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Zum Buch

Irenies Kindheit endet an dem Tag, an dem sie nach Hause kommt und ihre Mutter Yasmeen nicht mehr da ist. Der Vater erklärt nichts, weicht allen Fragen aus. Fünf Jahre vergehen, bis Irenie eine Kiste mit Briefen findet und dem Geheimnis ihrer Mutter näher kommt. Auf der Spur einer verbotenen Liebe reist sie von Amerika bis nach Pakistan, voller Hoffnung, in diesem Sommer Yasmeens Verschwinden endlich zu verstehen.

Anrührend und klug erzählt Sophia Khan in ihrem beeindruckenden Debüt von einer geheimen Liebe und deren Folgen für eine ganze Familie.

Zur Autorin

Sophia Khan wurde 1985 als Tochter einer amerikanischen Mutter und eines pakistanischen Vaters geboren. Sie wuchs in beiden Ländern auf, reiste viel, studierte in den USA und lebt heute mit ihrem Mann in Islamabad. Das Leuchten meiner Welt ist ihr erster Roman.

SOPHIA KHAN

Das Leuchten meiner Welt

Roman

Aus dem Englischen

von Gabriele Weber-Jaric´

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Deutsche Erstausgabe 07/2016

Copyright © 2015 by Sophia Khan

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Yasmeen bei HarperCollins Publishers India Ltd., Uttar Pradesh

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Anja Freckmann

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Umschlagmotiv: Picsfive, Danussa, Digiselector/Shutterstock.com

Satz: Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

e-ISBN 978-3-641-18520-6
V001

www.diana-verlag.de

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Meiner Familie gewidmet

Mein Herz, mein Weggefährte,

Wieder lautet der Beschluss,

Dass du und ich verbannt werden,

Geh, und ruf es in jeder Straße aus,

In einer jeden Stadt.

Such nach einem Hinweis

Auf einen Boten, der von unserer Liebsten kommt.

Faiz Ahmed Faiz

Teil 1

1

Ich frage mich, ob Du diese Briefe erhältst, und wenn ja, ob ich Dir noch etwas bedeute. Siehst Du mein Gesicht in den Fensterscheiben? Komme ich Dir an verschneiten Tagen in den Sinn? Ich frage mich, ob Du an mich denkst, wenn Du nachts, wie ich, aus dem Schlaf schreckst und verzweifelt ins Leere greifst.

An dem Tag, an dem ich die Kiste finde, weiß ich, dass meine Mutter tot ist. Die Gewissheit kommt wie ein Schlag, der mich betäubt. Ich kauere auf dem dunklen Hängeboden und spüre nur noch die Metallkanten der Kiste, die in meine Schenkel drücken. Es heißt, wenn ein Mensch vom Blitz getroffen wird, kann es eine Weile dauern, bis er begreift, was passiert ist. Angeblich entfernen sich manche Opfer eines solchen kosmischen Zwischenfalls noch ein Stück weit von der Einschlagstelle, bevor sie bewusstlos zusammenbrechen oder Schmerzensschreie ausstoßen. Ich stelle mir vor, dass sie geblendet sein müssen, als hätten sie in ein Blitzlicht geschaut, nur dass ihre Welt so lange weiß und leer bleibt, bis ihr Verstand es endlich schafft, den Schatten wieder Namen zu geben. Seit ich diese Kiste auf meinem Schoß geborgen halte, frage ich mich, ob ich für Jahre ein Echo bewohnt habe.

Es ist ein Sonntag im Januar. Schwere Schneefälle haben das ohnehin schon gemächliche Leben von Crawford zum Erliegen gebracht. In Ermanglung einer sinnvolleren Beschäftigung hocke ich wie fast jeden Abend auf dem Hängeboden über dem Arbeitszimmer meines Vaters. In diesen Tagen ist mir der Neigungswinkel seines zurückweichenden Haaransatzes vertraut geworden, ebenso das unregelmäßige Tack, Tack, wenn er tippt – das Zehnfingersystem hat er nie gelernt –, auch die besondere Form seiner Schultern kenne ich in- und auswendig, wie sie nach vorne hängen, wenn er sich an einem Satz festgefahren hat, in dem Buchmanuskript, an dem er schreibt, solange ich denken kann. An diesem Abend scheint er in einer Art Sackgasse gelandet zu sein. Ich spähe durch das Guckloch und sehe zu, wie er mit der Gabel im Reis auf dem Teller Biryani stochert, ein Gericht, für dessen Zubereitung ich den ganzen Nachmittag gebraucht habe. Er schaufelt einen Bissen in sich hinein und schluckt ihn rasch hinunter, ohne etwas zu schmecken. Das Biryani könnte genauso gut vor einer Woche gemacht worden sein. Mit Kochbeutelreis aus dem Supermarkt.

