Der Trost der Natur
… und ich möchte Sie … bitten … Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben … Forschen Sie … nicht nach Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.
Rainer Maria Rilke
Briefe an einen jungen Dichter, vierter Brief
Meine Hütte hat an der Südseite drei große Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen. Im Zwielicht der Winterabende sitze ich gern in meinem braunen Ledersessel und beobachte die Vögel an der langgestreckten Futterstelle draußen. Die Fenster hat mir mein Mann bei seinem letzten Besuch geschenkt. Er war schon mehrmals gekommen und wieder gegangen, und wir wussten nicht, ob dies das letzte Mal sein würde, doch ich ahnte es bereits.
Ich lebe jetzt seit zwölf Jahren in den Ozark Mountains im südlichen Missouri, die meiste Zeit allein. Ich habe gelernt, den Betrieb zu führen, den wir gemeinsam aufgebaut haben, eine Imkerei. Es ist ein unsicheres, wenig einträgliches Geschäft, das mich nie von Geldsorgen befreit, mir aber die Möglichkeit gibt, in diesen Hügeln zu leben, die ich so liebe.
Mein Stück Land in den Ozarks ist ein höchst eindrucksvolles Fleckchen Erde. Meine Farm liegt knapp achtzig Meter oberhalb eines prächtigen schnellfließenden Flusses im Norden und eines von Wasserfällen unterbrochenen Baches im Süden. Bach und Fluss vereinigen sich nahebei im Osten, so dass ich praktisch auf einer Halbinsel wohne. Der fünfzig Meter breite Geländestreifen hinter der Hütte ist von Sekundärwald bedeckt, und ich hole dort mein Feuerholz. Letzten Sommer entdeckte ich beim Holzschneiden einen prachtvollen Schwarzen Walnussbaum mit einem hohen, geraden Stamm ohne Seitenäste, die seinen Wert als Nutzholz schmälern würden. Ich habe zwar nicht vor, ihn zu verkaufen, auch wenn schon ein einziger so makelloser Nussbaum einen guten Preis erzielen würde, aber ich habe einige andere Bäume ringsum gefällt, um ihm Raum zu geben. Juglans nigra – »Gottes Schwarzer Nussbaum«, ein passender Name für solch einen würdevollen Baum.
In den vergangenen zwölf Jahren habe ich gelernt, dass ein Baum Platz zum Wachsen braucht, dass im Januar unten am Bach Kojoten singen, dass ich nur dann einen Nagel in eine Eiche schlagen darf, wenn sie belaubt ist, dass Bienen mehr vom Honigmachen verstehen als ich, dass Liebe zu Traurigkeit werden kann und dass es mehr Fragen als Antworten gibt.
Der Fluss nördlich meiner Farm gehört zum Nationalpark, der Bach südlich davon liegt in der Obhut der Naturschutzbehörde des Staates Missouri, ich bin also von staatlichem Land umgeben. In meiner Besitzurkunde steht, die Farm sei zweiundvierzig Hektar groß, wahrscheinlich sind es aber nur etwas über sechsunddreißig. Das Land ist seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr vermessen worden, und wo die Grenzen verlaufen, lässt sich schwer sagen. Ein Ranger meinte, der Landvermesser damals müsse seine Linien in einer Kneipe gezogen haben.
Das Stück Land hier ist so schön, dass mir fast die Tränen kamen, als ich es vor zwölf Jahren zum ersten Mal sah, und noch heute geht es mir so. Deshalb hat es mich nie groß interessiert, wie viel Hektar es umfasst, wo die Grenzen verlaufen und wem genau was gehört. Doch was es für mich so schön und begehrenswert macht, hat wohl auch andere davon überzeugt, dass es sich um erstklassiges Land handelt, und sie betrachten sich ebenfalls als seine Eigentümer. Im Augenblick beispielsweise fühle ich mich hier ein bisschen wie ein Eindringling, denn ich habe festgestellt, dass ich mitten in einer Indigofinken-Enklave wohne. Wie Enklaven es so an sich haben, lebt es sich darin recht vergnügt, nur sehe ich mich gezwungen, mir Gedanken über Besitzrechte zu machen.
