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Mit einem Vorwort zur deutschen Taschenbuchausgabe
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Helmut Reuter
Januar 2016
ISBN 978-3-492-96846-1
© 2000, 2002 Norman G. Finkelstein
Titel der englischen Originalausgabe:
»The Holocaust Industry«, Verso, London 2000
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2001
Covergestaltung: semper smile, München, nach einem Entwurf von Zeichen & Wunder, München
Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Mir scheint, der Holocaust wird verkauft –
er wird nicht gelehrt.
Die Holocaust-Industrie stützt sich auf zwei zentrale Thesen. Erstens liegt es in der Verantwortung der Deutschen – und zwar der Deutschen allein –, mit ihrer Vergangenheit ins reine zu kommen. In Die deutsche Katastrophe merkt Friedrich Meinecke an, daß Nazideutschland insofern nicht der alleinige Bösewicht war, als das »amoralische Element«, das seinen Kern ausmachte, die gesamte westliche Zivilisation befiel. »Eine Rechtfertigung für uns«, warnt er dennoch, »darf das aber nicht sein ... Ethische wie auch historische Erwägungen [erfordern], ... auch vor der eigenen Tür zu kehren und den besonderen Anteil Deutschlands zu erfassen.«1 In der Umkehrung gilt das ebenso: Ethische und historische Erwägungen erfordern, daß beispielsweise die Vereinigten Staaten vor ihrer eigenen Tür kehren sollten. Doch obwohl die Amerikaner nur allzu bereit sind, die nationale Selbstabrechnung Deutschlands zu überwachen, sind sie weder gewillt noch imstande, selbst eine vergleichbare Verantwortung zu entwickeln. In ihrer Rede zum Abschluß der Verhandlungen mit Deutschland über die Zwangsarbeiter erklärte Außenministerin Madeleine Albright, es liege »im außenpolitischen Interesse der Vereinigten Staaten, Schritte hinsichtlich der Folgen der Nazizeit zu unternehmen, die Welt über dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte zu unterrichten, die Lektionen daraus zu lernen und sich darum zu bemühen, daß so etwas nie wieder geschieht.«2 Nun läge es in der Tat auch im »außenpolitischen Interesse« des größten Teils der Menschheit, daß die Vereinigten Staaten die »dunklen Kapitel« ihrer Vergangenheit untersuchten. Während die Deutschen sich täglich mit ihren historischen Verbrechen auseinandersetzen, müssen die Amerikaner den Großteil ihrer eigenen überhaupt erst noch zur Kenntnis nehmen. In der Debatte des amerikanischen Mainstream über Vietnam lautet die einzige Frage, wann die Vietnamesen wohl anerkennen, was sie uns angetan haben.3 Was die Fähigkeit zu kritischer Selbstreflexion angeht, befinden wir Amerikaner uns auf dem moralischen Niveau von Himmlers Posener Rede.
Die zweite zentrale These von Die Holocaust-Industrie lautet, daß jüdische Eliten Amerikas die Judenvernichtung durch die Nazis ausbeuten, um daraus politischen und finanziellen Gewinn zu ziehen. Wie Karl Jaspers in Die Schuldfrage vorbringt, könne die »Anklage ... nicht wahrhaftig sich vollzieh[en]«, wo sie »im Dienst anderer, etwa politischer oder wirtschaftlicher Zwecke als Waffe benutzt wird ...«4. Auch wenn die Deutschen ganz klar verpflichtet sind, sich den Schrecknissen der Naziherrschaft zu stellen, haben sie dennoch ein Recht, sich der Ausbeutung dieser Verbrechen zu widersetzen.
In Die Holocaust-Industrie berichte ich, wie amerikanische jüdische Organisationen, Institutionen und einzelne Prominente die Judenvernichtung der Nazis instrumentalisiert haben, um Israel gegen Kritik abzuschirmen und, in jüngerer Zeit, Europa zu erpressen. Als hauptsächliche Kritik gegen das Buch wurde nicht etwa vorgebracht, ich hätte die Fakten falsch dargestellt, sondern mit der Beschreibung dieser koordinierten Unternehmung eine »Verschwörungstheorie« konstruiert. In Der Wohlstand der Nationen meint Adam Smith, Kapitalisten kämen »selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne daß das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann«. Wird Adam Smiths Klassiker dadurch auch zu einer »Verschwörungstheorie«?5
Seit dem Erscheinen von Die Holocaust-Industrie sind meine wesentlichen Aussagen durch neue Entwicklungen bestätigt worden. Im Oktober 2001 hat das Claims Resolution Tribunal (crt), das über Ansprüche auf nachrichtenlose Konten in der Schweiz seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu entscheiden hatte, seine Ergebnisse hinsichtlich einer vorläufigen Liste von 5570 ausländischen Konten bekanntgegeben. Demnach belief sich der heutige Wert der Konten von Holocaust-Opfern einschließlich der aufgelaufenen Zinsen auf insgesamt 10 Millionen Dollar. Auch nachdem die Ansprüche auf die verbleibenden 21 000 nachrichtenlosen und geschlossenen Konten der Holocaust-Ära abgelöst sein werden, wird dieser Betrag wahrscheinlich nie auch nur annähernd die 1,25 Milliarden erreichen, die man in dem abschließenden Vergleich aus den Schweizer Banken herausgeholt hat (ganz zu schweigen von den 7 bis 20 Milliarden, die man zunächst verlangt hatte).
