Das Buch
Alfred Hilsberg ist das Missing Link zwischen der Revolte von 1968, Punk ab 1976, den Jahren unter Kohl und den digitalen Lebensaspekten von heute. Er ist ein einzigartiger Selfmademan, Initiator und Organisator kreativer Ideen, der als freier Filmverleiher, Hochschuldozent, Journalist, Konzertveranstalter, Bandmanager und Betreiber unabhängiger Musiklabels die bundesdeutsche Kulturgeschichte wie kaum ein Zweiter geprägt hat. Die Erzählung seines im Zickzack verlaufenden Lebens und Wirkens bietet eine Entdeckungsreise in die verschiedenen Subkulturen der letzten vierzig Jahre. Mit seinen Plattenlabels ZickZack und What’s So Funny About schrieb er deutsche Musikgeschichte und veröffentlichte wegweisende Bands und Künstler wie Abwärts, Palais Schaumburg, Einstürzende Neubauten, FSK, Krupps, Mutter, Henry Rollins, Die Haut, Gun Club oder später Blumfeld, Knarf Rellöm, Sandow, Jens Friebe und Rummelsnuff. Ergänzt und kommentiert wird dieser ungewöhnliche Blick hinter die Kulissen eines ungewöhnlichen Lebens durch Statements von Zeitzeugen, Beobachtern und Weggefährten.
Das vorliegende Buch war ursprünglich als Autobiografie von Alfred Hilsberg mit Christof Meueler als Co-Autor geplant. Aus zeitlichen und gesundheitlichen Gründen konnte das Projekt in dieser Form nicht vollendet werden. Es wurde entschieden, das Projekt in eine Biografie umzuwandeln.
Der Autor
Christof Meueler, geboren 1968, Journalist und Soziologe, lebt in Berlin. Gab in den Achtzigerjahren das Noise-Pop-Fanzine Rat Race heraus, schrieb in den Neunzigern unter anderem für das Hardcore-Magazin Zap und legte im Rhein-Main-Gebiet Platten auf. Seit 2001 Ressortleiter für Feuilleton & Sport bei der Tageszeitung junge Welt. Meueler und Hilsberg kennen sich seit Mitte der Achtziger.
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Copyright © 2016 by Christof Meueler
Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Melville Brand Design GmbH, München
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN: 978-3-641-19415-4
V002
Inhaltsverzeichnis
ANLÄSSE FINDEN. VORWORT VON KRISTOF SCHREUF
FÜNFZIGER- UND SECHZIGERJAHRE
1. RUDIMENTE VON SEHNSUCHT
Klavier auf die Pfoten
Mit dem Jungen stimmt was nicht
In der Westernstadt
Der Volkswagen (Typ 1)
Komm nach Wolfsburg
Tod auf dem Fahrrad
Gegen die deutschen Tugenden
Diagonal denken
Filme, die nirgendwo zu sehen waren
Schülerzeitung ohne Schule
Bildet Zirkel!
Im Centro Italiano
Hallo Verfassungsschutz!
Das erste Konzert: Amon Düül II
Die Namenlosen von Sarstedt
Premieren mit Gewichthebern
Auf der Flucht vor der Bundeswehr
2. WER FILMMACHER IST, SOLL DIE HAND HEBEN! DIE HAMBURGER FILM COOPERATIVE
Alle waren Autodidakten
Mit Feuer, ohne Jury
Oberhausen reicht nicht
Alles war verdrogt
SIEBZIGERJAHRE
3. WO IST DIE ZIELGRUPPE? SOZIALISTISCHE FILM COOP UND ZENTRAL VERLEIH
Vorzeigbare Systemgegner
Eine klare Trennung vollziehen – mit der Faust
Bitte die Betriebe besetzen!
