Von März 1985 bis Oktober 1987 studierte ich in Westberlin, an einem Ort, den es heute nicht mehr gibt. Diese Stadt war eine Insel im kommunistischen Osten Deutschlands, umgeben von einer Mauer aus Betonplatten, »ein Käfig«, wie ein italienischer Journalist es ausdrückte, »in dem man sich frei fühlt«. Wer dort gelebt hat, wird die einzigartige Atmosphäre in dieser gestrandeten Festung des Westens nie vergessen – eine pulsierende, multiethnische Enklave, ein Zufluchtsort für junge Männer aus der Bundesrepublik, die dem Militärdienst entfliehen wollten, und ein Symbol für den Kalten Krieg, das offiziell immer noch der Souveränität der Alliierten unterstellt war. In Westberlin erinnerte kaum etwas an die preußische Vergangenheit. Preußen erschien wie ein Staat aus grauer Vorzeit.
Erst wenn man am Bahnhof Friedrichstraße die Grenze überquerte und sich an einer Wand aus Metallplatten entlang und an Wachen mit versteinerten Gesichtern vorbei durch Drehkreuze zwängte, gelangte man ins Herz des alten preußischen Berlins – zu den langen Reihen eleganter Gebäude Unter den Linden mit der atemberaubenden Symmetrie des Forum Fridericianum, wo einst Friedrich der Große den kulturellen Ambitionen seines Königtums zur Schau gestellt hatte. Wenn man die Grenze überquerte, machte man eine Reise in die Vergangenheit, eine Vergangenheit, die durch Kriegszerstörungen und die jahrzehntelange Vernachlässigung danach nur teilweise überlagert wurde. Am Gendarmenmarkt wuchs aus der eingestürzten Kuppel des Französischen Doms aus dem 18. Jahrhundert ein Baum empor, dessen Wurzeln tief ins Mauerwerk eingedrungen waren. Der Berliner Dom war 40 Jahre nach dem Krieg noch immer eine von Artillerie- und Gewehrfeuer entstellte schwarze Ruine. Für einen Australier aus dem unbekümmerten, sonnenverwöhnten Sydney hatten diese Ausflüge über die Grenze eine unerschöpfliche Faszination.
Wer sich mit preußischer Geschichte befasst, kann auf eine der differenziertesten und vielfältigsten Historiografien der Welt zurückgreifen. Da ist zunächst der hervorragende preußische Kanon, der bis zu den Anfängen der Geschichtswissenschaft als akademische Disziplin zurückreicht. An den Aufsätzen und Monografien aus der klassischen Zeit der preußischen Geschichtsschreibung beeindruckt noch heute die profunde und weit ausgreifende Gelehrsamkeit sowie ihre stilistische Eleganz und Ausdruckskraft. Seit 1989 lässt sich unter jungen deutschen Historikern ein wachsendes Interesse an preußischen Fragestellungen beobachten. Gleichzeitig haben jene ostdeutschen Historiker breitere Anerkennung erfahren, die trotz des eingeschränkten intellektuellen Horizonts der DDR erheblich zu unserem Verständnis der preußischen Gesellschaft und ihrer Entwicklung beigetragen haben. Hinzu kommt die reichhaltige und auf beiden Seiten des Atlantiks nach wie vor sehr robuste Tradition englischsprachiger Werke. Ein besonderes Vergnügen, das die Arbeit an diesem Buch mit sich brachte, war das Schmökern in den Werken so vieler Kollegen, unserer wie vergangener Tage.
Einigen von ihnen bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. James Brophy, Karin Friedrich, Andreas Kossert, Benjamin Marschke, Jan Palmowski, Florian Schui und Gareth Stedman Jones haben mir ihre noch unveröffentlichten Manuskripte zugänglich gemacht. Marcus Clausius hat mir Kopien seiner Exzerpte aus dem Reichskolonialamt zugesandt. Zu denen, die mir mit Ratschlägen und Anregungen weitergeholfen haben, gehören Holger Afflerbach, Margaret Lavinia Anderson, David Barclay, Derek Beales, Stefan Berger, Tim Blanning, Richard Bosworth, Annabel Brett, Clarissa Campbell-Orr, Scott Dixon, Richard Drayton, Philip Dwyer, Richard Evans, Niall Ferguson, Bernhard Fulda, Wolfram Kaiser, Alan Kramer, Michael Ledger-Lomas, Julia Moses, Jonathan Parry, Wolfram Pyta, James Retallack, Torsten Riotte, Emma Rothschild, Ulinka Rublack, Martin Rühl, Hagen Schulze, Hamish Scott, James Sheehan, Brendan Simms, Jonathan Sperber, Thomas Stamm-Kuhlmann, Jonathan Steinberg, Adam Tooze, Maiken Umbach, Helmut Walser-Smith, Joachim Whaley, Peter Wilson, Emma Winter und Wolfgang Mommsen, der oft nach Cambridge kam und dessen unerwarteter Tod im August 2004 für viele seiner Freunde und Kollegen hier ein großer Schock war. Wie so viele Historiker, die in Großbritannien arbeiten und sich mit deutscher Geschichte beschäftigen, habe ich in dem Semimar »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, das Tim Blanning und Jonathan Steinberg in den achtziger und frühen neunziger Jahren in Cambridge geleitet haben, viel gelernt. Vieles verdanke ich auch 25 Jahren angeregter Gespräche mit meinem Schwiegervater Rainer Lübbren, einem differenzierten Beobachter der Geschichte.
