Es gibt ein gutes Leben nach dem Burnout!
»Heute fühle ich mich besser als je zuvor. Endlich weiß ich, was mir guttut, und achte auf mich!«
So enthusiastisch sprechen manche Menschen, die eine Burnout-Krise erlebten. Andere fürchten, irgendwann wieder in die Erschöpfungsfalle zu tappen. Nach einem Burnout gibt es deshalb viele Fragen:
• Wie komme ich ins Leben zurück?
• Was muss ich wirklich ändern?
• Wie gestalte ich mein Leben, damit Energie und Lebensfreude dauerhaft Platz haben?
Carola Kleinschmidt hat viele Betroffene als Autorin über Jahre begleitet und beschreibt, wie der Alltag nach der Krise aussehen kann. Dabei wird deutlich, was wirklich hilft, nicht wieder auszubrennen. Ein Mutmachbuch für ein anhaltend positives Lebensgefühl!
Über den Autor
Carola Kleinschmidt ist Diplombiologin, Journalistin, Autorin und Trainerin im Themenfeld »psychische Gesundheit in der Arbeitswelt«. Gemeinsam mit dem Psychiater Hans-Peter Unger schrieb sie den Bestseller »Bevor der Job krank macht« sowie das Folgebuch »Das hält keiner bis zur Rente durch!«. Sie ist eine gefragte Rednerin und Expertin zum Thema Burnout-Prävention.
www.carolakleinschmidt.de
Über das Buch
Jedes Jahr steigen Millionen Menschen nach einem Burnout wieder ins Leben ein. Sie alle fragen sich: Wie wird mein Leben weitergehen? Carola Kleinschmidt hat viele Betroffene als Autorin über Jahre begleitet. Sie beschreibt, wie das Leben nach der Krise aussieht, welche Schwierigkeiten im neuen Alltag auftreten und was die Menschen ausmacht, die die Erschöpfungsspirale für immer hinter sich lassen. Experten ordnen die individuellen Erfahrungen in ein breiteres Bild ein und erklären, welche Strategien sich am besten eignen für Leistungsträger, Alleinerziehende, Menschen, die sich selbst im Helfen überfordern, oder solche, die mit einer Mehrfachbelastung fertig werden müssen. Die einen erreichen in ihrem alten Beruf eine bessere Work-Life-Balance, andere krempeln tatsächlich ihr ganzes Leben um. Die einen unterstützt Yoga und Meditation, andere stellen fest, dass eine Therapie ihnen hilft oder ein kreatives Hobby Ausgleich schafft. So ergibt sich ein umfassendes Bild davon, wie man nach einem Burnout zurück zu einem positiven Lebensgefühl findet und dafür sorgt, dass das dauerhaft so bleibt.
Warum ich dieses Buch schreibe
Einstieg
Die Aktionistischen: von Menschen, die immer dachten, ihr Akku lade sich von alleine auf
Malen ist wie Meditation
Rückblick in die Krise, acht Jahre zuvor: vom Multitasking-Star zur großen Müdigkeit
In der Reha-Klinik: Das Gefühlsprotokoll brachte die Wende
Ausstieg aus der Krise: klare Erkenntnisse – beherzte Entscheidungen
Das sagt die Expertin für Stressmedizin und Burnout
Das sagt die Expertin für Verhaltenstherapie
Fünf Erkenntnisse der ehemaligen Aktionistin
Anregungen von Experten für mehr Gelassenheit
Die Multitasker: von der Mühsal der Doppelbelastung als Eltern
Rückblick in die Krise, ein Jahr zuvor: viel getan und doch nichts erlebt
Das sagt die Expertin für gestresste Eltern
Grundlegende Überzeugungen neu justieren, sich neu definieren
Erkenntnisse von Doppelbelasteten über die Bewältigung von Dauerstress
Anregungen der Expertin für gute Balance in Zeiten der Doppelbelastung
Burnout-Falle alleinerziehend: Wenn plötzlich einer alles alleine stemmen muss
Der Rückblick in die Krise, vier Jahre zuvor: erst Burnout, dann Befreiungsschlag
Ausstieg aus der Krise: Das Familienschiff auf sehr individuellem Kurs steuern
Das sagt die Expertin für Burnout bei Alleinerziehenden
Die Helfenden: Von Menschen, die viel für andere und wenig für sich selbst taten
Rückblick in die Krise, zweieinhalb Jahre zuvor: Opfer der Umstände
Ausstieg aus der Krise: von der Helferin zur Unterstützerin
Das sagt die Expertin für Selbstwertprobleme
Erkenntnisse einer Betroffenen, die ihr Helfersyndrom abgelegt hat
Anregungen der Expertin für Menschen mit Hang zum übermäßigen Helfen
Die Perfektionisten: von Menschen, die »halbe Sachen« strikt ablehnten
Rückblick in die Krise, sechs Jahre zuvor: stark bis der Stress vorbei war
Ausstieg aus der Krise: Führungsposten ade
Das sagt die Expertin für Perfektionismus
Erkenntnisse eines Perfektionisten
Expertentipps für Perfektionisten, um locker zu lassen
So jung – und schon ausgebrannt? Von überzogenen Leistungsidealen bei Schülern und Studenten
Rückblick in die Krise, ein Jahr zuvor: volle Kraft für die Regelstudienzeit
Das sagt die Expertin aus der Studienberatung
Der Ausweg: von »Sprint« auf »Marathon« umschalten
Das sagt der Experte für junge Burnout-Kandidaten
Anregungen der Experten für junge Menschen unter Leistungsdruck
Die Erfolgsgetriebenen: wenn das Lebensmotto »Ich leiste, also bin ich!« lautete
Der Rückblick in die Krise, zehn Jahre zuvor: kein Herzinfarkt, sondern völlige Erschöpfung
Ausstieg aus der Krise: die neuen Werte leben
Rückblick in die Krise, fünf Jahre zuvor: Das Gehirn war leer
Das sagen die Experten für Erfolgsgetriebene
