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Foto: © Julie Plec

DIE AUTORIN

Julie Plec arbeitet für Film und Fernsehen als Produzentin und Autorin. Sie ist Co-Autorin und Produzentin der Serie THE VAMPIRE DIARIES und Autorin des Spin-Offs THE ORIGINALS, das die Geschichte der Geschwister Klaus, Rebekah und Elijah, der ersten Vampirfamilie, erzählt.

Von der Autorin ist außerdem bei cbt erschienen:

The Originals – In Dunkelheit geboren

The Originals – In Liebe vereint

Julie Plec

THE
ORIGINALS

Auf ewig verbunden

Aus dem Englischen
von Michaela Link

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1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Juni 2016

Copyright © 2015 by Alloy Entertainment

Published by arrangement with Rights People, London

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »The Originals: The Resurrection« bei Harlequin Books S.A.

»The Originals« created by © Julie Plec based on The

Vampire Diaries series

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Michaela Link

Lektorat: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen unter Verwendung des Originalumschlags, Key Artwork © 2015 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

jb · Herstellung: wei

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-16094-4
V001

www.cbt-buecher.de

PROLOG

21. März 1788

New Orleans brannte. Vom Ostende bis zur Kirche stand die Stadt in Flammen und die Schuld daran trug Klaus Mikaelson. José Pilón saß auf einem niedrigen Hügel und sah zu, wie die einzige Heimat, die er gekannt hatte, vor seinen Augen verschwand. Rauch stieg von der Stadt auf und zog in dunklen, rußigen Wolken zum Bayou. Über dem Feuer leuchtete der Vollmond in einem Unheil verkündenden Rot.

José war in eine nie da gewesene Ära des Friedens hineingeboren worden, aber sein Tod – gleichbedeutend mit seiner Wiedergeburt als Vampir – hatte ein neues Zeitalter der Gewalt eingeläutet. Die Mikaelsons konnten es einfach nicht lassen. Kein Waffenstillstand, der die drei Ur-Vampire einschloss, war das Papier wert, auf dem er geschrieben stand. Früher oder später würde einer von ihnen zornig oder eifersüchtig werden oder sich einfach nur langweilen.

In neun von zehn Fällen war dies Niklaus, der Sprunghafteste der drei Geschwister. José hatte einst geglaubt, er werde Klaus Mikaelson für immer treu bleiben – dass es ein ewiges Band der Bruderschaft knüpfen würde, das Blut eines Vampirs zu teilen. Aber Klaus hatte gelogen. Das mittlere der Geschwister Mikaelson hatte sich für seine eigenen Zwecke gegen Freunde und Feinde gewandt und jetzt brannte Josés Stadt bis auf die Grundmauern nieder.

Er hätte mit ihr verbrennen sollen.

José war mit den Talenten eines Diebs geboren worden und diesmal hatte er sich sein Leben zurückgestohlen. Er hatte seine Kindheit damit verbracht, sich ungesehen durch die finsteren Seitenstraßen und krummen Gassen von New Orleans zu bewegen und zu bemerken, was andere übersahen – und sich zu nehmen, was nicht ihm gehörte. Es hatte ihm gute Dienste geleistet – als Mensch und als Vampir.

Als sich das Feuer ausgebreitet hatte, war Panik ausgebrochen. José hatte den Kopf eingezogen, nicht auf das Chaos geachtet und nur an Flucht gedacht. Die Haupttür war verriegelt gewesen, aber jeder gute Dieb wusste, dass es immer mehr als einen Weg hinaus gab.

Er verwettete sein Leben darauf, dass er den Fluss erreichen konnte, bevor das Feuer die hölzernen Lagerhäuser am Ufer in ein Flammenmeer verwandelte. José wartete, bis die Frachttüren, die sich auf die Docks öffneten, nachgaben und einstürzten. Er bedeckte Mund und Nase, um den Rauch nicht einzuatmen, und hielt sich dicht am Boden. Schon bald war er von den anderen abgeschnitten, die von den Flammen eingeschlossen waren. Ihre Schreie durchschnitten das ohrenbetäubende Tosen des Feuers.

Als das Lagerhaus unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrach, gelang es José, unter den herabgestürzten Balken hindurchzuschlüpfen und sich in den Fluss zu werfen, bevor er ganz von den Flammen erfasst wurde. Brandwunden würden leicht heilen, aber nur, wenn er überlebte.

Er war nicht allein, als er durch den Mississippi watete. Dutzende anderer Einwohner waren der Stadt nur mit ihren Kleidern am Leib entflohen und versuchten verzweifelt, auf die andere Seite des Bayous zu gelangen.

