Wiedergeburt
Eine Reise in frühere Erdenleben
An authentischen Protokollen erleben Sie, wie Gerika das Menschsein durch viele Wiedergeburten verstehen lernt.
Der Bericht ihrer Rückführung wird ergänzt durch eine Einführung in Spirituelle Psychologie und Reinkarnationsarbeit.
Books on Demand
© 2001 by Petra Angelika Peick, Hamburg,
Alle Rechte liegen bei der Autorin
Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgaben 1987 und 1988
Herstellung:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7322-0011-5
März 1975. Die Frühlingssonne sendet ihre wärmenden Strahlen auf die frosterstarrte Erde. Ein stiller Nachmittag. Ich sitze in einem Sessel am Fenster und höre eine neue Schallplatte mit Klaviermusik von Frederic Chopin leise im Hintergrund. Das Buch, in dem ich lese, beschäftigt sich mit psychologischer Statistik. Immer wieder schaue ich auf und blicke in den Garten und auf das dahinter liegende offene Feld. Der alte verschmutzte Schnee in den Furchen glitzert im Sonnenlicht.
Plötzlich ergreift mich ein sonderbares Gefühl. Etwas hat sich verändert. Die Klaviermusik, die soeben noch ganz leise geklungen hat, bekommt einen intensiven, durchdri n-genden Charakter. Sie erfüllt den ganzen Raum.
Ohne es bemerkt zu haben, muss ich wohl aufgestanden sein. Ich fühle nun, wie ich am Fenster stehe; meine rechte Hand drückt gegen die kalte Scheibe, an der die Rege n-tropfen hinunter laufen. Durch die Tropfen hindurch blicke ich auf das nasse Kopfsteinpflaster einer engen Gasse.
Ein Paar kommt schnellen Schrittes um die Straßenecke. Die Dame trägt ein Kostüm mit einem langen Rock und altertümliche schwarze Stiefeletten. Der Herr ist mit einem langen Gehrock, Gamaschen und Zylinder bekleidet. Er trägt ihren Rüschenschirm und schützt sie vor dem unaufhörlich herabfallenden Regen. Sie hasten vorbei.
Im gegenüberliegenden Fachwerkhaus ist der Vorhang vor das Fenster gezogen. Daran merke ich, dass es Sonntag ist. An Werktagen sieht man dort einen Uhrmacher seiner Arbeit nachgehen. Ich spüre ein Bedauern – es hätte mir die Zeit leichter gemacht, ihm zuzusehen. Die Langeweile der langsam verrinnenden Zeit liegt bedrückend auf mir. Eine Kutsche mit zwei dunklen Pferden kommt durch die Gasse. Ich höre das vertraute Knirschen der Räder und das Schlagen der Hufe auf dem Pflaster.
Langsam wende ich mich in den Raum zurück. Im Dämmerlicht sehe ich einen Mann an einem Flügel sitzen. Er spielt diese wunderschöne Musik. Es schmerzt mich, sie anzuhören, obgleich mir ihr Klang tröstlich vertraut ist. Doch sie nimmt diesen Mann, meinen Vater, ganz gefangen. Er hat keinen Blick für mich, auch wenn er jetzt in meine Richtung schaut. Ich würde ihm gern zeigen, wie sehr ich ihn liebe, würde gern ganz nahe bei ihm sitzen. Aber meine Gesten erreichen ihn nicht.
Ich erinnere mich an die Puppe, die ich im linken Arm trage. Sie ist kein Ersatz – mit ihm würde ich gerne spielen! Enttäuscht setze ich sie in einen Schaukelstuhl. Jetzt fällt mir ein, dass ich etwa zehn Jahre alt bin. Wir wohnen in Berlin.
Mit einem letzten Blick auf den Pianisten gehe ich zur Tür und drücke die Klinke. Er bemerkt kaum, dass ich den Raum verlasse …
Meine Vision traf mich völlig unvorbereitet. Es war die erste einer langen Folge von Bild- und Gefühlserfahrungen, die mich in andere Zeiten zurückführten. Ich wusste damals von Wiedergeburt nur, dass die Inder daran glauben. Mit mir hatte das nichts zu tun, meinte ich, und so glaubte ich an jenem Märztag, dass meine Phantasie mit mir durchgegangen sei.
