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N. Bernhardt

Der Hexer von Hymal, Buch XVI: Kein Weg zurück

Fantasy Made in Germany

N. Bernhardt

Der Hexer von Hymal, Buch XVI: Kein Weg zurück

Fantasy Made in Germany

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
2. Auflage, ISBN 978-3-954186-77-8

null-papier.de/335

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Ent­kom­men, aber wem?

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wis­sen und Ohn­macht

Drit­tes Ka­pi­tel: End­lich kon­kre­te Plä­ne

Vier­tes Ka­pi­tel: Ein neu­er Ver­bün­de­ter?

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die Ka­ra­wa­ne nach Dho­bar

Sechs­tes Ka­pi­tel: Zu Fuß nach Nor­den

Sieb­tes Ka­pi­tel: Die Stadt im Eis

Aus­blick

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Den selt­sa­men Jün­gern kann Nik­ko ge­ra­de so ent­kom­men, doch scheint hin­ter dem Kult mehr zu ste­cken als zu­nächst an­ge­nom­men. Viel Zeit, sich dar­um zu küm­mern, bleibt dem jun­gen Zau­be­rer al­ler­dings nicht. Es gibt schließ­lich Wich­ti­ge­res zu tun!

Nik­ko muss end­lich den Eis­dra­chen fin­den und in die Schlacht um Hy­mal füh­ren. Die Rei­se in den ho­hen Nor­den stellt sich je­doch als be­schwer­lich her­aus. We­nigs­tens kann sich der Ma­gier da­bei auf einen al­ten Freund ver­las­sen.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Entkommen, aber wem?

Wie­der ein­mal hat­te ein Sprung in die blaue Di­men­si­on Nik­ko ge­ret­tet, ob­wohl er wohl noch nie in so großer Ge­fahr ge­schwebt hat­te. Je­den­falls fürs Ers­te war er nun si­cher. Hof­fent­lich wür­de sich dar­an so schnell nichts än­dern.

Ohne lan­ge nach­zu­den­ken, hat­te der Zau­be­rer sich in die­se skur­ri­le Welt ver­setzt, so­bald er er­kannt hat­te, dass sein Feu­er­ball nicht alle Kul­tan­hän­ger ver­nich­tet hat­te. Es war all­zu of­fen­sicht­lich, dass die in Rot ge­klei­de­ten Kul­tis­ten nicht etwa nur Glück ge­habt hat­ten, son­dern auf ir­gend­ei­ne Art und Wei­se vor dem Feu­er und der Ex­plo­si­on sei­nes Zau­bers ge­schützt wur­den.

Nik­ko hat­te je­doch kei­ne Zeit ge­habt, län­ger dar­über nach­zu­den­ken, wie die Hä­scher den Flam­men hat­ten ent­kom­men kön­nen. Auch jetzt, als er durch die im blau­en Licht die­ser Welt wa­bern­den Gän­ge des Or­dens­ka­pi­tels eil­te und wie­der ein­mal von den hier hei­mi­schen Sil­ber­schlan­gen ver­folgt wur­de, hat­te er kei­ne all­zu große Muße dazu.

Ver­fluch­te Bies­ter! Noch hiel­ten sei­ne Schil­de den bös­ar­ti­gen Bis­sen der Schlan­gen stand, die ohne Un­ter­lass nach ihm schnapp­ten. Es muss­ten be­reits Hun­der­te sein, doch ka­men aus al­len Rich­tun­gen mehr und mehr der läs­ti­gen Vie­cher hin­zu!

Nik­ko er­in­ner­te sich nun wie­der dar­an, warum er nur so sel­ten in die blaue Di­men­si­on reis­te. Den­noch, von sei­nen mensch­li­chen Ver­fol­gern war hier nichts mehr zu se­hen. Die Tor­tur hat­te sich also ge­lohnt.