Der Rauch brannte José in der Kehle, und er hustete Wasser, während er sich durch den Sumpf und ans Flussufer schleppte. Selbst auf seinem Platz auf dem Landvorsprung, wo er die Spiegelung des Feuers auf dem Wasser betrachtete, spürte José die Hitze der Flammen. Der Wind jagte Funken über das Wasser und trug tausend glühende Holzstückchen von einem Dach zum nächsten. Das Feuer breitete sich schneller aus, als Menschen es hätten löschen können, und es war klar, dass am Morgen nichts mehr von der Stadt übrig sein würde. Es war das größte Feuer, das New Orleans je erlebt hatte und hoffentlich je erleben würde. Wenn es erst vorbei war, würden die Einwohner wieder sicher sein, zumindest bis zum nächsten Zornesausbruch von Klaus.

Klaus mochte ihm zwar ewiges Leben gegeben haben, aber er hatte auch versucht, es ihm wieder zu nehmen, und aus Josés Sicht – Auge um Auge – waren sie damit quitt. José war unsterblich und mächtig, doch auch heimat- und mittellos, ein Ausgestoßener ohne Platz oder Ziel in der Welt. José wünschte, er könnte helfen, die Zerstörung aufzuhalten, und sich eines Tages am Wiederaufbau beteiligen, aber er wusste, dass er nicht zurückkehren konnte. New Orleans war jetzt zu gefährlich für ihn – Klaus würde die Suche nach einem Deserteur niemals aufgeben.

Doch noch konnte er sich nicht dazu überwinden, New Orleans den Rücken zu kehren. Er wusste, dass er mehr als den Tod einer Stadt erlebte – es war der Anfang einer Wiederauferstehung und ein unvergesslicher Anblick. Was auch immer Klaus hatte erreichen wollen, die Geschichte würde nicht mit diesem tödlichen Brand enden. Sobald die Glut erkaltet war, würde sich New Orleans aus der Asche erheben, so wie immer.

KAPITEL 1

Einige Wochen zuvor …

»Trinkt!«

Dutzende Stimmen griffen den Befehl auf und verwandelten ihn in einen Sprechchor. »Trinkt«, riefen sie dem Dieb zu. Alle anderen waren bereits an der Reihe gewesen und hatten Klaus’ Armee Gefolgschaft geschworen, indem sie sein Blut tranken. Klaus ließ sie denken, die Geste sei symbolisch – welchen Sinn hatte es, sie wissen zu lassen, dass sie am Ende der Nacht Vampire sein würden? Das würde nur zu unnötigen Kämpfen führen, und Klaus tat nie etwas, das ihm das Leben erschwerte.

Die Energie im Raum war ein stetiges Surren, und es fühlte sich so an, als vibriere das Blut in seinen Adern von den Rufen der Männer. Klaus war das Herrenhaus seiner Familie zu klein geworden, also hatte er es zugunsten einer geräumigen vierstöckigen Garnison im Stadtzentrum eingetauscht. Es war ein passenderer Platz für seine neue Berufung – eine Stätte des Kriegs.

In der großen Haupthalle mussten hundert neue Rekruten sein, die ihre Humpen auf die langen Holztische knallten und dem nächsten Opfer Mut zuriefen. Klaus saß allein auf einem Podest, wo er alle seine Untertanen der Reihe nach empfangen hatte. Darunter war auch eine Hure aus dem Southern Spot, dem ältesten und Klaus’ Einschätzung nach immer noch besten Bordell in New Orleans. Sie hatte sich mit der Hurenwirtin gestritten und war hinausgeworfen worden. Aber sie hatte sich geweigert, still und leise zu gehen – und echtes Feuer und einen überraschend einfallsreichen Wortschatz bewiesen. Ein anderer war ein Räuber, den die spanischen Soldaten gefasst hatten, die auf dem Land Patrouille gingen – und die ihn Klaus gegen eine kleine Gebühr überlassen hatten. Die Jüngsten waren eine frische Gruppe Ausreißer, die man dabei erwischt hatte, wie sie eins von Klaus’ Lagerhäusern am Hafen geplündert hatten. Er hatte die Kinder davon überzeugt, dass sie ein viel besseres Leben haben würden, wenn sie für ihn arbeiteten, statt um Essensreste zu betteln.

Der letzte Rekrut, der trinken musste, war der Dieb. José war mit einer Hand in der Geldtruhe des Southern Spot ertappt worden. Der Leiter des Bordells, ein Hitzkopf, den Klaus in Verdacht hatte, selbst Geld abzuzweigen, hatte den Mann töten und seinen Leichnam in den Fluss werfen wollen, aber Klaus hatte ein Auge für Potenzial – er konnte einen Treuen erkennen. Klaus brauchte ihm nur ein neues Leben, eine neue Familie und eine neue Aufgabe zu geben. Das mochte nach einem unmöglichen Geschenk ausgesehen haben, aber nicht für einen Ur-Vampir.

Blut zu trinken, war eine schauerliche Art, die Treue zu schwören, aber die extreme Natur des Einführungsrituals sorgte zuverlässig dafür, dass Freiwillige darum bettelten, sich Klaus’ Sache anschließen zu dürfen. Jedem in der Halle war klar, dass er als Mitglied von Klaus’ Armee vor gefährliche Aufgaben gestellt werden würde. Das war der Reiz. Und Klaus hatte keine Verwendung für eine Armee, die nicht bereit war, für ihn in den Tod zu gehen.