Jedoch wurde ich bald darüber belehrt, dass es hierbei um viel mehr ging als um Träumereien. Die gleiche Musik rief jedes mal die gleichen Eindrücke in mir hervor. Ich konnte sie weder willkürlich im Ablauf ändern noch die Gefühle abschütteln, die mich dabei ergriffen. Im Gegenteil: die Bilder wurden immer eindringlicher und plastischer, und nach und nach kamen viel Details aus dem Leben des kleinen Mädchens in mein Bewusstsein. Die allmähliche Bewusstwerdung ihrer Lebensgeschichte zog sich über etwa vier Jahre hin und öffnete mir ein neues Verständnis des menschlichen Lebensweges. Das Sonderbarste an diesen Erlebnissen aber war die Gewissheit: Das habe ich erlebt!
Die Erschütterung, die diese Visionen in mir wachgerufen hat, sind mit Worten nicht zu beschreiben. Sie veränderten mein Bild von mir selbst grundlegend und führten zu vollkommen anderen Einstellungen zum Leben und zum Leiden.
Mein Denken hat sich seither in einen unbeschreiblich weiten Bewusstseinsraum ausgedehnt. Meine geistige Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit ist raum- und zeitlos geworden; sie überschreitet irdische Lebensbedingungen und reicht in kosmische Dimensionen. Ich gewann die Fähigkeit metaphysischer Kommunikation mit geistigen Wesen, die im spirituellen Raum als Lichtgestalten erscheinen.
Diese Entwicklung ist in einem atemberaubenden Tempo vor sich gegangen. Heute ist mir bewusst, dass es lediglich die Wiederholung von Lektionen gewesen ist, die ich in anderen Leben bereits gelernt hatte. Es war die Wiederentdeckung eines alten Wissens und eigener Fähigkeiten, die wachgerufen und mir erneut zur Verfügung gestellt wurden.
Im äußeren Leben habe ich nach einer kaufmännischen Tätigkeit ein Sozialpädagogik- und ein Psychologiestudium abgeschlossen. Meine spirituelle Entwicklung verlief ohne einen Lehrer. Bis auf wenige Kurse habe ich keine spirituelle Schulung erhalten: und selbst in diesen Fällen kam ich immer erst dann in die Kurse hinein, wenn mir das Thema durch innere Arbeit bereits bekannt war.
Ebenso erging es mir mit Büchern. Sie fielen mir erst dann in die Hände, wenn ich ihren Inhalt bereits selbst erarbeitet hatte. Die Lehrer und Berater, die ich um Hilfe fragte, schickten mich ohne Antwort fort oder baten mich ihrerseits um Rat. Ich habe jahrelang sehr darunter gelitten, niemanden fragen zu können, wenn ich in Bedrängnis war. Durch die Botschaft eines Mediums erfuhr ich den Grund dieser Zurückweisung: „Frage niemanden – du erkennst alles aus dir selbst, was du wissen willst!“
Nach dieser Nachricht gab ich es auf, einen Lehrer zu suchen, und ich legte die Bücher fort. Meine Unterrichtung vollzog sich im Schlaf. Ich nahm an spirituellen Schulungen teil, aus denen ich oft mit Erinnerungsresten erwachte. Ich „hörte“ die letzten Worte einer Unterweisung, die mir jemand erteilte, den ich nur undeutlich wahrnahm. Manchmal erwachte ich nachts und empfing in völliger Bewusstheit klare Eingebungen und Erklärungen auf meine inneren Fragen.
Inzwischen kann ich jederzeit Wissen aus geistigen Quellen abrufen und in meiner Arbeit anwenden. Ich unterrichte Menschen darin, ihre eigenen Bewusstseinskräfte zu entwickeln und in ihrem persönlichen und beruflichen Leben anzuwenden.
Dieses Buch gibt Ihnen die Möglichkeit, an einer Spirituellen Schulung mit Reinkarnations-Rückführungen teilzunehmen. An authentischen Protokollen erleben Sie, wie Gerika das Menschsein durch viele Wiedergeburten verstehen lernt.
Viele meiner Schüler haben ähnliche Erfahrungen gemacht wie Gerika, und es ist schwierig für mich, sachlich richtig und verstehbar zu beschreiben, wie ein solcher Entwicklungs- und Erkenntnisprozess verläuft. Das Erlebte ist aus der Beobachterperspektive selten ganz zu begreifen, und gerade innere Erfahrungen, die über das Persönliche hinausgehen, können kaum nacherzählt werden. Um ein wirkliches Verständnis von Erkenntnisvorgängen im überbewussten Zustand gewinnen zu können, muss man ähnliches wohl selbst erfahren haben.