Ein Tarnname muss her
Der KB verbindet die Augen
Wissen, was gedacht wird
Platten aus dem Fenster
Der Kampf zweier Linien (mindestens)
Das Desaster von Stockholm
Wie Fische im Aquarium
4. EINGREIFEN UND AUFWIEGELN. MIETERBÜRO, VIDEOWERKSTATT UND LINKE BILD-ZEITUNG
Die mikropolitische Ebene
Ein eigentümlicher Lokalismus
Wie man Ausbildungsprobleme verschiebt
Video on demand: vom Dozenten zum Studenten
Where are you, Arbeiterklasse?
Raus aufs Land
Kameras? Wir hassen Strom!
Herumeiern aus Verzweiflung
Die vage Idee einer linken Bild-Zeitung
Für fünf Groschen Freiheit
Kommst du mit in den Alltag?
Profis gegen Romantiker
Seid ihr vielleicht Nazis?
5. DAS UR-PUNK-ERLEBNIS
Es kribbelt
Heiße Ware
Die Rotznasen kommen
Für niemals Punk
Schneid dir die Haare, bevor du verpennst
Das Bild macht die Musik (kaputt)
Im Kofferraum liegt John Lydon
Into the Future
Rip Off und Zensor
Die Gründung von ZickZack
6. DIE REVOLUTION IST VORBEI, WIR HABEN GESIEGT! KULTURKAMPF IN DER SOUNDS-REDAKTION
Die alten Fotos
Rettung durch die Ramones
Die können nicht spielen!
Die Polaroid-Welt wird unruhig
Rodenkirchen is burning
Alt werden oder jung werden
Einszweidreivier zählen
Deutsch ist sehr schwierig
Schrumm-Schrumm
Höre, staune, gute Laune
ACHTZIGERJAHRE
7. DER UNGLAUBLICHE GESTUS DER NEUHEIT
Fraktionsschlachten vorab
Rock gegen Avantgarde
Kaum erdacht, schon gemacht
Mach dir deine Goldene selbst!
Ein neues Modewort macht wach
Keine Mark der Industrie
Lieber zuviel als zuwenig
Nachrichten aus der Überproduktion
Albert Hilsberg ist ein Schwein
Der »Was wäre wenn«-Phantomschmerz
Das Solinger Gefühl
8. ALLE MONDE, ALLE SONNEN
Die neue Autorenposition
Zerstört das Alte
Bierdeckelvertrag
Bild dir dein Image
Auf Extremtour
Jedes Konzert ist wie das erste Mal
Lärm und Krach kann jeder machen
Traumzone im Schlafsack
Die schönste Farbe: Gold
Wo die Zebras tranken
Scherz und Wahn
Flasche Obstler auf den Tisch
9. RAUCH OHNE FEUER: NDW-KRISE UND ZUSAMMENBRUCH
Ablösesumme für Palais Schaumburg
Wie landet man einen Hit?
Herr Hilsberg kommt zum Kaffee
Die verstopften Kanäle unter Helmut Kohl
Bist du Juri Gagarin?
Pop-Revolution und Konterrevolution
»Iiiieeeh, Popper!«
Schnaps, damit es schneller geht
Pausenclown und Junkie
Wo ist das Geld?
Die Dorau-Krise
Aufzeichnungen aus dem Schuldenturm
10. NACH DER KRISE IST VOR DER KRISE. WHAT’S SO FUNNY ABOUT
Ablenkung im Osten
Der König vom Prenzlauer Berg
Gedichte auf der Wäscheleine
Hilsberg verboten
Die beste Pop-Band
Internationale Sinnproduktion
Der wahnsinnige Stevo Pearce
Drogen ankleben
Albert Speer ohne Heizung
Nick Cave wundert sich
Schlammloch Schauspielhaus
Videogucken mit Jeffrey Lee Pierce
Tausend Platten beim illegalen Grenzübertritt
Nachzeichnen von Ameisenstraßen
Niemals Major
Im Supermarkt einen Hype casten
Die Sexual-liberale Aktion
Der umwerfende Levin
Hamburg ist nicht Boston
Eine paranoide Großtat
Den Horror therapeutisch durcharbeiten
Die Krücken wegwerfen
Allstars, die keine Stars wurden
Bruch in allem, pausenlos
NEUNZIGERJAHRE
11. WER IST WIR? MUSIK IN HAMBURG
Der Avantgarde-Sittich
Keine gute Mode
Hartes Abchecken
Orthopädie und Baumschule
Wo ist zu Hause, Papa?