Es wur­den im­mer mehr Schlan­gen und sei­ne Schil­de wür­den viel­leicht nicht mehr lan­ge hal­ten. Es war also höchs­te Zeit, sei­ne Flucht zu vollen­den. Aber wo­hin soll­te er nun ge­hen?

Am bes­ten wäre es wohl, di­rekt zum Tele­por­traum des Or­dens zu ei­len und sich von dort aus so­fort zu­rück nach Hal­fuár zu tele­por­tie­ren. Aber wür­den sei­ne Ver­fol­ger die­sen Schritt nicht er­war­ten? Wür­den sie ihm im Tele­por­traum etwa schon auf­lau­ern?

Ver­dammt! Nik­ko war von den Er­eig­nis­sen noch im­mer viel zu ver­wirrt, um einen kla­ren Ge­dan­ken fas­sen zu kön­nen. Was war hier nur los? Das konn­te doch al­les nicht wahr sein!

Nein, nein. Der Tele­por­traum war viel zu un­si­cher, zu­mal dort auch die Ge­fahr be­stand, dass die Kul­tis­ten ihn heim­lich be­ob­ach­ten und da­bei viel­leicht so­gar das Tele­port­mus­ter für Hal­fuár mit­be­kom­men könn­ten. Dann wäre er zu­künf­tig so­gar in sei­ner Hei­mat nicht mehr si­cher.

Un­sinn! Die Ty­pen wa­ren doch kei­ne Zau­be­rer. Wie soll­ten sie als Lai­en die kom­pli­zier­ten Mus­ter ei­ner Tele­por­ta­ti­on er­ken­nen kön­nen und dann auch noch ver­ste­hen? Das er­gab doch al­les gar kei­nen Sinn!

Oh je, der jun­ge Ma­gier muss­te sich ein­ge­ste­hen, dass er mit der Lage völ­lig über­for­dert war. Sei­ne Ver­fol­ger konn­te er nicht an­satz­wei­se gut ge­nug ein­schät­zen, um in all der Hek­tik ent­schei­den zu kön­nen, wie er am klügs­ten vor­ge­hen soll­te. Nur ei­nes war klar, je mehr Vor­sicht er wal­ten ließ, de­sto bes­ser!

Da wäre es wohl doch am schlaus­ten, einen wei­ten Bo­gen um den Tele­por­traum zu ma­chen - nur so zur Si­cher­heit. Nik­ko konn­te sich be­stimmt auch von hier aus di­rekt nach Hal­fuár tele­por­tie­ren. Das hie­ße zwar, einen Feld­tele­port mit gleich­zei­ti­gem Di­men­si­onss­prung zu ver­bin­den, aber warum ei­gent­lich nicht?

Viel mehr Zeit zum Nach­den­ken blieb dem jun­gen Meis­ter oh­ne­hin nicht. Mitt­ler­wei­le wa­ren es ver­mut­lich schon Tau­sen­de von Schlan­gen, die von al­len Sei­ten gie­rig nach ihm schnapp­ten und sei­ne Schil­de mit je­dem Biss schwäch­ten. Es war nur noch eine Fra­ge der Zeit, bis die­se auf­ge­braucht wä­ren. Was dann pas­sie­ren wür­de, woll­te Nik­ko sich lie­ber gar nicht erst aus­ma­len.

Es war gar nicht so leicht, sich in die­ser Si­tua­ti­on auf den Feld­tele­port zu kon­zen­trie­ren. Die Schlan­gen wa­ren ja schon läs­tig ge­nug, doch die große Un­ge­wiss­heit we­gen sei­ner an­de­ren Ver­fol­ger mach­te die Sa­che nicht un­be­dingt leich­ter, auch wenn von de­nen noch im­mer nichts zu se­hen war. Trotz­dem ge­lang es Nik­ko letzt­lich, den Tele­port zu vollen­den. Die paar Dut­zend Sil­ber­schlan­gen, die er aus Ver­se­hen mit sich tele­por­tiert hat­te, über­leb­ten die Rei­se nicht lan­ge. Wie da­mals, als er die Be­woh­ner der blau­en Di­men­si­on zum Zwe­cke des Stu­di­ums in die Wirk­lich­keit be­schwo­ren hat­te, ver­gin­gen sie auch dies­mal bin­nen we­ni­ger Au­gen­bli­cke, ohne dass der Ma­gier auch nur das ge­rings­te Mit­leid für sie emp­fand.

