Verantwortung und Haltung
Menschen, die im Kulturbetrieb arbeiten, verfügen über eine überdurchschnittlich hohe Selbstmotivation und identifizieren sich mit den Inhalten und Anliegen ihrer Kulturinstitution in hohem Maße.
Teams in allen Abteilungen leisten viel, um die Qualität der Ausstellung, der Aufführung oder des Kulturvermittlungsprogramms zu gewährleisten. Der Fokus aller Beteiligten liegt auf der Außenwirkung, auf der Zufriedenheit der Besucherinnen und auf dem medialen Erfolg.
Selten setzt man sich intern nachhaltig mit den Arbeitsbedingungen auseinander: mit den Arbeitszeiten, den Überstunden und der Form der Dienstverhältnisse. Im Technischen Museum Wien hat man aber genau das getan und sich zum Ziel gesetzt, die prekären Arbeitsverhältnisse zu beenden. Wencke Maderbacher vom Technischen Museum Wien hat ein beispielhaftes Modell entwickelt und auch bereits umgesetzt, in dessen Zentrum die Anstellung der Kulturvermittlerinnen steht und das sehr durchdacht, die persönliche und berufliche Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen ermöglicht und fördert.
Diese Vorgehensweise zeugt von Respekt den Menschen gegenüber, die tagtäglich ihr Know-how und ihr Engagement einbringen, und zeigt, dass ein Umdenken stattfinden kann. Den eigenen Beruf als Berufung zu sehen, ist nach wie vor wünschenswert und bereichernd, allerdings darf das in Zukunft nicht mehr als Entschuldigung für unsichere Arbeitsverhältnisse und belastende Arbeitsbedingungen gelten.
Diese Publikation gibt fundierte und praktische Hinweise zur Umsetzung und hat zugleich das Potenzial, den Diskurs über die zukünftigen Arbeitsbedingungen im Kulturbetrieb anzuregen. Ich bin zuversichtlich, dass viele Verantwortliche die Zeichen der Zeit erkennen und durch gezielte interne Maßnahmen das Berufsfeld der Kulturvermittlung weiter verankern und professionalisieren werden!
Mag. Karin Wolf
Gründerin und Direktorin des Instituts für Kulturkonzepte
Die Abteilung „Vermittlung“ des Technischen Museums Wien wurde, bedingt durch die steigenden Besucherzahlen, in den letzten Jahren stark ausgebaut und die zielgruppenorientierten Angebote wurden erweitert. Es wird nun Programm für alle Altersstufen und Bevölkerungsschichten geboten.
Neben den laufenden Haus- und Themenführungen werden auch die aktuellen Sonderausstellungen mit Aktionen begleitet.
Die Organisation dieser zentralen Abteilung bedurfte deshalb – nicht nur aufgrund des Zuwachses an KulturvermittlerInnen – einer neuen Struktur. Ich freue mich sehr über die Initiative von Beatrix Hain und Wencke Maderbacher, die eine innovative, tragfähige Organisationsstruktur entworfen und gemeinsam mit dem gesamten Team im Haus etabliert haben. Das vorliegende Handbuch soll allen Interessierten, die sich mit dem Aufbau ähnlicher Strukturen befassen, Wegweiser und Unterstützung sein.
Dr. Gabriele Zuna-Kratky
Direktorin Technisches Museum Wien
Als ich mit der Vermittlungsarbeit am Technischen Museum anfing, schrieben wir das Jahr 1990. Es war die Zeit, als sich museumspädagogisches Arbeiten in den Bundesmuseen zu etablieren begann, getragen von WerkvertragnehmerInnen. Das Terrain musste aufbereitet werden, Vermittlungs-Aktionen in Ermangelung von Arbeitsräumen in den Schausammlungen ausgeführt werden. Im Laufe der Jahre wurde Vermittlungsarbeit nicht mehr als Störfaktor im Museumsbetrieb gesehen, sondern als Bereicherung für die BesucherInnen des Museums.