Er war nicht immer so gewesen – mit diesem wahnsinnigen Durst nach vollständiger Kontrolle und Macht. Klaus’ früheres Ich hätte die ganze Stadt gegen ein Leben mit Vivianne Lescheres eingetauscht, aber nun verstand er, dass es ihm nicht bestimmt war. Wenn er sie nicht haben konnte, würde er über New Orleans herrschen, und die Werwölfe – seine Mitherrscher während der vergangenen zweiundzwanzig Jahre – würden sich glücklich schätzen, wenn er es dabei beließ. Ohne Liebe war Macht das Einzige, wofür es sich noch zu kämpfen lohnte … und wie es der Zufall wollte, war Elijah selbst gerade von der Liebe abgelenkt und gab Klaus endlich die Gelegenheit, sich das zu nehmen, was ihm rechtmäßig zustand.

Wenn man dem Klatsch der Wäscherinnen im Southern Spot Glauben schenken durfte, vergnügte sich Elijah mit einer Geliebten. Im Moment scherte sich Klaus nicht darum, mit wem sein Bruder seine Zeit verbrachte, solange er ihm nicht in die Quere kam. Klaus war sich sicher, dass sich die aufreizenden Nachrichten bei Gelegenheit als nützlich erweisen würden, aber für den Augenblick war es sein kleines Geheimnis. Da sich sein älterer Bruder nicht voll der Aufgabe widmen konnte, ihre Stadt zu kontrollieren, würde Klaus es übernehmen – und er würde es auf seine Art tun, wie er es von Anfang an hätte machen sollen. Die Werwölfe formierten sich, und Klaus war entschlossen, als Erster und mit Macht zuzuschlagen.

Friedenszeiten waren ohnehin langweilig. Klaus hatte die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, das Familienvermögen so zu mehren, dass es dem eines Königs gleichkam. Er war zu dem führenden Kaufmann der Stadt geworden, und es gab keine Handelsroute von New Orleans aus, die seine Schiffe nicht befuhren. Er war so hoch aufgestiegen, wie es zu Friedenszeiten in einer Stadt nur möglich war, und es war immer noch nicht genug. Klaus war ein geborener Eroberer. Alles andere war nur Ablenkung und damit war Klaus fertig.

Glücklicherweise hatte sich ein neuer Feind gezeigt, gerade als Klaus drauf und dran war, nach einem zu suchen. Als sei die Rolle der Werwölfe bei Viviannes beiden Toden nicht Beleidigung genug gewesen, waren sie in den vergangenen Wochen besonders kühn geworden. Am helllichten Tag hatte es Überfälle auf die Geschäfte der Mikaelsons und häufige verstohlene Angriffe auf ihre Lagerhäuser und Schiffe gegeben. Jetzt sagte ihm Guillaume, einer der Menschen, auf deren Augen und Ohren Klaus sich verließ, dass sich die Werwölfe anschickten, die Vampire selbst anzugreifen.

Als Teil eines Pakts hatte Elijah es den Collado-Wölfen großzügig ermöglicht, in der Stadt Fuß zu fassen, selbst nachdem es ihnen nicht gelungen war, eine Armee untoter Hexen aufzuhalten. Und doch hatten die Werwölfe, statt Dankbarkeit zu zeigen, die letzten zwei Jahrzehnte damit verbracht, nach immer mehr Macht zu streben. Man konnte nicht mit ihnen reden und das katastrophale Versagen von Elijahs friedlicher Diplomatie war mehr als Beweis genug dafür. Solange die Vampire gezwungen waren, zu teilen und zu verhandeln, würden sie keine wahre Macht besitzen. Die einzige Lösung bestand darin, ihre Rivalen auszulöschen, wie Klaus es seit der Nacht hatte tun wollen, als er an diesen Ufern gelandet war.

Klaus schaute auf den Dieb hinab, der vor ihm kniete, bereit, Zwang einzusetzen, falls er versuchen sollte zu fliehen. José hatte scharfkantige Züge, mit einer spitzen Nase, wachsamen blauen Augen und pechschwarzem Haar. Er konnte nicht älter als neunzehn sein und für Klaus’ kritisches Auge machte er nicht viel her. Doch das brauchte er auch nicht. Klaus hatte mehr als genug Macht für alle.

»Trinkt!«, riefen seine Soldaten, und Klaus konnte den Pulsschlag des Diebs an seinem Hals sehen.

José hob sein Schnapsglas und leerte es in einem Zug. Das Blut hinterließ einen unschönen Fleck auf seinen Lippen. Er würgte ein wenig, als er versuchte, seinen Ekel über den Geschmack des dickflüssigen, warmen Bluts zu verbergen. Klaus konnte sich undeutlich daran erinnern, den gleichen Widerwillen empfunden zu haben, aber Jahrhunderte über Jahrhunderte als Vampir hatten ihn von dieser Abneigung kuriert.