Nach ei­ni­gen tie­fen Atem­zü­gen wur­de sich Nik­ko schließ­lich be­wusst, dass er es end­lich ge­schafft hat­te. Er war zu­rück im Tele­por­traum von Hal­fuár, in der Si­cher­heit sei­nes ei­ge­nen Heims. Mit ei­ni­ger Er­leich­te­rung stell­te er fest, dass hier tat­säch­lich noch kei­ne Kul­tis­ten auf ihn lau­er­ten.

Erst ei­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter er­kann­te er, wie ab­we­gig die­ser Ge­dan­ke war. Wo­her hät­ten die Jün­ger des Ge­salb­ten denn so schnell kom­men sol­len? Trotz­dem war er froh, der Ge­fahr erst ein­mal ent­ron­nen zu sein. Egal was nun käme, jetzt hat­te er mehr Zeit, um über al­les ge­nau­er nach­zu­den­ken. Ir­gend­ei­ne sinn­vol­le Er­klä­rung muss­te es für die mehr als selt­sa­men Ge­scheh­nis­se in Zun­daj doch ge­ben!

Be­vor der Zau­be­rer sich dar­über Ge­dan­ken ma­chen wür­de, woll­te er je­doch erst ein­mal den Schlaf der gest­ri­gen Nacht nach­ho­len. Die­se hat­te er ja nicht nur mit sei­ner auf­re­gen­den Flucht ver­bracht, son­dern vor­her auch da­mit, wie­der ein­mal die Biblio­thek des Or­dens zu plün­dern. Die Biblio­thek? Ver­flucht! Er hat­te die aus­ge­wähl­ten Bü­cher doch in ir­gend­ei­ner Ecke de­po­niert, um schnel­ler nach­zu­schau­en zu kön­nen, wo­her der plötz­li­che Lärm kam. In dem an­schlie­ßen­den Durchein­an­der hat­te er dann völ­lig ver­ges­sen, sie wie­der auf­zu­le­sen. Naja, wer konn­te ihm das schon ver­übeln?

Mit ei­nem lan­gen Seuf­zen schlich Nik­ko kopf­schüt­telnd die Wen­del­trep­pe hin­auf, um sich in sein Bett zu ver­krie­chen. Jetzt brauch­te er erst ein­mal eine ge­hö­ri­ge Por­ti­on Schlaf.

Be­reits nach kur­z­er Zeit hat­te Nik­ko es auf­ge­ge­ben, in sei­nem Bett zur Ruhe zu kom­men. Er war von den Ge­scheh­nis­sen der ver­gan­ge­nen Stun­den wohl doch noch viel zu auf­ge­wühlt, um Schlaf fin­den zu kön­nen. So hat­te der Zau­be­rer sei­ne Mü­dig­keit mit ei­ner aus­gie­bi­gen Me­di­ta­ti­on in der Kraft be­kämpft. Durchaus er­folg­reich.

Nach dem stun­den­lan­ge Bad in der Kraft war es nun be­reits Vor­mit­tag. Hun­ger hat­te Nik­ko trotz­dem kei­nen, da die lan­ge Me­di­ta­ti­on ihn bis in die Ze­hen­spit­zen mit Ener­gie ge­la­den hat­te. In die­sem Zu­stand noch an­hal­ten­der Beun­ru­hi­gung hät­te er aber oh­ne­hin kaum einen Bis­sen hin­un­ter­be­kom­men.

Nach ei­ni­gen tie­fen Atem­zü­gen be­gann sich das bis­he­ri­ges Ge­fühl ei­ner dif­fu­sen Be­dro­hung lang­sam in kon­kre­te Be­fürch­tun­gen zu wan­deln, zu de­nen sich bald auch vie­le ver­schie­de­ne Fra­gen ge­sell­ten.