Erkenntnisse von Erfolgsgetriebenen, die ihr Leben in Balance brachten
Anregungen der Experten für Erfolgsgetriebene, um mehr vom Leben zu haben
Die Körperfremden: Von Menschen, die sich wenig spürten und deshalb ständig über ihre Grenzen gingen
Rückblick in die Krise, 17 Monate zuvor: Ich war vollkommen verhärtet
Der Panzer bricht auf – die Wut wird sichtbar
Ausstieg aus der Krise: Heute habe ich festen Boden unter den Füßen
Das sagt der Experte für Körperpsychotherapie
Erkenntnisse eines Menschen, der sich sein Körpergefühl zurückerobert hat
Anregungen des Experten für kopfgesteuerte Menschen
Radikal anders: alternative Methoden gegen die Erschöpfungskrise
Rückblick in die Krise, sieben Jahre zuvor: Burnout als Energieblockade
Ausstieg aus der Krise: Burnout als Tief- und Startpunkt ins Neue
Das sagen die Experten zu ungewöhnlichen Wegen nach dem Burnout
Ein radikaler Wechsel ist dennoch selten
Erkenntnisse von Menschen, die auf alternative Therapiemethoden gesetzt haben
Der Rückfall: wenn auf die erste Krise die nächste folgte
Rückblick in die Krise, sechs Jahre zuvor: die erste Depression
Das sagt die Expertin für Rückfälle
Anregungen von Experten, um Rückfälle zu vermeiden
Gemeinsam durch die Krise: was Angehörigen abverlangt wird
Interview mit dem Angehörigen einer Betroffenen
Das sagt der Experte zu den Angehörigen
Wieder kraftvoll! Erfahrungen und Erkenntnisse auf dem Weg zur Gesundheit
Der Weg in die Krise: Hinter einem Burnout steckt mehr als ein stressiges Leben
Die Krise: wenn die Maske zerbricht
Der Blick hinter die eigene Fassade
Genesung braucht Zeit und Übung
Nie wieder Burnout durch Fehlerfreundlichkeit?
Ein achtsamer Lebensstil
Das Selbstwertgefühl aktiv zu stärken, heißt Burnout vorbeugen
Wer sich selbst auf die Schliche kommt, tut viel für seine Gesundheit
Wieder im Beruf: werde ich je wieder so leistungsfähig wie zuvor?
Die Helfenden: nach eineinhalb Jahren zurück in den Beruf
Die Perfektionisten: nach sechs Monaten zurück in den Beruf
Wichtige Frage vorab: Wie stelle ich mir meine Arbeit konkret vor?
Begleitung durch Therapeuten und Coaching ist sinnvoll
Viel Eigeninitiative ist gefragt
Offenheit? Jein
Stufenweise zurück – den Akku fest im Blick
Das sagen die Experten für die Rückkehr ins Unternehmen
Therapie oder nicht, das ist hier die Frage
Welche Form der Therapie ist gut für mich?
Dank
Anhang
Selbstmanagement-Selbsttest (SMST)
Experten
Weiterführende Literatur
Kliniken und Webadressen
Anmerkungen
Liebe Leserin, lieber Leser,
seit etwa 15 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Burnout und der Frage, warum so viele Menschen sich erschöpft und ausgebrannt fühlen. In den letzten Jahren interessierten mich dabei immer stärker die Fragen: Was hilft gegen diese Situation? Was brauchen wir, damit wir uns nicht in Stress-Schleifen verheddern? Was nutzt, um aus einer Erschöpfungskrise wieder herauszukommen? Was muss sich verändern, damit man dauerhaft gesund bleibt?
In diesen 15 Jahren habe ich für die Recherchen zu meinen Büchern, Hörbüchern und Vorträgen mit sehr vielen Menschen gesprochen, die eine Erschöpfungskrise durchlebten. Manche steckten noch mittendrin. Andere waren in therapeutischer Behandlung. Manche fühlten sich wieder gesund und erzählten bereits im Rückblick von der Krise. Zu vielen dieser Menschen habe ich immer noch Kontakt. Und so verfolge ich wie eine entfernte Verwandte, wie ihr Lebensweg weitergeht.
Dabei fiel mir auf, dass es auch für mich immer wieder neu und überraschend ist, was diese Personen erzählen. Manche ändern ihr Leben sehr grundlegend. Andere justieren nur ein wenig hier und da neu. Manche gehen auch erst in eine Richtung und nehmen dann mehrfach weitere Veränderungen vor, bis sie sagen: So ist es jetzt richtig. Auffällig ist: Alle, die von sich sagen, »Ich fühle mich wieder gesund« bezeichnen ihre innere Veränderung als weitaus wichtiger für ihr Wohlbefinden als die äußeren Veränderungen.
Ich selbst empfinde mich immer wieder einmal als eine Suchende auf dem Weg nach dem Leben, das zu mir passt. Vielleicht interessieren mich genau deshalb die Wege der Menschen besonders, die eine so heftige Krise erlebt haben. Sie zeigen letztlich in großer Klarheit, worauf es im Leben wirklich ankommt. Und das inspiriert auch mich, über meinen Lebensstil, meinen Umgang mit Anforderungen, Leistung, Liebe, Leben immer wieder aufs Neue nachzudenken.
In den Gesprächen, die ich für dieses Buch führte, habe ich selbst viel gelernt. Zum Beispiel, dass ich auch eine bin, die dazu neigt, sich antreiben zu lassen von dem Wunsch, es allen recht machen zu wollen. Und wenn dann noch die Uhr tickt … Für meine Balance ist es deshalb wichtig, mich nicht von Zeitdruck und der inneren Frage »Wird es allen gefallen?« zu immer strengeren Leistungsidealen antreiben zu lassen. Ermutigt von den Erfahrungen der Menschen, die mit mir für dieses Buchprojekt sprachen, bin ich hier noch ehrlicher mit mir selbst geworden.