Eine Verwandlung in einen Vampir kurierte alle möglichen Krankheiten des Lebens.

Der Dieb sah sich unsicher um, eingeschüchtert von dem lauten, zustimmenden Gebrüll, das die Halle erbeben ließ. Klaus’ Armee war an jenem Abend in fröhlicher Stimmung und sie würde nur noch besser werden. Klaus betrachtete den zitternden Mann vor ihm für einen langen Moment. Mit einem herzlichen Lächeln trat er vor, brach José das Genick und spürte, wie die Wirbel knackten.

Alle im Raum verstummten, hundert Gesichter starrten, Münder standen vor Schreck offen. Der Tote sackte auf dem Boden zusammen, aber Klaus machte sich nicht die Mühe zuzusehen, wie er fiel. Stattdessen sprang er vor, so schnell, dass ein menschlicher Blick ihm kaum hätte folgen können, griff nach dem Genick des nächsten Menschen, brach es und packte dann den Mann neben ihm.

Der Letzte hatte kaum Zeit zu schreien – ein dünner, erstickter Laut, der abbrach, als sich Klaus’ Hand um seine Luftröhre schloss. Klaus genoss es, den letzten Mann langsam zu töten und zuzusehen, wie er nach Luft rang, während neben ihm die Leichen dumpf am Boden aufschlugen.

Das ganze Martyrium war binnen Sekunden vorbei. Klaus ging zwischen seinen Männern und Frauen hindurch und den schmalen Gang entlang, der zwischen den Tischen verlief. Sie waren alle Verbrecher und Deserteure gewesen, verloren, bis er gekommen war. Jetzt waren sie eine Armee der Toten.

Klaus war der Einzige unter seinen Geschwistern, der zu begreifen schien, dass wahre Sicherheit nur in der Macht lag. Ein besseres Netzwerk, eine größere Armee, mehr Mittel, mehr Waffen – Klaus’ Ansicht nach konnte eine Position nicht stark genug sein. Die Tatsache, dass Mikael noch nicht aufgetaucht war, hieß nicht, dass er seine Jagd beendet hatte. Seine Kinder – und Klaus, sein verhasster Stiefsohn – mussten in der denkbar stärksten Position sein, wenn Mikael kam, und das bedeutete, dass die ganze Stadt unter ihrer Kontrolle sein sollte.

Der letzte Rest frischer Winterluft fegte über den Vorplatz und schlug Klaus ins Gesicht. Die Nacht war vielversprechend; er konnte es spüren. Klaus’ Vampirblut begann bereits zu wirken, veränderte und verbesserte die Männer und Frauen und zog sie in eine ganz neue Art von Leben. In der folgenden Nacht würde er hundert neue Vampire in seiner Armee haben, alle ihm und nur ihm fanatisch ergeben.

KAPITEL 2

Rebekah atmete den Geruch der feuchten Erde ein, während ihr Pferd durch Louisiana galoppierte. Es war gut, aus der Stadt herauszukommen, den einengenden Mauern des Herrenhauses und den strengen Augen ihrer Brüder zu entfliehen. Früher einmal hatte sie ihren Geschwistern versprochen, dass sie bis in alle Ewigkeit zusammenbleiben würden, aber damals hatte sie noch keine Ahnung gehabt, wie lang die Ewigkeit sein konnte.

»Was für eine Schande, den ganzen Spaß den Pferden zu überlassen«, rief Luc ihr zu. »Wir könnten selbst laufen.«

Rebekah konnte nicht so unbeschwert sein wie er, solange sie sich nicht um einen Mörder in ihrer Familie gekümmert hatte – Klaus. Als sie aus New Orleans geflohen war, hatte sich ihr ein Bild des Grauens eingebrannt, und sie würde erst frei davon sein, wenn Klaus für das bezahlte, was er getan hatte.

Rebekah strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht und sehnte sich danach, sich so frei zu fühlen wie Luc, der den Wind durch seine dicken goldenen Locken peitschen ließ. Es war seine entspannte Lebenseinstellung, die sie bewogen hatte, ihn mitzunehmen, in der Hoffnung, dass seine gute Laune die Düsternis durchdringen würde, die sie umgab, seit sie Marguerite Leroux’ Leichnam in ihrem Bett gefunden hatte.