Mit nichts vergleichbar
Das eigene Image angreifen
Poetische Neurosenlehre zum Mitsingen
Sprachlos in Pinneberg
Mein Name ist Mensch
Einen Plan haben
Arbeiten an Begrifflichkeiten
Gegenvorbild Hilsberg
Im Stress-Shirt
Das Geilste, das Größte
Der Blumfeld-Irrtum
Das schwarze Bett
Familie Flugbenzin
Feel male
Big Cat Blumfeld
12. WIE WEIT WEG WAR DIE DDR?
DDR is over
Wie die Rechten die Platzwahl gewannen
Wo wart ihr in Rostock?
80.000.000 Hooligans
Das Zentrum der Macht war leer
Ein anderer Planet
New York, London, Ostberlin
Der Osten steht hinten
Posaune statt Trompete
Rammstein sind jenseits
13. PARADIES DER UNGELIEBTEN. INDIE UND INDUSTRIE
In Lateinamerika
Dumme Themen: The year punk broke
Totalabstürze
Das Ende der Haut
Aus einer Idee wird ein Genre
Die Hassposition zulassen
Stolz & Vorurteil
Danke, ihr habt Punk verstanden
Reizwörter aus dem Kitschvokabular
Sagenhaft ungeile Scherbenhaufen
NULLER- UND ZEHNERJAHRE
14. DAS MIT DER PLATTENINDUSTRIE IST EGAL, HAUPTSACHE, DIR IST NICHTS PASSIERT
Zehntausend Tapes in den Müll
Büroratten
Das wichtigste Utensil
Krieg ist vorbei, ein neuer beginnt
Repetitiver Kulturkampf
Jenseits von Jedem
Vorher, nachher, Friebe
Plattensammlung verkaufen oder pleitegehen
Fast ein WM-Song
Die CD ist tot
15. VOM VERSCHWINDEN UND WIEDERAUFTAUCHEN
Sag zum Abschied leise Tschüssikowski
Die Espressokanne als Raumschiff
Guck mal in deinen Vertrag
Crossover aus manisch und depressiv
Die Arbeit an der Idee: Demonstration und Comebacks
Keine Mark für niemand
Die Alfred-Filme
Ein Cliffhanger
ÜBRIG GEBLIEBENE SCHNIPSEL
MITWIRKENDE
DANKSAGUNGEN
REGISTER
Anlässe finden
Vorwort von Kristof Schreuf
Bevor ich von Alfred Hilsberg hörte, hörte ich von anderen, die mit ihm zu tun hatten. Einer kam Anfang der Achtzigerjahre aus Berlin angereist, und zwar im Radio. Als bei mir die sechste Schulstunde zu Ende war, radelte ich schnell nach Hause, um die Sendung Musik für junge Leute auf NDR 2 zu hören. Der Moderator Klaus Wellershaus hatte Blixa Bargeld eingeladen. Wellershaus gab sich Mühe, mit seinem Gast ins Gespräch zu kommen. Er fragte: »Blixa, du hast mal gesagt, dass dir Berlin sehr wichtig ist. Kannst du das, was dir diese Stadt bedeutet, beschreiben?« Es folgte: Atmen. Daraufhin war zu hören, wie Bargeld sich in seiner Kleidung bewegte und auf einer Sitzgelegenheit hin und her rutschte. Dazu rückte er Aschenbecher oder Getränke zurecht und räusperte sich. Bargeld hatte zu tun, auch ohne Worte. Er meinte es gut, als er schließlich antwortete: »Marlene Dietrich.« Jetzt räusperte sich Wellershaus. Er war genauso von Bargeld überfordert, wie der sich zuvor von seiner Frage oder vom Akt des Befragtwerdens überfordert gezeigt hatte: »Ähm, Blixa, kannst du erklären, was du damit meinst?« Atmen, Rutschen, Rücken, Räuspern. Dann der Studiogast, der es nun nicht mehr ganz so gut meinte: »Nö.«
Bargeld spielte bei Einstürzende Neubauten, und die hatten eine Platte mit dem Titel Kollaps gemacht, welche auf dem Label ZickZack erschienen war. Nicht nur vor dieser, auch vor anderen Platten dieses Labels hatte ich Angst. Vor dem, was darauf zu hören war, vor den Leuten, die das spielten, und auch vor Alfred Hilsberg, der sie herausbrachte.