Als Meilenstein in der museumspädagogischen Hausgeschichte kann das Jahr 2010 angesehen werden:
Die KulturvermittlerInnen wurden angestellt. Von jeher war es Wencke Maderbacher und mir ein Anliegen, die Kulturvermittlung als Berufsbild weiter zu etablieren. Mit der geregelten Anstellung, einer Ausbildung vor Ort und der Zusammenarbeit mit den Sammlungen etablierte sich der Bereich als eigene Abteilung.
Dafür mussten Organisationsstrukturen geschaffen werden, Weiterbildungen ermöglicht und eine gute Kommunikationsform gefunden werden. Hiermit ergeht mein aufrichtiger Dank an Wencke Maderbacher, dass ihr Organisationstalent einen so guten Niederschlag in der Abteilung gefunden hat. Diese Publikation – ein Handbuch für Kulturfairvermitteln – ist ein weiterer Meilenstein, das komplexe Berufsbild der Kulturvermittlerin sichtbar zu machen.
Dr. Beatrix Hain
Abteilungsleitung Wissensvermittlung Technisches Museum Wien
Impressum
Kulturfairmitteln
Praxishandbuch Anstellung eines Kulturvermittlungs-Teams
Herausgegeben von Wencke Maderbacher
im Auftrag des Technischen Museums Wien mit Österreichischer Mediathek, 2015
Publikationskonzept und Autorin: Wencke Maderbacher
Grafische Gestaltung: Ursula Emesz
Lektorat: Regina Danek
Koordinationsstelle: Barbara Hafok
Books on Demand GmbH
ISBN: 9783902183224
Hinweis:
Zugunsten der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Publikation auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Personenbegriffe verzichtet und nur die weibliche Form gebraucht, um der aktuellen Realität Rechnung zu tragen: In der Kulturvermittlungsbranche arbeiten zu achtzig Prozent Frauen. Gemeint sind selbstverständlich aber auch stets die – wenigen – männlichen Kollegen. Sollte das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Kolleginnen in der Zukunft ausgeglichen sein, wird das natürlich auch in der Formulierung umgesetzt.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder Reproduktion einer Abbildung, sind dem Technischen Museum Wien vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Technischen Museums Wien ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
Es wird darauf verwiesen, dass alle Angaben in diesem Fachbuch trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung der Autorin oder des Technischen Museums Wien ausgeschlossen ist.
Wencke Maderbacher
Stellvertretende Abteilungsleitung Wissensvermittlung am Technischen Museum Wien Seit 2006 gestaltet und formt Wencke Maderbacher als stellvertretende Abteilungsleitung die Kulturvermittlung am Technischen Museum Wien. Ihren Einstieg in die Vermittlungstätigkeit fand sie 2001 als freie Kulturvermittlerin. Rasch entdeckte sie ihr Interesse für Personalmanagement und Organisation und widmete sich verstärkt der Förderung des Vermittlungs-Teams. Wencke Maderbacher schlägt in ihrer Arbeit eine Brücke zwischen kreativer Konzeption und wirtschaftlicher Umsetzbarkeit in der Kulturvermittlung.
Wozu Kulturvermittlerinnen fest anstellen,
wenn es auch anders funktioniert?
Spricht man von Kulturvermittlung, so hat man sofort interessante Führungen und spannende Workshops im Kopf. Von VIP-Programmen bis hin zu niederschwelligem Angebot sollen alle Besucherinnen in Bann gezogen werden. Doch wer arbeitet hier an der Schnittstelle zwischen Institution und Publikum? Und unter welchen Arbeitsbedingungen finden diese Vermittlungen eigentlich statt?
Wer profitiert von der Anstellung – wer von freien Dienstverträgen?
Warum ist gerade dieser Berufszweig von Angestelltendienstverhältnissen Großteils ausgenommen?
Sind diese Fragen so leicht zu beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint?
