www.vahlen.de
ISBN 978-3-8006-4810-8
© 2016 Verlag Franz Vahlen GmbH
Wilhelmstraße 9, 80801 München
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
”The Design of Everyday Things”
2013 im Verlag Basic Books, New York.
© 2013 by Don Norman
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
eBook Datagroup int. SRL, 300665 Timişoara, România
Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.
Vorwort zur überarbeiteten Auflage
Kapitel 1 Die Psychopathologie von Alltagsgegenständen
Die Komplexität moderner Geräte
Human Centered Design
Die fundamentalen Prinzipien der Interaktion
Das System-Image
Das Technologie-Paradoxon
Herausforderung für das Design
Kapitel 2 Die Psychologie alltäglicher Handlungen
Wie Menschen Dinge tun: Gulf of execution und Gulf of evaluation
Die sieben Handlungsstufen
Menschliche Denkweisen: Meist unterbewusst
Kognition und Emotion des Menschen
Die sieben Handlungsstufen und die drei Verarbeitungsebenen
Der Mensch als Geschichtenerzähler
Falsche Schuldzuweisungen
Sich fälschlicherweise selbst die Schuld geben
Die sieben Handlungsstufen: Sieben fundamentale Designprinzipien
Kapitel 3 Wissen im Kopf und in der Welt
Präzises Verhalten durch unpräzises Wissen
Das Gedächtnis ist Wissen im Kopf
Die Struktur des Gedächtnisses
Ungefähre Modelle: Erinnerungen in der realen Welt
Wissen im Kopf
Der „Trade-off“ zwischen Wissen in der Welt und Wissen im Kopf
Das Gedächtnis in vielen Köpfen und vielen Geräten
Natürliches Mapping
VIIIKultur und Design: Natürliches Mapping kann kulturabhängig sein
Kapitel 4 Wissen, was zu tun ist: Constraints, Discoverability und Feedback
Vier Arten von Constraints: physische, kulturelle, semantische und logische
Das Anbringen von Affordances, Signifiers und Constraints an Alltagsgegenständen
Constraints, die das gewünschte Verhalten erzwingen
Konventionen, Constraints und Affordances
Der Wasserhahn: Eine Fallgeschichte des Designs
Die Nutzung von Sound als Signifiers
Kapitel 5 Menschliches Versagen? Nein, schlechtes Design
Verstehen, wieso es zu Fehlern kommt
Vorsätzliche Missachtung
Zwei Arten von Fehlern: Ausrutscher und Irrtümer
Die Klassifizierung von Ausrutschern
Die Klassifizierung von Irrtümern
Gesellschaftlicher und institutioneller Druck
Fehler melden
Fehlererkennung
Das Design auf Fehler auslegen
Wenn gutes Design nicht genug ist
Resilience Engineering
Das Paradox der Automatisierung
Designprinzipien, um mit Fehlern umzugehen
Kapitel 6 Design Thinking
Das richtige Problem lösen
Das Double-Diamond-Designmodell
Der HCD-Prozess
Was ich Ihnen gerade erzählt habe, funktioniert so nicht wirklich
Die Designherausforderung
Komplex ist gut – verwirrend ist schlecht
IXStandardisierung und Technologie
Dinge absichtlich kompliziert machen
Design: Technologieentwicklung für den Menschen
Kapitel 7 Design in der Geschäftswelt
Wettbewerbskräfte
Neue Technologien erzwingen Veränderung
Wie lange dauert es, ein neues Produkt zu etablieren?
Zwei Arten der Innovation: inkrementell und radikal
The Design of Everyday Things: 1988–2038
Die Zukunft des Buches
Die moralischen Verpflichtungen des Designs
Design Thinking und das Denken über Design
Danksagung
Literaturhinweise und Anmerkungen
Referenzen
Sachverzeichnis
Die erste Auflage dieses Buches, damals noch POET (The Psychology of Everyday Things) genannt, begann ich mit den Worten: „Dieses Buch habe ich schon immer schreiben wollen, auch wenn ich es lange Zeit nicht wusste.“ Heute weiß ich es, deswegen sage ich nun einfach, „Dieses Buch habe ich schon immer schreiben wollen.“
Bei diesem Buch handelt es sich um einen Einstieg in gutes Design. Es soll mit Freude gelesen werden und informativ für jedermann sein: für Laien, technikbegeisterte Menschen, Designer und Nicht-Designer. Ein Ziel ist es, Menschen zu guten Beobachtern des Absurden zu machen, des schlechten Designs, das dafür verantwortlich ist, dass das moderne Leben mit derart vielen Problemen – speziell bezüglich der modernen Technologie – behaftet ist. Außerdem sollen die Menschen zu Beobachtern des Guten werden, der Art und Weise, in denen aufmerksame Designer ihre Arbeit erstellten, um unser Leben einfacher und reibungsloser zu gestalten. Es ist sehr viel schwieriger, gutes Design zu entdecken als schlechtes. Dies ist teilweise deshalb der Fall, da gutes Design unsere Bedürfnisse derart befriedigt, dass es unsichtbar scheint; es dient uns, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schlechtes Design wiederum schreit seine Mangelhaftigkeit förmlich heraus und wird somit einfacher entdeckt.
In diesem Buch werde ich fundamentale Prinzipien erklären, die nötig dafür sind, Probleme zu beseitigen, um unsere Alltagsgegenstände in angenehmere Produkte zu verwandeln, die mit Freude und Zufriedenheit genutzt werden können. Die Kombination aus guten Beobachtungsfähigkeiten und guten Designprinzipien ist ein wichtiges Werkzeug; eines, das jeder Mensch nutzen kann, sogar diejenigen, die keine Designer sind. Das ist deshalb so, weil wir alle auf die eine oder andere Weise Designer sind, die das Leben, die Räume, in denen wir uns bewegen, und die Art und Weise, wie wir Dinge tun, gestalten. Wir können auch Problemumgehungen designen; Wege, wie wir mit den Makeln existierender Designs umgehen können. Einer der Zwecke dieses Buches ist es also, Ihnen die Kontrolle über die Produkte in Ihrem Leben zurückzugeben: damit Sie wissen, woran man nützliche und verständliche Produkte erkennt, und wie man unnütze und unverständliche Produkte dennoch gut handhaben kann.