Indigofinken sind kleine, aber energische Vögel. Sie wiegen sich in dem Glauben, alles ringsum gehöre ihnen, und es ist kaum möglich, diesen Besitzanspruch einfach zu ignorieren. Die Männchen – von leuchtendem, schimmerndem Blau – sitzen auf den Zaunpfosten oder den Wacholderbäumen, die das Weideland vereinnahmt haben, überblicken von dort aus ihren Besitz und schmettern ihre Lieder. Verschlungene Melodien, die mich morgens aus dem Schlaf wecken. Sie singen den ganzen Tag, sogar mittags, wenn die anderen Vögel verstummt sind, denn sie haben uns Wichtiges mitzuteilen, vor allem, wer hier das Sagen hat. Die mattbraunen spatzenähnlichen Weibchen und Jungvögel dagegen interessieren sich mehr fürs Fressen; sie halten sich eher in Bodennähe auf und suchen niedrige Sträucher und Gräser nach Samen und der einen oder anderen Raupe ab, aber auch sie wissen, was Sache ist. Als ich einmal am Rand der Wiese entlang nach Hause ging, stieß ich auf einen in seine Gesangsübungen vertieften jungen Indigofinken. Er hatte sich noch nicht so sichtbar zu postieren gewagt, wie sein Vater es getan hätte, aber er trällerte auf seinem kahlen Zweig unverdrossen seine Strophen, machte alles falsch und fing wieder von vorn an, so leise, dass ich ihn gar nicht gehört hätte, wenn ich nicht so nahe bei ihm gestanden hätte.
An einem anderen Tag entdeckte ich, dass der Wind die Hintertür meines Honighauses aufgeweht hatte und alle möglichen geflügelten Geschöpfe darin umherschwirrten, größtenteils Insekten. Doch auch ein halbwüchsiger Indigofink hatte sich hierher verirrt und schlug auf der Suche nach einem Weg ins Freie mit seinen kleinen Flügeln gegen das Fliegenfenster. Ich nahm ihn vorsichtig in die Hände und strich ihm über den Nacken, um ihn zu beruhigen, merkte dann aber, dass sein Herz gar nicht angstvoll flatterte. Vielleicht war er so jung, dass er das Fürchten noch nicht gelernt hatte, aber ich stelle mir lieber vor, dass er wie der Rest seiner Sippe einfach zu keck und sich seiner Rechte zu bewusst war, um Angst zu haben. Er beäugte mich ärgerlich und pickte nach meinem riesigen Daumen, eine Aufforderung, ihn auf der Stelle loszulassen. Das tat ich natürlich und schaute ihm nach, wie er davonflog, ins hohe Gras hinter meinem Honighaus, wo eine Indigofinkenfamilie ihr Nest hatte.
Ja, sie halten sich für die Herren hier, und ich habe ihrer Selbstgewissheit nichts entgegenzusetzen als ein Stück Papier in meinen Unterlagen. Aber auch andere erheben Besitzansprüche, und vielleicht sollte ich erst eine Volkszählung durchführen, ehe ich irgendwelche Ansprüche anerkenne: Bussarde, die die Aufwinde über Fluss und Bach nutzen, Goldzeisige, wilde Truthähne, Schnäppertyrannen und Schwarzkehlnachtschwalben. Das Filetstück aber – die Gegend um die Vogelfutterstelle – hat sich ein Kardinalpärchen gesichert. Ich habe Kassetten mit Vogelstimmen, und wenn ich sie abspiele, versuche ich den Kardinal zu überspringen, denn der derzeitige Bewohner bricht in frenetischen Reviergesang aus, wenn er seinen Rivalen hört, und sein bis dahin so schöner Tag ist ihm vergällt.
Und die Kojotin? Eine Zeitlang hat sie die Farm als ihren Besitz betrachtet, speziell den Hühnerhof. Sie war sich ihrer Sache so sicher, dass sie einmal am helllichten Tag anspaziert kam und sich den robusten alten Hahn schnappte, um ihn ihren Welpen zu bringen. Die Hunde kamen ihr jedoch auf die Schliche, und als sie die nächsten Male auftauchte, um ihre Rechte auszuüben, verjagten sie sie und machten ihr klar, dass die Farm ihnen gehöre und das Hühnervolk in ihre Zuständigkeit falle.
Vor langer Zeit, ehe ich in die Ozarks zog, arbeitete ich einmal einen Frühling lang auf einem Forschungsgelände der Universität. Ich war jung und verliebt, und die meisten Tätigkeiten dort machten mir Spaß, aber das Projekt interessierte mich ohnehin. Drei ganz verschiedene Lebensräume waren zu untersuchen: ein Bergwald, eine Flussniederung und ein Stück Ödland. Meine Aufgabe bestand darin, einmal wöchentlich an jedem dieser Orte eine würfelförmige Erdprobe zu entnehmen, sie durchzusieben und ihre mit bloßem Auge sichtbaren Bewohner zu zählen und grob systematisch einzuordnen. Das Populationswachstum wurde in einer Graphik festgehalten. Die so entstehende Kurve, Sinnbild der fröhlichen, ständigen Erneuerung des Lebens, passte zum Wetter und zu meinem eigenen Pulsschlag.