Ich richte mich auf, taste nach den Zigaretten und lege dabei die fast leere Flasche Chanel in meinen Schoß, ich will sie in der Dunkelheit nicht verlieren. Unter der Kiste laufen meine Beine Gefahr einzuschlafen, ich ignoriere es. Ich sage mir, wenn ich einfach so bleibe und tue, als wäre dies ein Tag wie jeder andere, weiß ich irgendwann, wie ich mich zu verhalten, wie ich mich zu fühlen habe.

Als ich zum ersten Mal hier herauf kam, war alles um mich herum maximal eine Armlänge von mir entfernt. Inzwischen hat das Isoliermaterial begonnen, deutlich unter dem Druck meines Körpers nachzugeben. Auf diese Weise habe ich auch die Kiste entdeckt: Plötzlich ragte eine metallene Ecke aus einer von meiner Schulter geformten Vertiefung. Wie seltsam, dass es einmal Zeiten gegeben hat, in denen ich mich davor fürchtete, hier im Dunkeln allein zu sein. Als mir das lose Brett über der Toilette zum ersten Mal auffiel, hatte ich so große Angst, dass ich mich hier oben lediglich umschaute, mehr wagte ich nicht. Damals war ich elf Jahre alt, und meine Mutter war erst seit etwas über einem Jahr verschwunden. Deshalb war ich in Gedanken noch bei ihr, drückte die Falltür eilig wieder zu und sprang vom Toilettendeckel hinunter. Sie mochte es nicht, wenn ich unsichtbar war, mich in dunklen Ecken verbarg, in die sie nicht sehen konnte. Sie fürchtete nichts so sehr wie das Alleinsein. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass sie tot war.

Nach der Schule waren die Nachmittage unten lang und leer. Obwohl sie nicht mehr da war, sah ich das Bild meiner Mutter im Spiegel, den Abdruck ihres Körpers in den Sesseln im Wohnzimmer. Auf dem Hängeboden dagegen war niemand außer mir. Eines Tages bohrte ich zwei weitere Löcher in den Boden: eines über dem Flur, das andere über meinem Zimmer. Stundenlang beobachtete ich von oben das leere Haus in der Hoffnung, dieses Etwas zu erhaschen, das meine Mutter immer noch da sein ließ. Es gelang mir nicht. Stattdessen lernte ich, mein Leben zu führen, ohne tatsächlich in ihm gegenwärtig sein zu müssen. Ich stellte mir die andere Irenie vor, wie sie unten ihrem Leben nachging, sah zu, wie sie ihre Hausaufgaben machte und Bilder für ihre Mutter malte. Aber ich unternahm nie einen Versuch, mir auch die andere Mutter vorzustellen, denn ich wusste, die andere Irenie war sicher, dass ihre Mutter sich in der Küche oder im Bad oder auf der Treppe nach oben befand.

Ich lehne mich gegen das Lüftungsgitter der Heizung und zupfe gedankenlos an einem Riss im Isoliermaterial. Mein linker Fuß ist eingeschlafen und streift das kleine Tonbandgerät, das ich hier oben aufbewahre. Ich halte still, aus Angst, es mit einer unfreiwilligen Bewegung umzustoßen. Unter mir rutscht mein Vater auf seinem Stuhl herum, steht aber nicht auf. Ich wünschte, er würde wenigstens furzen oder so was, doch mein Vater ist keiner, der groß furzt. Er seufzt und streckt sich, das ja, aber damit hat es sich auch schon.

»Man steckt die Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten«, ermahnte meine Mutter mich jedes Mal, wenn sie mich hinter einer Tür entdeckte. Doch das mache ich im Moment ja auch nicht, nicht wirklich. Ich bin nicht hier oben, weil ich auf einen Furz hoffe. Ich habe über dem Arbeitszimmer meines Vaters ein Loch gebohrt, um ihn auszuspionieren, das schon. Weshalb eilt er jeden Tag direkt nach der Arbeit hinauf? Was gibt es so Dringendes in seinem Arbeitszimmer, dass er schon die Treppe zur Hälfte hinter sich gebracht hat, bevor ich auf sein routinemäßiges Wie-war-es-in-der-Schule antworten kann? Ich dachte ursprünglich, er würde vielleicht geheime Akten über meine Mutter studieren, Telefonate im Flüsterton führen, aus dem Fenster steigen und sich an der Regenrinne hinunterlassen. Vielleicht hoffte ich auch nur, sehen zu können, wie er sein Essen genießt, denn seit meine Mutter nicht mehr da ist, habe ich gelernt, für ihn zu kochen. Aber er tut nichts dergleichen. Er sitzt einfach an seinem Schreibtisch und tippt oder starrt ausdruckslos auf den Computerbildschirm oder schiebt seinen Stuhl zum Fenster, um dort zu lesen. Sein Essen lässt er jedes Mal kalt werden, bevor er es gleichgültig und mit großen Bissen verschlingt. Man spioniert nicht, wenn es nichts zu spionieren gibt.