Die erste Auflage dieses Buches hatte ein langes und gesundes Leben. Der Titel wurde schnell zu Design of Everyday Things (DOET) verändert, damit er nicht derart niedlich und deskriptiv klingt. DOET wurde sowohl von einem breiten Publikum als auch von Designern gelesen. Es wurde sowohl für Kurse benutzt, als auch als Pflichtlektüre in Unternehmen. Heute, über 20 Jahre nach dem ersten Erscheinen, ist das Buch nach wie vor beliebt. Ich freue mich über diesen Anklang und über die vielen Menschen, die mir XIIFeedback bezüglich dieses Buches geben, die mir weitere Beispiele für unbedachte, schwachsinnige und – gelegentlich – für großartige Designs schicken. Viele Leser erzählten mir, dass es ihr Leben veränderte und sie aufmerksamer bezüglich der Probleme des Lebens und der Bedürfnisse des Menschen geworden sind. Durch dieses Buch wechselten einige ihre Karriere und wurden Designer. All die Reaktionen waren absolut großartig.
In den 25 Jahren, die seit dem ersten Erscheinen dieses Buches vergangen sind, vollzog die Technologie einen massiven Wandel. Weder Mobiltelefone noch das Internet wurden zu dem Zeitpunkt weitläufig genutzt, als ich das Buch schrieb. Man hatte noch nie von Heimnetzwerken gehört. Das Mooresche Gesetz besagt, dass sich die Leistung von Computerprozessoren ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Dies bedeutet, dass die heutigen Computer 5.000 Mal leistungsstärker sind als die, die zu der Zeit verfügbar waren, als ich dieses Buch schrieb.
Obwohl die fundamentalen Designprinzipien, die in The Design of Everyday Things beschrieben wurden, nach wie vor zutreffen und so wichtig sind, wie zu Zeiten der ersten Auflage, waren die Beispiele maßlos veraltet. Ich wurde zeitweise schon von Studenten gefragt, was ein Diaprojektor sei. Obwohl ich sonst nichts verändern wollte, mussten die Beispiele auf den neuesten Stand gebracht werden.
Die Prinzipien von effektivem Design mussten auch etwas erneuert werden. Human Centered Design (HCD) entwickelte sich seitdem; teilweise inspiriert durch dieses Buch. Diese Auflage verfügt nun über ein komplettes Kapitel, das dem HCD-Prozess der Produktentwicklung gewidmet ist. In der ersten Auflage dieses Buches lag der Fokus auf der Herstellung von verständlichen und nützlichen Produkten. Das Gesamterlebnis eines Produkts beinhaltet jedoch viel mehr als nur seine Verständlichkeit und Usability: Die Ästhetik, das Vergnügen und der Spaß an der Nutzung eines Produkts spielen ebenfalls wichtige Rollen. Vergnügen, Spaß und Emotionen habe ich aber nicht weiter behandelt. Emotionen sind aber derart wichtig im Design, dass ich ein eigenes Buch darüber geschrieben habe – Emotional Design. Diese Themen werden nun auch in diesem Buch behandelt.
Meine Erfahrungen in der Industrie lehrten mich, wie komplex die wirkliche Welt ist, wie wichtig Kosten und Deadlines sind; dass es nötig ist, aufmerksam zu sein bezüglich des Wettbewerbs, und wie essenziell multidisziplinäre Teams sind. Ich habe gelernt, dass ein erfolgreiches Produkt den Kunden zusagen muss und aufgrund welcher Kriterien sie bestimmen, was sie kaufen, und dass diese Kriterien überraschend wenig mit den Aspekten zu tun haben, die wichtig für die Nutzung dieses Produkts sind.
XIIIDie besten Produkte sind nicht immer erfolgreich. Brillante neue Technologien können jahrzehntelang im Umlauf sein, bis sie endlich die Akzeptanz der breiten Masse gewinnen. Um Produkte zu verstehen, reicht es nicht aus, das Design oder die Technologie zu verstehen: Man muss das komplette Business verstehen.
Für diejenigen, die die erste Auflage dieses Buches gelesen haben, findet sich hier ein kurzer Überblick darüber, was sich in der neuen Auflage verändert hat.
Es hat sich nicht vieles geändert, sondern alles!
Als ich anfing zu schreiben, nahm ich an, dass die grundsätzlichen Prinzipien nach wie vor zutreffen würden und nur die Beispiele auf den neusten Stand gebracht werden mussten. Doch letzten Endes schrieb ich alles nochmal neu. Wieso ich das tat? Weil man in den 25 Jahren seit der ersten Auflage sehr viel Neues dazugelernt hat. Ich wusste nun auch, welche Teile des Buches schwierig waren und besserer Erklärung bedurften. In der Zwischenzeit schrieb ich viele Artikel und sechs Bücher, die mit dem Thema verwandt sind, und ich dachte, dass es wichtig sei, einiges daraus in dieser neuen Auflage zu erwähnen. Beispielsweise habe ich in der Vorauflage nie ein Wort darüber verloren, was später einmal den Namen User Experience bekam (unter anderen war ich einer der ersten, die diesen Begriff nutzten, als ich zu Beginn der 1990er Jahre Leiter einer Abteilung bei Apple war, die sich „User Experience Architect’s Office“ nannte). Dies alles musste in der neuen Auflage auf jeden Fall noch erwähnt werden.
Während meiner Kontakte zur Industrie lernte ich viel darüber, wie Produkte vertrieben werden, weshalb ich einige Informationen bezüglich der Auswirkungen, die das Budget, Deadlines und der Konkurrenzdruck auf ein Produkt haben, hinzugefügt habe. Als ich die erste Auflage dieses Buches schrieb, war ich noch in der Forschung tätig. Heute verfüge ich über Erfahrungen als Executive (Apple, HP und bei einigen Start-ups), Berater einiger Unternehmen und saß im Vorstand weiterer Unternehmen. Ich musste miteinbeziehen, was ich aus diesen Erfahrungen gelernt habe.
Die erste Auflage dieses Buches konnte als kompakte und grundlegende Einführung in das Thema gelesen werden. Das versuchte ich beizubehalten und löschte nur so viel, wie ich hinzufügte, um den Umfang des Buches ungefähr gleich zu halten (und ich versagte kläglich). Dieses Buch ist weiterhin als Einführung gedacht: fortgeschrittene Diskussionen bezüglich der verschiedenen Punkte wurden weggelassen, um die Kompaktheit zu bewahren. Das Leben der ersten Auflage dauerte von 1988 bis 2013. Für den Fall, dass die neue Auflage ein genauso langes Leben führt, von 2013 bis XIV2038, musste ich vorsichtig bei der Wahl der Beispiele sein, damit diese in 25 Jahren nicht erneut veraltet sein werden. Deswegen habe ich versucht, Beispiele zu verwenden, die nicht unternehmensspezifisch sind. Ich meine, wer kann sich schon an Unternehmen erinnern, die es vor 25 Jahren einmal gab? Und wer kann schon vorhersehen, welche neuen Unternehmen auftauchen, welche verschwinden und welche neuen Technologien in den nächsten 25 Jahren entwickelt werden. Das einzige, was ich mit Sicherheit vorhersehen kann, ist, dass die Prinzipien der Psychologie gleich bleiben werden. Die Designprinzipien, die ich in diesem Buch beschreibe, basieren auf der Psychologie, der Natur der menschlichen Kognition, der Emotion, der Aktion und der Interaktion mit der Umwelt – sie bleiben erhalten.