Die Liebe von damals ist verstummt, und hier habe ich keine Erdproben entnommen, aber ich weiß, was sich dort unten abspielt: Millionen kleiner Wesen stoffwechseln munter drauflos und nutzen das Land. Ich wage gar nicht daran zu denken, was für Zahlen zusammenkämen, wenn ich mein Volkszählungsinstrumentarium durch eine Taschenlupe oder ein Mikroskop ergänzen würde. Dagegen kann ich andere Bewohner mit einem ernstzunehmenden Rechtsanspruch sehr wohl zählen. In dem Waldstück bei meinem Haus stehen zwanzig Bienenstöcke, jeder mit rund sechzigtausend Bienen. Das macht zusammen eine Million zweihunderttausend Bienen, die hier herumfliegen und Anspruch auf alle Blumen im Umkreis von etwas über drei Kilometern erheben.
Nun sind da aber auch noch die Kupferkopfschlangen und ihre ganze Schlangenverwandtschaft, deretwegen man tunlichst in Stiefeln über die Wiesen geht. Wie soll ich sie zählen und ihre Ansprüche prüfen? Und dann die Schildkröten, die die Erdbeeren im Garten fressen, die Laubfrösche, denen der Teich gehört. Und was ist mit den Rechten von Waschbär, Stinktier und Hirsch? Was ist mit dem Rotluchsweibchen, das unter den Felsen am Fluss haust und meine Farm als einen winzigen Bruchteil seines Reviers betrachtet?
Mir wird ganz schwindlig, wenn ich mir auch nur vorzustellen versuche, ich müsste alle Lebewesen zählen, die hier zu Hause sind. Alle haben ja gewisse Ansprüche auf das Land, kaum weniger berechtigte, vielleicht sogar berechtigtere als ich.
Ein Stück die Straße hinauf ist ein menschlicher Streit um ein weniger glücklich gelegenes Stück Land im Gange. Es wird nicht wie meine Farm von zwei staatlich und damit umweltfreundlich verwalteten Arealen begrenzt und befindet sich mit allem, was es umgibt, in Privatbesitz. Einer der Eigentümer will es planieren und erschließen, und damit wird die Grenzfrage zu einer heiklen Angelegenheit. Es ist von einem teuren Gutachten die Rede, das Aufschluss darüber geben soll, wem was gehört. Dann werden vermutlich Eckpunkte festgelegt und Linien gezogen, mit dem Nebeneffekt, dass ich vielleicht erfahren werde, ob meine Farm zweiundvierzig Hektar misst oder sechsunddreißig oder wie viel auch immer.
Die Indigofinken wird das nicht kümmern.
Ich lernte Paul kennen, als er sechzehn und ich fünfzehn war. Ein paar Jahre später waren wir verheiratet, und die Ehe funktionierte recht gut, solange wir Kinder waren und selbst ein Kind hatten. Aber wir wurden älter, der Sohn ging aus dem Haus, und die Ehe strukturierte unser Leben nicht mehr so wie früher. Trotzdem war Paul in all den Jahren der Mann meines Lebens. Es gab keinen anderen. Und als die Ehe beendet war, war es schwierig für mich, die emotionalen Trümmer zu sichten, die übrigblieben, nachdem das Gerüst einer dreißig Jahre währenden vertrauten Verbindung zusammengebrochen war.
Ich machte das Übliche durch: Ich konnte weder schlafen noch essen, ich redete fieberhaft mit Freunden und stürzte mich Hals über Kopf in eine zerstörerische Affäre mit einem Mann, der noch mehr Probleme hatte als ich. Er traf eine Reihe unsinniger Entscheidungen bezüglich meiner Imkerei und verpfuschte mir über einige Jahre mehr oder weniger mein Leben. Und sehr lange Zeit funktionierte auch mein Verstand nicht mehr. Wenn ich im Radio Nachrichten hörte, drang nichts davon zu mir durch. Meine Aufmerksamkeit ließ nach, sobald ich etwas anderes las als seichteste Unterhaltungsliteratur. Mein Gehirn drehte endlose, schmerzhafte Schleifen, und ich konnte mich weder konzentrieren noch auch nur annähernd geordnet denken. Es war mir immer eine Freude gewesen, einen Verstand zu besitzen, und den vermisste ich nun über die Maßen. Drei Jahre lang war ich nicht ganz bei mir.
Ich grübelte über Struktur, Gerüst, Schema, System, Klassifikation und Ordnung nach und stieß auf eine Klassifikation, die sich Jorge Luis Borges ausgedacht hat:
Eine chinesische Enzyklopädie teilt die Tiere ein in:
dem Kaiser gehörige
einbalsamierte
gezähmte
Spanferkel
Sirenen
Fabeltiere
streunende Hunde
in diese Einteilung aufgenommene
die sich wie toll gebärden
unzählbare
mit feinstem Kamelhaarpinsel gezeichnete
und so weiter
die den Wasserkrug zerbrochen haben
die von weitem wie Fliegen aussehen.
