jungen in die Arme, warf einen Blick auf ihn und verliebte sich. Er war das Schönste, was sie je gesehen hatte.
»Wie nennen wir ihn?«, fragte Rifka atemlos. Sie war erschöpft, aber ansonsten mit sich und der Welt zufrieden.
»Wie wär’s mit Mosche?«, schlug Laibl mit einer Spur von Sarkasmus in der Stimme vor.
»Mosche?«, sagte seine Frau. »Warum ausgerechnet Mosche?«
{31}»Was, Mosche gefällt dir nicht?«, erwiderte der Rabbi. »Ist doch ein schöner Name, oder?«
»Wie der Schlosser?«, fragte sie misstrauisch.
»Wie der Prophet«, sagte Laibl. »Moses.« In seinem Blick war etwas Beharrliches, das keinen Widerspruch zuließ.
Rifka gab nach. Und so kam es, dass der Junge Moses Goldenhirsch hieß. Und obwohl Laibl bisweilen, wenn er das eine oder andere Glas zu viel getrunken hatte, seine Abstammung hinterfragte, freute sich der Rabbi, endlich ein Kind zu haben. Er versuchte sich einzureden, dass es ihm egal sei, wer der Vater war, und er bedankte sich jeden Abend bei Gott für das Wunder.
Mosche Goldenhirsch war ein kleines und stets kränkelndes Kind. Wenige Monate nach seiner Geburt schien er sich aus dem Leben verabschieden zu wollen. Mosche lag in seiner Krippe neben dem Ofen, seine Haut war wächsern. Er bewegte sich kaum, gab nur dann und wann unglückliche Gluckslaute von sich. Rifka saß an der Krippe und sang ihm ein Lied vor:
Hoch oben am Himmel so weit
Fliegt ein Adler, sorglos und frei
Hört er einen fernen Schrei
Doch auch ihr Gesang brachte Mosches Fieber nicht zum Sinken. Schließlich war Rifka so besorgt, dass sie mitten in der Nacht das Haus verließ, um einen Arzt zu holen. Laibl blieb bei dem Kind. Er war es, der ihr von dem Arzt erzählt hatte, einem Mann namens Ginsky. Rifka rannte den ganzen Weg von der Josefstadt auf die andere Seite der Moldau {32}und dann hoch zur Burg. Die Nachtluft war eisig und feucht, und als sie oben ankam, stand ihr kalter Schweiß auf der Stirn. Die Bürgersteige waren mit roten und gelben Blättern bedeckt, und überall lagen Kastanien, die von den Bäumen gefallen waren. Schließlich fand sie das Haus, nahe dem Hradschin. Sie konnte die Türme der Burg am Himmel sehen und meinte, den starren Blick der Wasserspeier des Veitsdoms auf ihrer Haut zu spüren. Der Arzt wohnte in einer geschmackvollen Villa im Art-nouveau-Stil. Nach einigen Minuten penetranten Klopfens öffnete eine etwas zerzaust wirkende Dienstmagd die Tür. Ihr Gesicht war gerötet, und sie rückte mit der Linken ihren Unterrock zurecht. Als sie die verschwitzte, verwirrte Rifka sah, ließ sie ihren kalten Blick an ihr auf und ab gleiten.
»Dr. Ginsky«, murmelte Rifka.
»Er hat sich bereits zurückgezogen«, sagte die Magd abweisend.
»Mein Mann hat mich geschickt.« Rifka erwähnte, dass ihr Mann nicht irgendjemand sei, sondern der Rabbi der Staronová-Synagoge.
»Ein Jude?«, fragte die Magd überrascht.
»Ich soll dem Herrn Doktor ausrichten, dass er ihm mal geholfen hat.« Und dann fügte sie flehend hinzu: »Bitte. Mein Kind liegt im Sterben.«
Das erweichte das Herz der Magd. »Kommen Sie«, flüsterte sie, »warten Sie hier.« Sie zog Rifka in die Vorhalle der Villa und schloss die Tür, dann eilte sie nach oben.
Rifka schaute sich ehrfürchtig um. Der Raum war prunkvoll eingerichtet. Eine schwere Standuhr tickte bedrohlich. {33}An der Garderobe hingen teure Pelze und Hüte. Aus einem Schirmständer ragten Gehstöcke aus Mahagoni. Dr. Ginsky, klein und pummelig, kam schnaufend die mit einem Läufer ausgelegte Treppe herab. Er trug ein Nachthemd, das er nervös glattstrich. Sein Gesicht war rot, und die wenigen Haare, die seinen fast kahlen Schädel umrahmten, standen aufrecht wie der Kamm eines Hahns. Seine Brille war beschlagen. Rifka kam der Gedanke, dass sie den Arzt und sein Dienstmädchen womöglich bei etwas Wichtigem unterbrochen hatte.