Mein eingeschlafener Fuß erwacht zum Leben und kribbelt, mein Rücken wird langsam steif. Die Kanten der Kiste schneiden in meine Schenkel, aber darum kann ich mich jetzt nicht kümmern. Ich schätze, dass ich seit fast einer Stunde hier oben bin. Normalerweise springe ich nur kurz hoch, mache mein Ding und laufe wieder nach unten, doch mein Winterprojekt für die Schule ist abgeschlossen, meine Freundin Celeste ist in Florida, und ich habe sonst nichts Besseres zu tun. Ich poliere meine Brillengläser und werfe noch mal einen Blick durch das Guckloch. Mein Vater wirkt schlaff. Ich zünde mir eine Zigarette an. Es ist an der Zeit, ihn aufzurütteln.

Das erste Mal geschah es durch Zufall. Ich durchwühlte den Schreibtisch meiner Mutter auf der Suche nach einer Sicherheitsnadel und entdeckte dabei den Verschluss einer Parfümflasche, der aus einer Schachtel Papiertaschentücher hervorschaute. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, in ihrer Gedankenlosigkeit Dinge an den merkwürdigsten Orten zu verstauen, dort, wo niemand, sie selbst eingeschlossen, auf die Idee käme, nach ihnen zu suchen: Schuhe im Gemüsefach des Kühlschranks, Schlüssel in meinem Rucksack, Parfüm in einer Schachtel Papiertaschentücher. Nach ihrem Verschwinden brachte ich Wochen damit zu, nach dem Parfüm zu suchen. Wenn ich traurig war, hatte sie mich kurz daran riechen lassen – manchmal tupfte sie sogar etwas davon hinter meine Ohren.

In meiner Hast, die Flasche aufzuschrauben, verschüttete ich Parfüm auf meine Bluse. Mit einem Mal umgab mich meine Mutter, hielt mich in den Armen, strich über meine Haare, las mir vor dem Einschlafen eine Geschichte vor und gab mir einen Gutenachtkuss. Dann öffnete ich die Augen. Das Zimmer war leer.

Stunden später wurde ich auf dem Hängeboden wach, die Parfümflasche noch in der Hand. Selbst jetzt kann ich mich nicht erinnern, wie ich hochgestiegen bin. Als ich meinen Vater ins Arbeitszimmer kommen hörte, robbte ich an das Guckloch heran. Ich weiß noch, dass ich überlegte, ob er meinen Namen rufen und nach mir suchen würde, wenn ich mich nicht meldete. Im Haus war es dunkel, wahrscheinlich nahm er an, dass ich im Nachbarhaus bei Celeste war. Er hatte eine Dose Erdnüsse dabei und vertiefte sich sofort in ein Buch. Als er ein Viertel der Erdnüsse geknabbert hatte, merkte ich, dass ich niesen musste. Um es zu unterdrücken, zog ich die Bluse hoch und presste den Stoff auf meinen Mund, dabei streifte der parfümgetränkte Stoff das Guckloch. Mein Vater ließ das Buch langsam sinken und stand auf.

»Yasmeen?«, flüsterte er und schnupperte.

Es war das erste Mal seit ihrem Verschwinden, dass ich ihn ihren Namen sagen hörte. Ich wollte hören, dass er ihn immer wieder sagte. Ich wollte sicher sein, dass er sie nicht vergessen würde, selbst wenn er mich vergaß. Mit einem Mal wurde ich wütend auf ihn, weil er meine Mutter hatte fortgehen lassen, weil er nie über sie sprach, weil er tat, als hätte es sie nie gegeben. Ich wollte, dass er sie ebenso vermisste wie ich, dass er ihre Abwesenheit sichtbar betrauerte.

Und so fing alles an.

Zu Anfang war es nur das Parfüm. Mit den Jahren wurde ich kreativer. Ich spielte die Qawwalis von Nusrat Fateh Ali Khan, die meine Mutter gehört hatte, rauchte wie sie Turkish-Gold-Zigaretten und rezitierte flüsternd Gedichte aus den Anthologien mit den Eselsohren, die sie an den Wänden des Vorderzimmers aufgestapelt hatte. Zum überwiegenden Teil hielt ich mich an Faiz und Dickinson, denn deren Gedichte waren am dicksten unterstrichen. Im Alter von dreizehn Jahren kannte ich ganze Bände auswendig. Wenn ich die Treppen rauf und runter stieg, überraschte ich mich oft dabei, wie ich die Gedichte stumm für mich aufsagte.