Manches von dem, was Gerika schildert, ist mir aus eigener Anschauung bekannt, anderes entspricht Berichten meiner Schüler; aber vieles ist auch ganz individuelle Betrachtung und Erlebtes von Gerika. Ich möchte Ihnen das Urteil darüber, was Wahrheit ist, nicht abnehmen, sondern Sie an dem Erfahrungsweg teilhaben lassen, auf dem ich Gerika begleitet habe.
Die Protokolle sind ein Geschenk von Gerika an die Menschen. Sie möchte ihre Erfahrungen mitteilen, um vielleicht einigen zu helfen, die Augen für die jenseitige Welt zu öffnen. Bitte begleiten Sie Gerika durch ihre innere Welt, verfolgen Sie offen, was sie erlebte, und versuchen Sie, in sich zu spüren, wie Sie durch diese Erlebnisse berührt werden. Ihre eigenen Gefühle weisen Ihnen den Weg zu Ihrer Wahrheit.
Als Gerika zu mir kam (1981) war sie knapp dreißig Jahre alt und hatte schon einen längeren Weg des Suchens nach sich selbst hinter sich. Sie hatte in Lebensgemeinschaften gewohnt, deren Mitglieder einen gemeinsamen geistigen Weg miteinander beschreiten wollten. Sie war in Findhorn gewesen, hatte dort gelernt, geistig zu schauen, und sie bemühte sich, einen Beruf zu finden, den sie nach spirituellen Prinzipien ausüben konnte. So war sie schon sehr gut auf die Schulung vorbereitet, als sie zu mir kam Das wahr wohl auch der Grund dafür, dass die Sitzungen mit Gerika so schnell in geistige Bereiche führten, die sich sonst nur selten und dann nach längerer vorbereitender Arbeit mit einem Schüler erreichen lassen. Ihre Sprache war so einfach und klar, und ich denke, dies macht es dem Leser leicht, ihre innere Situation zu erfassen.
Es war ungewöhnlich, wie Gerika sich selbst Fragen stellte und sich konzentriert bemühte, den roten Faden ihrer Erlebnisse zu verfolgen. So ergaben sich an den aufeinanderfolgenden Tagen Fortsetzungen begonnener Geschichten, die zu einem vollständigen Erfahrungsbericht wurden. Ich protokollierte die Sitzungen stenographisch. Der Wortlaut entspricht Gerikas Ausdrucksweise; einige Übergänge habe ich so verändert, dass der Text leichter lesbar wird. Es handelt sich dabei um Umstellungen von Satzteilen und Umformulierungen, damit Sie nicht durch langatmige Wiederholungen und unklare Wendungen ermüdet werden.
An einer Stelle erschien es mir wegen des besseren Verständnisses sinnvoll, Sitzungen hintereinander zu stellen, die nicht direkt nacheinander stattgefunden haben. Eine Sitzung wurde ganz ausgelassen, da der Inhalt für die Gesamterfahrung unwesentlich ist.
Wenn Sie an Gerikas Erlebnissen offen und aufmerksam teilnehmen, werden Sie manches verständlich, anderes unglaublich oder sogar absurd finden. Auch Gerika wunderte sich nach den Sitzungen oft über den Inhalt der Bilder und erschrak manchmal sogar.
Sie selbst fragte mich oft, was ich denn davon hielte und ob das alles wohl wahr sei. Wie soll ist das beantworten? Es gibt zwei wesentliche Grundhaltungen, mit denen man den Erfahrungen des Lebens begegnen kann: kritischvernünftig oder vertrauensvoll-glaubend. Wir leben in einem Zeitalter der Kritiksucht und Rationalität, in dem der Glaube den Anstrich von Naivität und Dummheit hat.
Ich meine, die Fähigkeit, glauben und vertrauen zu können, ist eine wichtige menschliche Qualität, die keiner Rechtfertigung bedarf. Und zu aller erst betrifft sie den Glauben an sich selbst und die eigene Betrachtung der Wirklichkeit.
Wer sich nicht einmal selbst trauen kann – wem sollte er trauen? Die Urteile des Menschen sind so vielfältig wie ihre Verschiedenheit. Und das ist auch gut so. Es zeigt uns, dass auch zwei gegensätzliche Auffassungen von einer Angelegenheit wahr sein können – nur die Standpunkte, von denen aus sie betrachtet wird, sind so unterschiedlich, dass der Gegensatz entsteht.