Im Vordergrund sollte jedoch die Frage stehen: „Wie wollen wir arbeiten?“
Genauer gesagt: „Wie wollen wir zusammenarbeiten?“
Was würde auf Ihrer persönlichen Wunschliste zum Thema Zusammenarbeit stehen?
Wahrscheinlich faire Arbeitsbedingungen jenseits von (selbst-)ausbeuterischen Verträgen mit realistischem Arbeitsaufwand, ein gutes Klima im Team, nette Kolleginnen, eine sinnvolle Tätigkeit, Respekt und Anerkennung für die Leistungen und nicht zu vergessen persönlicher Gestaltungsfreiraum, um nur die ersten Gedanken zu nennen.
Habe ich richtig getippt?
Damit ein Team und eine Abteilung gute Ergebnisse liefern können, braucht es stabile Rahmenbedingungen Diese sind nicht allein mit unbefristeten Angestelltendienstverhältnissen erledigt. Dazu gehört noch viel mehr, wie zum Beispiel Transparenz, offene Kommunikation, Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten.
Die Mitarbeiterinnen gehören zu den wertvollsten „Ressourcen“ in der Kultur. Ihr Engagement ist unersetzlich für den Erfolg einer Kultureinrichtung. Die Kulturvermittlerinnen stellen das Bindeglied zwischen der Institution und dem Publikum dar. Sie erwecken die Objekte zum Leben und schüren Begeisterung und Interesse bei Zielgruppen aller Altersstufen und mit unterschiedlichem sozialem oder kulturellem Background.
An vielen Kultureinrichtungen arbeiten Kulturvermittlerinnen als freie Dienstnehmerinnen oder auf Basis von Werkverträgen und sind somit strukturell wenig in Institutionsabläufe eingebunden.
Angestelltendienstverträge für das gesamte Team, wie sie es am Technische Museum Wien gibt, sind in der Branche eher unüblich.
Die Umstellung von freien Dienstverträgen zu Angestelltendienstverhältnissen bringt viele Änderungen in Organisation und Alltag einer Abteilung mit sich, ermöglicht aber auch völlig neue Gelegenheiten für Vermittlungsformate und Projektarbeiten. Die Auswirkungen solcher Maßnahmen – verbesserte Kommunikation, effektivere Organisation, langfristig geplante Weiterbildungen, Wissenstransfer und nicht zuletzt höhere Motivation bei den Mitarbeiterinnen – dringen nach außen und schlagen sich durch eine noch ausgereiftere Qualität in der Vermittlungs- und Projektarbeit nieder.
Hier wird ein Weg des Personalmanagements im Kulturbereich, speziell in der Kulturvermittlung, aufgezeigt, von dem alle Beteiligten – Kulturvermittlerinnen, Kultureinrichtung und Besucherinnen – profitieren.
Mit diesem Buch halten Sie ein praxisnahes Werkzeug für die Organisation und Zusammenarbeit in einem angestellten Vermittlungsteam in der Hand, das über mehrere Jahre erprobt wurde. Die Maßnahmen wurden in zahlreichen Feedbackgesprächen intern und extern evaluiert, und die Wirtschaftlichkeit wird ständig optimiert. Sie ersparen sich den Umweg von vielen „Trial and Error“-Situationen – wir haben in der Zwischenzeit einiges kennengelernt und lassen Sie hier an unseren Erfahrungen teilhaben.
Die Publikation gliedert sich in drei große Kapitel.
In Kapitel 1 wird das Für und Wider der Angestelltendienstverhältnisse beleuchtet. Was bedeutet es für einen Kulturbetrieb und dessen Mitarbeiterinnen, auf Basis von Angestelltendienstverträgen zusammenzuarbeiten? Inwiefern merken die Besucherinnen diese Veränderung in der Zusammenarbeit?
