Nr. 2858
Hüter der Stahlquelle
Begegnung mit der Gelben Kreatur des Schreckens – auf der Welt des verlorenen Krieges
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.
Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.
Während sich der Arkonide Atlan ins vermutete Herz dieser Macht begeben hat – die Ländereien jenseits der Zeit –, reist Perry Rhodan durch vergangene Zeiten, um der Gegenwart Hilfe zu bringen. Denn die Gegenwart, wie er sie kennt, wird nicht nur durch die Atopen bedroht, sondern auch durch die brutalen Tiuphoren, die durch einen Zeitriss aus tiefster Vergangenheit zurückgekehrt sind.
Eine der tückischsten Waffen der Tiuphoren sind die Indoktrinatoren, die jede bekannte Technik infiltrieren und im Sinne der Invasoren umprogrammieren können. Aufwendige Forschungen haben mit dem ParaFrakt-System ein Gegenmittel hervorgebracht. Doch dies muss in der Praxis getestet werden. Auf diese Weise begegnet Perry Rhodan dem HÜTER DER STAHLQUELLE ...
Perry Rhodan – Der Unsterbliche geht in einen riskanten Einsatz.
Gucky – Der Mausbiber fühlt sich manchmal ausgeschlossen.
Sichu Dorksteiger – Die Chefwissenschaftlerin wird ihrem Titel wieder einmal gerecht.
Limas Torranc – Ein Mensch unter Blues verliert seine Heimat.
Oryiri – Der Neorgan-Cyborg findet keine ebenbürtigen Gegner.
Taccush Maztema – Der Tiuphore sucht die Gelbe Kreatur von Stahlquelle.
Wir haben nur überlebt, um jetzt zu sterben.
Dieser Satz ging Limas Torranc nicht mehr aus dem Sinn, während er auf den Tod wartete.
Er hatte sich zurückgezogen, weg von den schrillen Schreien, den aufgerissenen Augen, den sich panisch drehenden Tellerköpfen. Limas dachte an seine Mutter. Sie hatte es von Anfang an gehasst, dass er als Botschafter bei den Gatasern arbeitete, noch dazu auf irgend so einem unbedeutenden Planeten, weit weg.
So hatte sie es immer genannt: Irgend so ein unbedeutender Planet, weit weg. Den Namen Tvynatarr hatte sie sich einfach nicht merken können. Oder wollen. Ebenso wenig, wie sie die Bezeichnung nutzte, die die Terraner dieser Welt gegeben hatten: Stahlquelle.
Aber egal, was seine Mutter sagte, für Limas war Tvynatarr die Heimat, ein wundervoller Ort voller schroffer Naturschönheiten. Seine Villa stand am Fuß eines vierhundert Meter in die Tiefe stürzenden Wasserfalls; der See, in dem sich die Fluten stauten, leuchtete intensiv grün wegen einer einzigartigen Mineralienmischung.
Jeder Atemzug auf seiner Veranda war eine Wohltat gewesen, Balsam für die Lunge, die seit seiner Jugend verätzt war, seit dem Unfall in der Transmitterstation. Falls es ein Unfall gewesen war, was er zutiefst bezweifelte. Lepso war keine Welt, auf der sich Katastrophen aufgrund von unglücklichen Zufällen ereigneten. Genau betrachtet, war Tvynatarr viel sicherer als Lepso.
Limas fragte sich, ob es seine Villa wohl noch gab. Aber welche Rolle spielte das überhaupt? Schönheit war vergänglich, und das Leben ebenso. Es blieb nur eine Art kosmischer Witz.
Hatte das Universum Humor?
Wir haben nur überlebt, um jetzt zu sterben.
Er wollte lachen.
Stattdessen weinte er.
*
Draußen brannte etwas.
Natürlich nicht draußen im All, sondern nur unterhalb des Glassitbodens der Sichtkuppel, die sich über ihnen wölbte. Das Feuer loderte gelb und rot, durchzogen von grellblauen Blitzen, sobald wieder eines der von der Decke baumelnden, zerfetzten Kabel verpuffte.
Ein spektakulärer Anblick, zweifellos. Die Kuppel war genau zu diesem Zweck gebaut worden. Allerdings hatte damit nie eine tödliche Gefahr – nein, schlimmer, die Gewissheit des nahen Todes – verbunden sein sollen.
Seitlich hinter den Feuern flackerten Notfall-Energieversiegelungen in den Lecks der geborstenen Raumschiffshülle.
