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ISBN 978-3-7751-7177-9 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5499-4 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
© der deutschen Ausgabe 2013
SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: info@scm-haenssler.de
Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen: Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
Herausgeber: Theo Volland
Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen
Titelbilder: Schiff (shutterstock.com); Felix Henrichs (Inge Kooiman)
Bilder im Innenteil: Guus Peters, Felix Henrichs, Inge Kooiman
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Inhalt
Die Autoren
Vorwort
Ein Hafen der Superlative …
Der kleine Frachter am Ende des Piers …
Windmühlen, WM und Mission?!
Im Kühlschrank
Sechs Kilo Kokain aus Kolumbien …
Der Klavierspieler
Über Rang, Ordnung und Dienstgrade
Kevin war völlig am Ende
Gottes Liebe weiterschenken …
Be’er Lahai Roi, verdursten oder leben?
Zurückgefallen
Segen oder Fluch
Der Tod des Elektrikers
Ein Hindu lädt zur Bibelstunde
System
»Auweia, Konkurrenz!«
Der Beweis …
Liebe oder Hass
Verliebt, verlobt und bald verheiratet …
Manchmal muss man die Bibel beiseitelegen
Eine Frage des Geldes …
Die syrische Insel Arwad
Vom Ramadan zum Sonntag
Die »Nächste Welle« zu Besuch
Kein Reis, keine Power
Das Evangelium ist nicht aufzuhalten
Wiedersehen mit Sam
Tuvalu: Die dunkle Seite im Herzen
Vom Leben auf See …
An Bord der Mangorello
Ein Christ macht den Unterschied
650 Geschenkpakete verteilt
Weihnachten auf dem Supertanker
Die »Corona Unity Church«
Gott wollte, dass wir uns treffen
Am oberen Ende der Leiter
Vom Smutje zum Missionar
Omids Traum …
Micals Wut und seine Träume
»Hallo, lieber Bruder in Christus!«
Festgenommen
»Jesus kann deine Vergangenheit aufräumen«
Die zwei Keksdosen
Die »Queen of Pearls«-Saga
Gebet am Abend
Kontakt
Ich seh das Kreuz,
und nichts andres muss ich sehn.
Ich seh das Kreuz.
»Komm und glaube«, ruft es mich.
Kein andrer Weg, der zur Freiheit führt,
um Versöhnung zu erfahren.
Kein andrer Ort, der Vergebung bringt,
wo der Preis für uns bezahlt ist.
Ich seh das Kreuz
über alles hoch erhöht.
Ich seh das Kreuz –
Gottes Liebe für die Welt.
Und ich komm, wie ich bin,
und begegne deiner Gnade.
Ich seh das Kreuz.1
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Felix Henrichs ist 1980 in Siegen zur Welt gekommen. Er verbrachte viereinhalb Jahre seiner Teenagerzeit als Missionarskind in Pakistan, eine Lebensphase, die ihn sehr geprägt hat. Sein Theologiestudium an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen hat er mit einem Master in Biblical and Theological Studies abgeschlossen. Seit 2009 wohnt er gemeinsam mit seiner Frau Kerstin in den Niederlanden, sie haben zwei Kinder: Jakob und Emilie. Als Mitarbeiter der Deutschen Missionsgemeinschaft (DMG) ist Felix Henrichs Seemannspastor im Hafen von Rotterdam.
Guus Peters wurde 1953 in Breda in den Niederlanden geboren, seit 1978 ist er mit seiner Frau Annemiek verheiratet. Beruflich war er einige Jahre staatlicher Angestellter, der Baufirmen in den Niederlanden kontrollierte. Geistlich stammt er aus römisch-katholischem Hintergrund und ist 1981 zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gekommen. Seit 2005 arbeitet er Vollzeit als Seemannsmissionar in den Häfen von Gent und Antwerpen. Guus und Annemiek haben fünf Kinder: Eva, Esther, Janneke, Michael und Joshua.
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Wie ein Seemann aus dem Bilderbuch, denke ich, als Felix Henrichs das erste Mal bei mir zur Tür hereinmarschiert: mit ungezähmter blonder Mähne und Bart, immer ein Lachen im Gesicht und in den blauen Augen, die selbst bei Sturm noch vor Optimismus leuchten. Als er und seine Frau Kerstin sich bei der DMG für die Niederlande bewerben, staunen wir nicht schlecht über dieses Paket an Lebensfreude, das Gott uns da an Bord schmuggelt. Gerne nehmen wir sie in unsere weltweite Mannschaft mit auf. Das ist jetzt fünf Jahre her.