Mein Vater hat mir nie etwas von den geisterhaften Begebenheiten in seinem Arbeitszimmer erzählt. Ich bin sicher, er möchte diese ätherischen Eindrücke für sich behalten. Deshalb hinterlasse ich weiterhin Spuren für ihn und denke dabei, dass meine Mutter in Wahrheit mir gehört. Das war schon immer so.

Ich blase einen Mundvoll Rauch durch das Loch und lasse die Zigarette in den Rest Schokomilch fallen, die ich mit heraufgebracht habe. Das ist ein Fehler. Mein Vater hört das Zischen und richtet sich im Stuhl auf. Ich zucke zurück in die Dunkelheit.

»Irenie?«, murmelt er. Ich gebe keine Antwort. Jahre oder Augenblicke später, als ich mich wieder zu bewegen wage, spähe ich zu ihm hinab. Er tippt auf seiner Tastatur, in sich versunken. Das Gewicht der Kiste drückt schmerzhaft auf meinen Fußknöchel. Ich schaue mir die Kiste erstmals aus der Nähe an. Sie besteht aus Metall, Zinn vielleicht, ihre Größe entspricht dem Umfang zweier Schuhkartons. Hier im Dunkeln hat man den Eindruck, dass sie aufwendig mit etwas Glänzendem verziert ist. Ein Riegel ist kaputt, der andere mit einem kunstvoll gearbeiteten Schloss gesichert. Genauso habe ich die Kiste in Erinnerung.

Als ich die Konturen im Dunkeln ertastet hatte, wusste ich sofort, worum es sich handelte: um das Geheimnis meiner Mutter. Jenes Geheimnis, das sie mir nie verraten hat. Es ist schon so lange Teil meiner Erinnerung, als hätte es von jeher existiert. Ich weiß noch, wie meine Mutter die Kiste im Schlafzimmer sitzend auf dem Schoß hielt, als im Kunstunterricht Feuer ausgebrochen war und Mrs. Ronson mich vorzeitig nach Hause gefahren hatte. Ich sehe die Kiste noch auf dem Fußboden der Speisekammer, meine Mutter beugt sich darüber, an einem jener seltenen Nachmittage, als ich mich ihr widersetzte und nicht schlafen wollte. Einmal stand die Kiste auf dem Küchentisch, als ich bei Celeste übernachten wollte, vor Angst jedoch spät am Abend wieder nach Hause gekommen war. Jedes Mal lächelte meine Mutter, schloss die Kiste, ignorierte meine Fragen und verschmolz wieder mit dem Leben, als hätte es den entrückten Ausdruck in ihrem Gesicht nie gegeben.

»Was ist darin versteckt?«, fragte ich. Aber sie strich mir nur durch die Haare und verstaute die Kiste an einem unerreichbaren Ort. Wenn meine Mutter beschäftigt war, durchsuchte ich das Haus in der Hoffnung, die Kiste zu finden. Doch meine Mutter war eine Expertin, wenn es darum ging, etwas zu verbergen, und sie wusste, wo ich nachsehen würde. Als sie verschwunden war, suchte ich wie besessen nach der Kiste, aber ich konnte sie nicht finden. Deshalb war ich sicher, dass meine Mutter sie mitgenommen hatte, vielleicht zu einem glücklicheren Ort.

Während ich mich auf den Boden des Badezimmers hinunterlasse, sehe ich, dass der winzige Lichtpunkt an der Stelle über dem Arbeitszimmer erlischt. Ich klemme das leere Glas Schokomilch zwischen meine Zähne und die Kiste unter den linken Arm. Als ich mich im Badezimmerspiegel sehe, fühle ich mich wie James Bond, und schlagartig trifft mich die Erkenntnis, dass ich das größte Geheimnis meiner Mutter entdeckt habe. Wird mir das, was in der Kiste liegt, verraten, warum sie fortgegangen oder wohin sie gegangen ist? Ich will jedes kleinste Detail über sie erfahren, jeden Gedanken, den sie jemals gehabt hat. Dieser Wunsch treibt mich dermaßen an, dass ich den Halt verliere und den Duschvorhang packe, um mich zu fangen. Das Glas rutscht mir aus den Zähnen, fällt in die Badewanne und zerbricht, aber die Kiste lasse ich nicht fallen.

Irenie?«, ertönt die Stimme meines Vaters. Er klopft sacht an die Tür.

Hastig schiebe ich das Brett wieder an seinen Platz und schaue mich nach einem Ort um, wo ich die Kiste verstauen kann. Vielleicht unter dem Waschbecken. Das Schränkchen unter dem Waschbecken öffnet mein Vater nie, nicht einmal, wenn die Zahncreme aufgebraucht ist. Stattdessen zerschneidet er die Tube mit der Nagelschere und kratzt die Reste heraus. Ehe meine Mutter verschwand, war die Zahncremetube immer prall gefüllt und neu oder eine ordentliche Raupe mit eingerolltem Schwanz.