Ein Bericht über die Ergebnisse der crt in der London Times trug die Überschrift: »Die Schweizer Holocaust-Gelder haben sich als Mythos herausgestellt.« Diese gewichtigen Belege stützen Raul Hilbergs Vorwurf, der Jüdische Weltkongreß hätte »phänomenale Zahlen« heraufbeschworen und dann die Schweizer Banken »erpreßt«, sich zu unterwerfen.6 Nachdem nur der winzigste Bruchteil von den 1,25 Milliarden aus dem Vergleich mit der Schweiz an Holocaust-Opfer oder deren Erben ausbezahlt wurde, hat, wie vorauszusehen war, der Kampf zwischen den Erpressern begonnen, wer die Holocaust-Beute behalten darf. Im Kreuzfeuer findet sich interessanterweise das Opfer der Erpresser. Mit der Behauptung, Israel sei der rechtmäßige Empfänger (und er selbst »traue dem Jüdischen Weltkongreß nicht«), verlangt der israelische Justizminister, daß der »Deal mit den Schweizer Banken ... neu zu verhandeln sei«.7
Gegenüber den Franzosen erwies sich die erpresserische Taktik von Stuart Eizenstat, dem wichtigsten Bindeglied zwischen der Holocaust-Industrie und der Clinton-Regierung (der er als stellvertretender Finanzminister diente), als weniger wirksam. Der französische Matteoli-Ausschuß hatte 64 000 Bankkonten ausfindig gemacht, die möglicherweise Holocaust-Opfern gehörten – eine weitaus höhere Zahl als die 25 000 im Fall der Schweiz. Doch trotz der Forderungen, die die Franzosen »schockierten«, konnte Eizenstat – dem in den letzten Stunden der Clinton-Regierung die Zeit davonlief – nur eine relativ geringe Zahlung über den Betrag hinaus erpressen, der den jüdischen Opfern zustand. In einer Erklärung, die der abschließenden Einigung angefügt wurde, hob Eizenstat hervor, daß »eine gerechte und schnelle Lösung« der Ansprüche von Holocaust-Opfern gegen Frankreich »im Interesse der Vereinigten Staaten liegt«, damit diesen »noch zu Lebzeiten ein gewisses Maß an Gerechtigkeit zuteil werde«. Sicherlich ein edles Anliegen, doch leider schloß es die Ansprüche von Holocaust-Opfern gegenüber den Vereinigten Staaten nicht ein. Ein Vergleich der Vorgeschichte der usa und der Schweiz macht diese Heuchelei besonders deutlich.8
Im Mai 1998 wurde ein beratender Präsidialausschuß zu Holocaust-Besitztümern vom Kongreß damit beauftragt, »Untersuchungen anzustellen, was aus Besitztümern geworden ist, die Opfern des Holocaust abgenommen wurden und in die Hände der Bundesregierung der usa gelangten«, und »den Präsidenten hinsichtlich der Maßnahmen zu beraten, die ergriffen werden sollten, um gestohlenen Besitz an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zurückzugeben«.9 Im Dezember 2000 gab der Ausschuß unter dem Vorsitz von Edgar Bronfman (der die Attacke auf die Schweizer Banken koordiniert hatte) seinen lange erwarteten Bericht heraus. Unter der Überschrift Plunder and Restitution: The U. S. and Holocaust Victims’ Assets10 [Etwa: Plünderung und Rückerstattung: Die usa und die Vermögenswerte von Holocaust-Opfern] wird dort angeblich der Beweis geführt, daß »die Vereinigten Staaten sich selbst nicht weniger abverlangt haben als der internationalen Gemeinschaft«11. In Wahrheit legt eine genaue Lektüre des Dokuments den entgegengesetzten Schluß nahe: Obwohl auf die usa all die Schuldvorwürfe zutreffen, die sie gegen die Schweizer vorbrachten, sind den usa keine vergleichbaren Forderungen für eine Rückerstattung nach dem Holocaust auferlegt worden.12
Der Präsidialausschuß stellt die »unnachgiebige Haltung der Schweizer Banken« als negatives Beispiel gegen die »außerordentlichen Anstrengungen« der Vereinigten Staaten, Besitztümer aus der Zeit des Holocaust zurückzuerstatten.13 Ich möchte zunächst die gegen die Schweiz erhobenen Vorwürfe mit dem bisherigen Verhalten Amerikas vergleichen, wie es im Bericht des Ausschusses enthüllt wird.