Was war ei­gent­lich aus Pe­ryn­dor ge­wor­den, und was aus die­sem Meis­ter Makûl? Hat­ten die so­ge­nann­ten Jün­ger die bei­den Ma­gier etwa er­wi­scht? Makûl war ihm da­bei im Grun­de egal, ob­wohl er dem ab­ge­setz­ten Hof­zau­be­rer na­tür­lich kein üb­les Ende wünsch­te. Pe­ryn­dors Tod wäre für den Ma­gier hin­ge­gen ein her­ber Ver­lust.

Es war dar­über hin­aus ein großes Rät­sel, wie die in Rot ge­klei­de­ten Ker­le sei­nen Feu­er­bäl­len hat­ten wi­der­ste­hen kön­nen. Es sei denn … Ja, sie muss­ten wohl selbst über ma­gi­sche Schutz­schil­de ver­fü­gen, die ih­nen ver­mut­lich die­se We­sen­heit ver­lie­hen hat­te, da­mit sie es mit den Zau­be­rern auf­neh­men konn­ten.

Ein lau­tes »Wo seid Ihr denn?« dröhn­te plötz­lich in Nik­kos Kopf und riss ihn aus sei­nen Ge­dan­ken. Das konn­te doch nur der Groß­meis­ter sein. Hat­te er also über­lebt?

»In Hal­fuár«, ant­wor­te­te Nik­ko te­le­pa­thisch, be­vor er über­haupt dar­über nach­den­ken konn­te, ob er dem Al­ten nicht lie­ber eine Aus­re­de auf­ti­schen soll­te.

»Kommt schnell zum Tele­por­traum des Or­dens«, er­wi­der­te Pe­ryn­dor. »Wir soll­ten als­bald ab­rei­sen.«

»Ist Meis­ter Makûl denn auch da?«, woll­te Nik­ko wis­sen.

»Noch nicht«, ant­wor­te­te der Alte. »Ich konn­te ihn bis­her nicht er­rei­chen.«

»Vi­el­leicht ha­ben sie ihn ja doch er­wi­scht?«, sorg­te sich der jun­ge Zau­be­rer.

»Wer soll ihn denn er­wi­scht ha­ben?«, dröhn­te es zu­rück.

»Die­se Jün­ger ha­ben heu­te Mor­gen den Or­dens­sitz an­ge­grif­fen«, er­klär­te Nik­ko. »Ich selbst bin ih­nen nur mit knap­per Not ent­kom­men.«

»Wie bit­te?«, er­wi­der­te der Groß­meis­ter und schnauz­te: »Wa­rum er­fah­re ich erst jetzt da­von?« Be­vor Nik­ko sich eine Ant­wort zu­recht lü­gen konn­te, mein­te er schließ­lich: »Bleibt in Hal­fuár. Ich kom­me so­fort dort­hin, dann be­re­den wir die Sa­che in al­ler Ruhe.«

Viel Zeit dar­über nach­zu­den­ken, was er von dem plötz­li­chen Be­such des Al­ten in Hal­fuár hal­ten soll­te, war Nik­ko nicht ver­gönnt ge­we­sen, denn schon we­ni­ge Mi­nu­ten nach der An­kün­di­gung des Groß­meis­ters, hör­te der jun­ge Zau­be­rer die­sen schnau­fend die Wen­del­trep­pen em­por­stei­gen. Von den vie­len Aus­re­den und Er­klä­run­gen, die er für das dro­hen­de Ge­spräch wohl brau­chen wür­de, hat­te er auch noch kei­ne pa­rat.