Die Henrichs haben eine klare Berufung: Sie wollen Seeleuten auf Handelsschiffen im Hafen von Rotterdam die Liebe Gottes nahebringen. Über eine Partnerorganisation, die »Seamen’s Christian Friend Society« (Christliche Gemeinschaft der Freunde von Seefahrern/SCFS), konnten sie als DMG-Mitarbeiter in solch eine Arbeit einsteigen.
Heute sind weltweit mehr als eine Million Seemänner auf den Ozeanen unterwegs. Die meisten stammen aus Asien und dem Orient, jeder vierte kommt von den Philippinen. Manche von ihnen sind Abenteurer und Heimatlose, andere haben eine fragwürdige Vergangenheit, und auf ihren Schiffen herrscht oft ein rauer Umgangston. Sie sind katholisch, muslimisch oder atheistisch geprägt und haben Glaubensfragen und Zweifel. Sie brauchen Seelsorge und praktische Hilfe – und nicht zuletzt die Botschaft von Jesus. Andere sind bereits bewusste Christen und benötigen Ermutigung im Glauben.
Von Anfang an verblüfft mich, was Felix Henrichs in seiner Arbeit erlebt. Seine Berichte für unsere Zeitschrift »DMG-informiert« erinnern an die biblische Apostelgeschichte. Eines Tages zeigt er mir ein englisches Buch seines niederländischen Kollegen Guus Peters, der in den Häfen von Gent und Antwerpen tätig ist. Auch das: faszinierend! Nur selten wage ich es, das Wort »Erweckung« in den Mund zu nehmen. Doch wie Gott bei ihnen in den Häfen handelt …
Eines Tages siegt die Neugier, ich will mit eigenen Augen sehen, was da geschieht. Kurzerhand reise ich nach Rotterdam und besuche mit Felix zusammen Schiffe im Hafen. Auf dem ersten, einem Erzfrachter, bittet uns die indische Mannschaft, allesamt Hindus, sofort, eine Bibelstunde zu halten. Menschen entscheiden sich für Jesus. Auf dem nächsten Schiff lerne ich einen niederländischen Hafenmitarbeiter kennen, einen Freund von Felix, der durch ihn zum Glauben gefunden hat. Und auch der junge Offiziersanwärter aus Bremerhaven, der sich zu einer Tasse Kaffee mit an den Tisch setzt, will unbedingt ganz genau wissen, was Jesus in meinem Leben verändert hat. Unvergessliche Momente. So entsteht an Bord eines kleinen deutschen Küstenfrachters die Idee zu diesem Buch.
Ich bitte Guus Peters um Erlaubnis, seine Erlebnisse in Deutsch zu veröffentlichen, und Felix Henrichs, um weitere ergänzende Berichte. Das Ergebnis halten Sie hier in Händen: Erlebnisberichte zweier Seemannspastoren, die Einblick geben in Häfen mitten in Europa, wo die ganze Welt vor Anker geht. Die Autoren schildern, wie sie Seemännern aus Ländern rund um den Globus praktisch helfen und sie in ihren Lebensfragen begleiten. Und wie manche bewusst bei Jesus anlegen. Weil sie erkennen, dass er die Antwort auf zentrale Fragen ihres Lebens ist. Viel Freude beim Lesen …
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Ein Hafen der Superlative … |
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Der Hafen unserer Stadt Rotterdam ist einfach nur riesig: Über ein Gebiet von 10 500 Hektar sieht man nach allen Richtungen nur Schiffe, Kräne, Container, Lagerbunker, Schornsteine, Silos und Tanks aller Art, verstreut über 105 Quadratkilometer oder umgerechnet 105 Millionen Quadratmeter. Zirka 100 Schiffe, vom größten Ozeanriesen bis zum kleinen Küstenfrachter, werden hier täglich an den 90 Terminals be- und entladen. Die Terminals, das sind Freiflächen, auf denen die Fracht, meist Unmengen Container, gestapelt und verteilt werden. Fast jedes hat eine eigene Autobahnauffahrt, damit Lastwagen die Güter aus Übersee – alles vom modernen Tabletcomputer bis zu Rohstoffen wie Eisenerz und Benzin – aufnehmen und von hier aus auf dem direktesten Weg quer durch ganz Europa verteilen können.