Meine Freunde und ich lachten über die Liste, und das sagte mehr über uns und unser westlich-europäisches Denken aus, fanden wir, als über eine mutmaßliche orientalische Weltsicht. Wir glauben eine angemessenere Vorstellung davon zu haben, wie die Natur zu klassifizieren sei, und wenn Borges diese Vorstellung zerzaust, finden wir das lustig. Dass ich mitlachen konnte, sagte mir, dass ich den Sinn für diese Ordnung noch nicht ganz verloren hatte, so unordentlich es in meinem Kopf damals auch aussehen mochte.
Mein Vater war Botaniker. In meiner Kindheit hielt er sich die Samstagnachmittage für mich frei, und oft wanderten wir dann durch den Wald und über Stock und Stein. Er nannte die Pflanzen, die wir fanden, bei ihren zweiteiligen lateinischen Namen und erklärte mir ihre Eigenarten. Die Namen waren zu schwierig für mich, aber ich begriff, dass Pflanzen Namen haben, die ihre verwandtschaftlichen Beziehungen beschreiben, und das fand ich schon mit sechs Jahren schön und interessant.
Nachdem ich also Borges’ Liste gelesen hatte, wandte ich mich Linné zu. Welche Defizite der Mann als Wissenschaftler auch gehabt haben mag – er hat uns ein wunderbares Instrument zur Erfassung der Vielfalt in der Welt an die Hand gegeben. Das erste Wort in der von ihm geschaffenen binären Nomenklatur bezeichnet jeweils die Gattung und fasst verschiedene Pflanzen zusammen, die eine Reihe von Merkmalen gemeinsam haben; das zweite Wort definiert die Art oder Spezies, also Pflanzen, die einander so ähnlich sind, dass sie regelmäßig miteinander Nachkommen zeugen, die so aussehen wie sie selbst. Diese Struktur hilft uns verstehen und macht deutlich, wie sich Teile der Welt ineinanderfügen.
Ich kann kein Latein, doch als ich anfing zu botanisieren und die Pflanzen um mich herum bei ihren lateinischen Namen zu nennen, lenkte mich dieses geistreiche System von meiner eigenen Geistesarmut ab.
Commelina virginica, die altbekannte Tagblume, ist ein wucherndes Kraut, dessen blaue Blüten ungleiche Kelchblätter haben, zwei davon auffällig und gerundet, das dritte kaum erkennbar. Nachdem ich sie als jene besondere Commelina identifiziert hatte, die nach einem in Virginia gefundenen Exemplar benannt ist, las ich in einem meiner Handbücher – es stammte aus einer Zeit, als man noch nicht glaubte, langweilig sein zu müssen, um ernstgenommen zu werden – Folgendes:
Der wunderbare Linnaeus, der stets einen Scherz auf den Lippen hatte, nannte die Tagblumen nach den Brüdern Commelyn, drei niederländischen Botanikern, von denen zwei – die auffälligen blauen Blütenblätter – ihre Arbeiten veröffentlichten, während der dritte aus Mangel an Fleiß und Ehrgeiz so unscheinbar blieb wie das weißliche dritte Blütenblatt.
In den Wäldern wächst ein Baum mit glänzenden ovalen Blättern, die sich im Herbst, manchmal auch schon gegen Ende des Sommers, leuchtend rot färben. Im Juni trägt er kleine Dolden weißer Blüten, die bei Bienen sehr beliebt sind, später dann blaue Früchte, an denen sich Hüttensänger und Wanderdrosseln laben. Es ist ein Tupelobaum, hier in der Gegend auch black-gum oder sour-gum genannt. Aus meiner Kindheit in Michigan kenne ich ihn unter dem Namen pepperidge, sein botanischer Name lautet Nyssa sylvatica. Die Tupelobäume sind also in der Gattung Nyssa zusammengefasst, deren Name sich von den Nyseiden herleitet, den Nymphen des Berges Nysa, die das Kind Dionysos aufzogen. Sylvatica bedeutet »aus dem Wald«. Nyssa sylvatica, ein wilder, ungezähmter Name. Im Alter oft hohl, dienten die Bäume den ersten amerikanischen Siedlern als Bienenstöcke. Sie sägten den Stamm in Stücke, versahen die Abschnitte mit einem Deckel und setzten die Bienenschwärme, die sie fanden, hinein. Noch heute werden Bienenstöcke manchmal gums genannt, eine unbewusste Reminiszenz an den volkstümlichen Namen des Baumes. Später wurden die hohlen Stämme auch als Rohre für den Transport von Salzwasser zu den Salinen von Syracuse benutzt. Diese Holzrohre ließen sich ohne Verwendung von Eisenbändern, die ja rosteten, miteinander verbinden.
Ich botanisierte wie wild in dieser schwierigen Zeit. Täglich lernte ich neue Pflanzen mit ihren lateinischen Namen kennen. Ich wanderte im Winter durch die Wälder – zu viel mehr war ich nicht zu gebrauchen – und untersuchte die Rinde kahler Bäume. Als im Frühling die Blumen aufblühten, nahm ich meine Pflanzenführer mit hinaus und trug Standort, Gestalt und Blütezeit der Pflanzen in ein dickes Notizbuch ein. Mein Gehirn war aus der Übung und völlig überlastet, so musste ich alles aufschreiben.