Sie sprang mit flehendem Blick vor und streckte die Hand aus.
Ginsky starrte sie an. »Ich fürchte«, sagte er, »dass ich Ihre Hand nicht schütteln kann. Sie werden verstehen, dass Sie als Anhängerin des mosaischen Glaubens …« Er schaute betreten zu Boden.
»Ich verstehe«, sagte Rifka und nickte beflissen. Sie wollte nichts tun, was sie in Ungnade fallen lassen könnte. Nach einigen Sekunden peinlichen Schweigens wischte sie ihre Hand an ihrem durchnässten Rock ab.
»Welchen Umständen verdanke ich das Vergnügen Ihres unerwarteten Besuchs?«, fragte der Arzt mit merklichem Sarkasmus.
»Mein Kind ist krank.«
»Und bin ich der einzige Mediziner in ganz Prag?«, fragte er.
»Mein Mann hat gesagt, ich soll zu Ihnen kommen, nur zu Ihnen.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Wir …« Sie hielt kurz inne und musste schlucken. »Wir {34}haben kein Geld«, sagte sie dann flüsternd und senkte den Blick.
»Ach?«, fragte der Doktor. »Es mangelt dem Jud an Geld?«
»Mein Mann ist ein Gelehrter. Wir haben nicht viel.«
»Und wie heißt er, Ihr Mann?«
»Goldenhirsch. Laibl Goldenhirsch.«
Der Arzt stand da, den Mund halb offen, und bewegte sich einen Moment lang nicht. Dann nahm er seine Brille ab, rieb sie an seinem Nachthemd und fragte: »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Rifka hatte noch nie in einem Automobil gesessen. Wäre sie nicht in Sorge um ihren Sohn gewesen, hätte ihr die Fahrt sicher Freude bereitet. Doch unter den gegebenen Umständen kam ihr diese Art des Transports unbequem vor. Sie konnte jedes Schlagloch am Tuches spüren, der Motor stieß übelriechende Dämpfe aus, und als Dr. Ginskys Wagen vor dem Mietshaus ankam, in dem Rifka und Laibl wohnten, gestaltete sich die Suche nach einem Parkplatz schwierig. Rifka war davon überzeugt, dass sich diese Automobile nicht durchsetzen würden.
Sie führte den Arzt die Treppe hoch. Er keuchte schwer und war bereits nach einem Stockwerk außer Atem. Als sie endlich vor ihrer Wohnungstür standen, fürchtete Rifka, der Arzt würde gleich einen Herzinfarkt erleiden. Sie klopfte, und Laibl öffnete die Tür, das kranke Kind im Arm. Der Anblick rührte Rifka, nicht nur, weil ihr Sohn so blass {35}war, sondern auch wegen der offenkundigen Zärtlichkeit, mit der ihr Mann dieses kleine, hilflose Wesen hielt. Sie hatte ihn noch nie so zärtlich mit ihrem Kind gesehen. Seinem Kind, ermahnte sie sich.
Laibl hatte Tränen in den Augen. Rifka nahm ihm vorsichtig den Säugling ab.
Dr. Ginsky betrat die Wohnstube und schaute sich abschätzend um. Laibl und er sahen einander an. Sie richteten sich beide etwas strammer auf. Dann salutierten sie.
»Rühren!«, sagte Dr. Ginsky.
»Oberst«, sagte der Rabbi.
Und dann fielen sich, zu Rifkas Erstaunen, die beiden Männer in die Arme. Sie verharrten lange in dieser Haltung, ziemlich lange. Etwas Unausgesprochenes wurde zwischen ihnen ausgetauscht.
Dann untersuchte Dr. Ginsky das Kind. Er befühlte seine Stirn, schaute ihm in den Mund und maß seine Temperatur. Rifka und Laibl hörten mit Erleichterung, dass es nichts Ernstes war. Ein Fieber, vermutlich die Kälte. Rifka fiel ein Stein vom Herzen, denn seit dem letzten Kriegsjahr waren viele Kinder und auch Erwachsene von der Spanischen Grippe dahingerafft worden. Doch Mosche würde überleben. Rifka machte eine Wärmflasche, und Dr. Ginsky gab dem Kleinen eine Medizin. Laibl bot dem Arzt ein paar Münzen an, aber der lehnte entrüstet ab. Bald schlief das Kind in seiner Krippe ein.
Als Laibl und Dr. Ginsky sich voneinander verabschiedeten, umarmten sie sich wieder und küssten sich auf die Wangen, wie es unter befreundeten Männern üblich ist. Doch Rifka war nicht von gestern, sie sah, wie die beiden {36}sich anblickten, und verstand, was zwischen ihrem Mann und dem Arzt vorgefallen war.