Die zwei zentralen Themen Organisation (Kapitel 2 „Planen, Rechnen, Tüfteln“) und Miteinander-Arbeiten (Kapitel 3) greifen im Alltag ständig ineinander. Ein gutes Miteinander braucht geregelte Abläufe und viel Planung im Hintergrund, damit die Ressourcen, aber auch die Gedanken frei sind für kreative Umsetzungen. Ein Team, das auf Augenhöhe zusammenarbeitet, in dem Respekt und Wertschätzung vorherrschen, kann gemeinsam an einem Strang ziehen, die Kräfte bündeln und Neues erreichen. Dieses Team setzt sich aus einzigartigen Mitarbeiterinnen zusammen, die von der Leitung und der Institution in ihrem Handeln unterstützt werden müssen und für die es attraktive Perspektiven und Herausforderungen gibt. Keine leichte Aufgabe, die man sich hier stellt – aber es ist nicht unmöglich und lohnt sich auf jeden Fall!
Humans are allergic to change. They love to say „We’ve always done it this way.“
Grace Hopper, Computerpionierin
Begann die Vermittlungsarbeit vor mehreren Jahrzehnten mit freien Interaktionen für Schulgruppen in Museen, findet nun an den meisten – vor allem den großen – Kultureinrichtungen organisierte Kunst- und Kulturvermittlung statt. Diese kann im Organigramm unterschiedlich angesiedelt sein: Die Vermittlungsabteilung ist teilweise beim Marketing, beim Besucherinnen-Service oder bei den Sammlungen angelagert oder sie bildet, wie z.B. am Technischen Museum Wien (TMW), eine eigene Stabsstelle. Das liegt an den verschieden organisierten Hausstrukturen.
Zumeist sind zwei bis fünf Personen für die Organisation und Konzeptausarbeitung in den Vermittlungsabteilungen angestellt. Die Vermittlungen in direkter Interaktion mit dem Publikum selbst werden zumeist von atypisch beschäftigten Kunst- und Kulturvermittlerinnen mit freien Dienstverträgen, Werkverträgen oder geringfügig angestellten Saisonkräften durchgeführt. Besonders brisant ist, dass in der Kunst- und Kulturvermittlungs-Branche hauptsächlich Frauen arbeiten, deren Arbeitssituation als Kulturvermittlerin oft prekär ist. Die Kulturvermittlerinnen sind unter diesen Bedingungen ständig wechselnden Verhältnissen ausgeliefert und können zeitweise kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten. Bereitwillig werden die Vermittlungen in der Freizeit vorbereitet, höchst flexibel gearbeitet und suboptimale Arbeitsbedingungen in Kauf genommen, weil der gesellschaftspolitische Auftrag oder das Projekt so spannend sind.
Dessen ungeachtet wird stets betont, wie wichtig und wertvoll die Kunst- und Kulturvermittlung für eine Institution zur Erreichung ihrer Zielgruppen und Erfüllung des Bildungsauftrages ist. Jedes Haus und dessen Inhalte hat nur die beste, zielgruppengerechte Vermittlung verdient.
Doch bessere Arbeitsverhältnisse sind möglich. Man kann, darf und soll sich in diesem Fall ruhig etwas von der Wirtschaft abschauen. Dort ist Mitarbeiterinnen-Entwicklung schon seit vielen Jahrzehnten, zumindest in der Theorie, vorhanden.
Das TMW kann einen direkten Vergleich zwischen einem Kulturvermittlungs- Team mit freien Dienstverträgen und einem mit Angestelltendienstverträgen anstellen.
Bis Jänner 2010 bestand das Team aus freien Dienstnehmerinnen, mit zusätzlichen Werkverträgen für Konzepterstellungen, mit Jänner 2010 wurden alle Kulturvermittlerinnen fix am Technischen Museum Wien angestellt.
Der folgende Vergleich zeigt die Entwicklung des Kulturvermittlungs-Teams am TMW. Jede Kulturinstitution und deren Vermittlungsabteilungen sind etwas unterschiedlich organisiert, aber es lassen sich bestimmt einige Parallelen in der Vermittlungsarbeit und den Mitarbeiterinnen wiederfinden.