Das, was vor wenigen Stunden ein Gataser gewesen war, trieb durch den Raum unter ihnen. Die Flammen hatten den Offizier bislang nicht vollständig verzehrt. Limas hatte ihn gekannt – der bedauernswerte Küy-Yiay hatte es nicht rechtzeitig in den Schutz der Sichtkuppel geschafft. Andererseits lagen alle Probleme hinter ihm, und er musste nicht die Qual erdulden, eingepfercht mit einigen Dutzend anderen Überlebenden tatenlos auf den Tod zu warten.
Das Glassit, das sich rund um sie wölbte, mochte zwar extrem widerstandsfähig sein, doch das half nichts, wenn das Schiff in Kürze als ungesteuert abstürzendes Wrack in Tvynatarrs Atmosphäre eintrat. Es würde entweder verglühen oder als tödliches Geschoss aufprallen.
Was wäre wohl der bessere Tod?, fragte sich Limas.
Er sah ein gatasisches Kind. Es weinte. Eine Gataserin – vermutlich die Mutter – stand bei ihm. Ihre Hände lagen tröstend auf seinem Tellerkopf.
So fremdartig die Jülziish sein mochten, oder die Blues, wie viele sie immer noch nannten – im Angesicht des Todes zeigten sie ein Verhalten, das jeder Terraner sofort verstand. Sie hatten Angst; sie waren verzweifelt; sie suchten und gaben Trost.
Die ÜRYIGY war ein typisch gatasisches Kleinraumschiff der neuesten Generation: 66 Meter Durchmesser bei knapp der halben Höhe – die transparente Glassitkuppel über der Zentrale diente eigentlich nur der spektakulären Sicht für jene der maximal 150 Passagiere, die die Weltraumreise genießen wollten. Nun war sie zum unverhofften Zufluchtsort geworden.
150 Passagiere, von denen weniger als ein Drittel noch lebte. Von den achtzehn Besatzungsmitgliedern hatte es nur der Funk- und Ortungsoffizier in die Kuppel geschafft, als die Tiuphoren die ÜRYIGY beschossen hatten.
So viele waren gestorben; vielleicht jeder Dritte oder Vierte hatte sich in den Schutz der Glassitkuppel retten können, die während der Attacke nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Limas fragte sich erneut, ob Küy-Yiay besser dran war.
Wir haben nur überlebt, um jetzt zu sterben.
Was für ein Hohn!
Draußen versagte eine Energieversiegelung. Die Atmosphäre im Raum unter der Kuppel entwich. Die Feuer erloschen schlagartig. Küy-Yiays Leiche wurde ins All gesogen; seine Beine hingen für einen Augenblick an den gezackten Rändern des Lecks, dann waren sie für immer verschwunden.
Das Metall des Raumschiffes kreischte erbärmlich, es knarrte, knackte.
Die Gataser schrien auf ihre Art – hoch und schrill, es klang fast wie ein Pfeifen.
Ein Stück der Raumschiffshülle brach ab, die Sichtkuppel wurde durchgeschüttelt. Die Verankerungen lösten sich knirschend.
Im nächsten Moment jagte die Kuppel vom Raumschiffswrack weg. Sie trudelte, und die Überlebenden stürzten und rutschten, prallten aufeinander und gegen die Wände.
Limas klammerte sich irgendwo fest. Wir treiben in einem gläsernen Sarg in den Tod, dachte er.
Hinter dem gewaltigen Rund des Planeten Tvynatarr brach die gigantische Riesensonne Vhezzer hervor. Sie ergoss ihr Licht in den Leerraum und auf die zahllosen Raumschiffswracks, die zwischen den Welten taumelten. Überall trieben Trümmer, und Limas dankte für die Gnade, dass er die vielen Leichen der Gataser nicht sehen musste, die dieser Attacke der Tiuphoren zum Opfer gefallen waren.
Das Vhezzer-System gehörte nun den Angreifern, die die gesamte Milchstraße in Angst versetzten. Niemand würde sich zu den Überlebenden wagen, um eine Rettungsmission zu starten.
Und von Seiten der Tiuphoren war keine Hilfe zu erwarten.
An diesem Ort regierte nur noch die Graue Kreatur des Todes – und die Gelbe Kreatur des Schreckens.
Der Gedanke entlockte ihm ein müdes, verzweifeltes Lächeln. Er formulierte es sogar schon wie ein Gataser. Aber vielleicht war das richtig so. Sie hatten ihm in den letzten Jahren eine Heimat gegeben, er war einer von ihnen geworden, und nun ging er mit ihnen unter.
1.
Brillante Witze, brillante Pläne
»Mein Vorschlag: Wir greifen an.« Es lag ein Unterton in Guckys Worten, den Rhodan sofort erkannte.