Verweigerung des Zugangs zu Vermögenswerten aus der Holocaust-Ära
Die Holocaust-Industrie hatte behauptet, die Schweizer Banken hätten Holocaust-Überlebenden und deren Erben nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch den Zugang zu ihren Konten verweigert. Der Volcker-Ausschuß kam zu dem Schluß, der Vorwurf sei, abgesehen von geringfügigen Ausnahmen, nicht haltbar.14 Andererseits fand der Präsidialausschuß heraus, daß nach dem Krieg »viele« Holocaust-Überlebende und Erben ihre Besitztümer in den usa wegen der »Kosten und Schwierigkeiten, [einen Anspruch] aktenkundig zu machen«, nicht wiedererlangen konnten. Von 1941 an hatte die Bundesregierung das Eigentum aller Staatsangehörigen aus den von den Nazis besetzten Ländern eingefroren oder darüber verfügt.15 Wie die Schweizer Banken hatte die Bundesregierung in »manchen Fällen« rechtmäßige Besitzer ausfindig gemacht.16
Vernichtung der Aufzeichnungen über Besitztümer aus der Holocaust-Ära
Wie die Holocaust-Industrie behauptete, hatten die Schweizer Banken, um ihre Spuren zu verwischen, systematisch wichtige Aufzeichnungen vernichtet. Der Volcker-Ausschuß kam zu dem Ergebnis, dieser Vorwurf sei nicht haltbar.17
Andererseits haben die Vereinigten Staaten tatsächlich wichtige »Rohdaten« vernichtet. Nachdem die usa den Achsenmächten den Krieg erklärt hatten, forderte das Finanzministerium die amerikanischen Geldinstitute auf, detaillierte Informationen zu allen deponierten Werten ausländischer Eigentümer vorzulegen. Wie der Ausschuß berichtet, sind diese Formblätter – insgesamt 565 000 – »vernichtet worden, und die Mitarbeiter haben bei ihren Recherchen keine Kopien gefunden. Deswegen ist es nicht möglich, den Betrag der Vermögenswerte von Opfern in den usa im Jahre 1941 abzuschätzen.« Merkwürdigerweise verliert der Ausschuß kein Wort darüber, wann oder weshalb diese Dokumente vernichtet wurden.18
Mißbräuchliche Verwendung von Vermögenswerten aus der Holocaust-Ära
Die Holocaust-Industrie warf der Schweiz zu Recht vor, Gelder aus dem Eigentum polnischer und ungarischer Holocaust-Opfer als Entschädigung für schweizerisches Eigentum herangezogen zu haben, das von den Regierungen dieser Länder verstaatlicht worden war.19 Doch der Präsidialausschuß berichtet, daß dies auch in den Vereinigten Staaten geschah: »Die Entschädigung für in Europa verlorene Besitztümer aus den usa erhielt den Vorrang vor Entschädigungen für Vermögenswerte ausländischer Eigentümer, die in den Vereinigten Staaten eingefroren waren. Der Kongreß sah eingefrorene deutsche Vermögenswerte als Quelle, um amerikanische Kriegsansprüche für Schäden zu begleichen, die amerikanische Firmen und Privatpersonen erlitten hatten ... Somit wurden amerikanische Kriegsforderungen teilweise aus deutschen Vermögenswerten bezahlt, die wahrscheinlich auch Besitztümer von Opfern [des Holocaust] einschlossen.«20
Handel mit Gold, das die Nazis erbeutet hatten
Die Holocaust-Industrie warf der Schweiz zu Recht vor, Gold angekauft zu haben, das die Nazis in den europäischen Zentralbanken erbeutet hatten.21 Doch der Präsidialausschuß berichtet, daß dies auch von den Vereinigten Staaten so gehandhabt wurde. In Wahrheit war der Handel mit dem erbeuteten Gold der Nazis offizielle us-Politik, bis die Kriegserklärung Deutschlands diese Praxis beendete. Die entsprechende Passage des Ausschußberichts verdient es, ausführlich zitiert zu werden:
Der deutsche Einmarsch in Frankreich, Belgien und den Niederlanden im Mai 1940 veranlaßte Mr. Pinsent, Finanzberater an der britischen Botschaft, dem Finanzministerium eine Note zu schicken, mit der Mr. Morgenthau [der Finanzminister] um Auskunft gebeten wurde, »ob er darauf vorbereitet wäre, die Goldimporte im Hinblick darauf zu überprüfen, daß jene zurückzuweisen seien, die im Verdacht stehen, aus Deutschland zu stammen«, da Pinsent ausdrücklich die Befürchtung hatte, die privaten Goldbestände von Belgiern und Holländern könnten den Deutschen in die Hände fallen. In einem Memorandum vom 4. Juni 1940 erklärte Harry Dexter White [Leiter der Abteilung Währungsforschung], weshalb das us-Finanzministerium keine Fragen zur Herkunft des »deutschen« Goldes stellte ... Laut White sei es der wirksamste Beitrag, den die usa leisten könnten, um Gold als internationales Tauschmittel zu erhalten, »seine Unverletzlichkeit und die fraglose Anerkennung von Gold als Mittel des internationalen Zahlungsausgleichs zu gewährleisten«. In der Tat schrieb White sechs Monate darauf von seinem »unerbittlichen Widerstand, jene Vorschläge von Leuten, die wenig von der Sache verstehen, auch nur ernsthaft zu prüfen – sie wollten, daß wir die Beschaffung von Gold oder den Kauf von Gold aus bestimmten Ländern aus diesem oder jenem oder aus einem bestimmten Grund einstellten«. Anfang 1941 wurde White in einem internen Memorandum erneut gebeten, die Frage zu überdenken, »wessen Gold wir eigentlich kaufen?«, doch aus seinen schriftlichen Unterlagen geht eindeutig hervor, daß die Antwort auf eine »fraglose Akzeptanz von Gold« hinauslief.22
Außerdem brachte die Holocaust-Industrie zu Recht vor, daß die Schweizer Gold erwarben, welches die Nazis von Holocaust-Opfern erbeutet hatten. (Es gab jedoch keine Beweise, daß die Schweizer dieses »Opfergold« wissentlich erworben hätten; sein Gesamtwert in heutiger Währung wurde auf etwa eine Million Dollar geschätzt.23) Der Präsidialausschuß berichtet ebenfalls, es sei »möglich, daß die während und nach dem Krieg vom Finanzministerium über die Federal Reserve Banks in New York beschafften Goldbarren und -münzen in Spuren Gold von Gegenständen enthielten, die man Opfern der Nazis geraubt hatte«.24
Insgesamt zeigt der Bericht des Präsidialausschusses, daß die Vereinigten Staaten sich all dessen schuldig gemacht haben, was die Holocaust-Industrie der Schweiz vorgeworfen hat.
Die Holocaust-Industrie zwang den Schweizer Banken eine umfassende externe Prüfung auf, die eine halbe Milliarde Dollar kostete und alle nicht beanspruchten Besitztümer aus der Holocaust-Ära aufspüren sollte. Noch ehe diese Prüfung abgeschlossen war, erzwang die Holocaust-Industrie einen Vergleich mit der Schweiz in Höhe von 1,25 Milliarden Dollar.25 Wie der Volcker-Ausschuß feststellte, waren neben der Schweiz auch die usa ein sicherer Zufluchtsort für jüdische Vermögenswerte aus Europa.26 Doch welche Forderungen hat man den Vereinigten Staaten auferlegt?