Ich bin inzwischen drei Jahre als Seemannsmissionar in Rotterdam tätig. Wenn ich morgens meinen Helm mit der Aufschrift »Chaplain« (Pastor/Seelsorger) aufsetze, die neongelbweiße Warnweste überziehe und mein Auto mit christlichen Schriften, Video-DVDs und Bibeln belade, freue ich mich auf einen Tag im vielleicht interessantesten Arbeitsplatz der Welt. Dabei weiß ich nie, auf welche Menschen ich treffe …
Heute ist Montag. Übers Internet habe ich mich für die Schiffe angemeldet, die ich heute besuchen möchte. Ich fahre in den größten Containerhafen hinein, auf die sogenannte Maasvlakte am äußersten Ende des Hafens. Angesichts der gewaltigen Kulisse fühle ich mich in meinem silbergrauen Kombi irgendwie ziemlich klein und unbedeutend. Aber ich weiß, dass viele Seeleute auf meinen Besuch warten, deshalb erfüllt mich auch Vorfreude. Ich halte an der Zufahrt zum Terminal an, steige aus und lasse mir einen Passierschein geben, den ich später, von den Kapitänen der besuchten Schiffe unterschrieben, wieder hier abgeben muss.
Nachdem ich den Wachleuten meinen Ausweis vorgelegt habe, darf ich die Schranke am Eingang des riesigen Geländes passieren und rolle aufs Hafengelände hinaus. Hier muss ich extrem achtgeben, denn bis zum Pier und zu den Schiffen geht es ständig unter hohen beweglichen Kränen hindurch, die sich auf ihren Schienen hin- und herbewegen und tonnenschwere Container in allen Farben transportieren. Ampeln leuchten rot auf, wenn ein Container in 20 bis 40 Metern Höhe über die Straße hinweggehoben wird. Sie schalten wieder auf Grün, sobald die Lage sicher ist. Es ist gefährlich hier, man darf keine Ampel übersehen. Immer wieder werden Autos und Menschen unter herabstürzenden Gütern begraben.
Ich biege um die Kurve an die Kaimauer. Mit größter Vorsicht fahre ich unter den gigantischen Containerbrücken hindurch. Links von mir bringen hochmoderne, ferngesteuerte Großtransporter – ganz ohne Fahrer – Container von und zu den riesigen Kränen, die die Schiffe be- und entladen.
Rechts neben mir, hinter einem niedrigen Randstein, geht es senkrecht hinab ins Hafenbecken, hier liegen die meist riesigen Schiffe. Wenn man sich mit dem Auto zwischen der gigantischen Bordwand so eines mit monströsen weißen Buchstaben auf blauem Grund beschrifteten Containerfrachters zur Rechten und dem noch höheren auf rostigen Schienen stehenden orangegrauen Krans zur Linken hindurchquetscht, kommt man sich vor wie ein Zwerg in einer Konservendose. Kein gutes Gefühl …
Manche Schiffe sind wahre Stahlmonster von bis zu 400 Metern Länge, 65 Metern Breite und mit einer Gangway, die man erst einmal beinahe 20 Meter hochklettern muss, um schwer atmend überhaupt an Bord zu kommen. Selbst nach drei Jahren Dienst ist das Hafengelände immer noch ein überwältigender Anblick für mich.
Ich parke in der Nähe des Piers an einer sicheren Ecke. Dann bete ich, wie vor jedem Einsatz. Noch weiß ich nicht, was für eine Situation ich auf den Schiffen heute antreffen werde. Ich bitte Jesus, dass er mich zu Seemännern führt, deren Herzen er bereits vorbereitet hat. Dann steige ich aus und mache mich auf den Weg. Zahllose Möwen hinter einem rostigen Zaun krächzen mir heiser hinterher.
Ich bin gespannt. Bei den vielen Containerschiffen, Erzfrachtern und Tankern, die täglich hier anlegen, kann ich unmöglich planen, welcher Mannschaft ich am besten als Seelsorger helfen kann. Aber Gott weiß alles, er kennt die Seeleute auf jedem Frachtschiff genau und kann mich zu den richtigen Menschen führen. Das Besondere an meiner Arbeit ist im Grunde, dass Gott genau das tut. Er verblüfft mich immer wieder; wie er mich durch Umstände und vermeintliche Zufälle zu den richtigen Schiffen und Menschen leitet. Ein Beispiel dafür ist die nächste Geschichte.