Sichu Dorksteiger, die Chefwissenschaftlerin der LFT, starrte den Mausbiber hingegen verblüfft an. »Das kann nicht dein Ernst sein. Wenn wir das tun, können wir uns auch gleich selbst in die Luft sprengen!«
Gucky pelziges Gesicht blieb völlig unbewegt. Sein Biberschwanz patschte einen stakkatoartigen Rhythmus auf den Boden der Raumschiffszentrale. »Unsere gute alte RAS TSCHUBAI ist ein prima Schiff! Wir reißen eine Schneise der Verwüstung durch die Reihen der Tiuphoren und treten ihnen mal so richtig in ...«
»Gucky!«, unterbrach Rhodan.
»Perry?«, fragte der Mausbiber unschuldig und trippelte an den Rand des COMMAND-Podests. Von dort aus schaute er in die weitläufige Zentrale, ehe er sich wieder umwandte und das Ortungsholo zwischen ihm, Rhodan und Sichu Dorksteiger musterte.
»Lass gut sein«, sagte der Terraner mit einiger Verzögerung.
Gucky seufzte theatralisch. »Na gut. Also, für Madame Wissenschaftlerin der Sinn meiner Worte im Klartext.« Er grinste Sichu an. »Meine Aufforderung, die Tiuphoren anzugreifen, war nur ein Scherz.«
»Nicht witzig«, beschied sie.
»Meiner Meinung nach schon.« Der Ilt strahlte. »Vielleicht nicht mein bester Witz, das gebe ich zu. Nicht alles kann brillant sein. Selbst der große Mausbiber Otwaa, Held meiner Jugend, war nicht mit jedem Gag perfekt. Aber näher dran als irgendwer sonst.«
Sichu suchte Rhodans Blick. Er ließ sich gerne finden; er liebte es, ihr in die Augen zu sehen.
»Er ist ziemlich anstrengend, der Kleine, oder?«, fragte sie.
Rhodan lachte; das tat gut. Es gab genug ernste Entwicklungen, über die er sich den Kopf zerbrach und die jedes Lachen im Keim ersticken wollten. Außerdem fühlte sich ihre Nähe ohnehin gut an. Sie gab ihm Ruhe und ein seltenes Gefühl von Geborgenheit.
»Man gewöhnt sich an alles.« Er kraulte Guckys Nackenfell. »Das Universum hat ein oder zwei Plagen hervorgebracht, die schlimmer sind als er.«
Die goldenen Linien auf der hellgrünen Haut der Chefwissenschaftlerin tanzten, als sie die Stirn kräuselte. »Findest du?«
»Ihr seid ja nicht auszuhalten!« Gucky ächzte. »Falls es euch entgangen ist – ich bin höchstpersönlich hier! Also redet mit mir statt über mich.«
Rhodan tat es nicht gerne, aber er wandte den Blick von Sichus Augen ab. Der Moment der Ruhe und der Unbekümmertheit war vorüber, und dort draußen, in zwei Lichtjahren Entfernung, hatte sich nichts geändert.
Die Lage war genauso katastrophal wie vorher.
Die RAS TSCHUBAI, das modernste Fernraumschiff der Terraner, befand sich in der Nähe des Vhezzer-Systems. Perry Rhodan hatte die Reise dorthin angetreten, um die bislang einzige Waffe gegen die Technologie der Tiuphoren zu testen.
Funktionierte der ParaFrakt-Schirm?
Konnte er den Indoktrinatoren tatsächlich widerstehen?
Die Überlegenheit der Tiuphoren gründete vor allem darauf, dass sie jedwede fremde Technik zu infiltrieren und gegen ihre Eigentümer zu wenden vermochten. Ob Raumschiffe, Positroniken oder Roboter – die Indoktrinatoren befielen sie wie ein Virus und programmierten sie um. Energieschirme boten keinen Schutz, und alsbald wendete sich die infiltrierte Technologie gegen diejenigen, denen sie eigentlich dienen sollte. Maschinen ermordeten ihre Herren, Waffensysteme feuerten auf Gleichgesinnte ...
... und die Tiuphoren triumphierten.
So zogen sie siegreich von Schlacht zu Schlacht und entvölkerten in ihrem Kriegswahn – den Kampf selbst empfanden sie als ästhetisch und nannten ihn ein Kunstwerk – ganze Planeten und Sonnensysteme. Sie breiteten sich aus, nahmen jedoch nur wenige Systeme in Besitz und blieben selten lange an einem Ort.
Sie wohnten in ihren Sterngewerken und verachteten planetares Leben. Offenbar war das schon seit einer Ewigkeit so; ihre Zeitrechnung basierte auf dem Moment, an dem die sie ihre Heimatwelt für immer verlassen hatten – ein Ereignis, das sie selbst als Erlösung bezeichneten.