Ich hoffe, dass dieses Buch für Sie eine inspirierende Lektüre wird. Dass es Ihnen Anregungen gibt für Ihren ganz persönlichen Weg nach der Krise oder Ihren Weg an der Seite eines Menschen mit Burnout-Erfahrung.
Über Anregungen und Anmerkungen freue ich mich sehr. Deshalb habe ich einen Blog zum Buch eingerichtet. Dort möchte ich einen Raum bieten, um weitere Erfahrungen und Anregungen zu sammeln, die zeigen: Das hat auf dem Weg zu Balance und Gesundheit weitergeholfen. Vielleicht kann so eine lebendige Plattform entstehen, die noch viel mehr Antworten auf die Fragen gibt: »Burnout – und dann? Wie geht das Leben nach der Krise weiter?«
Wenn Sie möchten, schauen Sie doch mal rein:
www.burnout-und-dann.de.
Ihre
Carola Kleinschmidt
»Heute fühle ich mich besser als je zuvor. Endlich weiß ich, was mir guttut, und achte auf mich!« – so enthusiastisch sprechen manche Menschen, die eine Burnout-Krise erlebten. Andere bemerken eher nüchtern: »Die Krise hat ihre Spuren hinterlassen.«
Jedes Jahr erleben etwa vier Prozent der Deutschen eine stressbedingte Erschöpfungskrise. Jährlich sind es also etwa 2,6 Millionen Burnout-Betroffene.
Viele von ihnen sind mehrere Wochen lang krank. Sie fallen im Job aus, oftmals auch im Familienleben. Manche verbringen einige Zeit in psychosomatischen Kliniken. Andere überwinden die Erschöpfung auch ohne Klinikaufenthalt. Doch allen gemeinsam ist: Nach der akuten Krise regt sich der Wunsch nach einem Neuanfang. In ihrem Alltag, in ihrer Partnerschaft und ihren Familien, im Beruf.
Sie alle fragen sich: Werde ich wieder richtig gesund werden? Werde ich wieder arbeiten können? Was hilft mir bei der Genesung? Muss ich alles verändern? Oder kann ich auch zurück in mein »altes Leben«? Vielleicht sogar in meine vorige berufliche Position? Aber wie gelingt es mir dann, mich nicht wieder zu verausgaben? Brauche ich einen rücksichtsvollen, fürsorglichen Chef, der mich in Zukunft vor Überlastung schützt? Wie verändert die Krise mein Familienleben?
Kann das Leben nach diesem Tiefpunkt vielleicht sogar besser werden, klarer, wahrhaftiger? Das zumindest suggerieren die vielen Berichte in Magazinen, die von fröhlichen Surflehrern und agilen Coaches berichten, die sich ehemals in Führungsetagen abrackerten und durch das Burnout endlich ihre wahre Leidenschaft erkannten.
Oder zerstört die jahrelange Überforderung, die einem Burnout vorangeht, grundlegende Kräfte in einem Menschen? Auch von solchen Beispielen hat man gehört. Probleme wie psychische Erschöpfung, Depressionen und Angststörungen sind inzwischen zum Grund Nummer eins für eine vorzeitige Berentung geworden.
Was unterscheidet die Menschen, die wieder auf die Füße kommen, von denen, die immer wieder in Stresskrisen rutschen und vielleicht dauerhaft arbeitsunfähig werden? Viel wurde inzwischen geforscht und geschrieben über die Ursachen, die dazu führen, dass so viele Deutsche in eine Stresskrise geraten, sich völlig aufreiben und an einer Erschöpfungsdepression, einem Burnout erkranken.
Aber keiner berichtet darüber, wie das Leben der Menschen nach der Krise weitergeht. Zu diesen Fragen gibt es erst in allerjüngster Zeit Erkenntnisse, die eine gewisse Tiefe und das Potenzial für allgemeingültigere Aussagen haben. Denn erst jetzt, nachdem sich immer weniger Betroffene verschämt verstecken, mehrere Jahre, nachdem die ersten Burnout-Kurse und – Therapien etabliert wurden, gibt es Daten, die zeigen, wie das Leben nach dem Tiefpunkt weitergeht, wer wieder gesund wird und wer nicht. Erst jetzt, nach einigen Jahren der Praxis, sind einzelne Behandlungsmethoden evaluiert.
Dieses Buch gibt Ihnen Einblick in das Leben der Menschen, die ein Burnout erlebten. Sie lesen, wie verschiedene Menschen ihr Leben nach der Krise meistern. Klar ist: Das Burnout ist ein Wendepunkt im Leben. Die Erschöpfungskrise ist wie ein Erdbeben der Psyche, das alles ins Wanken bringt. Die Zeitrechnung teilt sich in »vor dem Burnout« und »nach dem Burnout«.
Und für viele ist die Krise tatsächlich eine Chance für den Neuanfang. Sie nutzen sie als Neustart in ein Leben, das sich stimmiger und lebendiger anfühlt. Viele berichten davon, dass sie rückblickend sogar dankbar sind für den erzwungenen Wendepunkt, weil er ihnen dabei half, alte Verhaltensmuster hinter sich zu lassen und nun ein wirklich selbstbestimmtes Leben zu führen, das von Freude, Liebe, Vertrauen, Mut und einem guten Kontakt zu sich selbst geprägt ist. Ihr voriges Leben beschreiben sie im Vergleich dazu als sehr eng, starr und geprägt von dem Wunsch, »es gut zu machen« oder »es allen recht zu machen«.
Die Fallbeispiele zeigen aber auch: Ohne eine wirkliche innere Veränderung wird das Leben nach der Krise nicht besser. Und: der Umschwung erfordert Mut, Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen.