Wie oben angegeben, behauptete der Präsidialausschuß, seine »Arbeit ... [zeige], daß die Vereinigten Staaten sich selbst nicht weniger abverlangt haben als der internationalen Gemeinschaft«. Doch der Ausschuß hat keine umfassende Aufstellung nicht beanspruchter Besitztümer aus der Holocaust-Ära in den Vereinigten Staaten vorgenommen. Der Bericht behauptet, der Ausschuß sei nicht beauftragt gewesen, »angenommene historische Fehler in der Politik der usa oder deren Umsetzung in mechanischer Weise zu quantifizieren oder ihnen einen Geldwert beizulegen«.27 In der Tat konnte er das angeblich nicht – und zwar wegen des »notwendigen Kompromisses zwischen den Zielen der Untersuchung und der Zeit wie auch der Mittel, die zu deren Abschluß verfügbar waren«, sowie der »geringen Zahl und unterschiedlichen Qualität der ihm vorliegenden Dokumente«.28
Unerklärlicherweise konnte die Schweiz, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, diese Hindernisse sehr wohl beseitigen. (Wodurch wurde eine größere Zuweisung von »Zeit und Mitteln« oder eine Prüfung nach dem Vorbild der Schweiz verhindert, die diese Lücke in den Dokumenten füllen könnte?29) Ebenso hätte eine genaue Abrechung zurückgegebener Vermögenswerte aus der Holocaust-Ära »systematische Untersuchungen erfordert, die die Kapazitäten30 [des Ausschusses] überstiegen hätten« – nicht jedoch die Kapazitäten der Schweizer Banken.
Der Ausschuß berichtet, die Jewish Restitution Successor Organisation (jrso) hätte die Anfang der 1960er Jahre von der us-Regierung angebotene Entschädigung für nicht beanspruchte Vermögenswerte aus der Holocaust-Ära in Höhe von 500 000 Dollar »nur zögernd angenommen«.31 Obwohl die Ergebnisse des Berichts Seymour Rubins Behauptung stützen, die 500 000 Dollar seien »sehr wenig«32 gewesen, kommt der Ausschuß, wie zu erwarten, zu dem Schluß, die schäbige Entschädigung sei nicht »auf unredliche Motive seitens irgendwelcher Beamter, Beauftragter oder Institutionen der Vereinigten Staaten zurückzuführen«.33 Der Bericht schlägt kein einziges Mal vor, die Vereinigten Staaten sollten in Wahrheit mehr Entschädigung bezahlen, ganz zu schweigen von einer Summe, die annähernd an die 1,25 Milliarden herankäme, die man den Schweizern abgenommen hat.
Der Präsidialausschuß hat allerdings einige noble Empfehlungen in seinen Bericht mit aufgenommen.34 Ende des Krieges begannen die in Europa stationierten GIs mit massiven Plünderungen.35 In einer der Empfehlungen wird die Bundesregierung aufgefordert, »in Abstimmung mit Veteranenorganisationen ein Programm zu entwickeln, das eine freiwillige Rückgabe jener Besitztümer voranbringt, die frühere Mitglieder der Streitkräfte eventuellen Opfern vielleicht als Souvenir abgenommen haben«. Zweifellos stehen die Veteranen bereits Schlange, um die Beute zurückzuerstatten. Eine abschließende Empfehlung erinnert die Vereinigten Staaten daran, »ihre Führungsrolle fortzusetzen und die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zu fördern, sich mit Fragen der Rückerstattung von Vermögenswerten zu befassen«. Nach diesem Bericht wäre der Schluß, die Führungsrolle Amerikas sei eher ein Fluch als ein Segen, durchaus verzeihlich.
In meinem Buch stelle ich fest, die Holocaust-Industrie habe in den jüngsten Verhandlungen mit Deutschland sowohl die Zahl der am Ende des Krieges noch lebenden ehemaligen jüdischen Sklavenarbeiter als auch derjenigen übertrieben, die heute noch am Leben sind. Tatsächlich räumt die Claims Conference dies letztlich ein. Professor Yehuda Bauer, ehemaliger Direktor von Yad Vashem (wichtigstes Holocaust-Forschungsinstitut Israels), dient der Claims Conference derzeit als Berater in Sachen Holocaust-Erziehung. Nach Bauers Schätzung in seiner kürzlich erschienenen Studie Die dunkle Seite der Geschichte »befanden sich am Ende des Zweiten Weltkriegs noch 200 000 Juden in den Konzentrationsund Arbeitslagern der Nazis oder hatten die Todesmärsche überlebt«. Obwohl diese Zahl bedeutend höher liegt als die der Standardschätzungen, ist sie dennoch in keiner Weise mit der von der Holocaust-Industrie während der Verhandlungen vorgebrachten Behauptung in Einklang zu bringen, daß 700 000 jüdische Sklavenarbeiter den Krieg überlebt hätten und 50 Jahre später noch 140 000 von ihnen unter den Lebenden weilten.36 Selbst Organisationen der Holocaust-Überlebenden beklagen, daß die Holocaust-Industrie während der Verhandlungen die Zahl der Überlebenden in die Höhe getrieben habe, nur um die Zahl wieder nach unten zu korrigieren, nachdem sie die für Überlebende bestimmten Entschädigungsgelder in Händen hielt: »Warum hat man während der Verhandlungen die Zahl der eigentlichen Überlebenden der Shoah so maßlos übertrieben, und weshalb hatten die Verhandlungsteilnehmer solche Angst, daß die Presse und die deutschen und schweizerischen Gegner die von ihnen angegebenen statistischen Zahlen der Überlebenden in Frage stellen konnten?«37 Die Angaben zur Anzahl von Holocaust-Überlebenden nahmen inflationäre Züge an. So verkündete der Sonderbotschafter des amerikanischen Außenministeriums für Holocaust-Fragen J. D. Bindenagel, daß »in den Nachkriegsjahren viele Millionen Holocaust-Opfer hinter dem Eisernen Vorhang gefangen waren«.38