»Wir haben keine Eile«, konterte sie, und Lucs blaue Augen zwinkerten schelmisch. Trotz allem, was sie belastete, konnte Rebekah ihn nicht ansehen, ohne entweder zu lachen oder ihn zu begehren … oft beides gleichzeitig. Sie hatte eindeutig den richtigen Reisegefährten gewählt. »Die Pferde mögen zwar etwas langsamer sein als wir, aber ich möchte es nicht riskieren, Aufmerksamkeit zu erregen.«

Obwohl es mitten in der Nacht war, konnte man nie wissen, wer einen beobachtete. Elijah hatte Klaus vor Ärger bewahren wollen, indem er ihm die Verantwortung über New Orleans’ blühendes Handelsgeschäft überließ, aber damit hatte er nur erreicht, dass Klaus Augen und Ohren überall hatte. Er war zu einem vollkommenen Schrecken geworden, voller Überraschungen, die immer schlimmer wurden. Marguerites Tod war nur das jüngste Beispiel, doch Klaus hatte das arme Mädchen seit Jahren bedroht und eingeschüchtert. Er hatte Marguerite nie ganz verziehen, was ihre Mutter, die Hexe Lily, seiner geliebten Vivianne angetan hatte.

Luc drängte sein Pferd vorwärts, als sie den Gipfel eines niedrigen Hügels erreichten, und Rebekah trat ihrer eigenen Stute in die Flanken, um mit ihm Schritt zu halten. Unter ihnen breitete sich ein smaragdgrünes Tal aus, bedeckt mit üppigem, mondbeschienenem Gras. An seinem anderen Ende duckte sich an einem Fluss ein kleines Dorf.

»Wir sollten hier halt machen und den Tagesanbruch abwarten«, schlug Rebekah vor. Alles, was in New Orleans auf ihr lastete wegen ihrer Familie und der armen Marguerite, wurde bereits ein wenig leichter. »Dort gibt es sicher ein Gasthaus.«

»Ich glaube, ich sehe eins«, stimmte Luc zu und schwang sich aus dem Sattel.

Sie tat es ihm gleich und ging neben ihm. Beiläufig legte er ihr den Arm um die Taille und strich über die Stäbe ihres Korsetts. Mit einem Seufzen überließ sie sich seiner Hand.

»Muss ich damit rechnen, dass Eure Brüder uns überfallen, oder werden wir allein sein?«, fragte er und zupfte neckend an einer Seidenschleife auf ihrer Hüfte.

Luc Benoit war östlich des Flusses in den gerade erst gegründeten Vereinigten Staaten geboren worden, und das zeigte sich in allem, was er tat. Er besaß die rastlose Neugier eines Entdeckers und das spontane Selbstvertrauen eines Jungen, der in dem Glauben erzogen worden war, er könne es mit jeder Herausforderung aufnehmen, die sich ihm stellte. In seiner Welt waren Wölfe, Bären und pfeilschnelle Alligatoren umhergestreift, und so hatte er sich nie die Mühe gemacht, die Angst vor dem Unbekannten zu lernen.

Die prahlerische Verwegenheit war schließlich sein Untergang gewesen, obwohl Rebekah sah, dass er nicht das Geringste daraus gelernt hatte. Luc hatte sich einer Bande von Freibeutern angeschlossen, die den Briten entlang der Nordküsten das Leben schwer machten, und danach hatte er einfach damit weitergemacht, andere zu schikanieren, um daraus Gewinn zu schlagen. Er war genau die Art von trägem Unruhestifter geworden, wie Klaus sie zusammentrieb, um seine lächerliche »Armee« zu bilden. Tatsächlich hatte Klaus Luc bereits rekrutiert, als Rebekah ihm zum ersten Mal begegnet war.

Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als Luc selbst zum Vampir zu machen und ihn vor einem Schicksal zu retten, das ihn an Klaus’ endlose Versuche der Selbstzerstörung band. Ihr geplagter Bruder schaffte es immer, alle in seiner Nähe zu vernichten, um daraus wieder und wieder unversehrt hervorzugehen, und Luc sah viel zu gut aus, um zu sterben. Zu der Zeit war Rebekah der Ansicht gewesen, sie verdiene eine verwegene und begehrenswerte Ablenkung. Dann hatte Klaus Marguerite umgebracht und alles hatte sich verändert.

»Ich lebe und reise seit Jahrhunderten mit meinen Brüdern«, sagte sie zu Luc. »Aber dieser Ausflug ist nur für uns beide. Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr in dieser Gegend und ich brauche Eure Hilfe auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem.« Sie konnte nicht versprechen, dass Klaus oder Elijah sie nicht verfolgen würden, da keiner von ihnen über Rebekahs Entscheidung erfreut sein würde. Aber sie und ihr treuer neuer Liebhaber hatten einen guten Vorsprung, und Rebekah wusste, wie man verschwand, wenn es sein musste.

Sie hatte es satt, ihrer Familie Rechenschaft zu schulden. Das alles war in dem Moment vorbei gewesen, als sie den blutigen Pflock gesehen hatte, der abgebrochen mitten in Marguerite Leroux’ dünner Brust gesteckt hatte. Das schlaksige Mädchen hätte vor Jahren zu einer Frau herangewachsen sein sollen, und so wäre es auch gekommen, wenn Klaus sie nicht versehentlich während des Wahnsinns getötet hätte, der seiner törichten Wiederbelebung von Vivianne Lescheres gefolgt war. Rebekah hatte sie gerettet, sodass sie für immer ein junges Mädchen blieb … oder zumindest, bis Klaus es sich in den Kopf gesetzt hatte, einige seiner wilden Drohungen wahr zu machen.