Deshalb: Ich weiß ebenso wenig wie Sie, ob all das wahr ist, was Gerika berichtet. Wenn es eine objektive Wahrheit ist, werden Gerika, Sie und ich es eines Tages ganz sicher wissen.
Menschen, die sich auf Rückführungen in frühere Leben einlassen, suchen nach einem inneren Verständnis ihres Lebens und ihrer Lebensumstände. Sie sind manchmal auch Heil-Suchende im religiösen Sinn: Suchende nach sich selbst und Gott. Der Selbsterkenntnisweg über die Rückführungen in vergangene Erlebnisse ist eine beschwerliche Arbeit, die manchmal auch körperliche Beschwerden aufklärt und lindert. Häufig stellt die Bewusstseinserweiterung den Menschen aber vor neue Aufgaben und Probleme, so dass man von Rückführungen nicht erwarten sollte, dass ein leidensfreier Zustand erreicht werden kann.
Den Protokollen folgt eine Darstellung der theoretischen Grundlagen Spiritueller Psychologie und meiner Arbeitsweise. Ich stelle darin meine persönliche Auffassung von Spiritueller Psychologie dar und beziehe mich dabei auf die Ideenlehre Platons.
Die Theorie bleibt in diesem Rahmen kurz gefasst und ist daher unvollständig und fragmentarisch. Sie soll lediglich anschaulich machen, worum es in Spiritueller Psychologie geht.
"Gerika - ein Engel fiel herab" erschien 1982-83 im Selbstverlag (1000 Exemplare). 1987/88 veröffentlicht der H. Bauer Verlag die Protokolle mit einer theoretischen Ergänzung unter dem Titel "Wiedergeburt - Eine Reise in frühere Erdenleben" mit einer Auflage vom 10.000 Exemplaren. Seitdem der Titel vergriffen ist, wurde ich fast wöchentlich von Lesern angerufen, die ihre tiefe Berührung über das Buch ausdrückten und mich nach einer Neuauflage fragten, um es anderen geben zu können. Ich freue mich daher sehr, dass ich eine in den Teilen II und III überarbeitete und erweiterte Fassung jetzt wieder zur Verfügung stellen kann.
An dieser Stelle möchte ich allen sichtbaren und unsichtbaren Helfern danken, die mich bei der Neufassung des Buches unterstützt haben. Ich danke Lothar für die ständige Unterstützung meiner Arbeit und für die Gestaltung des Covers und Layouts und Nicola für die Hilfe bei der Erstellung des Manuskriptes. Mein besonderer Dank gilt Gerika für ihre Erlaubnis, ihre Erfahrungen zu veröffentlichen. Ihr Geschenk an die Menschen wurde von ihnen dankbar angenommen und ist für viele zum Wegweiser geworden.
Hamburg im August 2001
Petra Angelika Peick
Dieses Buch wird sicher Fragen offen lassen. Wenn Sie mir schreiben wollen, werde ich gern auf Ihre Fragen eingehen.
Postfach 201325, 20203 Hamburg
Online
www.papeick.com
E-mail: info@papeick.com
Protokolle einer Wiedergeburtserfahrung
Es ist ein kalter Februartag, als sich in meiner psychologischen Praxis die junge Frau einfindet, die ich nun vier Wochen lang auf ihrer Suche nach sich selbst begleiten soll. Ihre Augen haben einen verschleierten, fast abweisenden Ausdruck, ihre Gesten wirken müde, aber sie sagt, dass sie sich sehr gefreut habe, hierher zu kommen. Sie ist aufgeregt wie jeder, der sich auf den schwierigen Weg nach innen aufmacht – schließlich wissen weder sie noch ich genau, wohin es uns führen wird.
Da ist die Angst, sich selbst sehen zu müssen, wie sie wirklich ist, ohne die Masken, die sie noch vor der Welt trägt. Sie wird sich zurechtfinden müssen mit der eigenen Wahrheit, die sie bisher vor sich selbst so gut zu verbergen gewusst hat. Und – wenn das erreicht ist – wird sie neu werden, wird anders handeln müssen als bisher und sich den Menschen mit ihrem wahren Gesicht zeigen.