Jenen Deutschen, die glaubten, mit der Bezahlung der erpreßten Gelder und der Überhäufung der Holocaust-Industrie mit öffentlichen Lobreden für ihre moralische Rechtschaffenheit wäre das Kapitel der Holocaust-Entschädigung endlich zu schließen, steht eine Überraschung ins Haus. Inzwischen schielt die Holocaust-Industrie gierig nach den 350 Millionen Dollar, die man im Rahmen der Vereinbarung reserviert hat, um eine deutsche Stiftung zur Förderung der Toleranz (»Zukunft und Erinnerung«) zu gründen. Der Vorstoß wird von Rabbi Israel Singer angeführt, dem Vizepräsidenten der Claims Conference. Mit der Behauptung, es sei »die Aufgabe der jüdischen Gemeinschaft, jene Teile des Vergleichs anzugreifen, mit denen sie nicht einverstanden ist«, tönte dieser Vordenker der Erpressungsstrategie der Holocaust-Industrie: »Meiner Meinung nach sollten wir nicht nach den Regeln der Deutschen spielen.« So wundert es einen kaum, daß sogar jüdische Weggefährten ihn, wie Singer selbst sagt, »als Gangster bezeichnen«.39
Die Anwaltskosten für den Vergleich mit den Deutschen beliefen sich auf insgesamt 60 Millionen Dollar. Melvyn I. Weiss und Michael Hausfeld führten mit 7,3 bzw. 5,8 Millionen das Feld an, während zumindest zehn weitere mit jeweils mehr als einer Million ins Ziel kamen. Professor Burt Neuborne von der New York University gelangte zu der Überzeugung, sein Honorar von 5 Millionen sei »nicht besonders hoch« – vor allem im Vergleich zu den 5000 bis 7000 Dollar, die einem Auschwitz-Überlebenden laut der Einigung mit Deutschland bewilligt wurden. Robert Swift, der mit seinen lächerlichen 4,3 Millionen hinterherhinkte, geriet über seine »nach allen Maßstäben minimale« Bezahlung ins Philosophieren: »Nicht alles, was man im Leben macht, kann man in Dollars und Cents messen.« Ein umtriebiger Anwalt wußte sich anderweitig zu trösten : Er verkaufte die Geschichte seines Klienten nach Hollywood – an Mike Ovitz, den ehemaligen Präsidenten von Disney. Stuart Eizenstat hörte nicht auf, die Honorare der Anwälte als »äußerst bescheiden« zu verteidigen. Holocaust-Überlebende sahen das anders. »Hätte man auch nur die Hälfte der Anwaltskosten, also etwa 30 Millionen, einsparen können«, schrieb eine Organisation von Holocaust-Überlebenden, »hätte man mit der Summe ein oder mehrere Gesundheitszentren für hinfällige Überlebende einrichten können. Schande über diese unerhörten Honorare!«40
Es ist aber ein Fehler, sich ausschließlich auf die Missetaten der Holocaust-Anwälte zu konzentrieren. Dies ist immer die Hauptstrategie der Holocaust-Industrie gewesen, von sich selbst abzulenken, wenn die häßliche Wahrheit durchsickert. (In den usa ist das immer eine Erfolgsstrategie, da Anwälte insgesamt in sehr schlechtem Ansehen stehen.) In Wahrheit haben die Anwälte der Sammelklagen insgesamt weniger als zwei Prozent der verschiedenen Holocaust-Vergleiche eingestrichen. Die wahren Diebe sind die miteinander verzahnten Führungsriegen der Unterorganisationen der Holocaust-Industrie, etwa die Claims Conference und der Jüdische Weltkongreß (wjc).
In Die Holocaust-Industrie habe ich dokumentiert, wie die Claims Conference seit ihren Anfängen zu Beginn der 1950er Jahre Entschädigungsgelder zweckentfremdet hat. Keine dieser Feststellungen ist substantiell widerlegt worden,41 sondern die jüngsten Entwicklungen bestätigen das etablierte Verhaltensmuster. Im November 2001 verkündete der wjc, er habe 11 Milliarden Dollar an Holocaust-Entschädigungen eingesammelt und erwarte, daß die Summe am Ende auf etwa 14 Milliarden anwachse. (Unklar ist, ob in diesen Zahlen die in die Zehntausende gehenden Grundstücke im Wert von vielen Milliarden Dollar enthalten sind, um die von der Claims Conference in Deutschland immer noch juristisch gestritten wird.) Die Holocaust-Industrie »debattiert [mittlerweile] nicht, ob, sondern wie« die »wahrscheinlich Milliarden« Dollar an »verbleibenden Beträgen« zu verwenden sind, nachdem die bedürftigen Holocaust-Opfer »von der Szene abtreten«.42 Man kann sich nur schwer vorstellen, woher die Holocaust-Industrie bereits weiß, daß »wahrscheinlich Milliarden« Dollar verbleiben werden, wenn – wie sie ebenfalls behauptet – fast eine Million arme Holocaust-Überlebender immer noch am Leben sind und im Jahr 2035 »wahrscheinlich noch Zehntausende am Leben [sein werden]«.43
Tatsächlich sagt die Holocaust-Industrie verbleibende Beträge in Milliardenhöhe voraus, während sie gleichzeitig eingesteht, nicht einmal die Gesundheitsfürsorge für ältere Holocaust-Opfer leisten zu können. Mit dem Vorwurf, man verschleudere ihre Entschädigungsgelder, gründeten 20 000 Holocaust-Opfer im Juni 2001 eine neue Organisation, die Holocaust Survivors Foundation usa, um »zu gewährleisten, daß die Milliarden Dollar, die für Überlebende aufgebracht wurden, auch an Überlebende ausbezahlt werden«.