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Der kleine Frachter am Ende des Piers … |
Aus irgendeinem Grund bin ich heute spät dran. Also entscheide ich mich spontan, das erste Schiff direkt vor mir zu besuchen. Doch als ich es erreiche, machen die Matrosen gerade die Leinen los, und es legt ab. Also weiter zum nächsten. Beim zweiten Schiff dasselbe Bild, wieder legt der Frachter vor meiner Nase ab! Unglaublich, so was habe ich noch nicht erlebt. So langsam schmolle ich innerlich und frage Gott: »Herr, was machst du?« Als ich das dritte Schiff erreiche, einen unscheinbaren kleineren Containerfrachter, bleibt der glücklicherweise brav im Hafen liegen.
Die Gangway schwankt bedrohlich, als ich sie mit meiner Tasche voller christlicher Schriften in der Hand betrete, um an Bord zu gelangen. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Auch dass ich auf dem Weg über die glitschigen Planken oder Metallplatten unter mir direkt aufs schwarze Wasser des Hafenbeckens blicken kann.
Oben, an Bord, ist zunächst niemand zu sehen, alles bleibt still. Scheinbar ist die ganze Mannschaft irgendwo mit der Ladung oder unter Deck beschäftigt. Durch eine massive, weiße Stahltür mit den typischen doppelten einem Schott ähnlichen Griffen betrete ich den Aufbau am Heck (quasi das Haus auf dem Schiff) und steige direkt die Treppe zur Mannschaftsmesse (dem Speisesaal) hinunter. Auch hier ist alles menschenleer. Schade, ich habe die kurze Kaffeepause um zehn Uhr verpasst, alle Seemänner sind schon wieder an der Arbeit und entladen gerade das Schiff.
Frustriert setze ich mich hin und breite meine mitgebrachten Bibeln, Bücher und DVDs auf dem Tisch aus. Warten ist angesagt. Da kommt der philippinische Koch herein, ein klein gewachsener, junger Mann mit freundlichem Gesicht. Er heißt Niño2, sagt er. Wie die meisten Schiffsköche trägt er ein weißes Hemd und eine schwarzweiß karierte Hose, über der seine etwas fleckige Schürze hängt. In typisch philippinischer Gastfreundschaft schenkt er mir zuerst einmal lächelnd einen Tee ein, dann setzt er sich zu mir und begutachtet interessiert mein Material.
Nach einer Weile fragt der junge Filipino auf Englisch, ob ich Zeit habe, mit ihm zu reden. »Klar!«, sage ich, ebenfalls auf Englisch. Ohne Umschweife beginnt er, aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Er schildert mir sein früheres Leben, die Zeit, bevor er zur See gefahren ist. Niño meint, dass es ein sehr sündiges Leben war und er viel Schuld mit sich herumtrage.
Wie jeder Pastor stehe ich in solchen Momenten unter Schweigepflicht, deshalb kann und will ich hier in diesem Buch nicht genau wiedergeben, was Niño mir aus seinem Leben erzählt hat. Ich habe ihm versprochen, dass ich das nicht tue. Doch ich bin von seinem Vertrauen überwältigt. Er kennt mich nicht und erzählt mir trotzdem bis ins kleinste Detail, was ihn aus seiner Vergangenheit belastet. Traurig schaut er mir dabei in die Augen und schluchzt: »Ich möchte ein neues Leben beginnen, ich möchte mich wirklich ändern. Deshalb bin ich zur See gefahren.«
Ich erkläre Niño auf Englisch, dass niemand vor der eigenen Vergangenheit weglaufen kann, auch nicht dadurch, dass er quer über den Ozean auf die andere Seite der Weltkugel flüchtet. Mit der Zeit kommen wir auf die Bibel zu sprechen. Als Katholik von den Philippinen ist ihm dieses Buch ein Begriff. Er hat die Bibel zwar noch nie gelesen, kennt aber manches daraus, was er von Priestern in seiner Heimat in Predigten gehört hat. Auf dieses Wissen baue ich auf:
»Niño, es gibt jemanden, der für deine Sünden und deine schlimme Vergangenheit und alles Belastende in deinem Leben gestorben ist, damit du es nicht mehr selbst tragen musst, und er will diese gewaltige Last von deinen Schultern nehmen: Dieser Mann heißt Jesus. Kennst du Jesus?«
In den nächsten Stunden erkläre ich Niño das Evangelium. Man sieht ihm deutlich an, wie sich etwas in seinem Inneren bewegt. Während er mir aufmerksam zuhört, beginnt Niño zu strahlen, seine Haltung verändert sich. Ab und zu huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Ich erkläre ihm, dass Jesus der Kapitän meines Lebens ist. Dass die Bibel und ihre Botschaft mein Kompass und mein Anker sind und wie sehr sie mein Leben verändert haben.