Mein ganz besonderer Dank gilt jenen Freunden, die so großzügig und ausdauernd waren, das Manuskript ganz oder in Auszügen zu lesen und zu kommentieren: Chris Bayly, meinem Vater Peter Clark, James Mackenzie, Holger Nehring, Hamish Scott, James Simpson, Gareth Stedman Jones und John A. Thompson. Patrick Higgins hat gute Ideen beigesteuert und mich zur Streichung von allzu ausladenden oder irrelevanten Passagen bewogen. Die Zusammenarbeit mit dem Penguin-Team – Chloe Campbell, Richard Duguid und Rebecca Lee – hat mir ebenfalls großes Vergnügen bereitet. Simon Winder entspricht dem Idealbild des Lektors, der mit hellsichtigem Blick besser als der Autor selbst das Buch zu sehen vermag, das sich in einem Manuskript verbirgt. Die aufmerksame Korrekturleserin Bela Cunha hat einen Raubzug gegen Fehler, Ungenauigkeiten und Syllogismen geführt. Dank an Cecilia Mackay, die bei der Bildrecherche geholfen hat. Bei so viel professioneller Unterstützung sollte das Buch eigentlich völlig frei von Fehlern sein – dafür, dass es das nicht ist, übernehme ich die volle Verantwortung.
Wie dankt man den wichtigsten Menschen überhaupt? Während ich dieses Buch geschrieben habe, sind Josef und Alexander ein gutes Stück größer geworden und haben mich auf tausend Arten abgelenkt und aufgeheitert. Nina Lübbren hat meine egoistische Besessenheit anstandslos und mit viel Humor ertragen. Sie war die erste Leserin und Kritikerin jedes einzelnen Absatzes. Ihr ist dieses Buch in Liebe gewidmet.
Abb 1 Lucas Cranach d. J., Kurfürst Joachim II., um 1551
Abb 2 Richard Brend’amour, Kurfürst Georg Wilhelm
Abb 3 Holzschnitt aus Philip Vincent, The Lamentations of Germany, 1638
Abb 4 Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, als Scipio, Albert van der Eeckhout zugeschrieben, um 1660
Abb 5 Ansicht der Stadt Königsberg (um 1690)
Abb 6 Friedrich I., König in Preußen, Samuel Theodor Gericke zugeschrieben, nach 1701
Abb 7 Jacob Paul von Gundling (Anonym), 1729
Abb 8 Das Tabakskollegium, Georg Lisiewski zugeschrieben, um 1937
Abb 9 Johann Christof Merk, Der Grenadier James Kirkland, um 1714
Abb 10 Daniel Chodowiecki,Kronprinz Friedrich grüßt Katte durch das Fenster seiner Zelle
Abb 11 Der Komplex der Waisenanstalt in Halle
Abb 12 König Friedrich Wilhelm I. begrüßt die protestantischen Exilanten aus dem Erzbistum Salzburg
Abb 13 Epitaph des Bürgermeisters Thomas Mathias, St,- Gotthardt- kirche, Brandenburg, 1549/1576
Abb 14 Der Havelberger Dom
Abb 15 Daniel Chodowiecki, Bettelnde Soldatenfrau, 1764
Abb 16 E. Feltner, »Der Junker«, 1906
Abb 17 Adolph Menzel, Friedrich der Große besichtigt eine Manufaktur,1856
Abb 18 Johann Gottlieb Glume, Friedrich der Große vor dem Siebenjährigen Krieg
Abb 19 Schlacht bei kunersdorf, 12. August 1759
Abb 20 Porträt Friedrich der Großen von Johann Heinrich Chistop Francke
Abb 21 Daniel Chodowiecki, Friedrich der Große öffnet den Sarkophag der Großen Kurfürsten,1789
Abb 22 Johann Michael Siegfried Löwe (nach Daniel Chodowiecki), Moses Mendelssohns Examen am Berliner Tor zu Potsdam,1792
Abb 23 Reichsfreiherr Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein
Abb 24 Christian Rauch, Karl August, Fürst von Hardenberg,1816
Abb 25 Le Beau (nach Nadet), Treffer, von Napoleon and Zar Alexander bei Tilsit
Abb 26 Friedrich Meyer (nach Heinrich Anton Dähling), Die königliche Familie im Schlossgarten bei Charlottenburg, um 1805
Abb 27 Johann Gottfried Schadow, Die Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, 1795–1797
Abb 28 Totenmaske von Königin Luise, 1810
Abb 29 Friedrich Bury, Gerhard Johann von Scharnhorst, vor 1813
Abb 30 Luise Henry, Wilhelm von Humboldt,1826
Abb 31 Major von Schill (Anonym)
Abb 32 Hans David Ludwig Graf Yorck (Anonym)
Abb 33 Johann Lorenz Rugendas, Die Schlacht von Leipzig
Abb 34 Eisernes Kreuz
Abb 35 Luisenorden
Abb 36 Moritz Daniel Oppenheimer, Die Heimkehr des Freiwilligen aus den Befreiungskriegen zu den nach alter Sippe lebenden Seinen,1833/34
Abb 37 Karl Sand auf dem Weg nach Mannheim
Abb 38 George French Angas,Altlutherische Siedlung in Klemzig, Südaustralien, 1845
Abb 39 Franz Kugler, Hegel am Lesepult,1828
Abb 40 riedrich Wilhelm IV. als betrunkener Gestiefelter Kater, 1843
Abb 41 Hunger und Verzweiflung (Anonym), 1844
Abb 42 Szene aus dem Berliner Vereinsleben 1848 (Anonym)
Abb 43 F. G. Nordmann, die Barrikade an der Ecke Kronen- und Friedrichstraße,1848
Abb 44 Friedrich Wilhelm IV. empfängt die Delegation des Frankfurter Parlemants (Anonym), 1849
Abb 45 Otto von Bismarck im Alter von 32 Jahren (Anonym), 1847
Abb 46 Preußische Truppen beim Strum auf die Düppeler Schanzen,18. April 1864 (Anonym)
Abb 47 König Wilhelm I. von Preußen wird im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen (Anonym, nach Anton von Werner), 1871
Abb 48 die Siegesallee, Berlin
Abb 49 Werbung für das Mundwasser Odol
Abb 50 Ludwig Stutz (Antilerikale Karikatur), 1900
Abb 51 Wilhelm Friedrich Georg Pape, Kaiser Wilhelm II. mit seiner Familie im Park von Sanssouci, 1891
Abb 52 Olaf Gulbransson,»Kaisermanöver«, 1909
Abb 53 Bruno Paul, » Zeichnet Kriegsanleihen!«, 1917
Abb 54 George Grosz, »Prost Noske!«, 1919
Abb 55 Max Liebermann, Otto Braun, preußisher Minister-präsident, 1932
Abb 56 Der »Tag von Potsdam«, 21. März 1933
Abb 57 Ausgrabung des »Hindenburgsteins«, 1935
Abb 58 Hindenburgs Sarg wird in sein Mausoleum in Tannenberg gebracht, 1935
Abb 59 Die Deportation von Jude aus dem Memelgebiet
Abb 60 Fragmente einer Statue Wilhelms I., Ostberlin, 1950
Abb 61 Die Erobering Königsbergs durch sowjetische Truppen, 1945
Abb 62 Statuen von der Siegesallee werden im Garten von Schloss Bellevue vergraben, 1954
Eine Geschechte Brandenburg-Preußens in sechs Karten
Brandenburg um 1600
Der jülich-klevische Erbfolgestreit
Das Herzogtum Preußen
Die Erste Teilung Polens, 1772
Die Zweite und Dritte Teilung Polens, 1793 bzw. 1795
Der Deutsche Bund 1815
Die Entstehung des Deutschen Zollvereins
Der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866
Karten nach: Otto Büsch und Wolfgang Neugebauer (Hg.), Moderne Preußische Geschichte 1648–1947. Eine Anthologien, 3. Band, Walter de Gruyter, Berlin 1981
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.