Klaus hatte es immer genossen, seine Geschwister mithilfe der Vampire zu kontrollieren, die ihnen am nächsten standen. Er hatte nicht lange gebraucht, um zu erkennen, dass Rebekah eine echte Verbundenheit mit Marguerite empfand, und er schien eine besondere Freude daraus zu ziehen, Rebekah daran zu erinnern, dass er diese Verbindung binnen eines brutalen Moments zerstören konnte. Selbst nachdem Klaus wegen einer eingebildeten Beleidigung zwei Diener getötet hatte, hatte Rebekah nie geglaubt, dass er ihr eine Person nehmen würde, die sie wirklich liebte – nicht, bis sie mit eigenen Augen den Beweis dafür gesehen hatte.

Es war zu grausam, zu gefühllos, selbst für Klaus’ Verhältnisse. Aber nach Viviannes Tod hatte Klaus auch den letzten Rest Anstand verloren. Er verschloss sein Herz vor allen außer sich selbst. Und so hatte Rebekah, als sie Marguerites kalten Leichnam an sich schmiegte, geschworen, Klaus ein für alle Mal von seinem Elend zu erlösen.

»Eure Brüder wissen nicht, dass Ihr ausgeritten seid«, vermutete Luc, der sie mit nachdenklich zusammengepressten Lippen beobachtete. »Keine Sorge, Rebekah, ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht. Ich kann Euer Geheimnis bewahren.«

Er wollte weitersprechen, doch Rebekah fasste ihn an den Schultern, um ihn zu küssen – und zum Schweigen zu bringen. Zu viele Fragen waren nicht gut, und es war auf dieser Reise nicht Lucs Aufgabe, sie ins Verhör zu nehmen. Er funkelte sie mit gespielter Entrüstung an, bevor er ihren Kuss erwiderte.

»Meine Familie war früher vollständig, bevor sie nach Virginia gekommen ist«, erinnerte sich Rebekah laut, hakte ihn unter und setzte ihren Spaziergang zu den ersten Häusern des kleinen Dorfs fort. Die Sonne würde erst in einer Stunde aufgehen. »Aber eine Seuche hat meine älteste Schwester dahingerafft, und nach ihrem Tod wollte mein Vater uns an einen Ort bringen, wo wir in Sicherheit sein würden. Ich bin in der Neuen Welt geboren worden, nicht weit von hier. Meine Eltern dachten, sie hätten uns gerettet.«

Luc sah sie an. »Hier drohen viele andere Gefahren«, bemerkte er.

»Genau.« Eins der Pferde wieherte leise hinter ihnen, und Rebekah ließ suchend den Blick über die dunklen Bäume schweifen, die sie umgaben. »Unser kleines Dorf grenzte an einen Werwolfclan und einer meiner Brüder wurde Opfer ihrer Gewalt. Meine Eltern begriffen damals, dass wir nirgendwo wirklich in Sicherheit sein würden. Sie konnten nicht für immer weglaufen, aber sie würden immer wieder Kinder verlieren, wohin sie auch gingen.«

»Und doch seid Ihr heute hier«, rief Luc ihr ins Gedächtnis. »Gesund und munter und, wenn ich so sagen darf, in äußerst guter Verfassung.«

Rebekah lächelte reumütig, außerstande, es zu leugnen. Auf seine gewohnte direkte Art hatte Luc die gleiche Logik verwendet, die ihre Mutter veranlasst hatte, ihre Kinder in Vampire zu verwandeln. Esther hatte geglaubt – damals zumindest –, dass es nur auf Stärke und Leben ankam, selbst wenn sie ihre Familie alles andere kosteten.

»Meine Mutter war eine Hexe«, erklärte Rebekah. »Eine außerordentlich mächtige Hexe, und sie hat uns mit einem Unsterblichkeitsfluch belegt …«

»Ich habe es Euch schon einmal einen Fluch nennen hören«, unterbrach Luc sie. »Aber ich verstehe nicht, warum Ihr dieses Wort für ein niemals endendes Leben benutzt.«

»Es ist ein Fluch.« Sie sprach eindringlich, wusste aber, dass Luc als Vampir noch zu neu war, um es zu verstehen. Sie sah Marguerites glasige braune Augen, ihr kastanienbraunes Haar wie ein Fächer über Rebekahs Kissen ausgebreitet. Sie dort zurückzulassen, hatte ihr einen noch tieferen Stich versetzt, eine Erinnerung daran, dass nichts vor Klaus sicher war. Die Grausamkeit, die er einst für seine Feinde aufgehoben hatte, war direkt auf sie gerichtet worden, auf die Schwester, die versprochen hatte, ihm für immer beizustehen.