Alle Mitarbeiterinnen, die die Umstellung des Kulturvermittlungs-Teams mitgemacht haben, wurden interviewt: die Mitarbeiterinnen der Personalverwaltung, die sich um die Verträge und Abrechnung kümmern, die direkten Vorgesetzten (Team- und Abteilungsleitung) sowie die Kulturvermittlerinnen, die früher als freie Dienstnehmerinnen Führungen am Haus machten. Die wichtigsten Fragen hierbei waren, welche positiven und negativen Veränderungen es in Bezug auf Arbeit, Aufgaben, Struktur, Team und Leitung seither gegeben hat.
Und besonders spannend: Ob man nun, nach mehreren Jahren Erfahrung, wieder zurück zum freien Dienstvertrag wechseln würde oder nicht.
Mit dem Angestelltenverhältnis bewegt man sich nicht nur im rechtssicheren Raum, es geht auch um die Wertschätzung der Mitarbeiterinnen. Unmut kommt vor allem dann auf, wenn in einem Betrieb, noch schlimmer in einer Abteilung oder einem Team, unterschiedliche Verträge oder Bezahlung für ähnliche Tätigkeiten vergeben werden sollten. Die zentrale Frage lautet „Was wünscht man sich für sich selbst?“.
Ob Kriterien für ein echtes Dienstverhältnis vorliegen, kann z.B. nach folgenden Kriterien abgefragt werden:
Am TMW wiesen die Gegebenheiten eindeutig auf eine Anstellung des Vermittlungs-Teams hin.
Gegen freie Dienstverhältnisse sprach der überwiegend gelebte Alltag der Kulturvermittlung im Haus. Die Kulturvermittlerinnen waren im Organigramm wiederfindbar, die Vertretungsregel konnte nicht frei gelebt werden. Eine freie Zeiteinteilung bestand ebenfalls nicht, da Vermittlungen immer an Ort, Raum und Thema gebunden sind. Es reicht hierfür nicht, dass die Kulturvermittlerin sich ihre Dienste selbst zusammenstellt, indem sie zu gebuchten Vermittlungen zu oder absagt.
Ein Werkvertrag wiederrum ist nur bezüglich in sich abgeschlossener „Werke“ sinnvoll – in der Kulturvermittlung etwa das Verfassen und Ausarbeiten eines Konzepts. Eine Vermittlungsdurchführung ist hingegen kein Werk, sondern eine Dienstleistung mit Merkmalen, die auf ein regelmäßiges Anstellungsverhältnis hinweisen, vergleichbar mit einer Orchestermusikerin, bei der ebenfalls die regelmäßige Dienstleistung im Vordergrund steht.
Vorsicht: Selbst wenn man einen freien Dienstvertrag oder Werkvertrag vergibt, gilt die tatsächlich gelebte Situation. Sollte die Kulturvermittlerin persönlich weisungsgebunden sein, und die Arbeitsabläufe vom Auftraggeber vorgegeben werden, spricht das für ein Angestelltendienstverhältnis.1
Aus Sicht der Personalverwaltung ist ein Angestelltendienstvertrag deutlich weniger Aufwand: Sind die Verträge einmal geschrieben, verändert sich nur noch wenig. Dies ist ein deutlicher Unterschied gegenüber freien Dienstverträgen, bei denen jede Kulturvermittlerin monatlich die erbrachten Leistungen mittels Honorarnoten abrechnet, die sowohl von der Abteilung als auch von der Verwaltung überprüft werden müssen. Diese zeitaufwändige Prüfung bedingt eine separate Gehaltsabrechnung und einen zusätzlichen Zahllauf. Auf Grund des abgerechneten Honorars kann festgestellt werden, ob für den jeweiligen Monat eine Teil- (geringfügig) oder Vollversicherung vorliegt. Nicht selten kann das zu einer nachträglichen Änderungsmeldung an die Gebietskrankenkasse führen, wenn gegenüber der Planung mehr oder weniger Dienste durch die freie Dienstnehmerin übernommen worden sind, z.B. durch Dienstplanänderungen, Stornierungen oder Krankheit. Unter Umständen fällt eine Dienstnehmerin spontan aus dem Versicherungsschutz.