Als Pe­ryn­dor die Stu­fen letzt­lich er­klom­men hat­te und grim­mig schau­end in die Biblio­thek trat, war sich Nik­ko auf ein­mal si­cher, dass er den Al­ten als­bald wie­der los­wer­den soll­te. Nicht nur hat­te er ei­ge­ne Plä­ne, bei de­nen ihm der Groß­meis­ter wohl nur im Weg wäre, au­ßer­dem be­stand ja auch die Mög­lich­keit, dass ge­ra­de Pe­ryn­dor un­ter je­nen Zau­be­rern war, auf die es die Kul­tis­ten am meis­ten ab­ge­se­hen hat­ten. Im Ge­gen­satz zu Nik­ko war das Ge­sicht des Al­ten in Zun­daj wohl­be­kannt, ver­mut­lich so­gar im gan­zen Reich. Pe­ryn­dors An­we­sen­heit auf Hal­fuár könn­te also auch Nik­ko in große Ge­fahr brin­gen.

»Also Meis­ter, dann er­klärt mir doch ein­mal, was Ihr da vor­hin ge­meint habt«, keuch­te der Alte, der die ver­gan­ge­ne Nacht of­fen­bar nicht im Or­dens­ka­pi­tel son­dern in sei­ner Re­si­denz ver­bracht hat­te.

»Ich hat­te bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den in der Biblio­thek … ge­le­sen«, be­rich­te­te Nik­ko. »Ir­gend­wann hör­te ich ein ver­däch­ti­ges Geräusch, was mich letzt­lich zur Empfangs­hal­le führ­te. Dort ha­ben sie … also die­se Jün­ger of­fen­sicht­lich ver­sucht, die Tür auf­zu­bre­chen, was ih­nen letzt­lich auch ge­lang.«

»Es wa­ren Dut­zen­de«, fuhr er fort. »Ei­ni­ge in Rot ge­klei­de­te Män­ner und auch nor­ma­les Volk, dar­un­ter so­gar ein paar Frau­en. Als sie mich ent­deckt ha­ben und wild schri­en, sah ich mich ge­zwun­gen …«

Nik­ko muss­te erst ein­mal schlu­cken. Im­mer­hin hat­te er mit sei­nem Feu­er­ball vie­len Men­schen den Tod ge­bracht. So rich­tig klar wur­de ihm das al­ler­dings erst jetzt.

»Ja was denn?«, dräng­te Pe­ryn­dor. »Wozu saht Ihr Euch ge­zwun­gen?«

»Nun, sie woll­ten … mich … im­mer­hin an­grei­fen«, stam­mel­te der jun­ge Zau­be­rer. »Da muss­te ich mich doch … ver­tei­di­gen … mit ei­nem Feu­er­ball.«

»Na­tür­lich«, zuck­te der Groß­meis­ter die Schul­tern. »Macht Ihr Euch etwa Vor­wür­fe des­we­gen?«

»Ich weiß es nicht«, keuch­te Nik­ko und stell­te dann klar: »Das ist auch nicht so wich­tig! Viel wich­ti­ger ist doch, dass mein Feu­er­ball ge­gen ei­ni­ge der An­grei­fer völ­lig wir­kungs­los war.« Kopf­schüt­telnd füg­te er hin­zu: »Die Ker­le grins­ten mich so­gar noch hä­misch an.«

»Wie bit­te?«, wur­de Pe­ryn­dor krei­de­bleich. »Jetzt ganz lang­sam! Er­zählt mir bit­te al­les in Ruhe und der Rei­he nach, Meis­ter.«

»Das habe ich doch«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Mein Feu­er­ball hat das zwar das nor­ma­le Volk ver­nich­tet, nicht aber die in Rot ge­klei­de­ten Män­ner.«

»Das kann doch gar nicht sein!«, pro­tes­tier­te Pe­ryn­dor und mur­mel­te dann: »Es sei denn …«

»Es sei denn, sie ver­füg­ten über einen Schutz­schild«, erahn­te Nik­ko die Ge­dan­ken des Groß­meis­ters.