An dieser Stelle möchte ich noch eine kurze Zusammenfassung der Veränderungen Kapitel für Kapitel geben.
Eines der wichtigsten Themen, die hinzugefügt wurden, sind Signifiers, ein Konzept, das ich in meinem Buch Living with Complexity vorgestellt habe. In der ersten Auflage dieses Buches lag der Fokus auf Affordances (Angebotscharakter), doch obwohl Affordances durchaus Sinn bei der Interaktion mit physischen Objekten machen, sind sie dennoch verwirrend, sobald es sich um virtuelle Objekte handelt. Daraus resultiert, dass sie für sehr viel Verwirrung in der Welt des Designs sorgten. Affordances definieren, welche Handlungen möglich sind. Signifiers spezifizieren, wie der Mensch diese Möglichkeiten entdeckt: Signifers sind Signale, wahrnehmbare Signale dafür, was man alles machen kann. Sie sind für den Designer von sehr viel höherer Bedeutung als Affordances, weswegen sie in diesem Buch ausführlich behandelt werden.
Ich habe auch einen kurzen Abschnitt über Human Centered Design (HCD) hinzugefügt, ein Begriff, der noch nicht existierte, als die erste Auflage dieses Buches veröffentlicht wurde, obwohl es sich, im Nachhinein betrachtet, eigentlich ausschließlich um HCD drehte.
Ansonsten ist das Kapitel ziemlich unverändert, und obwohl alle Abbildungen neu sind, sind die Beispiele ähnlich geblieben.
Verglichen mit der ersten Auflage verfügt dieses Kapitel über eine wichtige Ergänzung: Emotionen. Das Modell der sieben Handlungsstufen hat sich als äußerst einflussreich herausgestellt, genauso wie das der drei Verarbeitungsebenen (vorgestellt in meinem Buch Emotional Design). In diesem Kapitel erkläre ich das Zusammenspiel zwischen diesen beiden. Ich erläutere, wie verschiedene Emotionen auf verschiedenen Stufen auftreten und an welchen Stellen sich diese Stufen auf den drei Verarbeitungsebenen befinden (viszeral für die elementaren Ebenen der motorischen Handlungen und Wahrnehmungen; verhaltensgesteuert für die Ebene der Handlungsspezifizierung und frühzeitigen Interpretationen des Ergebnisses; reflektierend für die Entwicklung von Zielen, Plänen und den finalen Stufen der Auswertung des Ergebnisses.
Neben besseren und aktualisierten Beispielen bildet die Kultur die wichtigste Ergänzung dieses Kapitels, da sie eine besondere Rolle in meiner Diskussion bezüglich des „natürlichen Mappings“ spielt. Was in einer Kultur vollkommen natürlich erscheint, mag in einer anderen nicht sein. Dieser Abschnitt untersucht, wie verschiedene Kulturen die Zeit wahrnehmen – diese Diskussion könnte Sie überraschen.
In diesem Kapitel gibt es eigentlich keine wesentlichen Unterschiede zur Vorauflage, abgesehen von besseren Beispiele. Darüber hinaus werden Forcing Functions näher erläutert und in zwei Kategorien aufgeteilt: Lock-Ins und Lock-Outs. Und ich habe ein Abschnitt zu zielauswahlgesteuerten Aufzügen aufgenommen, um darzustellen, wie beunruhigend Veränderungen sein können – selbst für Profis und selbst dann, wenn es sich um eine Veränderung zum Besseren handelt.
Obwohl die Grundaussagen dieses Kapitels unverändert blieben, wurde ausführlich überarbeitet. Ich habe die Klassifizierung von Fehlern auf den neusten Stand gebracht und sie dem Fortschritt angeglichen, der seit der Veröffentlichung der ersten Auflage stattgefunden hat. Ich habe Ausrutscher in zwei Hauptkategorien (handlungsbasierte Versehen und Versehen aufgrund von Gedächtnisverlusten) und Irrtümer in drei Kategorien (regelbasierte Irrtümer, wissensbasierte Irrtümer und Irrtümer aufgrund von Gedächtnisverlusten) unterteilt. (Diese Aufteilungen sind heutzutage gängig, aber ich habe die Art und Weise, wie ich Gedächtnisverluste behandle, etwas modifiziert.)
Obwohl die Klassifizierungen von Ausrutschern – wie sie in der ersten Auflage behandelt wurden – nach wie vor gültig sind, haben viele davon nur eine geringe oder gar keine Bedeutung für das Design, weswegen ich sie nicht in die neue Auflage aufgenommen habe. Ich zeige die Beziehung zwischen der Klassifizierung von Fehlern, Ausrutschern und Irrtümer und dem siebenstufigen Handlungsmodell. Das ist neu.
Das Kapitel schließt mit einer kurzen Diskussion über Schwierigkeiten ab, denen wir aufgrund der Automatisierung begegnen (aus meinem Buch The Design of Future Things) und die – wie ich finde – beste Herangehensweise an das automatisierte Design, um von Menschen begangene Fehler zu verringern oder sie komplett auszumerzen: Resilience Engineering.
Dieses Kapitel ist komplett neu. Ich erkläre zwei Herangehensweisen an das Human Centered Design: das Modell des doppelten Diamanten des British Design Council und die traditionelle HCD-Iteration der Beobachtung, Ideenbildung, Prototyperstellung und dem Testen. Der erste Diamant bildet die Divergenz, gefolgt von der Konvergenz, um das angemessene Problem zu bestimmen. Der zweite Diamant ist eine Divergenz-Konvergenz, um eine angemessene Lösung zu finden. Ich stelle handlungszentriertes Design vor, als eine – in vielen Fällen – angemessenere Variante des Human Centered Designs. Diese Abschnitte sind eher theoretisch.
Das Kapitel verändert dann radikal die Perspektive. Es beginnt mit dem Abschnitt „Was ich Ihnen gerade erzählt habe, funktioniert so nicht wirklich“. Hier stelle ich Normans Gesetz vor: An dem Tag, an dem das Produktteam seine Tätigkeit aufnimmt, hinkt es bereits dem Zeitplan hinterher und hat das Budget überschritten.