(Alle Fallbeispiele beruhen auf Gesprächen mit Personen, die ein Burnout, eine stressbedingte Erschöpfungskrise erlebt haben und heute von sich selbst sagen: »Ich fühle mich wieder viel besser und gesünder.« Die Interviews sind anonymisiert oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nur mit dem Vornamen der Person gekennzeichnet.)
Lebensmotto heute: »Ich weiß, dass ich krank werde, wenn ich immerfort renne. Deshalb achte ich auf meine Gefühle und klinke mich auch mal aus.«
Vor der Krise war es so: »Ich hatte immer so viel Energie! Mir war nicht klar, dass der Akku mal leer werden könnte.«
Freitags malt Maren Kühe. Dann steht die Marketing-Fachfrau und Mutter von drei Kindern morgens in ihrem Atelier, statt im Büro zu sitzen. Sie hat ihren Blazer gegen den Malerkittel getauscht, das Handy und den Computer gegen Pinsel, Farbpalette und Leinwand. Und obwohl Maren stets Kühe porträtiert, gleicht kein Bild dem anderen. Denn manchmal malt sie die großäugigen Tiere naturnah in Braun-Weiß, dann wieder greift sie zu kräftigen Farben: Schrill-bunte Kühe entstehen, mit blauen Kuhflecken auf grünem Fell oder quietschrosa Nüstern. Einige der kleineren Kuh-Porträts schmücken ihr Büro. Ein großes Exemplar hängt in ihrem Wohnzimmer. »Wenn ich Kühe sehe oder male, bin ich einfach glücklich«, erzählt Maren, die vor acht Jahren ein Burnout erlebte.
Für die 43-Jährige ist die künstlerische Arbeit mit dem Modell »Kuh« viel mehr als ein hübscher Ausgleich: »Ich habe schon länger gemalt. Aber nach der Burnout-Krise hatte ich keine Motive mehr im Kopf.« Doch dann sah sie in einer Ausstellung das Gemälde einer Kuh und hatte plötzlich wieder Lust auf Leinwand. »Es war, als hätte jemand meine kreative Quelle wieder zum Sprudeln gebracht«, erinnert sich Maren. Heute macht sie an diesem Erlebnis den Wendepunkt fest: »Ab da ging es bergauf. Ich spürte, wie meine Lebensenergie wieder kam. Mit den Kühen kehrte das Glück in mein Leben zurück.«
Sich dem Fluss der Malerei hingeben zu können und sich ganz selbstverständlich und regelmäßig Zeit für dieses sinnliche Vergnügen zu nehmen, ist für Maren das Sinnbild ihrer Veränderung von der ewig gehetzten zur meist gelassenen Person. Wenn sie malt, geht es nicht darum, schnell fertig zu werden oder das Tier perfekt abzubilden. Sondern es geht um die Freude am Tun. Zu jeder Malsession legt sie passende Musik auf und mit den ersten Takten legt sie los: Sie wählt die Farben aus dem Bauch heraus, führt den Pinsel nach Gefühl, inspiriert von den Songs. Wenn sie malt, ist ihre Seele am Werken und Maren fühlt sich ganz eins mit sich selbst: »Vielleicht wie andere Menschen beim Meditieren.«
In diesen Stunden tankt die 43-Jährige Kraft, ihr Energie-Akku füllt sich auf. Freitagmittags, wenn Maren nach ihrer Zeit im Atelier nach Hause geht, ist die Arbeitswoche gedanklich bereits in weite Ferne gerückt, der Schalter von Business auf privat umgelegt. Bis Samstagabend gönnt sie sich eine komplette Auszeit. Sogar der Computer bleibt aus. »Dieser klare Wechsel tut mir gut«, erzählt Maren.
Nach dem Wochenende startet sie mit frischer Kraft in ihre Woche als Markenberaterin – und freut sich, dass ihre Leidenschaft auch ihre Firma bereichert: »In meinem Büro sind ja immer Kuhbilder zu sehen. Wenn Kunden kommen, sprechen sie mich oft darauf an. Das sind meist tolle Gespräche, in denen man ganz leicht ein gutes Miteinander aufbaut«, stellt sie fest.
Irgendwann hat sie zudem bemerkt, dass der freie Geist, der sie beim Malen trägt, auch ihre Markenberatung inspiriert: Maren hilft ihren Klienten, den Kern ihrer Marke herauszuarbeiten und exakt die Strategie zu entwickeln, die diese Botschaft pfiffig und passgenau zu den Kunden trägt. Dabei hält sie nichts von riesigen PR – Blasen und hundert zeitgleichen Marketingmaßnahmen. Es geht ihr darum, »das Wesentliche und das Wirksame« herauszuarbeiten und ins beste Licht zu rücken. Ein bisschen ist es wie mit ihren Kuhbildern: Die Kunst, sich auf ein Motiv zu konzentrieren, alles Überflüssige wegzulassen und mit leichter Hand der idealen Komposition nachzuspüren, führt zu Ergebnissen, die überzeugen, unverwechselbar und originell sind.