Leo Rechter, der Sekretär der Stiftung, klagte, daß Holocaust-Überlebende wie auch »ausländische Regierungen jahrzehntelang durch Täuschung im Glauben gelassen« worden seien, der Claims Conference »lägen unsere Interessen am Herzen«. David Schaecter, Präsident der Stiftung, beklagte, daß viele alternde Holocaust-Überlebende unter »elenden Bedingungen« lebten, während »die Claims Conference nur einen verschwindend geringen Anteil der Milliarden weiterleitet, die sie sich im Namen von Holocaust-Überlebenden angeeignet hat«.
Es sei »unrecht«, daß es Holocaust-Überlebenden an Gesundheitsfürsorge mangele, erklärte der Stiftungsvorsitzende Joe Sachs, »wenn man Millionen dafür ausgibt, um Einrichtungen in fernen Gegenden wie Sibirien aufzubauen, und Hunderte Millionen in Projekte mit zweifelhaften Zwecken in aller Welt steckt«. Diese zweifelhaften Unternehmungen schlossen »1,5 Millionen Dollar für das ›Jüdische Theater‹ in Tel Aviv ein«, »1 Million für das ›Mordechai Anielevich Memorial‹ in Israel«, »Hunderttausende für eine Studie über die Geschichte der Yeshivot [Sg. Yeshiva; jüdische Schulen mit religiöser Ausrichtung – Anm. d. Ü.] vor dem Krieg« sowie »mehr als eine halbe Million für eine ›Memorial Foundation for Jewish Culture‹ in New York, was doppelt soviel ist wie die jüngsten Zuwendungen an sämtliche bedürftige Überlebende in Florida«.
Rechter, der die Holocaust-Industrie dafür angreift, »auf den Plan zu treten und zu versuchen, eher Geld für ihre bevorzugten Wohlfahrtsorganisationen zu bekommen, anstatt den Leuten Geld zu geben, in deren Namen sie es erhalten haben«, fragte rhetorisch, ob die Verhandlungsführer der Holocaust-Industrie ihre Gegenüber darüber informierten, daß ein »erheblicher Anteil« der Entschädigungen nicht für Überlebende, sondern für »Hätschelprojekte« ausgegeben würde.
»Vertreter jüdischer Organisationen, die angeblich die lobenswerte Kampagne zur Einrichtung der Entschädigungsfonds führten, taten dies nicht aus tiefer Sorge um Holocaust-Überlebende oder deren Erben«, sagte der Knesseth-Abgeordnete Michael Kleiner gegenüber dem israelischen Parlament inmitten des jüdischen Verteilungskampfes um die Holocaust-Beute. »Das eigentliche Ziel war nicht, jüdisches Eigentum an seine rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Die Vertreter der Organisationen unternahmen alles, um zu gewährleisten, daß sie das Geld bekamen und der jüdische Besitz in die eigenen Tresore wanderte, anstatt den gesetzlichen Eigentümern zuzufließen. So hofften die Vertreter der jüdischen Körperschaften, ihren Organisationen neues Leben einzuhauchen und weiter in dem Luxus zu leben, an den sie sich gewöhnt hatten.« Ganz ähnlich kommentierte Israels angesehene Tageszeitung Haaretz, daß »es zuweilen so scheint, als ob der Holocaust zu einem Werkzeug in den Händen der großen jüdischen Organisationen geworden sei, um Mittel für die von den Führern dieser Organisationen bevorzugten Vorhaben zu erhalten.«44
Die Holocaust-Industrie hat die »Holocaust-Erziehung« zum Hauptnutznießer der Entschädigungsgelder erklärt. In meinem Buch schreibe ich, daß ein großer Teil der Holocaust-Literatur »wissenschaftlich gesehen wertlos« sei. Hilberg beklagt, daß »amerikanische Verleger eine Vielfalt wertloser Bücher herausbringen, wie etwa die Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden, die damals sieben Jahre alt waren«, und merkt weiter an, daß »in den Vereinigten Staaten niemand wirklich daran interessiert ist, etwas Neues über diese historische Epoche zu erfahren«, und daß »heute die wirklich seriöse Wissenschaft über den Holocaust aus Deutschland kommt«.45
Eine Übersicht über die jüngste Holocaust-Literatur bestätigt die schlimmsten Vermutungen angesichts der zahllosen Beispiele für jüdischen Chauvinismus46, unverantwortlichen Umgang mit Quellen47 und schlichte Platitüden.48 Ein Beispiel soll genauer ausgeführt werden: Guenter Lewys Studie »Rückkehr nicht erwünscht« – Die Verfolgung der Zigeuner im Dritten Reich, die von dem Holocaust-Historiker Saul Friedländer für ihr »großes Mitgefühl« gepriesen wurde. Die zentrale These von Lewys Buch besagt, die Zigeuner hätten während des Zweiten Weltkriegs nicht wie die Juden gelitten – sie seien tatsächlich nicht einmal einem Völkermord ausgesetzt gewesen. Die Argumentation verläuft wie folgt: Wie die Juden wurden auch die Zigeuner von den Einsatzgruppen schonungslos abgeschlachtet, jedoch nur, weil man sie der Spionage verdächtigte; wie Juden wurden auch Zigeuner nach Auschwitz deportiert, doch nur, »weil man sie loswerden wollte, nicht, weil sie umgebracht werden sollten«; in Chelmno hat man Zigeuner wie die Juden vergast, aber nur, weil sie an Typhus erkrankt waren; die meisten der wenigen verbleibenden Zigeuner wurden wie die Juden sterilisiert, jedoch nicht, um ihre Fortpflanzung zu unterbinden, sondern um eine »›Verunreinigung‹ des ›deutschen Blutes‹ zu verhindern«. Man kann sich gut vorstellen, wie die Öffentlichkeit und die Wissenschaft reagieren würden, falls in Lewys Buch jemand Zigeuner und Juden vertauschen würde.49