Eines Frühlingsnachmittags holte ich die Post aus dem Kasten, und als ich wieder in meiner Hütte war, hatte ich zwei schöne neue Blumen nachzuschlagen. Der Zug der Waldsänger hatte begonnen, und auf dem Rückweg beobachtete ich sie durch das Fernglas und entdeckte einen, den ich noch nie gesehen hatte. Die Sonne schien schräg durch das junge Laub, und die Luft duftete nach Später Traubenkirsche (Prunus serotina: Prunus – Pflaume, serotina – spät blühend), in deren Blüten meine Bienen emsig werkelten. Ich blieb in dem Sonnenstreifen stehen und beobachtete sie. Die Welt schien sich, ohne dass ich es wahrgenommen hatte, wunderbar weitergedreht zu haben. Still und dankbar stellte ich fest, dass der Teil von mir, der irgendwoanders seinen Kummer und Schmerz genährt hatte, zurückgekehrt war. Ich war wieder bei mir.
Im Haus tat ich dann all die Dinge, die man tut, wenn man wieder bei sich ist. Ich räumte meinen Schreibtisch auf und beantwortete die Nachrichten, die andere mir hinterlassen hatten. Ich war lange Zeit fort gewesen, und so hatte ich einiges zu erledigen, ehe ich mich an die Arbeit machen konnte, die den Nachmittag meines Lebens bestimmen würde: Ich musste eine neue Ordnung schaffen, eine Struktur, mit der eine Frau von fünfzig ihr Leben allein meistern kann, im Frieden mit sich selbst und der Welt um sie herum.
Vor ein paar Jahren saß ich an einem Frühlingsabend in dem braunen Ledersessel im Wohnzimmer, las Zeitung und war mit mir und der Welt zufrieden, als ich plötzlich merkte, dass ich nicht mehr allein war. Ich schaute auf: Meine drei raumhohen Fenster waren voller Frösche.
Es waren Hunderte: zollgroße Fröschchen mit hauchdünnen Schwimmhäuten und fingerartigen Zehen, mit deren Saugnäpfen sie an den glatten Flächen hafteten. Nach der Form ihrer Zehen, ihrer Größe und den hellen Bäuchen zu schließen, mussten es Wasserpfeifer sein. Hyla crucifer. Ich ging hinaus, um sie näher in Augenschein zu nehmen, musste aber aufpassen, wohin ich die Füße setzte, denn im Gras vor den Fenstern wimmelte es nur so von Fröschen, die geduldig darauf warteten, die erleuchteten Fenster zu erklimmen. Tatsächlich hatte jedes der braunrosa Tiere die dunkle Kreuzzeichnung auf dem Rücken, der die Spezies ihren wissenschaftlichen Namen verdankt. Dass sie vom Licht angelockt werden, war mir neu.
Ich ließ meine Zeitung Zeitung sein und brachte den Abend damit zu, die Gesellschaft zu beobachten. Sie kletterten kaum über die Fensterrahmen hinaus und saßen an Scheiben und Profilen, als könnten sie sich nicht entscheiden, was als Nächstes zu tun sei. Am folgenden Morgen waren sie verschwunden, und ich habe sie seitdem nie wieder an den Fenstern gesehen. Ein eigenartiges Verhalten.
Es waren stumme Fensterkletterer; Wasserpfeifer bemerkt man gewöhnlich nur gegen Ende des Winters, im Februar, wenn ihre schrillen, einem Pfeifen ähnlichen Paarungsrufe von dem Teich oben in der Wiese herabtönen. Die Männchen erzeugen diese Rufe, indem sie Maul und Nasenöffnungen schließen und Luft aus der Lunge über die Stimmbänder ins Maul und anschließend über die Stimmbänder wieder zurück in die Lunge pressen. Der Laut lockt die Weibchen an den Weiher, und sobald sie im Wasser sind, umklammern die Männchen sie und platzieren ihre Kloake genau über derjenigen der Weibchen. Die Weibchen setzen dann den Laich ab, und die Männchen befruchten ihn.
Sie ist eine gesellige Angelegenheit, diese Froschpaarung, und die Frösche sind so zahlreich und ihre Rufe so schrill und durchdringend, dass ich abends gern zum Teich hinaufgehe und diesem für den Menschen so erheiternden und zugleich seltsam aufwühlenden Chor lausche. Eines Abends war ich mit einem Freund dort oben, und wir saßen lange am Ufer. Jede Unterhaltung wäre unpassend und ohnehin unmöglich gewesen. Das Froschkonzert hüllte uns ganz ein, füllte uns aus, hallte mit hysterisch-schriller Eindringlichkeit wider, vertrieb jeden konzentrierten Gedanken aus unseren Köpfen und zwang uns, Laute nicht nur zu hören, sondern auch zu fühlen.