Hätte Maren früher jemand erzählt, dass er feste Auszeiten von Arbeit und Verpflichtungen einplane, um seine Energie-Akkus aufzuladen, hätte sie ungläubig zugehört. Sie war davon überzeugt, dass es bei ihr mit der Energie eher so funktioniert wie bei einer Lichtmaschine: Das Energieniveau steigt, je mehr Umdrehungen sie macht. »Für mich war es völlig normal, dass ich drei Dinge auf einmal tue – und dennoch alles so gut wie irgend möglich mache«, erzählt sie. Manchmal fragte sie sich durchaus, ob sie nicht mal eine Ruhepause einlegen sollte. Aber letztlich kam sie zu dem Schluss: »Ich kann nicht nichts tun.«
Maren war ein Multitasking-Star. Selbstverständlich war sie ständig online. Eben mal checken, was die anderen so tun, was im Elternrat läuft oder ob der Kunde sich schon zurückgemeldet hat. Zwischen zwei Terminen in der Agentur organisierte sie flott übers Telefon die Handwerker fürs Haus. Auf dem Nachhauseweg machte sie kurz Zwischenstopp im Supermarkt. Unter der Woche kümmerte sich Maren allein um die drei Kinder. Ihr Mann war in Sachen Karriere unterwegs. Die kurzen Abende, wenn die Kinder im Bett waren, investierte sie in Organisationsaufgaben für den Elternrat oder Arbeit fürs Büro: »Wenn ich tagsüber in der Agentur zu wenig Zeit für eine Aufgabe hatte, habe ich mich eben abends hingesetzt und meine Ideen ausgefeilt«, erzählt die Marketingfachfrau. Das summende Lebensgefühl war für sie so normal wie die Luft zum Atmen. Abends die Füße hochlegen? Wozu? Freundinnen, die sich nichts sehnlicher wünschten als ein Wochenende ganz ohne Verpflichtungen, verstand sie nicht. Was ist so schlimm, wenn man viel vorhat? Das Leben ist doch bunt!
Schon als junge Frau hatte Maren dieses Tempo und das Zupackende – und fuhr sehr gut damit. Sie beendete zügig ihr Studium, galt als eine der High-Potentials und Anwärterin auf ein Stipendium. Kurz vor Ende des Studiums bekam sie jedoch ihr erstes Kind – und flog damit aus dem Fokus der Förderer. Familie bedeutete für sie die berufliche Vollbremsung. Doch privat gab sie weiter Gas: zweites Kind, zurück ins Berufsleben auf eine Teilzeitstelle, noch ein Kind. Ein Alltag prallgefüllt mit Leben.
Doch mit fast Mitte dreißig spürte Maren, dass irgendetwas nicht mehr stimmte. Sie rannte und rannte, aber es schien, als liefe sie ständig durch das falsche Gelände. Ihr Agenturchef war von ihren übersprudelnden Ideen eher genervt als begeistertet. Die Tätigkeit im Elternrat fraß Stunden, war aber oftmals unbefriedigend. Die Kinder wurden größer und brauchten sie immer weniger. Ihren Mann sah sie fast nur am Wochenende und dann waren sie eher ein gut funktionierendes Team als ein inniges Paar.
Maren schlief schlecht. Sie erlitt einen Hörsturz. »Ich habe diese Geschehnisse überhaupt nicht in einen Kontext mit Stress gebracht«, erzählt sie rückblickend: »Die Behandlungen des Hörsturzes schob ich hastig zwischen Arbeit und Kinderabholen. Dass mein stressiger Alltag damit etwas zu tun hatte, darauf kam ich gar nicht.« Auch die Panikattacken, die sie immer häufiger wie aus dem Nichts überfielen, sah sie als einzelnes Problem und nicht in Zusammenhang mit ihrem stressigen, atemlosen Leben.
Doch eines Tages, es war kurz vor Weihnachten, wachte sie morgens auf – und spürte, dass ihre Energie, die sie als so selbstverständlich empfunden hatte, verschwunden war: »Ich wollte nicht mehr aufstehen«, erinnert sie sich. Die Bettdecke lag schwer wie ein Lastwagen auf ihrer Brust. Die Badezimmertür schien unerreichbar weit entfernt. Und tatsächlich: Sie stand nicht auf. Stattdessen wurde sie sechs Wochen krankgeschrieben. »Erschöpfungsdepression«, stellte ihr Hausarzt fest. In diesem Jahr musste ihr Mann das Weihnachtsfest allein vorbereiten. Sie konnte nicht mehr. Jede Bewegung kostete sie enorme Kraft. Die meiste Zeit blieb sie einfach zuhause. Sie nahm Antidepressiva. Nur langsam ging es ihr wieder besser. »Mein Arzt hatte mir schon länger eine Kur oder Reha empfohlen. Aber ich hatte immer abgelehnt, weil ich dachte, ohne mich versinkt alles im Chaos. Die drei Kinder, der Haushalt, meine Kunden in der Agentur.« Doch in der Erschöpfungskrise schrieb sie den Reha-Antrag.
Nach sechs Wochen Auszeit ging Maren dennoch erst einmal wieder zur Arbeit. Bis zur Reha war ja noch Zeit. Doch als ihr Chef wieder ein Projekt mitten in der Umsetzungsphase umwarf, kündigte sie. Wenige Wochen später fuhr sie in die Reha-Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik.
»Durch die Depression wurde mir klar, dass irgendetwas absolut nicht mit mir und meinem Leben stimmt. Aber ich war mir sicher: Burnout ist eine Krankheit, bei der man es selbst in der Hand hat, wieder gesund zu werden. Und die vierwöchige Auszeit in der Reha sah ich als meine einzige Chance, um herauszufinden, was ich anders und besser machen kann«, beschreibt Maren ihre Erwartungen an die Zeit in der Klinik. Sie nahm jedes Angebot wahr, ging walken, malte, nahm an Gesprächsrunden und Einzelsitzungen teil.
Im geschützten Rahmen der Reha kam die berufstätige Mutter sich selbst auf die Spur: »Besonders spannend fand ich das Gefühlsprotokoll. Eine Woche lang schrieb ich alle dreißig Minuten auf: Wie fühle ich mich? Und: Was habe ich gemacht?« Das Protokoll öffnete ihr die Augen. In ihrem Gefühlsprotokoll sah sie glasklar, was ihr guttat: Bewegung und Malen. Beides machte sie kraftvoll und glücklich. Und genauso klar sah sie, was ihr nicht guttat: »Oftmals fühlte ich mich nach Begegnungen mit anderen Menschen verunsichert, manchmal auch ärgerlich. Auch wenn die Person mich gar nicht kritisiert oder angegriffen hatte. Ich fragte mich, ob sie mich mögen oder nicht. Ob ich das Richtige gesagt oder den anderen vielleicht verletzt habe.« Am Protokoll konnte sie auch sehen, wie sie mit dieser Verunsicherung umging: »Wenn mich eine Begegnung verunsicherte, suchte ich mir ganz schnell eine Beschäftigung.«
Sie begann sich zu fragen: Könnte es sein, dass ich immer in Aktion sein muss, um diese eher unangenehmen Empfindungen nicht zu spüren? Könnte es sein, dass mein voller Tag auch dazu dient, zu verdrängen, dass ich über manches in meinem Leben dringend nachdenken sollte?