Kurz darauf erlebte ich in der Hamburger Markthalle jemanden, der mit ihm zu tun hatte – live. Götz Achilles trat bei einem ZickZack-Festival als Moderator auf die Bühne, und er begann ein Geografie-Quiz. Eine Frage lautete: »Wo liegt Hilsberg?« Manche Besucher achteten darauf, sich nichts anmerken zu lassen. Lieber wollten sie bedeutungsvoll schweigen und die Käppis, die sie auf dem Kopf trugen, für sich sprechen lassen, auf denen die abgewandelte Fassung eines Slogans stand, den fünfzig Jahre zuvor die Surrealisten benutzt hatten: »Musik als Waffe«. Andere johlten und schrien. Damit wollten sie ihre Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, jeden, der die Bühne betrat, und alles, was er dort machte oder sagte, für einen Witz zu halten. Außerdem lag ihnen daran – nicht, weil sie so schlau waren, sondern weil sie furchtbare Angst hatten, für dumm gehalten zu werden – zu zeigen, dass sie diesen Witz immer noch etwas besser verstanden als der Rest. Dabei hatte gar niemand versucht, ihnen etwas anderes zu unterstellen. Wären sie gefragt worden, ob sie lieber selbst auf der Bühne stehen wollten, hätten sie das wahrscheinlich entschieden verneint. Aber sobald es jemand anders tat, fassten sie das nicht als Ermunterung, sondern als Kränkung auf.
Einer dieser verdrucksten, gereizten Rebellen schrie Achilles zu: »Du blöder Wichser!« Achilles reagierte freundlich: »Ja, ich bin ein Wichser.« Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr: »Und ich hoffe, du bist auch einer. Ich hoffe schwer, dass du auch ein Wichser bist.«
In der Halle wurde es augenblicklich ruhiger. »Also, wo liegt Hilsberg?«, wiederholte Achilles seine Frage. Jetzt hörten mehr Leute aufmerksam zu. Nach einer weiteren Pause sagte Achilles: »Hilsberg liegt unterm Tisch im Raum 19 der Markthalle.«
Ein anderes Mal war wieder die sechste Schulstunde vorbei und das Radio an. Alfred Hilsberg sagte: »Punk hat mich um des Punks willen nie, niemals, nie interessiert. Jürgen Kramer, 360 Grad.« Nie, niemals, nie. Er zitierte einen Künstler aus Gelsenkirchen. Seine Stimme hatte einen trockenen Schmelz, der sich angenehm in meinen Magen senkte. Auf mich wirkte sie wie auf andere Leute Christian Brückner – die deutsche Synchronstimme von Robert De Niro. Bis heute wundert es mich, dass Hilsberg nicht mal zu Sprecheraufnahmen in Rundfunk- oder Fernsehstudios gebeten worden ist.