XVIIIch erkläre die Herausforderung, mit dem das Design in einem Unternehmen konfrontiert wird; wo Zeitpläne, Budgets und miteinander konkurrierende Anforderungen der verschiedenen Abteilungen starke Beschränkungen dahingehend bilden, was man erreichen könnte. Leser aus der Praxis sagten mir bereits, dass sie diese Abschnitte willkommen hießen, da es den Druck, der auf ihnen lastet, realitätsnah beschreibt.
Abschließend werden noch die Rolle von Standards (eine modifizierte Diskussion, ähnlich der in der ersten Auflage des Buches) und einige allgemeine Designrichtlinien diskutiert.
Dieses Kapitel ist ebenfalls komplett neu und setzt da an, wo das Kapitel 6 aufgehört. Hier erkläre ich die „Featuritis“, Veränderungen, die uns durch die Erfindung neuer Technologien aufgezwungen werden, und den Unterschied zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen. Jeder schreit nach radikalen Innovationen, doch in Wirklichkeit scheitern die meisten von ihnen. Und selbst wenn sie nicht scheitern, kann es mehrere Jahrzehnte dauern, bis sie erfolgreich akzeptiert werden. Radikale Innovationen sind relativ selten, inkrementelle Innovationen sind gängiger.
Abschließend diskutiere ich einige Trends, die Zukunft des Buches, die moralischen Verpflichtungen des Designs und den Aufstand der Kleinen, der Do-it-yourself-Personen, die die Art und Weise, wie Ideen konzipiert und auf den Markt gebracht werden, revolutionieren. Ich nenne das den „Aufstand der Kleinen.“
Die Zeit vergeht, die Psychologie der Menschen bleibt die gleiche, doch verändern sich die Hilfsmittel und die Objekte in der Welt. Kulturen verändern sich. Technologien verändern sich. Die Prinzipien des Designs bleiben, doch die Art und Weise, wie diese angewandt werden, muss modifiziert werden, um neue Handlungen, neue Technologien, neue Methoden der Kommunikation und der Interaktion zu unterstützen. The Psychology of Everyday Things war für das 20. Jahrhundert gemacht. The Design of Everyday Things ist für das 21!
Don Norman
Silicon Valley, Kalifornien
www.jnd.org
Angenommen, ich sitze im Cockpit eines technisch hochmodernen Flugzeugs: Dann würde mich meine Leistungsunfähigkeit weder überraschen noch sonderlich stören.
Doch wieso sollte ich Probleme mit Türen und Lichtschaltern, Wasserhähnen und Öfen haben? „Türen?“, werden Sie fragen. „Sie haben Probleme damit, Türen zu öffnen?“ Und ich antworte, Ja! Ich drücke gegen Türen, an denen man ziehen muss. Ich ziehe an Türen, an denen gedrückt werden soll und laufe gegen Türen, die weder gedrückt noch gezogen werden, sondern sich automatisch öffnen. Dabei habe ich schon häufig andere Menschen gesehen, die dieselben Probleme haben – unnötige Probleme. Meine Probleme mit Türen sind so bekannt geworden, dass verwirrende Türen häufig Norman Doors genannt werden. Berühmtsein durch Türen, die nicht richtig funktionieren: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht das ist, was meine Eltern für mich geplant hatten. (Geben Sie „Norman Doors“ in Ihre Lieblingssuchmaschine ein – vergewissern Sie sich, dass Sie die Anführungszeichen hinzufügen: Sie werden faszinierenden Lesestoff finden.)
Wie kann etwas so Einfaches wie Türen so verwirrend sein? Eine Tür mag den Anschein haben, eine der einfachsten Erfindungen zu sein. Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Bürogebäude und laufen den Gang entlang. Sie kommen zu einer Tür. Wie lässt sie sich öffnen? Sollten Sie ziehen oder drücken – an der linken oder der rechten Seite? Vielleicht lässt sie sich aufschieben? Wenn ja, in welche Richtung? Ich habe bereits Türen gesehen, die sich nach links aufschieben ließen, nach rechts und sogar nach oben in die Decke.
Das Design der Tür sollte erkennen lassen, wie diese funktioniert, ohne separat darauf hinzuweisen und ohne, dass irgendwelche Versuche nötig sind oder Fehler gemacht werden müssen.
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ABBILDUNG 1.1 Kaffeekanne für Masochisten. Der französische Künstler Jacques Carelman liefert in seiner Buchreihe Catalogue d’Objects Introuvables (Katalog unauffindbarer Objekte) herrliche Beispiele für Alltagsgegenstände, die absichtlich unbenutzbar, frevelhaft oder auf andere Weise schlecht gestaltet sind. Einer meiner Lieblingsgegenstände ist die „Kaffeekanne für Masochisten“. Das Foto zeigt ein Exemplar, das mir von Kollegen an der University of California, San Diego, gegeben wurde. Es ist einer meiner geschätzten Kunstgegenstände. (Fotografiert von Aymin Shamma für den Autor)
Ein Bekannter erzählte mir einmal davon, wie er im Eingangsbereich eines Postgebäudes in einer Stadt in Europa gefangen war. Der Eingang bestand aus einer imponierenden Reihe von sechs gläsernen Schwingtüren. Darauf folgte eine zweite, identische Reihe. Dies gehört zu den Standarddesigns: Es wirkt als Windfang, der dazu beiträgt, die Temperatur im Inneren des Gebäudes zu halten. An den Türen waren keinerlei sichtbare Objekte angebracht: Offensichtlich kann man die Türen in beide Richtungen aufschwingen: Alles, was man tun musste, war an einer der Seiten der Tür zu drücken und hineinzugehen.
Mein Bekannter drückte an eine der äußeren Türen. Diese ließ sich nach innen aufschwingen und er betrat das Gebäude. Dann, bevor er bei der zweiten Reihe ankam, wurde er abgelenkt und drehte sich kurz um. Zu diesem Zeitpunkt merkte er noch nicht, dass er sich etwas nach rechts bewegte hatte. Als er dann vor der nächsten Tür stand, drückte er und nichts passierte. „Hm“, dachte er, „muss abgeschlossen sein.“ Also drückte er an der danebenliegenden Tür. Nichts passierte. Leicht verwirrt beschloss mein Bekannter, das Gebäude wieder zu verlassen. Er drehte sich herum und drückte gegen die Tür. Nichts passierte. Er drückte an die Tür daneben. Nichts passierte. Die Tür, durch die er das Gebäude betreten hatte, funktionierte nicht mehr. Er drehte sich noch einmal um und versuchte es noch einmal bei der inneren Tür. Nichts passierte. Erst Sorge, dann leichte Panik. Er war gefangen! In diesem Augenblick kam eine Gruppe von Menschen auf der anderen Seite des Eingangs (von meinem Freund aus rechts gesehen) und betrat das Gebäude mit Leichtigkeit durch beide Türreihen. Mein Freund eilte zu ihnen, um mit ihnen ins Innere zu gelangen.