Als wir uns auf dem Rückweg zu meiner Hütte darüber unterhielten, stellten wir verblüfft fest, dass wir uns unabhängig voneinander beide gefragt hatten, ob es sich so anfühlt, wenn man den Verstand verliert.
Ein etwas größerer Verwandter des Wasserpfeifers aus derselben Gattung ist der Graue Laubfrosch, der sich über die Sommermonate oft in meinen Bienenstöcken einnistet. Die Frösche hängen unter der Wetterschutzabdeckung des Stockes, und wenn ich die Abdeckung hochhebe, lassen sie sich ganz ohne Eile auf den inneren Deckel plumpsen und sehen mich ruhig an.
Sie sind von einem angenehm weichen Graugrün mit dunkleren moosgrünen Flecken, und wenn sie in einem Baum sitzen, sehen sie aus wie ein Stück flechtenüberzogener Rinde. Mit dieser im Zuge der Evolution entstandenen wunderbar erfolgreichen Tarnfärbung ist der Graue Laubfrosch in brenzligen Situationen am sichersten, wenn er stillhält und so tut, als sei er tatsächlich ein Stück Rinde. Auf dem weißen inneren Deckel des Bienenstocks nützt ihm seine Tarnung allerdings herzlich wenig, aber das weiß er natürlich nicht, und da er nicht gelernt hat, dass es von Nutzen sein kann, weithin sichtbar davonzuhüpfen, bleibt er sitzen und beäugt mich, so kommt es mir vor, mit einer Mischung aus Eitelkeit und trotziger Rechthaberei.
Als ich gestern Abend im Bett lag und las, spürte ich ein kaum vernehmbares leichtes Plopp neben mir. Ich spähte über meine Brille hinweg und erblickte einen stattlichen dicken Grauen Laubfrosch, der mich prüfend ansah. Wir musterten einander eine ganze Weile, der Frosch sichtlich gelassen, dann nahm ich ihn auf, trug ihn zur Hintertür hinaus und setzte ihn in den Hickorybaum. Selbst in meinen Händen bewegte er sich kaum, und auch im Baum blieb er still sitzen und verschmolz aufs Schönste mit der Rinde. Ein gleichmütiger Frosch.
Die Fensterbänke in meinem Schlafzimmer sind verrottet, und er hatte vermutlich ein Loch gefunden, durch das er hereingeschlüpft war. Ich fragte mich, ob nicht noch Freunde von ihm dabei gewesen waren, schaute unters Bett und entdeckte dort drei weitere Graue Laubfrösche, jeder womöglich ein verwunschener Prinz. Dessen ungeachtet beförderte ich sie alle in den Hickorybaum.
Ich erinnerte mich vage, dass ich als Kind in der Sonntagsschule einmal etwas von einer Froschplage gehört hatte, und so nahm ich meine Bibel aus dem Regal und machte es mir wieder im Bett bequem. Ich fand die Geschichte im Exodus. Es handelte sich um eine der Plagen, die Gott dem Pharao sandte, auf dass er die Juden aus Ägypten ausziehen lasse.
Da sprach der Herr zu Mose: Geh hin zum Pharao und sage zu ihm: So spricht der Herr: Lass mein Volk ziehen, dass es mir diene! Wenn du dich aber weigerst, siehe, so will ich dein ganzes Gebiet mit Fröschen plagen, dass der Nil von Fröschen wimmeln soll. Die sollen heraufkriechen und in dein Haus kommen, in deine Schlafkammer, auf dein Bett …
Wie aufregend: Mein Abend hatte eine ausgesprochen biblische Färbung angenommen. Ich las von einer Froschplage, und ich hatte mit den Wasserpfeifern an meinen Wohnzimmerfenstern selbst eine erlebt. Beide Plagen gefielen mir, dem Pharao dagegen weniger. Wie der Verfasser des Exodus berichtet, peinigten ihn die Frösche in seinem Bett, und er rief Moses zu sich und sagte:
Bittet den Herrn für mich, dass er die Frösche von mir und von meinem Volk nehme, so will ich das Volk ziehen lassen, dass es dem Herrn opfere.
Ein pingeliger Mensch, dieser Pharao, und einer mit ziemlich schwachen Nerven.
Ich kannte einmal einen Sumpffrosch, Rana palustris, der hätte den Pharao eines anderen belehren können. Er war ein reizendes Geschöpf, sehr hübsch, gräulich mit rechteckigen dunklen Flecken, die Innenseiten der Beine leuchtend gelb. Er wohnte einen ganzen Sommer lang in meiner Scheune. Ich fand ihn eines Morgens, als er sich den Aufmerksamkeiten des Katers und der Hunde zu entziehen suchte. Sein rechter Vorderfuß fehlte; der Stumpf war zwar vollständig verheilt, aber der Frosch konnte nur schief und unbeholfen hüpfen. In der Annahme, er sei besser dran, wenn er sein Glück in freier Wildbahn versuchte, trug ich ihn zum Weiher hinaus und setzte ihn dort unter das schützende Brombeerdickicht. Am nächsten Tag aber fand ich ihn wieder in der Scheune – er war die ganze Strecke von der Länge eines Fußballfelds zurückgehüpft. Da ließ ich ihn bleiben, gab ihm Wasser und fing ihm ein paar Fliegen.
