Andreas Anders-Wilkens / Robert Mager
Einradfahren
Basics und erste Tricks
Meyer & Meyer Fachverlag & Buchhandel GmbH
© 2006 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen
5., überarbeitete Auflage 2015
Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien
Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)
978-3-8403-2572-4
verlag@m-m-sports.com
www.dersportverlag.de
ISBN 978-3-8403-2572-4
In diesem Buch habe ich auch eine Einteilung vorgenommen, um dir zu zeigen, ob du eher mit mehr oder weniger Schwierigkeiten rechnen musst, bei dem Trick, den du gerade ausgesucht hast. Neben den Kapitelüberschriften findest du deshalb zur Orientierung ein kleines Bildchen mit Schwierigkeitsgraden von 1-3.
Schwierigkeitsgrad 1 | |
Schwierigkeitsgrad 2 | |
Schwierigkeitsgrad 3 |
„Je mehr Männchen am Ende der Überschrift stehen, desto schwerer ist der Trick oder die Technik zu lernen.“
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.
Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.
Als wir Ende der 80er Jahre begannen, Einradfahren zu lernen, war das sehr ungewöhnlich. Es gab zwar bereits erste Einräder im Fachhandel, doch verbreitete sich das Einrad als Freizeitgerät nur langsam. In kleinen, freien Treffen machten wir Fortschritte und Fehler. Es gab keine Anleitungen und nur wenige, meist unerreichbare Vorbilder. Heute unterrichten wir selbst Zirkuskünste, zum Beispiel in der „Zirkusschule Windspiel“, und das Einrad findet dabei mit Abstand den meisten Zuspruch aller Teilnehmer.
Wer heute Einradfahren will, kann ohne großen Aufwand damit beginnen. In allen Gassen und auf allen Straßen wird Einrad gefahren, selbst in den kleinsten Dörfern findet sich mindestens ein Einrad. Besonders bei jungen Mädchen ist es heute ein starker Trend. Jungs, haltet euch ran!
In der Stadt bieten Asphaltflächen und Plätze Übungsgrund und Herausforderung. In ländlichen Gegenden erweist sich das Einrad als Multitalent im Gelände ebenso wie auf stillen Straßen. Im Internet trifft man sich und erfährt von den unglaublichsten Tricks, Einsätzen und Leistungen. Der Leistungsgedanke lockt zunehmend Einradtalente zu Wettbewerben und Meisterschaften in Hockeyturnieren und Wettrennen, aber auch im Freestyle. In den letzten Jahren fanden einige Einradweltmeisterschaften in Europa statt. Der Boom, der auch von dort ausging, kehrt damit zu uns zurück, auch zu den Ursprüngen des Einrads, das zusammen mit dem Fahrrad in Europa entstanden ist.
Ein Einrad bekommt man über die Händler am Ende des Buches. Dort sind auch Empfehlungen zum Kauf zu finden.
Wir sprechen im Buch den Leser bewusst mit „du“ an, so, wie es unter Zirkusartisten, die alle zu einer großen Familie gehören, seit Generationen üblich ist.
Einradfahren ist etwas für alle und alle Einradfahrer werden feststellen, dass sie die Schwierigkeiten und sich selbst immer wieder überwunden haben und nicht empfindlich waren. Sie haben durchgehalten.
Als Belohnung steht am Ende ein spürbarer und ein sichtbarer Erfolg. Es gibt keine Möglichkeit, sich die Fahrkunst zu ergaunern und das weiß der Fahrer ebenso wie jeder Zuschauer: Entweder man fährt auf dem Einrad oder eben nicht. Daher ist dem Einradfahrer die Anerkennung für seine Leistung und sein Können gewiss. Doch Einradfahren ist nicht allein Leistung, sondern auch künstlerischer Ausdruck von Spontaneität und Freiheit und schöne Artistik, von Anfang an.
Zum Wesen des Einradfahrens gehört damit auch die Überschreitung von Grenzen. Die Überwindung der Schwerkraft macht den Einradfahrer leichtsinnig. Mit Leichtigkeit wird die Balance erst schön. Nur wer ein Risiko beim Einradfahren eingeht, wird leicht damit fertig und gewinnt. Deshalb kann man auf dem Einrad auch getrost barfuß fahren, rückwärts fahren, Bäche durchqueren, Alpen überqueren und viele verrückte Sachen machen – nicht andauernd und nicht ohne Verstand, aber immer wieder. Zum Üben ist das barfuß fahren übrigens nicht geeignet, als eine Übung aber schon.