Warum das so war, fragte sich Rhodan nicht zum ersten Mal. Was mochten sie ursprünglich erlebt haben? Hatten sie ihren Planeten zerstört? Hatte womöglich diese Welt gegen ihre Bewohner gewendet?
Solche Fragen, so interessant die Antworten womöglich waren, standen zurück, denn es gab weitaus dringlichere – allen voran diejenige, wie man sich vor den Tiuphoren schützen oder sie sogar aktiv angreifen konnte.
Briony Legh, eine ungewöhnlich große Epsalerin und die Erste Pilotin der RAS TSCHUBAI, hastete an ihnen vorbei. Sie grüßte mit einem knappen »Bin spät dran« und eilte zu ihrem Posten. Sie löste den Zweiten Piloten Cascard Holonder ab, der kurz darauf in umgekehrter Richtung vorbeikam. Vor dem Mausbiber stockte er.
»Müde?«, fragte Gucky.
Holonder deutete auf sein Gesicht. »Sieh dir nur diese Augen an.« Er grinste matt. »War eine lange Schicht. Und zwischendrin nur fünf Minuten Zeit.« Rasch zog er ein Blatt Papier aus einer Tasche seines Anzugs und reichte es dem Mausbiber.
Darauf war als rasche Kritzelei ein Sonnensystem verewigt worden, vor dessen kosmischem Hintergrund ein Gesicht schwebte – das des Mausbibers, der mit keck blitzendem Nagezahn überlegen grinste.
»Ein echtes Holonderianum«, sagte Gucky. »Das kann ich gegen eine Extraportion Karottensaft eintauschen. Was verschafft mir die Ehre?«
Der Zweite Pilot war bereits einige Schritte weiter. »Nur so.« Und weg war er.
Rhodan liebte diese eigentlich nichts sagenden Alltagsepisoden. Sie zeigten ihm, dass das Leben weiterging. Der Krieg gegen die Tiuphoren ... die Bedrohung durch das Atopische Tribunal ... der bedrückende Aufschwung der Tefroder unter Vetris-Molaud ... die Sorge um Atlan und die anderen, die versuchten, die Jenzeitigen Lande zu erreichen ... doch das war nicht alles!
Perry Rhodan hatte in der zwanzig Millionen Jahre zurückliegenden Vergangenheit miterlebt, wie die Tiuphoren über die Milchstraße hergefallen waren; damals nannte man seine Heimatgalaxis Phariske-Erigon. Die gesamte Sterneninsel war nahezu entvölkert worden, und er hatte hilflos zusehen müssen.
Das durfte sich nicht wiederholen.
Die Erfahrung, die der Zellaktivatorträger in der Vergangenheit gesammelt hatte, die Erkenntnisse während seiner Rückreise durch die Zeit, die Unterstützung von Freunden und Wissenschaftlern – all das hatte etwas hervorgebracht, das den Indoktrinatoren hoffentlich widerstand.
Den ParaFrakt.
Genauer gesagt gab es zwei Komponenten dieser Waffe. Zum einen den Schirm, der verhindern sollte, dass Indoktrinatoren hindurchdringen und geschützte Objekte befallen konnten. Zum anderen den Impuls, der bereits infizierte Technologie effektiv reinigte.
In der Theorie und eher passiven Testläufen funktionierte der ParaFrakt. Nun lag es an der RAS TSCHUBAI und ihrer Besatzung, einen Test in aktiver Kampfsituation zu riskieren. Die Zeit der Simulationen war zu Ende – das System musste sich in der Praxis bewähren.
Und das am besten, ohne dass ihre Gegner bemerkten, was vor sich ging.
Da die Tiuphoren aktuell vor allem im Gebiet der Blues angriffen, hatte sich Rhodan diesen Teil der Galaxis ausgesucht, um den Test zu wagen. Am 21. August 1518 NGZ war er mit der RAS TSCHUBAI aufgebrochen und nun, nach einer Woche Flugzeit, in der Nähe des Vhezzer-Systems angekommen.
Auf dem vierten Planeten der roten Riesensonne arbeitete eine der größten Militärwerften der Blues. Die Gataser selbst nannten diese Welt Tvynatarr, während die Terraner die wörtliche Übersetzung des Namens nutzten – Stahlquelle.