Den ganzen Sommer über versorgte ich ihn mit frischem Wasser, jagte Fliegen für ihn und passte auf, dass ihm nichts zustieß. Sumpffrösche leben manchmal in Höhlen, und ich fragte mich, ob das gedämpfte Licht in der Scheune und der kühle Betonboden ihn in dem Glauben wiegten, er habe eine Höhle mit besonders gutem Service entdeckt. Der Teil der Scheune, in dem er wohnte, dient als Durchgang zu meinem Schleuderraum, und bald war der Frosch ein gewohnter Anblick für mich. Nach einiger Zeit sah ich in ihm sogar so etwas wie einen Schutzgeist, einen Hüter des Honighauses, den Penaten Melissus sozusagen.
Eines Tages aber kam der Mann von der Lebensmittelkontrolle zu seiner jährlichen Inspektion. Er ist wie der Pharao ein pingeliger Mann. Einmal hat er mir Schwierigkeiten gemacht, weil er im Schleuderraum ein paar verirrte Honigbienen fand. Bienen, so erklärte er mir geduldig, seien Insekten, und laut Vorschrift seien Insekten in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb unzulässig. Ich wies ihn – nicht ganz so geduldig vielleicht – darauf hin, dass diese Insekten das Lebensmittel selbst erzeugten und sich bis zu dem Moment, da ich es ihnen wegnähme, in ständigem engem Kontakt damit befänden. Schließlich gab er, sichtlich widerstrebend, klein bei. Ich wusste nun nicht, wie er auf den Sumpffrosch reagieren würde, der bei seinem Wasserschälchen und einem Schraubdeckel voller toter Fliegen vor dem Honighaus hockte. Doch der Kontrolleur ist ein dynamischer Mann, er ging dynamisch an dem Frosch vorbei und bemerkte ihn gar nicht.
Vor Jahren habe ich in einem Biologie-Einführungskurs einen Frosch seziert, habe sorgfältig die Muskeln beiseitegelegt, die Nervenstränge verfolgt und die Organe bestimmt. Ich erinnere mich noch, wie zufrieden ich mit mir war, als ich den Kadaver wegwarf. Ich wusste nun alles über Frösche und konnte mich daranmachen, meine restlichen paar Wissenslücken zu füllen. Damals war ich so selbstherrlich wie ein Grauer Laubfrosch auf dem weißen Deckel eines Bienenstocks.
In den Jahren danach, ehe ich in die Ozarks zog, führte auch ich ein dynamisches Leben. Ich hatte zwar keinen Grund, daran zu zweifeln, dass ich nach wie vor alles über Frösche wusste, aber ich verschwendete wohl auch nie einen Gedanken an sie, denn wie der Kontrolleur sah ich keine.
Heute gibt es in meinem Leben Frösche in Hülle und Fülle, und das beglückt mich, aber so eingenommen von mir bin ich heute nicht. Zum einen ist mein Leben nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte, zum anderen bilde ich mir nicht mehr ein, über irgendetwas alles zu wissen. Von Fröschen beispielsweise habe ich keine Ahnung, und besonders klar wird mir das, wenn sie meine Fenster besetzen, in mein Bett springen oder meinen Schutz benötigen.
Ich seziere keine Frösche mehr, und ich lese mehr Lyrik als mit zwanzig. Vor kurzem stieß ich auf ein Haiku über die Natur, der von einem unbekannten Japaner stammt. Gerade habe ich ihn abgeschrieben und über meinem Schreibtisch an die Wand gehängt:
Fremd ist mir, was hier wohnt
Tränen fließen vor Dankbarkeit und Demut.
Meine dreihundert Bienenstöcke stehen über die Hügel des südlichen Missouri verteilt auf Weideflächen oder am Rand von Waldparzellen der Farmer. Als Miete bekommen die Farmer jährlich vier Liter Honig von mir, aber den meisten sind die Bienen ohnehin willkommen, weil sie ihr Obst und Gemüse und den Klee auf ihren Weiden bestäuben.
Bienen fliegen auf der Suche nach Nektar drei Kilometer weit, zum Teil noch weiter. Ich habe einmal ausgerechnet, dass die achtzehn Millionen Bienen aus meinen Stöcken zweieinhalbtausend Quadratkilometer des Ozarkplateaus überfliegen. Im Frühjahr bin ich fast ausschließlich damit beschäftigt, zu den Trachtgebieten zu fahren, die Bienenvölker zu kontrollieren und sie für die großen Nektarströme vorzubereiten, aus denen sie den Honig machen.