Das Bild wurde immer klarer: Durch Aktivität konnte Maren sich so gut von sich selbst ablenken, dass sie tatsächlich nicht mehr spürte, dass sie eigentlich unsicher, ängstlich oder ärgerlich war. Aktionismus als Abwehr von negativen Gefühlen. Auch zeigte ihr das Gefühlsprotokoll: »Wenn ich reizbar bin oder mich plötzlich ängstlich fühle, wurde dieses Gefühl häufig durch ein Ereignis viel früher am Tag ausgelöst. Die Emotion tritt erst mit Verspätung auf, weil sie vorher von all meiner Aktivität überlagert wurde.«
Das Gefühlsprotokoll öffnete Maren den Blick für die tieferen Ursachen ihres hektischen Lebens. Sie sah, dass es letztlich nicht die anderen waren, die ständig so viel von ihr verlangten. Auch wenn es in ihrem Leben als berufstätige Mutter objektiv viel zu tun gab. Vielmehr erkannte Maren, dass sie es nicht aushielt, einmal nichts zu tun, nichts zu erledigen, nichts Wichtiges zu organisieren zu haben: »Zur Ruhe zu kommen war für mich der Horror!« Entsprechend konnte sie selbst wenige Minuten Meditation nicht aushalten. Ihre Gedanken fingen an zu rasen, ihr Körper wurde unruhig, Ärger stieg hoch.
Als Maren ihr Gefühlsprotokoll auch in ihrem Alltag weiterführte, stellte sie fest: »Im Laufe eines ganz normalen Tages gab es sehr viele Situationen und Begegnungen mit anderen Menschen, die mir nicht guttaten.« Da waren zum Beispiel die Erwartungen aus dem Elternrat, die sie unter Druck setzten. Das Problemgespräch mit einer Freundin, das ihr nachging. Oder auch die Diskussionen mit ihrem Mann, bei denen sie das Gefühl hatte, mit ihren Themen gegen eine Wand zu stoßen, weshalb sie sich danach jedes Mal traurig, wütend oder ohnmächtig fühlte.
Und immer wenn eine Begegnung für sie eher schwierig war, übersetzte sie das unruhige Gefühl in Aktion. Schnell etwas tun! »Am stärksten reagierte ich auf Druck oder wenn ich das Gefühl hatte, ich könnte jemanden enttäuschen«, fand Maren heraus. Zeitdruck und der Wunsch, es allen recht zu machen, sind wie Öl für ihr Leistungsfeuer.
Langsam verstand Maren, was mit ihr passiert war: die unbefriedigende Situation im Job, die abgekühlte Liebesbeziehung … In den letzten Jahren hatten die negativen Gefühle in ihrem Leben ziemlich überhand genommen – und sie hatte durch Aktionismus alle Empfindungen erfolgreich abgewehrt. Kein Wunder, dass sie sich so erschöpft fühlte. Diesen Zusammenhang hatte sie vorher nie wahrgenommen.
Mit den Erkenntnissen aus der Reha räumt Maren ihr Leben Stück für Stück auf. Ihre Gefühle sind ihr neuer Kompass auf diesem Weg. Die früheren To-do-Listen haben als Wegweiser ausgedient. Und sie setzte ihre Erkenntnisse sofort um: Statt sich nach der Reha umgehend wieder um den Job zu kümmern, fuhr sie mit den Kindern und den Schwiegereltern für fünf Wochen in die Ukraine, um die Wurzeln der Familie zu erkunden. »Das war für mich komplett neu, dass ich nicht sofort wieder an die Arbeit dachte, sondern etwas tat, das vor allem fürs Gefühl wichtig ist«, erinnert sich Maren. Erst danach kümmert sie sich um ihre neue berufliche Perspektive: Sie machte sich als Marken-Beraterin selbstständig. »Akquise, Budget – all das konnte ich ja. Ich hatte nur immer gedacht, dass es als Mutter sinnvoller ist, einen sicheren Teilzeitjob zu haben als eine fordernde Selbstständigkeit. Dass mich ein wenig fordernder Teilzeitjob auslaugt, hatte ich überhaupt nicht bedacht.« Das Geschäft lief gut an. Ihre Energie, ihr Lebensmut und auch ihr Selbstbewusstsein stabilisierten sich.