»Genau«, nick­te die­ser. »Doch wie sind sie an die­sen ma­gi­schen Schild ge­kom­men?«

»Durch die­sel­be We­sen­heit, die ih­nen auch sonst die Kraft gibt?«, er­wi­der­te der jun­ge Zau­be­rer.

»Mög­lich«, nick­te der Alte. »In der Tat. Wenn die­se En­ti­tät ih­nen schon zau­ber­ähn­li­che Fä­hig­kei­ten ver­leiht, warum dann nicht auch Schutz­schil­de ge­gen un­se­re ma­gi­schen At­ta­cken.«

»Das kann doch nicht wahr sein«, schüt­tel­te er ei­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter sei­nen Kopf und seufz­te laut: »Wo soll das al­les nur noch hin­füh­ren?«

»Zu un­se­rer Ver­nich­tung«, woll­te Nik­ko scher­zen, doch er­schi­en ihm die­se Aus­sa­ge dann selbst zu nah an der Wirk­lich­keit zu sein, als dass man dar­über la­chen konn­te.

»Das ist wohl der Plan«, pflich­te­te Pe­ryn­dor ihm bei und rät­sel­te: »Wer oder was kann denn bloß so sehr an un­se­rem Ende in­ter­es­siert sein?«

Mein­te der Groß­meis­ter die­se Fra­ge etwa ernst? Nik­ko er­in­ner­te sich noch zu gut dar­an, wie die Dä­mo­nen ihn dazu ge­bracht hat­ten, den Ne­kro­man­ten zu ver­nich­ten - egal, ob der es nun ver­dient hat­te oder nicht. Je­den­falls hat­te sich al­lein die­ser Ma­gier schon un­zäh­li­ge Fein­de un­ter den Dä­mo­nen ge­macht und al­ler Wahr­schein­lich­keit nach auch noch un­ter vie­len an­de­ren We­sen.

Die meis­ten Zau­be­rer ar­bei­te­ten mit ir­gend­wel­chen En­ti­tä­ten, wo­bei die­se nicht sel­ten un­ter­wor­fen und be­zwun­gen wur­den. Kein Wun­der also, dass ver­mut­lich die Be­woh­ner gan­zer Di­men­sio­nen einen Groll ge­gen die Ma­gier heg­ten. Ja so­gar in ih­rer ei­ge­nen Welt fürch­te­te man die Zau­be­rer und emp­fand ins­ge­heim be­stimmt auch Neid und Miss­gunst ge­gen sie.

»Die Fra­ge ist wohl eher, wer oder was mäch­tig ge­nug ist, un­ser Ende her­bei­zu­füh­ren«, grins­te Nik­ko und kam sich be­son­ders schlau vor.

»Da habt Ihr wohl recht«, nick­te Pe­ryn­dor mit ei­nem Blick voll sel­te­ner Aner­ken­nung und lach­te dann bit­ter: »Das je­doch ist eine Fra­ge, die sehr schwer zu be­ant­wor­ten sein dürf­te.«

Mo­ment mal, schoss es Nik­ko durch den Kopf, der ko­mi­sche Geist der Orks ge­währ­te die­sen doch auch ein we­nig Ma­gie. Zu­min­dest teil­te er sein Wis­sen um die Zu­kunft mit ih­nen. Den Tele­port­stein dürf­ten die Orks schließ­lich kaum selbst her­ge­stellt ha­ben - je­den­falls nicht selbst ver­zau­bert. Ob­wohl, viel­leicht hat­te der Geist die­sen Grâkh ja mit den da­für nö­ti­gen Fä­hig­kei­ten aus­ge­stat­tet. Gab es etwa einen Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Geist der Orks und der We­sen­heit, die den Kul­tis­ten die Kraft ver­lieh? Dumm nur, dass Nik­ko mit Pe­ryn­dor nicht of­fen dar­über re­den konn­te. Nicht je­den­falls, ohne ihm von den Orks zu er­zäh­len, was je­doch kei­ne all­zu gute Idee sein dürf­te. Denn, um dem Al­ten die­se Ge­schich­te plau­si­ble zu ma­chen, hat­te nicht ein­mal Nik­ko ge­nü­gend Phan­ta­sie.