Ob die anderen sie verachten werden? Kann sie meines Verständnisses und meiner Unterstützung sicher sein? Alles ist ungewiss in dieser ersten Stunde, und es ist nicht leicht, sich ganz einzulassen auf sich selbst. Ich bin bereit, dieser Frau zu helfen, die jetzt wie ein Kind wirkt, ein Kind, das wachsen will, auch wenn es schmerzhaft ist. Aber ich kann ihr die Schmerzen im Ringen um sich selbst nicht erleichtern. Im Gegenteil – ich muss sie an den Kummer und die ungelösten Fragen ihres Daseins heranführen, muss sie konfrontieren mit der schweren Verantwortung, für sich selbst einzustehen. Mein Handwerkszeug sind die Erfahrungen, die ich auf meinem eigenen inneren Weg gesammelt habe, meine spirituelle Schulung und die Liebe für die Menschen, die den Mut haben, nach ihrer Wahrheit zu suchen.
Wir sprechen eine Zeitlang über ihre Konflikte mit dem Leben und sich selbst. Dann legt sie sich auf die Liege, und ich spreche einen Text von etwa zehn Minuten, der dazu führen soll, dass sie sich ruhig und entspannt von ihren alltäglichen Gedanken lösen kann. Die Außeneindrücke werden durch eine leise Musik und entsprechende Worte reduziert: so kann sie sich ganz auf die inneren Gefühlszustände und Vorstellungen konzentrieren.
Dann fordere ich sie auf, sich auf ihren gegenwärtigen Zustand zu besinnen, um ihre eigene Situation und sich selbst als eine Blume zu sehen. Die Frau beginnt, diese Blume zu schildern:
„Ich sehe dunkle grüne kleine Ranken, kleine grüne Blätter in einer Ranke, und in der Mitte ist eine weiße Blüte mit vier runden Blättern. Sie liegt ganz tief und flach auf dem Boden. Um die Blüte herum liegen die Blätter, sie verdecken die Blüte halb.
Viele Mauern sind drum herum, rote Mauern ohne Fenster, wie Backsteine. Sie haben oben quadratische Zacken. Da kommt ein Vogel und setzt sich auf einen Zacken und sieht herunter. Die Blüte ist so weit unten!“ (Sie beginnt zu weinen.) „Die Pflanze ist so eingesperrt und kann nur hochgucken und den Himmel sehen, nicht nach rechts und links. Und der Vogel ist auch so weit weg! Sie ist ziemlich allein dort eingesperrt. Da ist noch Gras, und ein paar grüne Gewächse stehen in den Ecken, aber es ist irgendwie einsam wie ein Grab. Die Sonne kommt dorthin, ja, sie kommt und geht wieder. Es ist genug Platz da.
Die Wurzeln sind so fein und verzweigt, aber sie mögen nichts richtig. Die Wurzeln mögen die Erde nicht. Sie ist nicht so fruchtbar, etwas sandig. Die Nahrung kommt durch die grünen Blätter. Es ist, als wollen die grünen Blätter die weiße Blüte verdecken, also .... sie verstecken. Eher verstecken, nicht schützen. Als ob die Blüte sagt: >Was soll ich hier allein, wenn mich keiner sieht ....?<
Der Blütenkopf ist schöner. Die Blüte möchte die Wurzeln heraus ziehen. Die Wurzeln halten mich hier fest in dem Gefängnis, ich kann nichts sehen außer den Mauern. Ich will dahinter schauen. Es ist ja wie ein Friedhof! Aber ich habe keinen Frieden darin. Es ist wie Warten, wie eine Wartezeit, in der nichts passiert. Es war gerade so, dass ich mir überlegt habe, ob ich da herauswachsen kann, an der Mauer aufwärts. Das dauert aber sehr lange! Die Wurzeln müssen tiefer in die Erde hinein. Es ist die Frage, ob sich das lohnt, weil ich nicht weiß, ob ich das schaffen kann. Die Wände sind so hoch! Es kommt mir so vor, als ob in der Erde auch Feinde sind. Wenn die Wurzeln tiefer hinein reichen, vielleicht würden sie dann angenagt .... Ich weiß, dass von außen keine Hilfe kommt, und um die Mauern zu zerstören, dazu bin ich zu schwach. Es ist ungerecht, dass die da sind! Die Mauern sagen: >Du sollst da bleiben. Du hast es nicht anders ver dient. Du warst schlimm!< Und deshalb habe ich nun einen schlechten Platz bekommen, deshalb ist mir meine Kraft genommen worden. Nur, ich möchte die Mauern gewaltsam zerstören. Aber das geht nicht.