Doch mit der neuen Haltung in ihrem Leben wurde die Kluft zu ihrem Ehepartner noch deutlicher. »Noch in den letzten Tagen der Reha hatte ich mich auf meine Familie und auch auf meinen Mann gefreut. Ich dachte, wenn ich wieder hergestellt bin, dann rückt sich bestimmt alles zurecht. Doch zu Hause merkte ich: Wie ich bin, hat auf meinen Mann fast keinen Einfluss.« Bereits ein Jahr zuvor hatte Maren ihrem Partner gesagt, dass sie etwas ändern müssten, wenn die Beziehung weitergehen solle. Doch geändert hatte sich nichts. Nun sprach sie den Satz aus, den sie zwölf Monate zuvor das erste Mal gedacht hatte: »Ich möchte mich trennen.« Ihr Mann stimmte zu. »Wir waren schon viele Jahre verheiratet, hatten drei Kinder. Deshalb wollte ich es lange Zeit nicht wahrhaben. Aber die Beziehung war zu Ende. Meine Gefühle zeigten das sehr deutlich. Und seine Gefühle für mich waren ganz offensichtlich auch nicht mehr stark.«
Man könnte jetzt denken: Was für ein Stress, wo sie doch gerade ein Burnout erlebt hat. Ist das nicht zu viel? Die völlig falsche Richtung? Aber Maren spürte, dass ihr Leben jetzt zwar viel von ihr forderte. Aber dass es diesmal um echte Herausforderungen ging, nicht um Schattenkämpfe mit negativen Gefühlen. »Ich wusste, es wird anstrengend«, sagt Maren, »aber es war vom ersten Tag an eine Befreiung!«
Und diesmal bewältigte sie die Aufgaben auch nicht mit Aktionismus, sondern ging mit ruhigen Schritten voran und behielt dabei das rechte Maß im Auge. Sie bat ihre Familie und Freunde um Hilfe. Sie sorgte in den Zeiten von Umzug und Scheidung für Freizeit, Auszeiten für sich selbst und schöne Momente mit den Kindern. Sie machte regelmäßig Sport, fuhr jeden Tag mit dem Rad zum Büro, fing an zu laufen. »In der Reha hatte ich gelernt, was ich brauche, damit ich mich gut fühle. Ich konnte mich jetzt so stärken, dass ich nicht wieder in meine alten Muster falle.« Sogar in ihrer neuen Selbstständigkeit ließ sie sich nicht mehr von inneren Leistungsidealen antreiben: »In den ersten Monaten habe ich nur meine Stammkunden weiter betreut und die meisten Veranstaltungen gestrichen, auf denen ich sonst ganz selbstverständlich war. Stattdessen habe ich mir Zeit für die Kinder genommen und dafür, die neue Wohnung so einzurichten, dass es uns allen gefällt.« Auch durch Marens neue Klarheit wurde die Trennung kein Rosenkrieg. Beide Ex-Partner sind nach wie vor als Eltern für ihre Kinder präsent.
Der Leitfaden für Marens Alltag ist ihr neues Lebensmotto: »Ich mache es, so gut ich kann, ist mein persönliches Mantra«, erklärt die 43-Jährige. Der Satz hat ihren früheren Leitsatz »Ich mache alles sehr gut! Und zwar möglichst flott!« abgelöst. Statt sich an den Erwartungen der anderen zu orientieren, richtet sie ihr Tun an ihren persönlichen Kräften und den realistischen Möglichkeiten aus. Dabei führt ihr »So gut ich kann« häufig zu Top-Ergebnissen. Zum Beispiel, wenn alle Rahmenbedingungen günstig sind. Wenn die Zeit für ein Projekt gut berechnet ist, der Kontakt mit dem Kunden gut läuft, dieser ihre Anregungen aufnehmen und für sich weiterspinnen kann. Wenn das Wetter schön ist und Marens morgendliche Radtour eine Freude, die sie stärkt. Wenn die Kinder gesund sind und der Haushalt im Lot. Solche Phasen gibt es. Viele.
Aber es gibt eben auch andere Zeiten. Und um die geht es. Da entfaltete der Satz »So gut ich kann« seine schützende Kraft. Denn heute kann Maren ein Meeting auch dann in time beenden, wenn man noch nicht so weit gekommen ist wie geplant. Zum Beispiel, weil einer der Teilnehmer zu spät kam. Oder weil die Ideen eben nicht so flossen. Dann telefoniert man nochmal. Oder vielleicht reift die mittelgute Idee ja doch noch zur guten. Wenn die Zeit knapp wird, muss ein Termin eben verschoben werden. Wenn sie gerade im Gespräch ist, muss ein Anrufer auf den Anrufbeantworter sprechen oder nochmal anrufen. Wenn ihr Kalender voll ist, muss ein Neukunde vielleicht etwas auf einen Termin warten. Wenn der Haushalt überquillt, müssen die Kinder mit anpacken. Maren: »Mein neues Lebensmotto sage ich zu mir selbst, wenn ich das Gefühl habe, der Druck steigt, das summende Gefühl ist wieder da und ich spüre, dass ich durchdrehe, wenn das so weitergeht. Der Satz entspannt mich sofort.«
Ebenso hat sich Maren angewöhnt, sich ab und an völlig aus dem Familien-Job-System auszuklinken. Dann geht sie mit einer Freundin einige Tage wandern oder zieht sich zum Malen zurück. Denn sie weiß: »Früher dachte ich, es läuft nicht ohne mich. Aber in Wirklichkeit läuft es sehr gut ohne mich – für einige Zeit. Und wenn ich es zulasse und auch einfordere. Auf lange Sicht ist es für meine Familie und meine Selbstständigkeit viel wichtiger, dass ich gesund bin, als dass ich ständig anwesend bin.«
Dass sie ihr Alter Ego als To-do-Listen-Königin mit Perfektionswahn ablegen und stattdessen ihre Gefühle und die Erlaubnis zur Gelassenheit in ihr Leben holen konnte, ist für Maren die Grundlage für ihre heutige Gesundheit. Und es ist ihr Werkzeug, um frühzeitig zu erkennen, wenn sie in die Überlastungsfalle tappt: »Ich bin immer noch ein extrem ungeduldiger Mensch. Wenn ich in Stress gerate, wird das noch stärker. Es passiert mir auch heute noch, dass ich losbrülle, weil die Spülmaschine nicht wie verabredet ausgeräumt ist«, erzählt Maren. Aber im Gegensatz zu früher weiß sie, dass ihre Ungeduld umso größer ist, je gestresster sie ist. »Ich frage mich dann ganz bewusst: woher kommt das Gefühl in der Intensität? Dann gehe ich in Gedanken meinen Tag noch einmal durch. Und dann sehe ich: Da war viel früher am Tag ein Auslöser. Zum Beispiel ein Kritikgespräch, das mich verunsichert hat, oder ein zeitlich knapp kalkulierter Auftrag.« Diese Einsicht macht das Geschehen natürlich nicht rückgängig. Aber sie kann heute dafür sorgen, dass der Stress nicht noch größer wird. Und für ihre Mitmenschen ist es entlastend, dass der Wutausbruch nur zum Teil an ihre Adresse ging. »Bei uns gilt: Jeder darf mal schlecht gelaunt sein. Es gibt einfach Tage, an denen es nicht rund läuft«, sagt Maren. Ein lockerer Satz, der ihr vor fünf Jahren nicht in den Sinn gekommen wäre.