»Was ist?«, frage ich ziemlich laut. In meiner Hast, das zerbrochene Glas wegzuschaffen, schneide ich mir den Finger an einer Scherbe. Während ich mir über dem Becken Blut, Asche und Schokoreste abwasche, kommt mir der Gedanke, meine Haare nass zu machen. »Ich wasche mich.«

Er regt sich nicht. Hat ihm niemand gesagt, dass Frauen im Bad Zeit brauchen? Ich streife mein beflecktes Kleid ab und hülle mich rasch in ein Handtuch ein.

»Wenn du fertig bist, würde ich mir gern die Zähne putzen«, sagt er. Er ist noch immer da.

Ich reiße die Tür auf, und er taumelt leicht. Man kann sehen, dass er die Stirn an die Tür gelehnt hatte, was mich enorm aufbringt. »Fertig«, erkläre ich.

Er wirft mir einen merkwürdigen Blick zu, sagt jedoch nichts. Auf der Schwelle streife ich ihn. Er weicht noch mehr als sonst zurück und sieht zu Boden. In meinem Zimmer stelle ich fest, dass meine Hand auf dem Handtuch blutige Spuren hinterlassen hat.

In der Nacht wache ich immer wieder auf und denke an die Kiste. Ich möchte sie holen, aber was ist, wenn mein Vater mich auf dem Flur entdeckt? Seit fünf Jahren habe ich meine Mutter nicht mehr gesehen, ein Drittel meines Lebens. Ich weiß nicht mehr genau, wie ihr Gesicht außerhalb einer leblosen Fotografie aussah. Mein Vater hatte sie zwei Jahre länger als ich. Er hat sie gehen lassen, sie vielleicht sogar dazu getrieben, als ich mit Celeste in Florida war und sie nicht beschützen konnte. Ich werde nicht zulassen, dass er mir die Kiste wegnimmt.

Ich träume, dass meine Mutter in der Küche ist und über meinem Müsli eine Banane in Scheiben schneidet, obwohl sie weiß, dass ich das nicht mag. Ich träume, dass sie Hemden meines Vaters bügelt und mich die Stärke sprühen lässt. Ich träume, dass ich im Dunkeln durch das Haus wandere und nach ihr suche, ohne mich zu sorgen, denn ich weiß, dass sie da ist. Gegen fünf Uhr morgens gebe ich meine Versuche einzuschlafen auf und gehe nach unten, um mir eine Tasse Tee zu machen. In dem Moment wird mir wieder bewusst, was der Fund der Kiste bedeutet. Wenn meine Mutter noch lebte, hätte sie die Kiste bei sich.

Ausgerechnet an diesem Morgen beschließt mein Vater, später als sonst zur Arbeit zu gehen. Er trödelt beim Frühstück, obwohl ich viel zu nervös bin, um für ihn mehr als eine gebutterte Toastscheibe zuwege zu bringen. Normalerweise bekommt er montags immer ein Omelett. Er liest das Journal of Late Antiquity und kämpft sich durch die eine Scheibe Toast.

»Kommst du nicht zu spät zur Schule, Irenie?«, fragt er. Mein Vater und ich essen selten gemeinsam, und ich spüre, dass er lieber allein wäre.

»Kommst du nicht auch zu spät?«

»Erste Semesterwoche«, murmelt er. »Die Studenten schauen sich noch um. Sprechstunde ist erst am Nachmittag.«

Ich sitze am Tisch und spiele so lange mit dem Honigglas, bis ich sogar zu spät käme, wenn ich den ganzen Weg im Sprint zurücklegen würde.

2

Zu denken, dass es einmal eine Zeit gab, in der ich dachte, ich könnte nie ohne Dich sein. Zu denken, dass ich dachte, ich würde einfach vergehen. Inzwischen sind Jahre vergangen, und irgendwie bin ich immer noch da.

Der erste Schultag zieht verschwommen an mir vorüber. Während des Unterrichts habe ich die ganze Zeit Angst, dass die Kiste zu Hause sich in Luft auflöst wie ein Traum von etwas, das es nie gegeben hat. Als die Schulglocke zum letzten Mal läutet, hetze ich nach Hause, um nachzusehen, ob sie noch da ist. Ich warte nicht einmal auf Celeste.