Den Honig bringe ich dann mit einem Kleinlaster zu den Abnehmern, für diese Arbeit benutze ich einen wackeren roten 1954er Chevy-Halfton-Pick-up. Er heißt »Augen zu und durch«, weil er auf vieles von dem, was gemeinhin als automobile Notwendigkeit gilt, verzichtet und trotzdem läuft und läuft. Der Pick-up und ich haben einiges an Widrigkeiten überstanden, wir haben Matsch und schwere Zeiten durchgemacht, und ich hege und pflege ihn sorgfältig.
Heute war es kalt und regnerisch, kein gutes Wetter für die Bienenarbeit, und so nahm ich mir den Pick-up vor. Ich ging in die Scheune hinaus, in deren mittlerem Teil er steht, machte Feuer in dem Holzofen dort und stellte den Radiosender der hundertdreißig Kilometer entfernten Universität ein. Man versprach mir Albinonis Konzert C-Dur für zwei Oboen und Streicher, und ich begann die Lebenssäfte des Pick-ups zu kontrollieren. Das Getriebeöl war in Ordnung, aber ich musste eine halbe Dose Bremsflüssigkeit in den Hauptbremszylinder füllen. Das Öl musste gewechselt werden, und während ich es abließ, bockte ich den Wagen vorn auf, rollte auf meinem Rollbrett darunter und schmierte die vorderen Teile, wobei mir ständig Schmutz und Fett in die Augen fielen. Mein Pick-up hat zwanzig Schmierpunkte, und die müssen bei einem so alten Fahrzeug ziemlich oft geschmiert werden.
Während ich also auf dem Rollbrett lag und Albinoni durch mein Gehirn wogte, entdeckte ich, dass ich den Stoßdämpfer hinten rechts vernachlässigt hatte. Er war gebrochen, und auch seine Halterung hatte sich gelöst. Ich füllte gut vier Liter frisches Öl in das Kurbelgehäuse, wendete den Wagen, prüfte den Ölstand der Hinterachse und bockte ihn dann auf, um die hinteren Federn zu schmieren. Dann wechselte ich den Startknopf über der Anlassereinheit aus. Der Fußstarter hatte sich in letzter Zeit störrisch gezeigt, und mein Nachbar Ermon, ein Mechaniker, der auf der anderen Seite der Talmulde wohnt, hatte mir gesagt, er müsse ausgetauscht werden. Er hatte mir erklärt, wie man das macht, und der alte Startknopf ließ sich auch mühelos herausnehmen. Doch den neuen hineinzuschrauben, über dem Kotflügel hängend, die Fingerspitzen gegen den Motorblock gestemmt, war Schwerarbeit; ich hatte Albinoni und auch Mozart und Beethoven längst hinter mir und war bereits bei den Romantikern angelangt, als ich es endlich geschafft hatte. Wie der Mechaniker mit seinen dicken Fingern das nur so flink hinbekam.
Als ich fertig war, zog ich meinen verschmierten Overall aus, wie immer erfreut und auch ein wenig überrascht, so sauber daraus aufzutauchen, dass ich in einem Wohnzimmer Gäste hätte empfangen können.
Das Wetter war inzwischen noch immer nicht gut genug für die Bienenarbeit, und so fuhr ich in die Stadt, um Besorgungen zu machen. Im Autoersatzteilladen kaufte ich neue Stoßdämpfer und ging dann zu meinem Lieblingsschrottplatz hinüber, weil ich ein Kardangelenk brauchte. Die Strecken, die ich fahre, setzen Kardangelenken schwer zu, und als das letzte Mal eines brach, baute mir mein Mechanikernachbar das einzige ein, das er noch hatte, und meinte, ich solle mir noch ein zweites besorgen und es als Reserve ins Handschuhfach legen.
Der Schrotthändler ist ein Freund von mir, und ich wusste, dass der Kauf einige Zeit in Anspruch nehmen würde, was uns beiden an einem solchen Regentag aber nur recht sein konnte. Als ich kam, war er gerade dabei, einen Schrott-Pontiac mit dem Schneidbrenner in verwertbare Einzelteile zu zerlegen. An seine Werkbank gelehnt wartete ich, bis er mit einem Schnitt zu Ende war. Schließlich schob er seine Schutzbrille zurück und nickte mir zu. Er schenkte erst mir, dann sich selbst eine Tasse Kaffee ein, und wir redeten über das Wetter, das Für und Wider des Regens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dann wollte er wissen, was ich bräuchte. Ein Kardangelenk für meinen Chevy? Nein, solche alten Pick-ups kämen heutzutage kaum noch rein, und wenn, dann seien die guten Teile immer schon ausgebaut.
1934