Ich habe Angst davor, tiefer in die Erde zu wachsen und hochzuranken. Die Angst kennst du nicht. Wenn ich draußen bin, dann tue ich vielleicht etwas Schlechtes. Ich muss zuerst bereuen, aber ich weiß nicht was. Es fällt mir nicht ein ..... Ich muss erst den Fluch zurücknehmen und das Gift ..... Ich habe jemanden vergiftet. Wie kann ich das erkennen?
Die Blüte ist nicht giftig, sie ist ganz schön. Es ist aber, als ob die grünen Blätter …… als ob da Insekten gefangen werden. Igitt! Nur um Nahrung zu bekommen! Das ist schrecklich. Mir fällt einfach so ein: Tod und Teufel! Wenn die Blätter sich schließen und die Insekten schnappen, erhalten sie Kraft dadurch. Die Wurzeln sind dann nicht so nötig. Und die Blüte sagt: >lch bin unschuldig<. So, also ob sie keine Verbindung zu dem hat, was die Blätter machen. Sie sagt: >lch kann aber nichts dafür!<
Bei dieser Symboldarstellung als Blume taucht in meiner Schülerin großes Schuldgefühl auf. Sie hat die Ahnung, etwas Schlimmes getan zu haben. Sie weigert sich, zu wachsen und sich über die Grenzen ihres bisherigen Gesichtskreises auszudehnen, weil sie sich vor Kräften in sich selbst fürchtet, die zerstörend wirken könnten. Sie fühlt sich in einem einsamen Gefängnis eingesperrt, hat Sehnsucht, zum Licht aufzusteigen, wagt aber nicht, diesem Wunsch nachzugeben.
Diese erste Sitzung zeigt in dem Symbol die wesentliche Fragestellung in ihrem Leben an. In der letzten Sitzung werden wir dieses Thema wieder aufgreifen, um zu sehen, ob sie sich nach unserer gemeinsamen Arbeit besser versteht und Lösungen für ihre Fragen gefunden hat.
Als ich sie frage, welches Bild von selbst in ihr auftauche, lächelt meine Schülerin und sagt:
„Ich sehe Engel in einem Kreis, weiblich. Zuerst war es hell. Helle Gestalten – und ich bin auch dabei. Ich fühle mich leicht und so fein. Wir sind in einem Kreis. Vorhin haben sie gesagt: >Du gehörst auch zu uns<.
Es ist, als ob dieser Kreis eine Aufgabe hat. Ich bin neu da hineingekommen, und sie sagen: >Es gibt hier viel zu tun.< Ja, ich bin bereit mitzumachen! Ich habe das Gefühl, dass es einfach und klar ist. So richtig verstehe ich nicht, weshalb es schwierig sein soll. Sie sind so ernst, was die anderen so schwerwiegend finden.
Es geht jemand weg; der Kreis bleibt da, und man kommt wieder zusammen. Ab und zu geht jemand weg und erlöst jemanden. Ich weiß nicht genau wie, aber sie kümmern sich um Seelen. So, als ob sie hinuntersteigen, weit hinunter, und dort eine Seele treffen – also jemanden, der gerade gestorben ist. Und dann führen sie ihn weiter, sie leiten ihn. Sie wissen, wie es mit ihm weitergehen soll.
Da ist eine männliche Gestalt. Ich folge ihr und schaue zu, was sie macht. Wir treffen jemanden, der dunkel und etwas gräulich ist. Ich trage eine Schüssel zur Reinigung, eine von Gold glänzende Schüssel. Darin befindet sich eine Flüssigkeit.
Der Mann taucht seine Hände hinein, und ich darf die Schüssel tragen. Er taucht seine Hände hinein und reinigt die andere Gestalt. Er streicht an ihr herunter, vom Kopf abwärts. Ich habe noch einen Becher und einen Krug, und Hans – ich weiß nicht genau, heißt er so? – Hans gibt diesem anderen Mann etwas aus dem Becher. Ich trage Krug und Becher und reiche es ihm hinaus. Er gibt aus dem Becher dem anderen Mann zu trinken, Friedrich heißt er wohl.
Ich darf nur die Sachen tragen. Das ist mir zu wenig, denn ich bin nur ein Helfer. Was der andere Mann macht, möchte ich auch machen. Er geht irgendwie gar nicht mit mir um, das heißt: er kümmert sich nicht um mich. Ich folge ihm, und es ist keine Sprache da; wir reden nicht. Ich weiß, was ich zu tun habe, und manchmal bin ich sogar froh darüber, nicht immer. Ich bin im Hintergrund, warte und folge ihm, wenn er sich weiterbewegt.