Wenn man die Kiste ans Licht hält, erkennt man, dass sie tatsächlich aufwendig bemalt, jedoch ziemlich ramponiert ist. Meine Mutter pflegte zu sagen, dass Malen Leidenschaft erfordert. Aber seit ich denken kann, hat diese Leidenschaft sie nicht ein einziges Mal gepackt. Ich habe sie nie mit dem Pinsel in der Hand gesehen, nicht einmal, wenn sie Malunterricht gab.

Ich rüttele an dem Deckel und ziehe an dem Riegel, ohne Erfolg. Das Schloss ist antik wie aus ottomanischer Zeit. Das filigrane Muster entspricht genau dem Anhänger der Kette, die in meinem Zimmer am Spiegel hängt. Meine Mutter hat sie vor fünf Jahren für mich hinterlassen. Vor ihrem Verschwinden hatte sie die Kette nie abgelegt. Wenn ich auf ihrem Schoß saß, spielte ich gerne mit dem Anhänger und war stets wie gebannt von den ineinander verschlungenen Spiralen. Selbst damals ahnte ich bereits, dass er Geheimnisse enthalten musste, doch dass es sich um einen Schlüssel handelte, erriet ich nie.

Ich schließe die Kiste auf. Obwohl sie so lange verschlossen war, lässt sie sich leicht öffnen. Ich halte den Atem an, rechne fast schon mit einer dramatischen Hintergrundmusik, doch es bleibt still. In der Kiste liegt ein Karton, in etwas eingeschlagen, das wie ein besticktes Tuch aussieht. Der Karton ist voller Briefe. »Lieber Ahmed«, lese ich auf einem Blatt Papier, das am Deckel haften geblieben ist, der einzige Brief, der aus dem Packen gerutscht ist. Es ist die Handschrift meiner Mutter, nur größer, als ich sie in Erinnerung habe, und nachlässig, so wie ihre Handschrift sonst nie war. Es handelt sich um altmodisches Luftpostpapier, Umschlag und Briefbogen in einem, wie es mitunter aus Islamabad kam. Wenn einer dieser Briefe eintraf, war meine Mutter überglücklich und öffnete ihn vorsichtig, aus Angst, eines der Wörter zu zerreißen.

»Halt ruhig, Irenie«, schimpfte sie, wenn ich auf ihren Schoß kletterte und einen Blick auf die Wörter erhaschen wollte, die ich noch nicht lesen konnte.

Ich drehe den Brief um und schaue auf die Adresse. Ahmed Kakkezai, London, England. Der Brief wurde im Jahr 1992 von ihr verschickt, wie also konnte er wieder in die Kiste gelangen? »Alles Liebe, Yasi« steht am Schluss. Ich erinnere mich nicht, dass meine Mutter jemals einen Mann namens Ahmed erwähnt hat oder etwas mit London zu tun hatte. Wenn wir auf dem Weg nach Islamabad in diese Stadt kamen, drängte sie darauf, so schnell wie möglich weiterzureisen. Wenn mein Vater seine Mutter besuchen wollte und einen Zwischenstopp in Irland anregte, sagte sie: »Ich will einfach drüben ankommen.« Die Reise nach Irland unternahmen wir nur ein einziges Mal, und ich glaube nicht, dass sie einem von uns Spaß machte. Wie mein Vater schien auch meine Großmutter nicht zu wissen, was sie mit uns anfangen sollte. Soweit ich mich erinnere, war meine Mutter nur in London, wenn wir in Heathrow Aufenthalt hatten und sie in der Wartehalle auf und ab tigerte. Sie war nie gut im Reisen, auch wenn sie fast jeden Sommer nach Islamabad flog. Sonst wollte sie nirgendwohin, obwohl sie jede Menge Reiseprospekte sammelte, mit Beschreibungen von allen möglichen Orten.

»Diejenigen, die ich liebe, sind hier oder drüben«, sagte sie. »Warum sollte ich woanders hin reisen?«

Aber sie hatte Ahmed in England geliebt, und wir hatten uns nie dort aufgehalten.

Der oberste Brief auf dem Stapel ist fast dreiundzwanzig Jahre alt. Der darunter eine Woche älter: von Ahmed an Yasi. Sein Brief war mit der Schreibmaschine verfasst worden, die Schrift verblasste bereits. Insgesamt sind es zwei Stapel Briefe, jeder dick wie ein Telefonbuch. Ich frage mich, wie weit sie zurückreichen, ob sie alle Ahmed und Yasi betreffen, oder ob meine Mutter noch mit anderen korrespondierte. So viele Briefe, schrillt es in meinem Kopf. So viele Geheimnisse. Ich rede mir zu, nicht panisch zu werden. Ich muss systematisch vorgehen. Es ist besser, langsam zu machen und zuerst einen Kontext zu schaffen. Wenn es sich nur um Briefe der beiden handelt, muss ich mich auf die Tatsache einstellen, dass meine Mutter jede Menge Briefe mit einem Mann ausgetauscht hat, den ich nicht kenne. Ich muss mit dem ersten beginnen und alle der Reihe nach bis zum letzten lesen. Ich werde die Stapel genau durchsehen, bevor ich anfange, nur auf das Datum und die Adresse achten. Ich werde sie sortieren und chronologisch ordnen.