Wir wünschen euch viel Freude bei eurem Ausflug aus dem Alltag auf dem Einrad.
Mit dem Einrad werden Grenzen überschritten.
Wer Einradfahren lernen will, versucht erst einmal, sich auf dem Gerät zu halten, wohin er fährt, ist dabei egal. Es werden ohnehin nur einige Meter zurückgelegt, ein Ausweichen oder eine gezielte Kurve ist zunächst gar nicht möglich und auch unnötig.
Um also mit dem Einradfahren zu beginnen, solltest du dir einen Raum suchen, der groß genug ist, um vom Startpunkt weg einige Meter nach vorne fahren zu können, wobei gleichzeitig an den Seiten ebenso viel Platz frei bleiben soll.
Übe stets in gefahrloser Umgebung und achte auch darauf, dass du niemanden gefährdest. Das Einrad ist im Straßenverkehr nicht zugelassen!
Der Boden sollte nicht rutschig sein. Leichte Unebenheiten im Asphalt stören nur optisch, das Einrad reagiert viel unempfindlicher darauf, als viele denken. Dennoch sind Schlaglöcher, Gullideckel, Wiesen, Kieswege oder Kopfsteinpflaster natürlich keine idealen Voraussetzungen. Ein leichtes Ansteigen oder ein Gefälle des Untergrunds ist weniger schlimm als eine seitliche Schräge.
Was du über dein Einrad wissen und beachten solltest (Sattelhöhe, Wo ist vorne/hinten?, Reifendruck usw.), bevor du losfährst, liest du am Anfang des Kapitels F 1 Materialkunde.
Wegen der geringen Sturzhöhe und weil die Füße schnell auf den Boden gebracht werden können, sind ein Helm und eine besondere Schutzkleidung für den Anfänger eher hinderlich. Nur wer zu Stürzen und Verletzungen neigt, sollte sie anziehen. Den gesunden Menschenverstand muss man nicht ausschalten. Mit langen Schnürsenkeln und weiten Hosen kann man an Kurbeln, Schrauben oder Pedale hängen bleiben. Schnürsenkel sind ganz einfach wegzustecken.
Bevor du losfährst, solltest du dir eine Stütze suchen, an der du dich festhalten wirst, solange du dich an das Einrad gewöhnst und in Erfahrung bringst, wie es auf deine Bewegungen reagiert.
Im folgenden Kapitel erfährst du, wie die Stützen, an denen du dich festhalten kannst, beschaffen sein sollten und was deine Helfer beachten sollten. Erst wenn du deinen Übungsplatz mit Stützen entsprechend ausgesucht und vorbereitet hast, beginnst du mit dem Aufstieg.
Wer alleine lernen will oder muss, übt entlang einer Mauer oder eines Gartenzauns, an dem man nicht hängen bleiben oder sich verletzen, aber leicht abstützen kann.
Beidseitige Stützen helfen am besten, die Balance zu finden. Wer Turnkästen zur Verfügung hat, baut sie ungefähr bis auf Schulterhöhe.
Auch an einseitigen Stützen kann man das Fahren lernen, sie sind aber nicht so hilfreich.
Halte dich gerade so viel fest wie nötig, da du sonst zu sehr verkrampfst oder hängen bleibst. Stütze dich nur mit der flachen Hand ab. Wenn du dich nur an einer Wand bzw. Seite festhältst, neigst du dich natürlich zur Wand hin, da du dich hier nur abstützen, aber nicht festhalten kannst. Diese Neigung stört die richtige Balance aber ganz erheblich. Deshalb ist es viel besser, dir etwas zu bauen, an dem du dich auf beiden Seiten abstützen kannst. Auch eine Stuhlreihe, Tische, Turnkästen, Ballettstangen oder jede andere Konstruktion helfen.
So viel Platz oder Material hat aber nicht jeder immer zur Verfügung. Es können auch Kellergänge sein. Die Wände sind hier von beiden Seiten erreichbar und unempfindlich. Zur Not reicht auch eine einseitige Stütze, wie oben beschrieben, aus.