»Ist es denn so un­ge­wöhn­lich, dass eine We­sen­heit ih­ren An­hän­gern zau­ber­ähn­li­che Kräf­te ver­leiht?«, woll­te der Zau­be­rer dann von Pe­ryn­dor wis­sen. Vi­el­leicht könn­te er so die Dis­kus­si­on in die rich­ti­ge Rich­tung len­ken, ohne da­bei sei­ne ei­ge­nen Ma­chen­schaf­ten preis­ge­ben zu müs­sen.

»Na­tür­lich ist das un­ge­wöhn­lich«, schnauf­te der Alte. »Nicht un­mög­lich, aber sehr un­ge­wöhn­lich.«

»Seht Ihr, jun­ger Meis­ter«, be­gann er dann zu er­klä­ren, »kaum eine We­sen­heit teilt doch frei­wil­lig ihre Kräf­te mit an­de­ren We­sen. Die meis­ten muss man schon als Zau­be­rer dazu zwin­gen oder aber fürst­lich ent­loh­nen. Die Schlä­fer hin­ge­gen ha­ben nichts, was ein We­sen dazu ver­an­las­sen könn­te, sei­ne Kraft auf sie zu über­tra­gen. Wa­rum soll­te es so et­was also frei­wil­lig tun?«

»Es sei denn …«, stock­te der Alte und schüt­tel­te den Kopf. »Nein, das kann nicht sein.«

»Was denn?«, woll­te Nik­ko wis­sen.

»Ein De­mi­urg«, nick­te Pe­ryn­dor, schüt­tel­te dann aber wie­der sei­nen Kopf.

»Ein was?«

»Ei­ner der De­mi­ur­gen«, ant­wor­te­te der Groß­meis­ter. »Sie sind die Schöp­fer und Len­ker der Welt. Mit ih­nen und ähn­li­chen We­sen­hei­ten be­fasst sich die Schu­le der Theur­gie.« Mit ge­reiz­ter Stim­me füg­te er hin­zu: »Hat­te ich Euch nicht an­ge­ra­ten, Euch mit die­sem The­ma ge­nau­er zu be­schäf­ti­gen?«

»Ja, aber ich bin noch nicht dazu ge­kom­men«, ver­dreh­te Nik­ko die Au­gen.

»Wie dem auch sei«, brumm­te Pe­ryn­dor, »die De­mi­ur­gen ver­fü­gen na­tür­lich über un­end­lich viel Macht, so­dass sie ohne Wei­te­res einen Teil auf an­de­re über­tra­gen kön­nen. Manch ei­ner sagt, dass so­gar wir Zau­be­rer auf ge­nau die­se Wei­se ent­stan­den sind.«

»Soll das hei­ßen, dass ei­ner die­ser De­mi­ur­gen uns die Fä­hig­keit der Zau­be­rei ver­leiht?«, wun­der­te sich Nik­ko und spür­te da­bei ein plötz­li­ches Ge­fühl des Un­be­ha­gens.

»Ver­lie­hen hat, wenn über­haupt«, kor­ri­gier­te der Alte. »Die An­fän­ge un­se­rer Zunft lie­gen lei­der im Dun­keln, zu­mal es den Or­den ja erst seit dem Ende der ma­gi­schen Krie­ge gibt. Un­se­re Ge­schich­te dürf­te je­doch vie­le Jahr­hun­der­te wei­ter zu­rück rei­chen, wenn nicht gar Jahr­tau­sen­de.«

»Seht Ihr, ei­ni­ge sa­gen, die De­mi­ur­gen hät­ten uns mit der Zau­be­rei be­glückt, auf dass wir in die­ser Welt statt ih­rer für Ord­nung sor­gen«, do­zier­te er wei­ter. »Sie selbst hät­ten dann we­ni­ger Ar­beit und könn­ten sich um ihre ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten küm­mern. Ich weiß je­doch nicht, in­wie­weit die­se Theo­rie der Wirk­lich­keit ent­spricht.«