Zweck der Holocaust-Erziehung ist es natürlich, »die Lektionen des Holocaust zu lernen«. Doch was will uns die Holocaust-Industrie wirklich lehren? Eine wichtige Lektion ist es, dem Kampf gegen den Antisemitismus Vorrang zu geben – außer es zahlt sich nicht aus. So verhandelte die Holocaust-Industrie in Wien unbekümmert über ein Entschädigungsabkommen, während sie gleichzeitig die Welt dazu drängte, Österreich nach dem Eintritt von Jörg Haiders Freiheitlicher Partei in die Regierungskoalition zu boykottieren. Nachdem er eine Abmachung ausgehandelt hatte, überhäufte Stuart Eizenstat die österreichische Regierung mit Lob, weil sie »nicht nur in Österreich Führungskraft demonstriert hat, sondern auch für das übrige Europa und die Welt mit gutem Beispiel vorangegangen ist, wie man sich mit seiner Vergangenheit aussöhnen und selbst Jahrzehnte später noch Wunden heilen kann«.50
Eine weitere wichtige Lektion: »Du sollst [den Holocaust] nicht [mit anderen Verbrechen] vergleichen« – es sei denn, ein solcher Vergleich ist politisch nützlich. So verglich eine Zeitschrift der Holocaust-Industrie den Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center mit »dem Martyrium des Zweiten Weltkriegs und den Leiden der Shoah«, während Atlantic Monthly überlegte, ob in der »Hierarchie des Bösen« bin Laden oder Hitler der erste Rang gebühre, und das New York Times Magazine vertrat die Meinung, der islamische Fundamentalismus sei »ein bedrohlicherer Gegner als die Nazis«.51
Eine weitere Lektion ist, daß man den Völkermord der Nazis im Gedächtnis behalten muß – aber alle anderen Völkermorde zu vergessen hat. So tat der israelische Außenminister Shimon Peres die systematische Ausrottung der Armenier durch die Türkei als bloße »Behauptungen« und armenische Berichte über den Massenmord als »bedeutungslos« ab.52
Hinzu kommt die Lektion, wachsam zu bleiben gegenüber Verbrechen gegen die Menschlichkeit – außer jenen, die von unserer eigenen Regierung begangen werden. So »drängte [der U. S. Holocaust Memorial Council] die Vereinigten Staaten, sich auf ›die Gefahr eines Völkermordes im Sudan‹ einzustellen«, während gleichzeitig die unkontrollierbare Macht der usa bei großen Teilen der Menschheit verheerende Schäden anrichtet.53
Zu guter Letzt wird dem israelischen Militär noch eine höchst lehrreiche Holocaust-Lektion erteilt: Um den palästinensischen Widerstand gegen die seit 35 Jahren bestehende Besetzung zu unterdrücken, rief ein hoher israelischer Offizier die Armee auf, »die Lehren ... aus dem Kampf der deutschen Armee im Warschauer Ghetto zu analysieren und zu verinnerlichen«.54
Eine authentische Lehre, die aus der Judenvernichtung durch die Nazis gezogen werden sollte, ist meines Erachtens: Mut zur Wahrheit, auch Mächtigen gegenüber. Im derzeitigen Klima von »Holocaust-Korrektheit« und Einschüchterung kann der Preis, der persönlich und beruflich dafür zu zahlen ist, beträchtlich sein. Doch der Preis des Schweigens ist weitaus höher. Die falschen Darstellungen und Lügen der Holocaust-Industrie fördern die Leugnung des Holocaust; ihre Erpressungsmanöver und Geschäftemachereien schüren den Antisemitismus; ihre Heuchelei und Doppelmoral verhindern sinnvolle Grundsätze. Je früher die Holocaust-Industrie stillgelegt wird, desto besser werden wir alle dran sein – ob wir nun Juden sind oder nicht.
Chicago, Februar 2002
Norman G. Finkelstein
Dieses Buch ist eine Anatomie der Holocaust-Industrie und zugleich eine Anklage gegen sie. Auf den folgenden Seiten werde ich darlegen, daß der holocaust (zur Schreibweise s. Anm. 1) eine von Ideologie geprägte Darstellung der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist.1 Wie alle Ideologien ist sie, wenn auch schwach, mit der Wirklichkeit verbunden. der holocaust ist kein willkürlich zusammengestelltes, sondern vielmehr ein in sich stimmiges Konstrukt. Seine zentralen Dogmen stützen wichtige politische und Klasseninteressen. Tatsächlich hat der holocaust sich als unentbehrliche ideologische Waffe erwiesen. Durch deren Einsatz hat eine der stärksten Militärmächte der Welt mit einer erschreckenden Menschenrechtsbilanz sich in die Rolle eines »Opfer«-Staates versetzt, und ebenso hat die erfolgreichste ethnische Gruppe der Vereinigten Staaten sich einen Opferstatus zugelegt. Aus dieser scheinbar bestechenden Opferrolle erwachsen beträchtliche Dividenden – insbesondere die Immunität gegenüber Kritik, wie berechtigt sie auch sei. Ich könnte hinzufügen, daß jene, die sich dieser Immunität erfreuen, der damit üblicherweise verbundenen moralischen Korrumpierung nicht entkommen sind. Aus dieser Sicht ist Elie Wiesels Auftreten als offizieller Interpret des holocaust kein Zufall. Zu dieser Stellung hat ihm nicht sein humanitäres Engagement oder sein literarisches Talent verholfen.2 Wiesel spielt seine Hauptrolle vielmehr deshalb, weil er unbeirrbar die Dogmen des holocaust artikuliert und so die Interessen stützt, die hinter diesem stehen.