Er trifft andere und spricht mit Lichtgestalten, verständigt sich mit ihnen. Aber ich verstehe nicht, was sie meinen. Ich bin jung und unerfahren, das alles weiß ich noch nicht.“
Ich frage: „Wo warst du, bevor du in den Kreis gekommen und dem Mann gefolgt bist?“
„Ich spiele mit Tieren, die fremd aussehen. Wir haben Stufen und einen Garten, einen wunderschönen Garten! Er ist sehr schön und hat in der Mitte einen Springbrunnen. Da ist fast nichts, was ich zu tun brauche. Wir brauchen keine Nahrung, keinen Schlaf, nein, es ist immer hell, und ich bin auch nicht müde. Also: manchmal gehe ich mit Hans mit. Sonst bin ich in dem Garten. Da sind Blumen, ganz dunkelrote Blumen. Ich bin sehr froh; es ist gut, da zu sein! Es ist sehr schön. Es ist, als ob ich nicht weiß, dass es etwas anderes gibt. Ein bisschen weiß ich es doch, ganz fern. Hier hat alles andere keine Bedeutung. Ich weiß aber doch, dass ich da wieder hinaus kommen werde. Hier bin ich wirklich zu Hause. Ich .... eigentlich ist das meine Heimat.
Ich frage sie: „Wie ist dein Name?“
„Gerika oder ..... Gerika ist richtig! Ich habe etwas wie ein weißes Kleid an, und es ist einfach schön! Jetzt bin ich immer nur in diesem Garten. Eine Luft! Alles so süß! In dem Garten sind die vielen Blumen, der Springbrunnen und viele Vögel. Ich bin da auch so, wie eine Blume ist. In dem Garten bin ich zu nichts nütze. Ich laufe einfach nur herum und finde es schön! Da kommt jemand und sagt: >Du bist immer nur im Garten!< Er kommt an die Pforte und sagt: >Komm mit!< Aber er spricht freundlich, und ich sage: >Ja<.
Es ist ganz leicht. Ich gehe gern mit, so als ob ich alles genau wüsste. Ich bin sehr erstaunt und verliebe mich in diesen Mann. Er ist sehr groß und ruhig und irgendwie sehr schön. Er strahlt etwas so Ruhiges aus, ruhig, klar und ernst, und ich fühle mich so leicht! Aber auch so unwesentlich und unbedeutend. Ich möchte gern von ihm lernen. Er ist kein Lehrer, er ist nur anders als ich, und ich folge ihm in seinen Bereich, der anders ist.
Es ist alles neu. Er bringt mich zu diesem Kreis von Schwestern. Ich setze mich auf so etwas wie einen Stuhl, und ab und zu holt er mich da heraus, damit ich ihn begleiten und ihm seine Geräte tragen kann. Danach gehe ich wieder zu diesen Schwestern zurück. Der Mann gefällt mir und diese Frauen auch. Ansonsten ist es so, dass ich das Gefühl habe, von allem nichts zu verstehen. Ich kenne nur den Garten, da war alles einfach.“
Ich frage: „Was ist eure Aufgabe?“
„Die, denen wir helfen, sind Menschen, die sich verirrt haben. Es ist so, als ob sie die Laternen ausgepustet haben, und das verstehe ich nicht. Es macht mich auch traurig. Für mich ist es ganz einfach, denn ich habe eine ganz andere Natur als die Menschen. Sie machen es sich so schwer! Es ist gerade so, als ob ich sie gar nicht verstehen kann. Irgendwie ist da eine Traurigkeit in ihnen, und das kann ich nicht verstehen. Um das zu begreifen, möchte ich auch Mensch werden. Aber das führt zu weit, weit hinunter. Ich kann es wählen, ja, es ist fast so, als müsste ich nicht dorthin, aber andererseits geht es doch nicht anders. Ich könnte das Menschsein sonst nie verstehen, ich muss selbst so werden .... Ich möchte wissen, wie ich in den Garten gekommen bin.“
Ich schicke sie zurück an den Anfang der Situation mit dem Garten und sie schildert:
„Ja, ich möchte wirklich wissen, wie ich in den Garten gekommen bin. Es ist jetzt ganz hell. Es ist nur Licht da. Eben war dies Gefühl: >lch möchte wieder dahin zurück, ich möchte in meinen Garten!<“ (Sie weint)