»Heißt das, dass die­se De­mi­ur­gen mit uns nun nicht mehr zu­frie­den sind?«, war Nik­ko ver­wirrt. »Wol­len sie uns jetzt etwa los­wer­den?«

»Das ist durch­aus mög­lich«, kraul­te sich der Alte den Bart. »Doch könn­ten sie uns wohl viel ein­fa­cher und schnel­ler ver­nich­ten, wenn sie es denn woll­ten. Vi­el­leicht aber herrscht in ih­ren Rei­hen ja Un­ei­nig­keit. Vi­el­leicht will nur ei­ner der De­mi­ur­gen uns ver­nich­ten. Vi­el­leicht geht es auch nicht um uns an sich, son­dern nur um die Macht in die­ser Welt.«

War die­ser Geist der Orks denn auch ein De­mi­urg? Zu gern hät­te Nik­ko den Groß­meis­ter da­nach ge­fragt, un­ter­ließ es aber doch lie­ber. Al­ler­dings wür­de die­se Mög­lich­keit wohl da­für spre­chen, dass un­ter den Schöp­fern Un­ei­nig­keit herrsch­te, wenn nicht gar of­fe­ner Streit. Schein­bar för­der­te ei­ner der De­mi­ur­gen die Orks, ein an­de­rer hin­ge­gen woll­te die Zau­be­rer ver­nich­ten. Oder ging es ein­fach nur dar­um, die­sen Kult zu stär­ken? Ob­wohl - all die­se Zie­le muss­ten sich ja nicht un­be­dingt wi­der­spre­chen. Es konn­te sich also letzt­lich durch­aus um ein und den­sel­ben De­mi­ur­gen han­deln.

Ver­flucht! Wo war Nik­ko da bloß wie­der hin­ein­ge­ra­ten? Als ob sein Le­ben nicht auch so schon schwer ge­nug zu meis­tern war, trach­te­te ihm nun viel­leicht noch ein We­sen von un­end­li­cher Macht da­nach. Das wa­ren ja mal wie­der schö­ne Aus­sich­ten!

»Ich hof­fe, es wird sich eine an­de­re Er­klä­rung fin­den«, seufz­te Pe­ryn­dor. »Eine bes­se­re. Wenn wir tat­säch­lich einen De­mi­ur­gen ge­gen uns hät­ten, dann wä­ren un­se­re Tage näm­lich ge­zählt. Ob­wohl, ohne Nach­wuchs ist un­ser Ende oh­ne­hin nur eine Fra­ge der Zeit.«

»Habt Ihr ei­gent­lich noch im­mer kei­ne Nach­richt von Meis­ter Makûl?«, wech­sel­te Nik­ko das The­ma.

»Ach ja«, er­in­ner­te sich der Alte. »Den gu­ten Meis­ter hät­te ich fast ver­ges­sen. Lasst es mich noch ein­mal in Ruhe ver­su­chen, ihn te­le­pa­thisch zu er­rei­chen.«

Wäh­rend der Groß­meis­ter mit ge­schlos­se­nen Au­gen da saß und sich kon­zen­trier­te, dach­te Nik­ko dar­über nach, wie es nun wei­ter­ge­hen soll­te. Die Mög­lich­keit, dass hin­ter dem Ge­salb­ten und sei­nen Jün­gern ein De­mi­urg ste­hen könn­te, be­un­ru­hig­te den jun­gen Zau­be­rer schon un­ge­mein. Dass dies aber auch für den Geist der Orks zu­tref­fen könn­te, be­ru­hig­te ihn hin­ge­gen wie­der ein we­nig, ob­wohl er nicht so ge­nau wuss­te, warum ei­gent­lich.

Nun ja, der Geist der Orks schi­en Nik­ko im­mer­hin nicht of­fen feind­se­lig ge­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­