Als ich ihn bei weiteren Abenden in der Markthalle sah, trug er meist einen schwarzen Anzug. Um den Hals einen langen, weißen Schal. Den Schal hat er irgendwann abgelegt. Aber schwarze Anzüge trägt er bis heute. Sie sind ihm nicht bloß deshalb wichtig, weil er andere Kleidung nicht mag. Vielmehr signalisiert er mit ihnen, womit er nichts zu tun haben will. Ich vermute: die USA. Das würde auch erklären, warum er nicht auch die Anzüge mal abgelegt hat. Denn auch die USA sehen ja in weiten Teilen noch so aus wie immer. Weder Blixa Bargeld noch Götz Achilles oder Jürgen Kramer konnten daran viel ändern. Ganz zu schweigen von Christian Brückner. Gegen die USA lässt sich aus Hilsbergs Sicht womöglich nicht viel tun. Außer, sich zu vergewissern, dass man selbst auch noch da ist. Insofern liefert er ein Beispiel dafür, wie sich Europa seiner selbst vergewissert. Unter anderem mit kulturschockierenden Tonträgern und einem bestimmten Look. In Hilsbergs schwarzen Anzügen steckt seine Amerika-Kritik.
Apropos Kritik. Auch er musste sie in den letzten sechsunddreißig Jahren über sich lesen oder anhören. Damit hier kein Missverständnis entsteht: Es mag Musiker und Bands geben, die Gründe haben, auf Hilsberg schlecht zu sprechen zu sein. Manchen war dieser Ärger bekanntlich wichtig genug, um miserable Platten daraus zu machen oder ihr Mütchen in Interviews zu kühlen. Einer Reihe von ihnen mag es schon einen roten Kopf beschert haben, dass Hilsberg nie den Eindruck machte, sein Geld im Schweiße seines Angesichts zu verdienen. Sie hatten gehört, dass im Musikgeschäft gewiefte, »böse« Plattenfirmen die »guten«, armen Bands und Musiker über den Tisch ziehen. Deshalb entschlossen sie sich, in Hilsberg eine besondere Gelegenheit zu sehen. Wenn sie schon keine Popstars werden konnten, so wollten sie sich doch wenigstens als Rock-’n’-Roll-Opfer fühlen. Ganz wie früher, in den Sechzigern, als sich erst die Rolling Stones und danach die Beatles von dem Geschäftsmann Allen Klein um Geld betrogen wähnten. Bands, die für ZickZack oder weitere Hilsberg-Labels Platten machten, scheiterten zwar oft genug daran, die nächsten Beatles oder Stones zu werden. Doch genau deshalb wollten sie es sich nicht nehmen lassen, Alfred Hilsberg zu ihrem Allen Klein aufzubauen.
Groß darum geschert hat Ersterer sich nicht. Es gab und gibt wohl immer Wichtigeres zu tun. Bis heute. Sein Label lädt mitunter zum berühmten Vergleich mit den Asterix-Comics ein: Die ganze Kultur ist von der Kulturindustrie besetzt … Die ganze Kultur? Nein! Ein von dem unbeugsamen Alfred Hilsberg betriebenes, unabhängiges Label hört nicht auf, der Kulturindustrie Widerstand zu leisten …
Aber Hilsberg hat mehr vor, als bloß Abwehrkämpfe zu gewinnen. Und er kämpft auch nicht, sondern findet Anlässe. Die wollen ihm einfach nie ausgehen. Nicht einmal nach mehreren Jahrzehnten zwischen der Behauptung eines angeblichen Endes der Geschichte und eines noch angeblicheren Endes der Musikindustrie hört er damit auf, unfassbare Platten rauszubringen. Er hat es geschafft, mit einer linksradikalen Plattenfirma wieder und wieder neu anzufangen. Wie Truffaut das mit Hitchcock getan hat, möchte man ihn manchmal fragen: »Herr Hilsberg, wie haben Sie das gemacht?«
Um diese Frage zu beantworten, hat sich der Berliner Journalist Christof Meueler viele Male mit ihm getroffen – und mit über sechzig Menschen, die ihn auf seinem Weg begleitet haben. Auf den dabei entstandenen Gesprächen beruht die nun vorliegende erste Biografie eines erstaunlichen Labelbetreibers und Kulturmachers.
FÜNFZIGER- UND SECHZIGERJAHRE