Wie kann so etwas passieren? Eine Schwingtür hat zwei Seiten. Eine Seite besteht aus dem stützenden Pfeiler und den Scharnieren, die andere Seite ist trägerlos. Um die Türe zu öffnen, muss man an der trägerlosen Seite drücken oder ziehen. Wenn man an der Seite mit den Scharnieren drückt, passiert 3nichts. Mein Bekannter war in einem Gebäude, wo der Designer auf Schönheit, statt auf Nutzbarkeit setzte. Keine störenden Linien, keine sichtbaren Pfeiler, keine sichtbaren Scharniere. Wie also soll ein herkömmlicher Nutzer wissen, an welcher Seite man drücken muss? Als mein Bekannter abgelenkt war, bewegte er sich in Richtung der (unsichtbaren) Stützpfeiler und drückte deswegen an der scharnierten Seite der Tür. Kein Wunder, dass nichts passierte. Schöne Türen. Stilvoll. Haben wahrscheinlich einen Designpreis gewonnen.
Zwei der wichtigsten Charakteristiken von gutem Design sind Erkennbarkeit (discoverability) und Verständlichkeit (understanding).
Erkennbarkeit: Ist es überhaupt möglich herauszufinden, welche Aktionen möglich sind und wo und wie man diese durchführen kann?
Verständlichkeit: Was hat all das zu bedeuten? Wie soll dieses Produkt benutzt werden? Was bedeuten all die verschiedenen Bedienelemente und Einstellungen?
Die Türen in der Geschichte zeigen, was passiert, wenn die Erkennbarkeit versagt. Ob es sich um eine Tür oder einen Ofen, ein Mobiltelefon oder ein Atomkraftwerk handelt. Die relevanten Komponenten müssen sichtbar sein und die richtige Botschaft senden: Welche Aktionen sind möglich? Wo und wie sollen diese ausgeführt werden? Bei Türen, an denen man drücken muss, ist der Designer dafür verantwortlich, Signale anzubringen, die auf natürliche Weise darauf hinweisen, wo gedrückt werden muss. Diese Signale müssen nicht unbedingt die Ästhetik zerstören, wie eine vertikale Tafel an der Seite, gegen die gedrückt werden muss oder sichtbargemachte Stützpfeiler. Die vertikale Tafel und die Stützpfeiler sind Signale, die natürlich interpretiert werden und einfach zu erkennen geben, was zu tun ist: Es sind keine Schilder nötig.
Bei komplexen Geräten benötigen Erkennbarkeit und Verständlichkeit Beihilfe in Form von Betriebsanleitungen oder persönlicher Anweisung. Dies akzeptieren wir, wenn das Gerät auch tatsächlich komplex ist. Bei einfachen Dingen sollte dies jedoch unnötig sein. Viele Produkte trotzen der Verständlichkeit, da sie über zu viele Funktionen und Bedienmöglichkeiten verfügen. Ich denke nicht, dass einfache Haushaltsgeräte – Öfen, Waschmaschinen, Audio- und Fernsehsets – aussehen sollten wie Hollywoods Vorstellung eines Kontrollraums in einem Raumschiff. Zu unserem Entsetzen tun sie es jedoch! Konfrontiert mit einer verwirrenden Anordnung von Bedienmöglichkeiten und Displays merken wir uns einfach eine oder zwei feststehende Einstellungen, die ungefähr dem nahekommen, was wir uns wünschen.
In England besuchte ich Bekannte, die eine wahnsinnig schicke, neue italienische Waschmaschinen-Trockner-Kombination im Haus hatten. Eine wahnsinnig tolle Kontrollanzeige mit massigen Symbolen zeigte auf, was alles Erdenkliche in Bezug auf das Waschen und Trocknen von Kleidung gemacht 4werden konnte. Der Ehemann (ein Computerspezialist und Psychologe) sagte, dass er sich weigere, dem Gerät nahezukommen. Die Ehefrau (eine Ärztin) sagte, dass sie sich einfach eine Einstellung merke und den Rest zu ignorieren versuche. Ich fragte nach der Betriebsanleitung: Sie war so verwirrend wie das Gerät selbst. Der gesamte Zweck des Designs ging verloren.
Alles von Menschenhand Erschaffene ist gestaltet. Ob es sich um das Design von Möbeln in einem Raum, die Wege, die durch einen Garten oder einen Wald verlaufen oder die Feinheiten eines elektronischen Geräts handelt. Irgendjemand oder irgendein Team musste sich für ein Layout, eine Bedienung und einen Mechanismus entscheiden. Nicht alle designten Dinge verfügen über physische Strukturen. Dienstleistungen, Vorlesungen, Regeln, Prozeduren, auch die organisatorischen Strukturen von Unternehmen oder Regierungen haben keine physischen Mechanismen. In diesen Fällen müssen Ordnungen und Regeln erschaffen werden. Manchmal informell, manchmal präzise erfasst und spezifiziert.
Doch obwohl die Menschheit seit Urzeiten Dinge entworfen hat, ist das Fachgebiet des Designs selbst relativ neu und auf viele Spezialgebiete aufgeteilt. Da alles designt ist, ist die Anzahl an Gebieten enorm und erstreckt sich über Kleidung und Möbel bis hin zu komplexen Kontrollräumen und Brücken. Dieses Buch befasst sich mit Alltagsgegenständen und setzt den Fokus auf das Zusammenspiel zwischen Technologie und Menschen, um dafür zu sorgen, dass Produkte überhaupt menschliche Bedürfnisse erfüllen und gleichzeitig verständlich und anwendbar sind. Im besten Fall sollten die Produkte dazu noch angenehm handhabbar sein, was bedeutet, dass nicht nur die Anforderungen der Technik, der Herstellung und der Ergonomie erfüllt sein müssen, sondern auch Aufmerksamkeit auf das allgemeine Erlebnis gegeben werden muss. Dies beinhaltet die Ästhetik der Form und die Qualität der Interaktion. Die Designbereiche, die in diesem Buch relevant sind, sind Produktdesign, Interaktionsdesign und Erlebnisdesign. Keiner dieser Bereiche ist klar definiert, doch unterscheidet sich ihr Fokus deutlich. Bei Produktdesignern stehen Form und Material im Vordergrund, bei Interaktionsdesignern Erkennbarkeit und Verständlichkeit und bei Erlebnisdesignern der emotionale Effekt. Daraus folgt:
Produktdesign: Der professionelle Service zur Herstellung und Entwicklung von Konzepten und Spezifikationen, welche die Funktion, den Wert und das Äußere von Produkten und Dienstleistungen optimieren, um sowohl dem Nutzer als auch dem Hersteller hilfreich zu sein. (Industrial Design Society of America)
5Interaktionsdesign: Der Fokus liegt auf der Interaktion zwischen dem Mensch und der Technologie. Ziel ist es, das Verständnis des Menschen dafür zu verbessern, was gemacht werden kann, was passiert und was gerade aufgetreten ist. Interaktionsdesign stützt sich auf die Gesetze der Psychologie, des Designs, der Kunst und den Emotionen, um ein positives, angenehmes Erlebnis zu garantieren.