Den ersten Anstoß zu diesem Buch erhielt ich von Peter Novicks wegweisender Abhandlung The Holocaust in American Life, die ich für eine britische Literaturzeitschrift besprochen hatte.3 Der kritische Dialog, den ich mit Novick aufgenommen habe, wird auf den folgenden Seiten ausgeweitet; daraus ergeben sich die zahlreichen Hinweise auf seine Untersuchung. The Holocaust in American Life, mehr eine Ansammlung provozierender Aperçus als eine fundierte Kritik, steht in der ehrwürdigen amerikanischen Tradition der Enthüllungsstorys. Wie die meisten Verfasser von Enthüllungsstorys konzentriert Novick sich auf die ungeheuerlichsten Mißstände. The Holocaust in American Life ist bissig und erfrischend geschrieben, aber keine Kritik, die an die Wurzel geht. Grundlegende Annahmen werden nicht weiter hinterfragt. Das Buch ist weder banal noch ketzerisch; es nimmt beherzt eine Gegenposition zu den gängigen Meinungen des Mainstream ein. Wie vorauszusehen war, fand es in den amerikanischen Medien viel, wenn auch gemischte Beachtung.
Novicks zentrale analytische Kategorie ist »Erinnerung«. Diese »Erinnerung«, derzeit das Objekt der Begeisterung im Elfenbeinturm, ist sicherlich seit langem der armseligste Begriff, der von den akademischen Höhen herabgekommen ist. Mit der obligatorischen Verbeugung vor Maurice Halbwachs möchte Novick vorführen, wie die »Erinnerung an den Holocaust« von »aktuellen Anliegen« geformt wird. Es gab einmal eine Zeit, da verwendeten Intellektuelle mit abweichender Meinung einerseits aussagekräftige politische Kategorien wie »Macht« und »Interessen«, andererseits den Begriff »Ideologie«. Heute ist davon nichts geblieben als die konziliante, entpolitisierte Sprache der »Anliegen« und der »Erinnerung«. Doch die von Novick vorgebrachten Belege zeigen, wie sehr die Erinnerung an den Holocaust ein ideologisches Produkt verhüllter Interessen ist. Die Erinnerung an den Holocaust verdankt sich Novick zufolge zwar einer Auswahl, doch sei diese »häufig« willkürlich. Die Wahl, bringt er vor, erfolge nicht aus einer »Berechnung der Vor- und Nachteile«, sondern »ohne große Gedanken über ... die Folgen«.4 Die Belege legen den umgekehrten Schluß nahe.
Mein ursprüngliches Interesse an dem Thema der Vernichtung der Juden durch die Nazis war persönlich motiviert. Mein Vater wie meine Mutter waren Überlebende des Warschauer Ghettos und der Konzentrationslager der Nazis. Abgesehen von ihnen selbst sind alle Familienmitglieder meiner beiden Eltern von den Nazis ausgelöscht worden. Meine erste Erinnerung an die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist, wenn ich so sagen darf, der Anblick meiner Mutter, die den Eichmann-Prozeß (1961) wie gebannt im Fernsehen verfolgte, als ich von der Schule nach Hause kam. Obwohl sie erst sechzehn Jahre vor dem Prozeß aus dem Konzentrationslager befreit worden waren, waren die Eltern, die ich kannte, in meinen Augen immer durch einen unüberbrückbaren Abgrund davon getrennt. An der Wand des Wohnzimmers hingen Fotografien der Familie meiner Mutter. (Photos der Familie meines Vaters gingen im Krieg verloren.) Was mich mit meinen Verwandten verband, konnte ich nie ganz begreifen, noch viel weniger konnte ich mir vorstellen, was mit ihnen geschehen war. Es waren die Schwestern, der Bruder und die Eltern meiner Mutter, nicht meine Tanten, mein Onkel oder meine Großeltern. Ich erinnere mich, als Kind John Herseys The Wall und Leon Uris’ Mila 18 gelesen zu haben, beides waren romanhafte Schilderungen des Warschauer Ghettos. (Ich weiß noch, wie meine Mutter eines Tages klagte, daß sie, versunken in die Lektüre von The Wall, auf dem Weg zur Arbeit nicht an ihrer U-Bahnstation ausgestiegen war.) So sehr ich es versuchte, es gelang mir auch nicht für einen Augenblick, in meiner Vorstellung den Sprung zu vollziehen, der meine Eltern in ihrer ganzen Alltäglichkeit mit dieser Vergangenheit in Verbindung gebracht hätte. Ehrlich gesagt, ich kann das noch immer nicht.
Doch es gibt einen wichtigeren Punkt: Abgesehen von dieser Präsenz von Phantomen kann ich mich nicht erinnern, daß die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis je in meine Kindheit eindrang. Das lag hauptsächlich daran, daß außerhalb meiner Familie sich niemand dafür zu interessieren schien, was geschehen war. Der Freundeskreis meiner Kindheit las umfassend über die Tagesereignisse und diskutierte leidenschaftlich darüber. Doch ich kann mich ehrlich gesagt an keinen einzigen Freund (oder an Eltern eines Freundes) erinnern, der auch nur einmal gefragt hätte, was meine Mutter und mein Vater durchgemacht hatten. Das war kein respektvolles Schweigen. Es war nichts weiter als Gleichgültigkeit. In diesem Licht kann man die Ergüsse des Grauens in späteren Jahrzehnten, als die Holocaust-Industrie fest etabliert war, nur mit Skepsis betrachten.