Noch bevor ich ein Viertel sortiert habe, wird mir klar, dass meine Mutter mir einen Schritt voraus war. Die Briefe sind bereits geordnet, zuunterst liegen die ältesten, nach oben werden sie immer jünger, zuerst ihre, dann seine. Es gibt keinen einzigen Brief, der von jemand anderem stammt.

Meine Mutter muss die Briefe mit einem Bügeleisen bearbeitet haben, bevor sie einen nach dem anderen ablegte. Die Knickfalten sehen aus wie feine Bleistiftlinien, und die Bogen sind so glatt, als wären sie nie gefaltet worden. In der Kiste befinden sich Hunderte von Seiten. Wie lang wird es gedauert haben, bis sie so perfekt aufgestapelt waren? Lag sie nachts im Bett und wartete auf den Morgen, um wieder Zeit für diese mühselige Arbeit zu finden? Ich würde gern glauben, dass sie mir die Briefe so akkurat hinterlassen hat, für den Tag, an dem ich sie entdecke, doch die schönsten Illusionen sind oftmals unhaltbarer als alle anderen. Die Kiste und ihre Geheimnisse gehörten allein meiner Mutter, und was den Inhalt anbelangt, dürfte sie dabei überhaupt nicht an mich gedacht haben.

Als ich die Briefe gezählt habe, liegen sie verstreut auf dem Fußboden. Insgesamt sind es zweitausendvierhundertsechsundfünfzig Seiten. Bei den ersten handelt es sich um kurze Nachrichten, die die beiden sich während ihrer Zeit im College geschickt haben. Wahrscheinlich haben sie sich damals kennengelernt. Die späteren Briefe sind viel länger, ziehen sich über Seiten. Doch ich möchte vorn beginnen. In der Kiste liegt noch ein zugeklebter, recht neu aussehender Manila-Umschlag, in dem etwas steckt. Warum hat meine Mutter in ihrer Kiste der Geheimnisse etwas Zugeklebtes aufbewahrt? Die Furcht, die mich schon den ganzen Nachmittag befallen hat, verstärkt sich. Einen Moment lang weiß ich nicht, ob ich die Leichen sehen möchte, die meine Mutter so sorgfältig im Keller verborgen hat.

Doch für einen Rückzieher ist es zu spät. Wie in Trance greife ich nach dem Umschlag. Meine Finger ziehen den Klebestreifen mechanisch ab, saugen Farbe aus dem Papier und hinterlassen Fussel auf dem Streifen. Ich schnippe den Streifen weg und begreife gleichzeitig, dass meine Mutter jetzt wissen wird, dass ich an der Kiste war. Sie kommt nicht mehr zurück, halte ich mir vor Augen. Diesmal hat sie mich endgültig verlassen.

Der Umschlag enthält ein merkwürdig geformtes Bündel, eingeschlagen in ein altes Taschentuch meines Vaters. Ich streife die Hülle ab und entdecke Bargeld. Etwas über siebenhundert Dollar und ein Scheck von einer Mrs. Randolph über zweihundertvierzig Dollar – vergessene Einnahmen aus den Malstunden, die meine Mutter gegeben hat. Mit diesem Unterricht begann sie etwa zu der Zeit, als ich in die Schule kam, und hat ihn bis ein Jahr vor ihrem Verschwinden fortgeführt. Bei ihren Schülern handelte es sich um ältere Damen aus dem Ort und nicht berufstätige Ehefrauen anderer Professoren. Dann und wann stieß eine Studentin dazu und belebte die normalerweise zurückhaltende Malgruppe mit wüsten Geschichten von missglückten Liebesbeziehungen und durchzechten Nächten. Während jener Unterrichtsstunden durfte ich das Vorderzimmer nicht betreten – oder vielmehr das »Studio«, wie es dann genannt wurde. Ich lungerte in der Küche herum, lauschte an der Tür und stopfte mich mit Plätzchen voll. Das prasselnde Kaminfeuer und das cremige Licht der Nachmittagssonne, die durch die Fenster hereinfiel, schienen die Frauen zu entspannen. Sie unterbrachen oft ihre Arbeit, den Pinsel in der Luft, und vertrauten einander Dinge an, die zweifellos wichtig und doch äußerst rätselhaft waren, wie, dass sie sich seit dem vierzigsten Geburtstag nur noch mit weißen Baumwollhöschen abgaben.