Erlebnisdesign: Ziel ist es, Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Events und Ausstattungen so zu gestalten, dass der Fokus auf der Qualität und dem Vergnügen des gesamten Erlebnisses liegt.
Das Design befasst sich mit der Funktionalität der Dinge, der Bedienbarkeit und der Form der Interaktion zwischen Mensch und Technologie. Wenn etwas gut gestaltet wurde, steht als Ergebnis ein hervorragendes, angenehmes Produkt. Wurde etwas schlecht entworfen, sind die Produkte unnütz, sie führen zu Frustration und Ärger. Oder sie sind nützlich, doch zwingen uns dazu, uns so zu verhalten, wie es das Produkt wünscht, nicht wie wir es uns wünschen.
Maschinen werden von Menschen konzipiert, designt und konstruiert. Nach menschlichen Maßstäben sind Maschinen ziemlich beschränkt. Im Gegensatz zum Menschen verfügen sie über keine langjährige Erfahrung, die Menschen miteinander teilen – Erfahrungen, die uns, dank unseres gemeinsamen Verständnisses, erlauben, mit anderen zu interagieren. Stattdessen folgen Maschinen normalerweise eher einfachen, strikten Verhaltensregeln. Die Maschine tut, was ihr gesagt wurde, egal, wie unvernünftig und unlogisch es sein mag, und folgt ihren eigenen Regeln. Menschen sind einfallsreich und kreativ und verfügen über gesunden Menschenverstand. Dies bedeutet eine Menge wertvolles Wissen, das sich über jahrelange Erfahrung angesammelt hat. Doch anstatt aus dieser Stärke einen Nutzen zu ziehen, verlangen Maschinen von uns, präzise und exakt zu sein. Dinge, in denen wir nicht sonderlich gut sind. Maschinen lassen uns keinen Spielraum und verfügen nicht über gesunden Menschenverstand. Des Weiteren sind viele der Regeln, denen eine Maschine folgt, nur der Maschine selbst und ihrem Designer bekannt.
Wenn Menschen es nicht schaffen, diesen bizarren, obskuren Regeln zu folgen, und die Maschine das Falsche tut, wird meist ihr Nutzer dafür verantwortlich gemacht: Er versteht die Maschine nicht, da er ihren starren Spezifikationen nicht folgt. Bei Alltagsgegenständen ist das Resultat häufig Frustration. Bei komplexen Geräten, kommerziellen und industriellen Prozessen können die resultierenden Schwierigkeiten zu Unfällen, Verletzungen und sogar Todesfällen führen. Die Zeit ist reif, den Spieß umzudrehen und die Maschine und ihr Design dafür verantwortlich zu machen. Die Maschine und diejenigen, die sie entworfen haben, sind dazu verpflichtet, den Menschen zu verstehen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die rücksichts- und bedeutungslosen Vorschriften der Maschine zu verstehen.
6Es gibt zahlreiche Gründe für mangelhafte Mensch-Maschine-Interaktionen. Einige davon ergeben sich aus der Begrenztheit der heutigen Technologie. Andere aus selbstauferlegten Beschränkungen der Designer, häufig, um die Kosten niedrig zu halten. Doch die größte Problemquelle ist das völlige Unverständnis für die Grundsätze des Designs, die für eine effektive Mensch-Maschine-Interaktion benötigt werden. Woher kommt das? Der Grund ist, dass ein Großteil des Designs von Ingenieuren entworfen wird, die Experten in Sachen Technologie sind, doch nur über begrenztes Wissen über den Menschen verfügen. „Wir sind selbst Menschen“, denken sie, „also verstehen wir Menschen.“ Doch tatsächlich sind wir Menschen unglaublich komplex. Diejenigen, die das menschliche Verhalten nie studiert haben, denken häufig, dass dieses äußerst simpel wäre. Darüber hinaus denken Ingenieure fälschlicherweise, dass eine logische Erklärung genügt: „Würden die Leute doch nur die Betriebsanleitung lesen, dann wäre alles in bester Ordnung.“
Ingenieure sind darin trainiert, rational zu denken. Daraus folgern sie, dass alle Menschen auf eine bestimme Weise denken, und nach diesem Vorbild entwerfen sie dann ihre Maschinen. Wenn die Nutzer Schwierigkeiten haben, verärgert das die Ingenieure. Doch häufig aus dem falschen Grund. „Was machen diese Leute?“, fragen sie sich. „Wieso tun sie das?“ Das Problem mit den Designs der meisten Ingenieure ist, dass sie zu rational sind. Wir müssen das menschliche Verhalten so akzeptieren, wie es ist, nicht, wie wir es gerne hätten.
Früher war ich auch Ingenieur, ausschließlich auf technische Voraussetzungen fokussiert und ziemlich ignorant gegenüber dem Menschen. Sogar nachdem ich zur Psychologie und der Kognitionswissenschaft wechselte, behielt ich meine ingenieurswissenschaftlichen Wertschätzungen von Logik und System bei. Es kostete mich viel Zeit, bis ich realisierte, dass mein Verständnis des menschlichen Verhaltens relevant für mein Interesse am Design und der Technologie war. Als ich sah, welche Schwierigkeiten die Menschen mit der Technik hatten, wurde mir klar, dass die Ursachen dieser Schwierigkeiten bei der Maschine lagen, nicht beim Mensch.
Ich wurde gefragt, ob ich dabei helfen könnte, den Unfall im amerikanischen Atomkraftwerk von Three Mile Island zu analysieren (der Name des Atomkraftwerks kommt von der gleichnamigen Insel im Susquehanna River, etwa drei Meilen entfernt von Middleton in Pennsylvania). Bei diesem Zwischenfall wurde ein ziemlich simpler technischer Defekt fehldiagnostiziert. Dies führte zu tagelangen Schwierigkeiten und Verwirrungen, zur kompletten Zerstörung des Reaktors und beinahe zu einer Tragödie, die eine heftige Freisetzung radioaktiver Stoffe zur Folge gehabt hätte. In der Folge kam es zu einem kompletten Stillstand der amerikanischen Atomkraftindustrie. Die Schuld daran wurde den Betreibern gegeben: Die sofortige Analyse ergab „menschliches Versagen.“ Doch der Ausschuss, bei dem ich mitwirkte, fand heraus, dass die Kontrollräume des Kraftwerks so 7schlecht designt waren, dass die Situation unvermeidlich war: Das Design war verantwortlich, nicht die Betreiber. Die Moral war einfach: Wir designen Dinge für Menschen, also müssen wir sowohl die Technologie als auch den Menschen verstehen. Doch dies ist ein schwieriger Schritt für viele Ingenieure: Maschinen sind logisch und systematisch. Wenn es keine Menschen gäbe, würde alles so viel besser funktionieren. Ja, genau so habe ich gedacht.