Niño erkennt, dass Jesus die Antwort auch auf seinen Wunsch nach einem neuen, veränderten Leben ist. Er bittet mich um ein Gebet, dass Jesus sein Leben in die Hand nimmt und ihn von all seiner Schuld befreit. Mitten im leichten Chaos der Mannschaftsmesse, zwischen zerknitterten Zeitschriften in fremden Sprachen mit Bildern nur wenig bekleideter Frauen auf den Titelblättern, faltet der junge Schiffskoch von den Philippinen seine Hände. Gemeinsam beten wir. Er spricht mir Wort für Wort nach und meint es eindeutig ernst: »Jesus, bitte nimm mein kaputtes Leben«, beten wir. »Und mache du etwas Neues daraus. Vergib mir alle meine Sünde und Schuld, du sollst ab heute der Kapitän in meinem Leben sein …«
An diesem Tag hat Niño sein Leben also Jesus in die Hand gelegt, jetzt ist er ein befreiter Mann. Die Freude, dass Gott ihm alle Schuld vergeben hat, füllt seine Augen mit Tränen und zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht. Die Erinnerung daran, wie froh er mich nach unserem Gebet angeschaut hat, bewegt mich bis heute tief. Wie er danach aufgestanden ist und sich mit einer Umarmung von mir verabschiedet hat. Die Last von seiner Vergangenheit war deutlich sichtbar von seinen Schultern genommen, als Niño Jesus sein Leben ausgeliefert hat.
Ich mache ihm noch klar, wie wichtig es ist, im Alltag wirklich die Bibel zu lesen. Dann verabschiede ich mich und gehe aufs nächste Schiff weiter. Später hat man mir gesagt, dass Niño seither fröhlich seinen Mannschaftskameraden von seinem neuen Glauben erzählt. Das macht Freude …
Hätten die zwei anderen Schiffe an diesem Morgen nicht direkt vor meiner Nase abgelegt, wäre ich dem jungen Schiffskoch vielleicht nie im Leben begegnet. Ich war damals das erste Mal auf seinem Schiff. Jesus hat gewusst, dass Niño meine Hilfe benötigte. Er hat dafür gesorgt, dass ich an diesem Montag aufs genau richtige Schiff kam, auf den letzten und kleinsten in einer Reihe von drei Frachtern am Kai. Er nimmt uns ernst, wenn wir beten, und führt mich zu Seeleuten, denen ich wirklich helfen kann. Deshalb folgt Niño heute Jesus nach. So groß ist unser lebendiger Gott.
Auf dem Nachhauseweg vom Hafen geht es über mehrere große und kleine Brücken auf die Halbinsel hinaus, auf der wir als Familie wohnen. Ich freue mich auf den Abend zu Hause, auf meine Frau Kerstin und unsere beiden Kinder Jakob (3) und Emilie (fast 2). Während ich über das platte niederländische Land zwischen den kleinen Dörfern hindurchfahre, die von den wehrhaften alten Backsteintürmen ihrer Dorfkirchen überragt werden, muss ich daran zurückdenken, wie wir eigentlich hierhergekommen sind …
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Windmühlen, WM und Mission?! |
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… wie passt das zusammen? Diese Frage haben wir uns als Ehepaar in den vergangenen Jahren öfter mal gestellt. Ich bin Theologe und meine Frau Kerstin ist Kinderkrankenschwester von Beruf. Wie sind wir in die Seemannsmission nach Rotterdam, ins Land des leckeren Goudas, Fußballfiebers in Orange und der vielen Windmühlen, gekommen?
Es begann im zarten Alter von sieben Jahren, als ich zum lebendigen Glauben an Jesus kam. Ich habe meine Teenagerjahre in Pakistan verbracht, wo meine Eltern Missionare waren. Sie haben vielen Menschen praktisch geholfen und die Botschaft der Liebe Gottes weitergegeben. So hatte ich gute Vorbilder, kein Wunder, dass ich von klein auf ebenfalls Missionar werden wollte.
Während meines Studiums an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen hörte ich zum ersten Mal von christlichen Mitarbeitern, die in den großen Überseehäfen Europas Seeleuten aus aller Welt das Evangelium weitersagen. Ich war ziemlich beeindruckt, denn Seefahrt und Schiffe haben mich ebenfalls schon von Kindesbeinen an fasziniert.