Nicole Plinz ist therapeutische Leiterin der Tageskliniken für Stressmedizin der Asklepios Kliniken Hamburg-Harburg und Hamburg-St. Georg. Sie hat in den letzten Jahren viele Menschen mit einer stressbedingten Erschöpfungsdepression im Rahmen einer ambulanten, achtwöchigen Therapie auf ihrem Weg aus der Krise begleitet. Plinz erklärt, welcher psychologische Mechanismus eventuell am Werke ist, wenn sich Menschen wie Maren, die sich ihr gesamtes bisheriges Leben als energetisch und zupackend empfunden haben, komplett erschöpfen: »Menschen haben verschiedene Strategien, wie sie mit den Anforderungen des Lebens umgehen. Und manche Strategien können eine psychische Erschöpfung begünstigen.« Vor allem jene Personen, die jede fordernde Aufgabe ganz selbstverständlich mit Leistung und Engagement bewältigen, sind gefährdet. Ebenso gehören diejenigen, die sich stets anpassen und relativ fraglos erfüllen, was von ihnen erwartet wird, zur Gruppe der Menschen mit erhöhtem Burnout-Risiko.
Manchen Leser und manche Leserin mag diese Aussage vielleicht seltsam anmuten und sie fragen sich: Wie soll man denn sonst den Alltag bewältigen, außer seine Aufgaben anzunehmen und sie mit voller Kraft zu meistern? Möchten wir nicht alle unsere Sache gut machen? Schauen wir nicht alle, was von uns verlangt wird, um es dann möglichst gut zu erfüllen? Aber wie in so vielen Bereichen des Lebens ist auch hier die Dosis entscheidend. Die Markenfachfrau Maren hielt beispielsweise an ihrem Leistungsprinzip auch dann noch fest, als klar wurde, dass ihr Chef gar nicht die kreative, am Top-Ergebnis orientierte Mitarbeiterin wollte, sondern eine, die seine Anweisungen ordentlich erfüllt. Und als ihr Mann fast ständig auf Dienstreise war, passte sie sich einfach an, wurde zur noch perfekteren Haushaltsmanagerin. Sogar als sie krank war, blieb sie fest davon überzeug, dass sie nur wieder auf die Beine kommen und ordentlich funktionieren müsste, dann würde auch der Haussegen wieder gerade hängen.
Maren blendete quasi aus, dass ihre Strategie, Probleme einfach mit Energie anzupacken und abzuarbeiten, mit der sie viele Jahre gut fuhr, in diesen Situationen nicht zu greifen schien. Sie war ganz offensichtlich in ihrem Reaktionsmuster »Problem? Abarbeiten!« gefangen – und das begünstigte die Abwärtsspirale aus Aktionismus und Frust, die zur Erschöpfung führte. Bestimmt hatten auch ihr Freundinnen und die Familie mehr als einmal geraten: »Du machst viel zu viel! Jetzt lass doch mal locker!« Aber sie konnte es einfach nicht.
Nicole Plinz erklärt, wie es dazu kommt: »Jeder Mensch möchte sich im Leben sicher und wohl fühlen.« Dieses Gefühl von Sicherheit ist eines der Grundbedürfnisse unserer Psyche. »Schon in früher Kindheit entwickeln wir darum Strategien, die uns in unserem individuellen Umfeld Sicherheit geben, zum Beispiel lernen wir, uns anzupassen oder möglichst perfekt zu sein«, sagt die Burnout-Expertin. Als Kind ist unser individuelles Umfeld dabei vor allem von den engsten Bezugspersonen geprägt, in der Regel sind das Vater und Mutter. Deshalb entwickeln wir unsere ganz persönlichen Sicherheitsstrategien vor allem im Wechselspiel mit dem Verhalten unserer Eltern. Wenn ein Kind Sicherheitsstrategien in Form von Anpassung und Leistung entwickelt, kann man sich das etwas schablonenhaft ungefähr so vorstellen: Das Kind hat vielleicht einen Vater, der jedes »Sehr gut« aus der Schule mit viel Lob und echter Freude belohnt. Mit den Spielideen oder kindlichen Interessen seines Sprösslings kann dieser Vater weniger anfangen. Doch wenn es um besondere Leistungen geht, erwacht sein Interesse, da fühlt er sich mit seinem Kind verbunden. Fast automatisch wird das Kind versuchen, möglichst viele gute Noten nach Hause zu bringen oder auf andere Art mit Leistung aufzutrumpfen, um von seinem Vater beachtet zu werden, sich gesehen und geliebt zu fühlen.
Oder eine Mutter ist derart beschäftigt, dass sie sich dem Kind vor allem dann mit Lob und Liebe zuwendet, wenn es ihr hilfreich zur Hand geht und sich selbst möglichst bedürfnislos zeigt. Auch hier wird das Kind versuchen, sich so gut es geht anzupassen, weil es so Zuwendung erhält und damit das Gefühl von Sicherheit erreicht. Auch die Fähigkeit, sehr schnell auf die Erwartungen der Eltern zu reagieren oder sich schon früh als emotional sehr stark zu zeigen, können solche Anpassungsstrategien sein. Diese frühen Erfahrungen stellen die Weichen für unsere weitere Entwicklung: »Wenn wir spüren, dass Anpassung und Leistung der sicherste Weg sind, um mit denen, von denen wir abhängig sind, verbunden zu bleiben, behalten wir diese Strategien bei«, erklärt Plinz.