Meine Arbeit in diesem Ausschuss änderte meine Sichtweise in Bezug auf das Design. Heute weiß ich, dass Design ein faszinierendes Zusammenspiel von Technologie und Psychologie ist und Designer sowohl das eine als auch das andere verstehen müssen. Ingenieure neigen nach wie vor dazu, an Logik zu glauben. Sie versuchen häufig in großartigem, logischem Detail zu erklären, wieso ihre Designs großartig, leistungsstark und wunderbar sind. „Wieso haben Menschen Probleme damit?“, fragen sie sich. „Sie gehen zu logisch an ihre Arbeit heran“, entgegne ich darauf. „Sie designen für Menschen, wie sie sie gerne hätten, nicht, wie sie wirklich sind.“
Wenn mir Ingenieure widersprechen, frage ich sie, ob sie jemals einen Fehler gemacht haben? Ob sie vielleicht jemals den falschen Lichtschalter betätigt oder die falsche Herdplatte angestellt hätten? „Oh ja“, entgegnen sie, „doch das waren Versehen.“ Doch genau das ist der Punkt: Sogar Experten machen versehentlich Fehler. Deshalb müssen wir unsere Maschinen mit der Annahme designen, dass Menschen Fehler begehen werden. (Kapitel 5 befasst sich mit einer detaillierten Analyse menschlichen Versagens.)
Alltagsgegenstände frustrieren Menschen. Von der stetig steigenden Komplexität von Armaturenbrettern in Autos über die zunehmende Automatisierung im eigenen Haushalt durch interne Netzwerke, komplexe Musik-, Video- und Spielsysteme zur Unterhaltung und Kommunikation bis hin zu der zunehmenden Automatisierung in Küchen. Der Alltag scheint manchmal wie ein niemals endender Kampf gegen Verwirrung, kontinuierliche Fehler, Frustration und einer ständigen Jagd nach Updates zu sein, um unsere Geräte auf dem neuesten Stand zu halten.
In den Jahrzehnten, die seit der ersten Auflage dieses Buches vergangen sind, hat sich alles rund um das Design verbessert. Heute gibt es viele Bücher und Kurse dazu. Doch obwohl sich vieles verändert hat, kann der Fortschritt im Design nicht mit dem gravierend schnellen technischen Fortschritt mithalten. Es tauchen immer neue Technologien, neue Applikationen und neue Interaktionsmöglichkeiten auf, die sich stetig weiterentwickeln. Neue Industrien entstehen. Und jede neue Entwicklung scheint die Fehler ihrer Vorgänger zu wiederholen; alles Neue braucht auch Zeit, um 8sich an die Grundsätze guten Designs anzupassen. Und jede technische Neuentwicklung und Interaktionstechnik muss studiert und mit ihr experimentiert werden, bevor die Grundsätze guten Designs vollends in die Praxis integriert werden können. Also ja, die Dinge verbessern sich, doch bestehen Herausforderungen nach wie vor.
Die Lösung ist das Human Centered Design (HCD). HCD ist eine Herangehensweise, in der menschliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Handlungsweisen in den Vordergrund gestellt und Designs diesen angepasst werden. Gutes Design beginnt mit einem guten Verständnis für Psychologie und Technologie. Gutes Design erfordert gute Kommunikation, besonders zwischen Mensch und Maschine. Die Maschine muss darauf hinweisen, welche Aktionen durchführbar sind, was gerade passiert und was folglich darauf passieren wird. Kommunikation ist besonders wichtig, wenn etwas schiefläuft. Es ist relativ einfach, Geräte zu designen, die reibungs- und problemlos funktionieren, solange nichts schiefgeht.
Doch sobald ein Problem oder ein Missverständnis auftritt, wird es problematisch. Hier ist gutes Design essenziell. Designer müssen ihre Aufmerksamkeit den Fällen schenken, in denen Dinge schieflaufen, nicht ausschließlich denen, wo alles wie geplant verläuft. Dies sind die Fälle, die am befriedigendsten sein können: wenn etwas schiefläuft, die Maschine auf das Problem hinweist, der Nutzer das Problem erkennt und richtig reagieren kann, sodass das Problem gelöst wird. Wenn dies reibungslos abläuft, fühlt sich die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine großartig an.
Human Centered Design ist eine Designphilosophie. Es bedeutet, dass mit einem guten Verständnis für den Menschen und den Anforderungen, denen das Design entsprechen sollte, an die Sache herangegangen wird. Dieses Verständnis wird hauptsächlich durch Beobachtung erlangt, da es häufig vorkommt, dass sich der Mensch weder darüber im Klaren ist, welche Bedürfnisse er hat noch, wo die Ursache der Schwierigkeiten liegt, die ihm begegnen. Eine der größten Schwierigkeiten des Designs ist es, eine klar definierte Beschreibung für etwas verfügbar zu machen. Darum besagt das HCD-Grundprinzip, dass die Beschreibung von Problemen so lange wie möglich hinausgezögert und eher über wiederholte Approximationen wiederholt werden sollte. Dies wird durch Testläufe erreicht. Nach jedem Testlauf wird dann sowohl die Herangehensweise als auch die Definition des Problems modifiziert. Das daraus resultierende Produkt könnte dann in jeglicher Hinsicht auf die Bedürfnisse des Menschen zugeschnitten sein. Es können Schwierigkeiten auftreten, wenn versucht wird, auf HCD Wert zu legen, aber es an Zeit und Budget mangelt oder andere industrielle Beschränkungen auftreten: Auf diese Probleme wird in Kapitel 6 näher eingegangen.
9Welchen Platz nimmt HCD in der vorangegangenen Erläuterung der verschiedenen Designschwerpunkte – Produkt-, Interaktions- und Erlebnisdesign – ein? Sie sind alle miteinander kompatibel. HCD ist eine Philosophie und besteht aus verschiedenen Arbeitsverfahren, wohingegen es sich bei den anderen um Designschwerpunkte handelt (siehe Tabelle 1.1). Die Philosophie und die Arbeitsweise von HCD fügen dem Design, von welchem Produkt oder Service auch immer, die Berücksichtigung und Analyse menschlicher Bedürfnisse hinzu. Egal, worauf der eigentliche Fokus liegt.