»Ich war dabei, als der Zauber gewoben wurde. Meine Mutter machte uns so stark, wie sie konnte, aber der Preis für diese Stärke war furchtbar. Der Hunger – Ihr kennt ihn, und Ihr wisst, wie er einen zerreißt. Sie hat sich vorgestellt, wir würden durch die Hügel laufen, wieder frei von Furcht, aber die Sonne hat uns die Haut verbrannt. Wir waren an die Nacht gefesselt und unsere Nachbarn begegneten unseren neuen, seltsamen Gewohnheiten mit Misstrauen. Schon bald wollten sie nichts mehr mit uns zu tun haben, und wir lernten schnell, dass es in ihrer Macht stand, uns aus ihren Häusern fernzuhalten. Wir konnten sie nicht ohne Einladung betreten, und niemand war bereit, sie auszusprechen.«

»Die Menschen fürchten das, was sie nicht kennen.« Luc zuckte die Achseln, als sei die völlige Isolation der Mikaelsons nur ein belangloser Fauxpas. »Aber die Vorteile haben doch gewiss diese kleinen Sorgen überwogen.«

»Das dachte unsere Mutter anfangs auch«, gestand Rebekah. »Sie dachte, unsere Sicherheit sei jeden Preis wert, bis sie sah, zu welchem Leben sie uns verdammt hatte. Sie bedauerte ihre Entscheidung und mein Vater ging sogar noch weiter. Er schwor, seine eigene Unsterblichkeit zu benutzen, um unsere zu zerstören, um die Kinder zu töten, die zu retten er einst von seiner Frau verlangt hatte.«

»Aber man kann Euch nicht töten.« Luc runzelte die Stirn. Der ernste Ausdruck passte gut zu seinem kantigen, großflächigen Gesicht.

Die Ur-Vampire behielten ihren tödlichen Makel für sich, doch jede Stärke hat ihre Schwäche. Ihre Mutter hatte die Macht der Weißeiche heraufbeschworen, um ihren Kindern Unsterblichkeit zu verleihen, und das Holz dieses Baums konnte sie ihnen wieder nehmen. Die Geschwister hatten den Baum niedergebrannt, aber Rebekah hatte munkeln hören, dass er nun in Mystic Falls stehe, ebenso unsterblich wie die Mikaelsons. Sie hatte Luc erwählt, sie dorthin zu begleiten, um festzustellen, ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen, aber selbst jetzt widerstrebte es ihr, ihm die größte Schwäche der Mikaelsons zu erklären.

»Jeder Fluch ist kompliziert, genau wie meine Familie«, schloss sie schließlich einen Kompromiss.

»Dann ist es nur gut, sie einige Zeit nicht zu sehen«, sagte er schelmisch. Luc war ein geradliniger Mann mit einfachen Vorlieben – die Machenschaften der Ur-Vampire mussten ihm unsagbar fremd erscheinen.

Durch Gedanken an ihre Vergangenheit und an Luc war Rebekah so abgelenkt, dass sie erschreckt feststellte, dass sie den Rand des Dorfs erreicht hatten. Am Ende einer Lehmstraße lag ein kleines Wirtshaus. Als sie an die dicke Holztür klopften, dauerte es einen Moment, bis eine Frau verschlafen durch ein winziges Fenster spähte. Das Paar, das noch vor Morgengrauen auf ihrer Schwelle stand, kam ihr verdächtig vor.

»Unsere Pferde müssen versorgt werden«, verkündete Rebekah. Die Tür rührte sich nicht. »Ich kann mit Silber bezahlen«, fuhr Rebekah fort. Sie klimperte mit den Münzen in ihrem Beutel und ließ das Gewicht des Silbers hören.

Die Tür öffnete sich knarrend. »Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?«, erwiderte die Frau. »Bitte, kommt herein, Madame. Und Monsieur.«

Luc folgte einem Stallburschen zu den Ställen, und Rebekah bemerkte, dass er ein wenig Abstand zu dem Mann ließ, sodass der andere ihn nicht genau mustern konnte.

»Wir werden das Zimmer nur für den Tag brauchen«, sagte sie der Frau, neugierig, was Luc im Schilde führte. Sie warf ihm einen letzten Blick über die Schulter zu und betrat das Gasthaus.