Bei einseitigen Stützen solltest du aber unbedingt darauf achten, öfters die Bew egungsrichtung entlang der einen Wand abzuwechseln, damit du lernst, nach beiden Seiten Balance zu halten. Fahre eine gute Unterarmlänge von der Wand entfernt, damit du nicht mit den Pedalen hängen bleibst und den stützenden Arm fast ausstrecken kannst. Das hilft dir wieder bei der Balance.
Der Einkaufswagengriff ist eine Stütze, die mitfährt. Eine Mülltonne erfüllt den gleichen Zweck und ist überall griffbereit.
Optimal zum Lernen eignet sich ein Einkaufswagen. Schiebe ihn auf dem Einrad herum, während du dich am Griff festhältst. Am Wochenende ist der meist sehr große und asphaltierte Parkplatz von Einkaufszentren autofrei. Das ist ein idealer Übungsplatz.
Auch ein kurzer Stab, den ein Helfer seitlich reicht, ist gut geeignet. Der Einradfahrer greift ihn quer und beidhändig wie einen Lenker. Der Helfer kann auch rückwärts gehen und den Stab ebenfalls beidhändig halten. Dann sollte er aber sehr darauf achten, dass der Fahrer ihm nicht das Rad gegen das Schienbein knallen lässt, wenn er absteigt.
Ein etwa 2 m langer Stab, den der Helfer in der Mitte hält, kann für zwei Kinder Halt bieten. Die Einradfahrer können im Kreis fahren oder in einer Aufführung ihr erstes Können zeigen, lange bevor sie frei fahren können.
Ein alter Surfboardmast dient mehreren Kindern gleichzeitig als Haltegriff.
Zusammenfassung: Die Stütze sollte folgende Bedingungen erfüllen:
Sie sollte beidseitig sein, damit du lernst, nach beiden Seiten gleichmäßig Balance zu halten.
Die Stützen sollten lang genug sein, damit du dich auf das Vorwärtsfahren konzentrieren und du dich in eine Richtung länger bewegen kannst.
Sie muss stabil und unempfindlich gegen Schmutz und Kratzer sein, da das Einrad gerne seine Spuren hinterlässt.
Sie sollte hüft- bis schulterhoch sein, damit du beim Festhalten aufrecht bleiben kannst.
Am besten sind natürlich zwei oder zumindest ein Helfer, die mitlaufen und dir als lebendige Stützen Halt geben. Das können andere Einradfahrer sein, mit denen du abwechselnd ein Rad teilst und mit denen du gemeinsam fahren lernst. Es können aber auch deine Eltern oder kräftige Freunde sein.
Die Helfer achten darauf, nicht störend in die Balance des Fahrers einzugreifen!
Sie bleiben stets auf einer Höhe neben dem Rad, damit sie den Fahrer nicht unbewusst in eine Richtung ziehen.
Sie sollen dem Fahrer nur Halt bieten – etwa wie ein wandelnder Zaunpfosten – und nicht aktiv Sattel oder Fahrer festhalten.
Du wirst nicht festgehalten, sondern der oder die Helfer bieten eine Stütze. So kannst du loslassen: zunächst kürzer, später immer länger, wann immer du willst. Der oder die Helfer bleiben dabei neben dem Rad.
Ganz allgemein gilt für jede Art von Stütze oder Hilfe, die du beim Üben verwendest:
Achte darauf, dass du dich nicht abhängig davon machst. Halte dich daran nur genau so viel fest, dass du auf dem Einrad bleibst – nicht mehr und nicht weniger.
Oftmals verleiten Stützen, Hilfen und Helfer dazu, Fehler nicht zu korrigieren, sondern womöglich erst einzuschleifen. Nur wenn man bei Verwendung einer Stütze das Gefühl behält, wie es ohne sie wäre, kann man etwas lernen. Das heißt ja nicht, dass man die Sicherheit, die sie bietet, verliert.
Achte auch darauf, dass du einem Helfer beim Festhalten nicht das Blut abdrückst, er ist nur eine Stütze, kein Opfer.
FALSCHE Hilfestellung! Der Helfer steht zu weit hinten, nicht neben dem Rad. Der Fahrer wird in seiner Balance störend beeinflusst. Achtet auch darauf, dass der Arm des Helfers nicht zu hoch gehalten wird.