TABELLE 1.1: Die Funktion von HCD und Designspezialisierungen
Erlebnisdesign |
Hierbei handelt es sich um Designschwerpunkte. |
Produktdesign |
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Interaktionsdesign |
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Human Centered Design |
Das Verfahren, in dem sichergestellt wird, dass Designs auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten derer Menschen abgestimmt werden, für welche die Produkte bestimmt sind. |
Großartige Designer produzieren angenehme Erfahrungen. Erfahrungen: Merken Sie sich dieses Wort. Ingenieure neigen dazu, dies nicht zu mögen – es ist zu subjektiv. Doch wenn ich nachfrage, welches ihr Lieblingsauto ist, lächeln sie begeistert, während sie über die Herstellung und Fertigungsqualität sprechen, über das Gefühl unbändiger Kraft während der Beschleunigung und dem Steuerkomfort, wenn sie das Lenkrad bewegen. Das sind Erfahrungen.
Erfahrungen sind kritisch, da sie darüber entscheiden, wie gut sich Menschen an ihre Interaktionen mit der Maschine erinnern. War die allgemeine Erfahrung positiv oder war sie frustrierend und verwirrend? Wenn sich unsere Technologie zuhause auf eine nicht nachvollziehbare Weise verhält, können wir verwirrt, frustriert oder sogar wütend werden – alles starke negative Gefühle. Wenn wir sie jedoch verstehen, kann es zu einem Gefühl der Kontrolle, der Beherrschung, der Freude oder sogar zu Stolz führen – alles starke positive Gefühle. Wahrnehmung und Emotion sind eng miteinander verbunden, was bedeutet, dass der Designer bei seiner Arbeit beides berücksichtigen muss.
Wenn wir mit einem Produkt interagieren, müssen wir herausfinden, wie wir damit umzugehen haben. Dies bedeutet, herauszufinden, wofür es gut ist, wie es funktioniert und was man damit alles machen kann: Discoverability – 10Erkennbarkeit. Discoverability resultiert aus der passenden Anwendung von fünf fundamentalen psychologischen Konzepten, um die sich die nächsten Absätze drehen: Angebotscharakter (Affordances), Signifikanz/Bedeutung (Signifiers), Bedingungen (Constraints), Abbildungen (Mapping) und Rückmeldung (Feedback). Es gibt auch noch ein sechstes Prinzip, das vielleicht das wichtigste von allen ist: Das Konzeptmodell des Systems. Das Konzeptmodell ist für das wirkliche Verständnis verantwortlich. Ich werde jetzt die fundamentalen Prinzipien erklären, angefangen mit Affordances, Signifiers, Mapping und Feedback, gefolgt vom Konzeptmodell. Constraints werden in Kapitel 3 und 4 besprochen.
Wir leben in einer Welt, die voll mit Objekten ist. Viele davon sind natürlich, der Rest ist künstlich. Jeden Tag entdecken wir Tausende von Objekten. Die meisten davon sind uns gänzlich unbekannt. Viele dieser neuen Objekte gleichen zwar anderen, uns bereits bekannten, doch einige sind einzigartig – und trotz allem kommen wir ganz gut mit ihnen zurecht. Wie machen wir das? Woran liegt es, dass wir, wenn wir unbekannte natürliche Objekte neu entdecken, wissen, wie wir mit ihnen interagieren sollen? Und wieso trifft das auch auf viele der künstlichen, von Menschenhand erschaffenen Objekte zu? Die Antwort darauf liegt in wenigen grundsätzlichen Prinzipien. Eines der wichtigsten dieser Prinzipien liegt in der Berücksichtigung von Affordances.
Der Ausdruck Affordance bezieht sich auf die Beziehung zwischen einem physischen Objekt und einer Person (oder in diesem Fall auf jeden interagierenden Mittler, ob Mensch oder Tier oder sogar Maschine oder Roboter). Affordance steht für die Beziehung zwischen den Objekteigenschaften und den Fähigkeiten des Mittlers, woraus ein Schluss daraus gezogen wird, welchen Nutzen das Objekt möglicherweise bieten kann. Ein Stuhl bietet Halt und dadurch eine Sitzmöglichkeit. Ein einzelner Stuhl kann auch von einer einzelnen Person getragen werden (der Stuhl bietet dazu die Möglichkeit), doch viele Stühle nur von einer starken Person oder einer Gruppe. Wenn eine Person zu jung oder zu schwach ist, um einen Stuhl heben zu können, dann besitzt dieser Stuhl für sie diese Affordance nicht. Es wird ihr nicht die (Gebrauchs-)Möglichkeit geboten, ihn zu heben.
Ob Affordances vorhanden sind, wird gemeinsam von den Qualitäten des Objekts und den Fähigkeiten des interagierenden Mittlers bestimmt. Diese relationale Definition von Affordances stellt beträchtliche Schwierigkeiten für einige Menschen dar. Wir sind daran gewöhnt, dass Eigenschaften mit Objekten assoziiert werden. Doch Affordances sind keine Eigenschaften, sondern Beziehungen. Die Existenz von Affordances hängt sowohl vom Objekt als auch vom Mittler ab.
11Glas bietet Transparenz. Gleichzeitig bietet die physische Struktur einen Schutz gegen die meisten physischen Objekte. Daraus resultiert, dass Glas Durchsicht und Halt bietet, jedoch keinen Durchlass für Luft oder für die meisten physischen Objekte (molekulare Partikel sind in der Lage, sich durch Glas zu bewegen). Diesen nicht vorhandenen Durchlass könnte man als Anti-Affordance sehen – Interaktion wird verhindert. Um effektiv zu sein, müssen Affordances und Anti-Affordances erkennbar – wahrnehmbar – sein. Bei Glas stellt dies ein Problem dar. Der Grund, dass wir Glas mögen, ist, dass es relativ unsichtbar, durchsichtig ist. Und so nützlich es sich auch bei der Verwendung als normale Fensterscheibe erweist, hat es immer noch eine Anti-Affordance und wirkt als Blockade für physische Objekte. Daraus resultiert, dass Vögel häufig versuchen, durch Glasscheiben zu fliegen. Und jedes Jahr verletzen sich unzählige Menschen, wenn sie gegen geschlossene Glastüren oder große Panoramafenster laufen. Wenn Affordances oder Anti-Affordances nicht erkannt werden können, wird eine Art Signal benötigt, womit auf ihre Präsenz hingewiesen wird: Ich nenne diese Eigenschaft Signifier (Thema des nächsten Abschnitts).
direkt„Unsinn“,„es braucht keine Interpretation: Es wird direkt wahrgenommen.“