Bezüglich der Arbeitszeit bieten freie Dienstverträge für Institutionen sicher den Vorteil der arbeitsrechtlichen Flexibilität, vor allem in Bezug auf Höchstarbeits- und Ruhezeiten der Mitarbeiterinnen.
Für freie Dienstnehmerinnen gelten in dieser Hinsicht grundsätzlich keine Arbeitnehmerinnenschutzgesetze.
Freie Dienstnehmerinnen könnten nach eigenem Ermessen durchgehend arbeiten. So können die gesetzlichen Vorgaben der Arbeitszeiten und Arbeitsruhezeiten bei Angestelltenverhältnissen wiederum als organisatorischer Nachteil gesehen werden.
In Bezug auf den Kostenfaktor liegt für den Arbeitgeber kein relevanter Unterschied zwischen freien Dienstverträgen und Angestelltenverträgen vor. Ende der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre bestand ein finanzieller Vorteil bei der Anstellung mit freien Dienstverträgen, da Lohnnebenkosten teilweise entfielen.
Nach der aktuellen Regelung sind die Lohnnebenkosten für freie Dienstverträge fast gleich hoch wie bei einem Angestelltenverhältnis. Weiterhin entfallen bei freien Dienstverträgen aber z.B. Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld, Weihnachtsremuneration, der Anspruch auf Pflegefreistellung und Väterkarenz, und die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes.
Die Vorbildwirkung öffentlicher Kulturbetriebe für faire Arbeitsbedingungen aller Mitarbeiterinnen ist hier besonders hervorzustreichen. Eine Kultureinrichtung hat nicht nur einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag, sondern als Arbeitgeberin auch eine Verantwortung gegenüber ihren Dienstnehmerinnen.
Die Qualität und Vielfältigkeit des Programms wächst durch kontinuierliches Arbeiten in einem stabilen Team. Gab es früher zwar auch nur vereinzelt Besucherinnen-Beschwerden über die Vermittlungstätigkeit, so sind die Publikumsfeedbacks seit der Umstellung 2010 durch die Reihe sehr positiv, die negativen Rückmeldungen entfallen fast komplett. Das Kulturvermittlerinnenteam kann durch Erfahrung, Schulungen und Austausch noch besser auf die Anforderungen der unterschiedlichen Besucherinnen-Zielgruppen eingehen und kundenorientierter handeln. Durch das gegenseitige Feedback der Kolleginnen lernt das Team stetig voneinander.
Bestand die Führungsstrategie früher hauptsächlich aus Anweisungen, da freie Mitarbeiterinnen in die meisten Projekte nur oberflächlich eingebunden waren, arbeitet seit der Umstellung der Beschäftigungsverhältnisse die Abteilung gleichberechtigt in Projekten zusammen. Als freie Dienstnehmerinnen führten die Kulturvermittlerinnen großteils vorgefertigte Konzepte aus anstatt sie selbst auszuarbeiten. Heute vergibt die Leitung die Projektmitarbeiten nach Erfahrung und Bildungshintergrund der Mitarbeiterinnen und kommuniziert diese Entscheidungen transparent. Die Kulturvermittlerinnen werden in ihrer Arbeit unterstützt und motiviert.
Durch Projektmitarbeiten gestalten sich die Aufgaben der Mitarbeiterin zusätzlich vielseitiger; es gibt Zeit und Raum Konzeptideen in der Arbeitszeit umzusetzen. Eigene Konzepte auszuführen stärkt das Selbstbewusstsein von Mitarbeiterinnen; die Kulturvermittlerinnen werden gefördert und angespornt.