Zu dieser Zeit drückte mir meine Mutter das Buch »Seeleute, ein vergessenes Volk« meines heutigen Kollegen Martin Otto (Hamburg) in die Hand. Ich las es mit Interesse und war von der Offenheit der Seeleute fürs Evangelium überwältigt. Seemännern helfen und ihnen von Jesus weitersagen – das wollte ich ausprobieren. Also machte ich ein einmonatiges Praktikum bei Martin und seinem Kollegen in Hamburg. Irgendwie spürte ich deutlich, dass Gott mich ebenfalls in so eine Arbeit berufen wollte. Nach meinem Studium wollte ich mir das noch genauer anschauen. Daher absolvierte ich ein weiteres Praktikum von zehn Monaten bei der Seemannsmission in Rotterdam. Von Anfang an fand ich es total spannend, wie Gott unter den Seeleuten wirkt:
Es war am letzten Tag dieses Praktikums im Sommer 2007. Ich hatte mich im Speiseraum eines großen Containerschiffs mit den Männern der philippinischen Mannschaft unterhalten und wollte gerade unsere christlichen Bücher wieder zusammenpacken und gehen, als jemand plötzlich die Tür aufriss. Der Zweite Offizier stand vor mir. »Erzähl mir von Jesus«, forderte er mich auf. »Aber beeil dich. Wenn der Kapitän merkt, dass ich nicht auf der Brücke bin, dann kriege ich Riesenprobleme …«
Andreiu stammte aus Rumänien. Weil seine Eltern Kommunisten waren, hatte er bis zum Zeitpunkt unseres Zusammentreffens keine Gelegenheit gehabt, jemals eine Bibel zu lesen. Dabei hatte er großes Interesse am Glauben.
Ein Freund hatte ihm erzählt, dass Gott uns Menschen Zeichen gibt, wenn wir nach ihm suchen. An dieser Stelle knüpfte ich an und erzählte ihm das Evangelium. Gerne nahm er eine Bibel, einen Bibelfernkurs und einen Film über das Leben von Jesus in Rumänisch als Geschenk an. Als ich gehen musste und draußen an die Gangway kam, rief er hinter mir her: »War das wirklich deine letzte rumänische Bibel?« Als ich bejahte, lachte er begeistert: »Das ist ein Zeichen Gottes für mich, ich werde noch heute Abend anfangen, meine Bibel zu lesen.«
Begegnungen wie diese hatte ich während meines Praktikums fast jeden Tag. Die Seeleute zeigten sich sehr offen für die Botschaft der Bibel. Ich sah meinen Weg in die Seemannsmission dadurch deutlich bestätigt. Martin Otto erzählte mir später, dass meine Entscheidung für die Seemannsmission für ihn eine große Gebetserhörung war. Denn er hatte Jahre zuvor beim Schreiben seines Buchs dafür gebetet, dass Gott eine Person in diese Arbeit berufen würde.
Meine Frau Kerstin hatte schon im Vorschulalter ihr Herz für Jesus geöffnet. Sie ist in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen und fand Mission ebenfalls immer schon spannend. Nach ihrer Ausbildung wuchs ihr Interesse daran noch mehr. Um eine Missionsarbeit vor Ort kennenzulernen, reiste sie für vier Wochen nach Indien. Kurz vor diesem Einsatz haben wir uns in einem Hauskreis kennengelernt.
Bei ihrem Abenteuertrip nach Indien erlebte sie, wie Gott sie auch in schwierigen Situationen bewahrt hat. Das hat Kerstins Glauben und ihr Gottvertrauen sehr gestärkt. Als wir schließlich heirateten, war klar, aus uns wird einmal ein Missionarsehepaar.
Vor vier Jahren sind wir zur DMG gestoßen und vor etwas mehr als drei Jahren als deren erste Seemannsmissionare in die Niederlande gezogen, wo ich in die seelsorgerliche Arbeit im Hafen einsteigen konnte.
Uns begeistert, wie enorm Gott in der jüngeren Geschichte Christen wie Amy Carmichael – eine einfache Frau aus Irland, die in Südindien Kinder aus Elend und Zwangsprostitution gerettet hat – gebraucht hat, um seine Gemeinde weltweit zu bauen. Leute, die es gewagt haben, sich Jesus voll und ganz zur Verfügung zu stellen. So möchten auch wir als DMG-Mitarbeiter ganz für die Menschen um uns herum da sein und ihnen die Liebe von Jesus ins Herz pflanzen. Das ist bereichernd und begeistert uns, weil wir Gott als direkten Chef haben und immer wieder erleben, wie er handelt.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Im Kühlschrank |
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