Die Wirtin kramte nach einem Zimmerschlüssel, während sie Rebekah immer noch zweifelnd beäugte. »Diese Gegend ist bei Nacht nicht immer sicher«, bemerkte sie. »Ihr und Euer Gemahl habt Glück, es unversehrt hierher geschafft zu haben. Wollt Ihr nicht lieber bis zum nächsten Morgen bleiben, um bei Tage weiterzureisen? Ich habe ein hübsches Zimmer mit Aussicht über das Tal, viel schöner für ein junges Paar wie euch als diese gefährlichen Straßen nach Einbruch der Dunkelheit.«

»Denkt darüber nach, Liebling.« Luc erschien wieder neben ihr, das Gesicht unnatürlich gerötet. Rebekah vermeinte einen winzigen Blutstropfen in seinem Mundwinkel zu sehen. »Ich würde unsere Sicherheit nur ungern gefährden, ganz gleich, wie eilig Ihr es habt.«

Sie schaute zu ihm auf und versuchte, sein ausdrucksloses, höfliches Lächeln zu deuten. Sein dichtes blondes Haar war mit einem Lederstreifen aus dem Gesicht gebunden, und sie verspürte einen jähen Impuls, es zu öffnen und mit den Fingern hindurchzufahren. »Zeigt uns das Zimmer«, stimmte sie zu. »Es wäre schön, sich für eine Weile auszuruhen.«

Offenbar beruhigt drehte sich die Wirtin zu der Holzstiege um. Luc fiel über sie her, sobald sie ihnen den Rücken zukehrte, legte ihr die Hand auf den Mund und grub ihr die Zähne in den Hals. Seine Haut sah neben dem teigigen Gesicht der Frau immer noch gebräunt aus, obwohl Wochen vergangen waren, seit er die Sonne gesehen hatte.

Er durchstach die Halsschlagader der Wirtin und reichte die Frau dann mit einem eifrigen Glitzern in den blauen Augen an Rebekah weiter. Sie brauchte keine weitere Aufforderung und trank in tiefen Schlucken, kostete das Gefühl des flatternden Herzens der Frau aus. Ihre Art war dazu geschaffen, Menschen zu jagen, nicht für Intrigen und Machtkämpfe. Das hätten die Mikaelsons die ganze Zeit über tun sollen, statt Ränke zu schmieden, zu manövrieren und einander zu verraten. Klaus hatte den Kontakt zu seiner eigenen Natur verloren, und für eine Weile war es ihm gelungen, Rebekah mit sich in die Dunkelheit zu ziehen.

»Ich dachte, Ihr könntet eine kleine Ablenkung gebrauchen«, meinte Luc, als die Frau zu Boden fiel. »Vielleicht wird ein ganzes Gasthaus voller Ablenkungen Euch von den Problemen abbringen, die Euch aus New Orleans vertrieben haben.«

Von der Treppe kam ein Geräusch: ein Gast, der die Fehlentscheidung getroffen hatte, früh aufzustehen. Lächelnd trat Rebekah außer Sichtweite und lauerte dem Mann auf, als er die Treppe herunterkam. Sie hätte sich auf ihn stürzen können, aber Luc hatte recht: Nach der Nacht, die sie hinter sich hatte, war ein wenig Spaß erlaubt. Es war immer vergnüglich, mit dem Essen zu spielen, und Rebekah wurde aufgeregt bei dem Gedanken, sich die Gäste einen nach dem anderen vorzunehmen.

Zur Mittagszeit waren unter den Opfern sämtliche Besucher des Gasthauses, außerdem der Mann der Wirtin, ein Milchmann und ein außerordentlich hübsches junges Zimmermädchen. Rebekah war beinahe trunken von all dem Blut und glühte von seiner Hitze.

Sie schlüpfte aus ihrem staubigen Reisegewand und dem Hemd, das sie darunter trug, und dann löste sie obendrein ihr goldenes Haar. Sie konnte jede kleine Luftbewegung spüren, konnte Regenwürmer hören, die sich zwei Stockwerke unter ihren nackten Füßen durch die Erde gruben. Sie fühlte sich beinahe wieder menschlich … nur besser.

Das Zimmer, in dem sie ihre fröhliche Jagd beendet hatten, war bei Weitem das beste im Haus, obwohl die Fensterläden sorgfältig verschlossen waren. Doch selbst im Halbdunkel konnte Rebekah die Wärme der Sonne spüren, als ströme ihr Licht durch ihre Haut. Sie breitete die Arme aus und Luc trat vor sie und drückte seine Lippen mit noch größerer Leidenschaft auf ihre als gewöhnlich.

Rebekah half ihm aus seinen Kleidern und scherte sich nicht darum, dass sein Rock auf einem eiskalten, blutleeren Leichnam landete. Sie schafften es kaum bis zu dem Himmelbett, bevor sie sich vereinigten und wie ein einziger Leib zu dem Takt ihres rasenden Pulsschlags bewegten. Luc erfand hundert neue Möglichkeiten, ihr zu huldigen und ihr wieder und wieder ins Gedächtnis zu rufen, wie sehr es ihn nach ihr verlangte. Rebekah verbrachte Stunden damit, die sinnliche Wölbung seiner Lippen zu spüren, die Berührung seiner schwieligen Hände, das Gefühl der scharfen Kanten seiner Hüftknochen auf ihren.

Sie hatte wirklich eine gute Wahl getroffen. Er war genau der richtige Mann, um die Mußestunden zwischen hier und Mystic Falls auszufüllen.