Wenn die letzten Schülerinnen in Wolken von Patschuli oder einem anderen Parfüm entschwunden waren, führte meine Mutter mich zur Bewertung ihrer Arbeiten in das rasch kälter werdende Vorderzimmer.

»Was hältst du von dem Gelb, das Meredith hier verwendet hat?«, fragte sie, neigte den Kopf zur Seite, stemmte eine Hand in die Hüfte und trat einen Schritt von dem Gemälde zurück. »Mir kommt es ein bisschen zu knallig vor, aber vielleicht hat sie das ja gewollt.«

Ich betrachtete die fragliche Leinwand, hoffte, dabei nachdenklich auszusehen, und antwortete: »Ich glaube schon. Für mich sieht es so aus, als sei es ihre Absicht gewesen.« Ich war glücklich, wenn meine Mutter mich nach meiner Meinung fragte. Ihre Schülerinnen malten überwiegend abstrakte Bilder. An die kleinen Mädchen in gebauschten Kleidern und mit Schleifen im Haar, die ich in der Schule im Zeichenunterricht malte, reichten sie aus meiner Sicht nicht heran. Ich wusste, dass meine Mutter meine kleinen Mädchen verachtete, doch ich hatte eine seltene Anwandlung von Sturheit und blieb ihnen treu.

»Sie sehen aus wie Hochzeitstorten«, sagte meine Mutter. »Richtige Kinder sehen anders aus. Wo sind die aufgeschrammten Knie und der Schmutz in den Haaren?«

In solchen Momenten war ich kurz davor, meine Mutter zu hassen. Wie konnte sie nicht erkennen, dass die von mir gemalten Kinder perfekt waren, ebenso perfekt, wie ich es für meine Mutter sein wollte? Wenn meine Haare immer ordentlich wären und meine Röcke duftigen Kreiseln glichen, würde meine Mutter vielleicht nicht am Frühstückstisch weinen und aus der Kaffeetasse Whisky trinken. Das verrückte Farbchaos, das ihre Schülerinnen produzierten, fand ich grauenhaft, obwohl ich ihr das nie sagte. Diese Bilder schienen mir außerdem gefährlich und im Übrigen zu schwierig, um sie verstehen zu können. Doch ich verzieh den Schöpferinnen, weil sie uns knisternde Bündel Geldscheine brachten und mir die Möglichkeit gaben, meiner Mutter gegenüber erwachsen aufzutreten.

»Komm, wir holen uns ein Eis«, konnte meine Mutter an den kältesten Wintertagen sagen. »Wir müssen uns daran erinnern, dass es einen Sommer gibt.« Das Geld, das sie verdiente, schien sie vor allem für spontane Abenteuer auszugeben. Einmal holte sie mich mitten am Tag von der Schule ab und fuhr mit mir zu einem piekfeinen Restaurant in die Stadt. Als ich ihr an der glänzend weißen Tischdecke gegenüber saß, fühlte ich mich wie das glücklichste Mädchen der Welt. Jeder Mann und jede Frau im Restaurant nahmen meine Mutter wahr und konnten nicht anders, als sie aus dem Augenwinkel zu beobachten. Sobald meine Mutter einen Schluck aus ihrem Glas genommen hatte, war der Kellner an ihrer Seite und schenkte ihr nach, und der Korb mit den warmen Brötchen auf unserem Tisch wurde immer wieder aufgefüllt. Meine Mutter war der Mittelpunkt meiner Welt, aber mir gefiel, wie sie im Nu auch zum Mittelpunkt anderer Welten wurde und doch nur mir gehörte.

Ich stecke das Geld zurück in den Umschlag und notiere die Gesamtsumme darauf. Mein Vater wird bald nach Hause kommen, bis dahin möchte ich alles wieder aufgeräumt haben. Soweit ich weiß, war er seit dem Verschwinden meiner Mutter nie in meinem Zimmer, aber wenn er im Haus ist, möchte ich nicht, dass ihre Geheimnisse hier herumliegen. Es könnte ja sein, dass er sie riecht, und dann wäre ich gezwungen, sie mit ihm zu teilen.

Ich lege die Briefe zurück in die Kiste, sorgsam, um die Reihenfolge nicht zu zerstören, und schiebe sie unter mein Bett. Celeste wird nie begreifen, warum ich sie nicht sofort gelesen habe, doch in dieser Kiste befindet sich das Leben meiner Mutter, in das ich zwar eindringen werde, aber nicht mit einer Offensive, die ihr missfiele. Es ist ohnehin Zeit, das Essen zuzubereiten. Meine Mutter hat es nie zu spät aufgetragen, nicht einmal dann, wenn sie den ganzen Nachmittag lautlos über dem jüngsten Zuwachs in ihrer Kiste geweint hatte.