Laibl hielt Dr. Ginsky die Tür auf, und als der Arzt gegangen war, stand er noch einen Moment da und starrte in die Dunkelheit.
»Laibl?«, fragte Rifka.
Er drehte sich langsam um. »Ja?«
Sie schaute ihn an und spürte, wie ihre Kraft sie verließ. Ihre Lippen bebten.
»Was ist im Krieg geschehen?«, fragte sie leise.
Laibl ging zu ihr und setzte sich neben sie. Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. Sie starrten beide auf den grobgezimmerten Holzboden.
»Wenn du mich nicht nach dem Krieg fragst«, sagte er sanft, »frage ich dich nicht nach dem Wunder.«
Als Max Cohn an einem Dienstagnachmittag von der Schule kam, stand ein Umzugswagen vor dem Haus. Er war beunruhigt. Ein Umzugswagen! War es etwa schon so weit? Überall stapelten sich Kisten und Möbelstücke. Hugo der Hase kauerte in einer Ecke des Wohnzimmers und wirkte angespannt, seine Ohren zitterten. Die Möbelpacker waren zwei großgewachsene Latinos. Einer von ihnen trug Jeans und ein Shakira-T-Shirt, der andere, traditioneller, einen blauen Overall und ein kariertes Hemd.
»Buenos días«, sagte der Mann in dem Shakira-Shirt und nickte Max zu. Er hielt eine Kiste voller Papiere und Hängemappen in den Händen.
»Hey«, sagte Max. Er merkte, dass seine Stimme zitterte. »Wo sind meine Eltern?«
»¿Qué?«, fragte der Mann in dem Shakira-Shirt.
»Los padres«, sagte Max. »Mom y Dad.«
Der Mann schaute ihn hilflos an und hob die Schultern. Max starrte auf die Umzugskiste in seinen Händen. Die Papiere und Hängemappen gehörten vermutlich Dad, als Anwalt war er ständig von solchem Zeug umgeben. Papierkram war für ihn so unverzichtbar wie das Batmobil für Batman.
Der Mann in dem Overall kam auf ihn zu, mit gleich zwei Kisten beladen.
{38}»Nebenan«, sagte er.
»Was machen Sie hier?«, fragte Max, und seine Stimme klang jetzt schrill.
»Wir holen die Kisten ab«, sagte der in dem Overall. Er hatte einen deutlichen mexikanischen Akzent.
»Stellen Sie die wieder ab!«, verlangte Max. In diesem Augenblick kam Dad aus der Küche. Auch er trug eine Kiste. Sein Haar war zerzaust, und er hatte sich heute nicht rasiert. Sein Hemd war falsch geknöpft, seine Augen glasig. Der Anblick war beunruhigend. Das letzte Mal so über seinen Vater erschreckt hatte sich Max, als er im Alter von vier Jahren beschlossen hatte, die Terrasse hinter dem Haus mit seiner Zunge sauberzulecken. Er war bereits zur Hälfte fertig gewesen, als sein Vater splitternackt aus dem Haus gerannt kam und ihn vom Boden wegschnappte. Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als seinen eigenen Vater nackt zu sehen. Wie er so auf Max zugerannt war, hatte sein Penis von links nach rechts gebaumelt. Ein Körperteil, den Max bis dahin noch nie bewusst wahrgenommen hatte. Was ist das für ein Ding?, hatte er sich fassungslos gefragt. Das verhieß nichts Gutes.
Genau dieser Gedanke ging ihm jetzt auch durch den Kopf:
Das verhieß nichts Gutes.
Sein Vater sah aus, als sei er aus einem tiefen Schlaf erwacht, als wäre er sein Leben lang durch einen Nebel gestolpert und blinzle nun zum ersten Mal ins Licht.
»Dad!«, rief Max und rannte auf ihn zu. »Hier laufen überall Mexikaner rum!«
Dad ging mit Max raus. Er stellte die Kiste ab, und sie {39}setzten sich auf die kleine Treppe, die zur Eingangstür führte. Die Steinstufen waren warm von der Sonne. Max hörte die Stimmen anderer Kinder, die in der Nachbarschaft spielten. In der Ferne konnte er die schneebedeckten Gipfel der San Gabriel Mountains sehen. Es war ein klarer und sonniger Tag.
Eine Weile lang sagte keiner von beiden etwas. Max und sein Dad saßen einfach nur da und starrten zum Horizont, als lägen dort die Antworten, die sie sich beide so sehnlich erhofften.
»Wir haben das alles doch schon besprochen«, sagte Dad schließlich.
»Was?«
»Wegen heute. Dass ich ausziehe.«
»Du hast gesagt, Donnerstag.«
»Dienstag«, korrigierte ihn Dad. »Ich habe Dienstag gesagt.«