„Warum habe ich das gewollt? Warum war ich so dumm, das zu wollen??? … Ich sehe nur Steine, wie Muster, Prismen oder so etwas. Das sind aber Wesen. Ich bin auch so ein Muster. Ich bin etwas mit Ecken, ein klarer Stein, wie ein Kristall. Es ist nichts anderes da auf der Oberfläche. Ich habe ganz viele eckige Flächen. Von weitem sehe ich rund aus, in Wirklichkeit sind es viele kleine Flächen. Das Licht fällt hindurch und wird gebrochen. Und dann .... ich bin jetzt nur wie ein winziger Punkt. Der Stein ist weg! Alles ist so ein Schwingen in Wellen und Kreisen und hinauf und herunter. Zuerst kommen die Töne, verschiedene, dann kommen die Farben.“
Ich frage sie: „Woher kommen die Töne?“
„Durch die Reibung, durch die Bewegung, durch den Atem. Wir sind feiner Atem. Der Atem geht durch die kleinen Teilchen, und dann klingt jedes anders.“
„Aber woher kommt der Atem?“
„Jetzt fällt mir wieder die Aufgabe ein – also dieser Kreis ist wieder da. Das ist das Vorangehen .... Wenn der Atem durch ein Teilchen hindurchgeht, wird es in Bewegung gesetzt und fängt an, seine Bahn zu lau fen.“ (Sie kichert.) „Irre! Ich bin bei meiner Aufgabe aus der Bahn geraten, das heißt, ich bin mit meiner Aufg abe nicht zufrieden .....
Aber ich möchte wissen, was der Atem ist … Er ist da. Er ist einfach da und geht durch alle Teilchen hindurch. Er ist ganz fein und hält alles in Ordnung … Aber das weiß ich schon. Ich will etwas anderes über den Atem wissen … aber das ist wohl jetzt nicht richtig.
Nach den Tönen, nach dem Klingen kommen die Farben. Zuerst Blau, alles ist blau. Und dann kommt Gelb. Das Blau ist wie der Hintergrund, wie der Untergrund. Es ist mittelblau, aber es kann heller und dunkler werden. Alles ist von Blau durchdrungen, als Untergrund. Es zieht auch. So fühlt es sich an. Ich weiß nicht woher, aber es zieht.
Dann kommt Gelb. Gelb ist warm und kommt durch das Blau nach vorn. Es ist dicker. Das Blau ist feiner, das Gelb ist dicker, und es geht nicht in die Füße. Das Blau ist alles durchdringend, und das Gelb wickelt sich wie um die Hüften herum. Es legt sich um den Körper wie eine Hülle und kommt dann von außen herein. Es legt sich um den Körper, dringt ein und ist dann überall. Die anderen Farben kommen auch, aber ich weiß nicht, ob ich sie alle wahrnehmen möchte. Dann kommt nichts mehr. Es ist jetzt wie ein Herabsteigen, und ich finde den Garten. Vorher beginnt die Verdichtung. Ich verdichte mich – ja, es ist einfach eine Verdichtung, aber die Form ist nicht klar. Ich bin Nebel, wie ein Schweif.“
Ich frage sie: „Wie Spiralnebel?“
„Ja, aber wo kommt das Bewusstsein her? Ich möchte wissen, wo das Individuelle anfängt. In dem Nebel ist es nicht.“
Ich beende die zweite Sitzung langsam mit einigen Sätzen, die Gerika aus dieser Bewusstseinsebene in das Tagesbewusstsein holen. Sie braucht etwas Zeit, sich mit der alltäglichen Umgebung wieder vertraut zu machen. „Was war denn das“ fragt sie mich. „Gibt es denn so etwas?“
Ich hatte ähnliche Schilderungen schon von anderen Schülern gehört, und so waren ihre Bilder mir nicht fremd. Aber ich beantwortete ihre Frage nicht, weil sie selbst herausfinden sollte, was diese Erlebnisse bedeuten.
Nach kurzer Besinnung sagt Gerika bestimmt: „Ja, ich weiß, dass es wirklich so ist. So ist es wohl bei den Engeln. Der Garten und alles, was vorher war – der Atem, die Töne, die Farben und Formen – das ist der Anfang, der Ursprung des Lebens. Und das habe ich erlebt!“
Noch etwas benommen und ergriffen verlässt Gerika an diesem Tag meine Praxis.
Die dritte Sitzung beginnt wie jeden Tag mit der Entspannung; dann frage ich: „Wie ist es nun eigentlich gekommen, dass du auf die Erde hinuntergehst?“