Wenige Tage vor dem Aufbruch der RAS TSCHUBAI hatten die Tiuphoren das Sonnensystem samt der Militärwerft erobert. Der Kampf um Stahlquelle war damit aber nicht zu Ende. Auf einem Planeten zu landen, die Regierung und einen Großteil der Bevölkerung zu töten, ging weitaus schneller, als eine Welt dauerhaft zu besetzen. Dazu benötigten sogar die Tiuphoren viele Landekommandos und noch mehr Zeit.
Die Gataser wiederum erklärten den Aggressoren daraufhin offiziell den Krieg. Auf ihrer Heimatwelt liefen Verhandlungen über ein umfassendes Kriegsbündnis; gerüchteweise sollte sich auch Uldormuhecze Foelybeczt, genannt UFo, dort aufhalten, der Erste Vorsitzende des Neuen Galaktikums. Die Liga Freier Terraner hatte den Ferronen Hekéner Sharoun dorthin entsandt, einen jungen, politisch-diplomatisch hochbegabten Mann.
Rhodan, Sichu Dorksteiger und Gucky betrachteten die Situation im Vhezzer-System mittels mehrerer Holos ... was den Mausbiber zum verzweifelt-scherzhaften Vorschlag gebracht hatte, die Tiuphoren anzugreifen. Etwas, das völlig utopisch gewesen wäre.
In diesem Sonnensystem operierten 487 Sterngewerke. Die RAS TSCHUBAI hätte es mit einigen wenigen aufnehmen können. Eine solche Übermacht blieb jedoch unbesiegbar – selbst wenn die vielen Gataserschiffe vor Ort das terranische Schiff unterstützten.
Im Umkreis des Sonnensystems sammelte sich eine große Flotte der gatasischen Verteidiger ... oder derjenigen, die die Schlacht um das Vhezzer-System bereits verloren hatten. Sie bildeten Pulks, kesselten das Zielgebiet großräumig ein. Dabei gingen sie offensiv vor und verbargen sich nicht – zumindest nicht alle. Die Ortung erkannte über tausend Schiffe, darunter Giganten der VERTH-Klasse, die derzeit größten und modernsten Raumer ihres Sternenreiches.
Das Kommandoschiff war die YLÖSH, ein 2200-Meter-Diskus. Rhodan wusste, dass es unter dem Kommando von Sternenadmiral Fauphe-Zy-Mün stand, der zugleich das Gesicht des neuen gatasischen Militärs nach außen war. Schon sein Name, den er mit seinem Amtsantritt geändert hatte, sandte ein Signal in die Galaxis. Er hatte die frühere Tradition des gatasischen Dreifachnamens wieder aufgegriffen, als Symbol des Nationalstolzes, der seit dem Vordringen des Atopischen Tribunals und der Onryonen viele Gataser in einer Trotzreaktion verstärkt erfüllte.
Rhodan überlegte kurz, Kontakt mit Fauphe-Zy-Mün aufzunehmen, unterließ es jedoch.
»487 Sterngewerke«, sagte Gucky. »Das Vhezzer-System scheint den Tiuphoren wirklich wichtig zu sein.«
»Ich glaube nicht«, meinte Sichu Dorksteiger, »dass wir alle Tiuphorenschiffe sehen. Sie demonstrieren Präsenz und große Macht, aber sie haben ganz bestimmt etwas in der Hinterhand. Im Ortungsschutz der Sonne könnten sich ganze Flotten verbergen.«
Rhodan starrte auf das Holo. »Du hast recht. Das Vhezzer-System gehört zu den wenigen Orten, an denen sich die Tiuphoren festsetzen – und das richtig. Der überwiegende Teil ihrer Armada bewegt sich weiterhin unkalkulierbar durch die Milchstraße, schlägt zu und verschwindet wieder.«
Gucky machte eine wegwerfende Handbewegung – mitten in das frei schwebende Holo, als wollte er die Sterngewerke tatsächlich wegwischen. »Dann ist ja alles klar – schließlich sind wir die weite Strecke hierhergeflogen, weil sie sich hier festgesetzt haben. Also los, erfüllen wir unseren selbst gestellten Auftrag. Wir müssen einige Tiuphorenschiffe aus dem System locken und zum Kampf stellen. Dabei testen wir den ParaFrakt-Schirm und Sichu kann anschließend die Ergebnisse auswerten.«
»Du hast Hummeln im Hintern, was?«, fragte die terranische Chefwissenschaftlerin.
Guckys Augen weiteten sich verblüfft. »Wo hast du denn die uralte Redewendung her? Das habe ich ja seit Jahrtausenden nicht mehr gehört!«
Die Wissenschaftlerin lächelte versonnen, und einen Augenblick sah sie viel sanfter aus als sonst. Verletzlicher. »Ich beschäftige mich mit Terras Historie zur Zeit von Perrys Jugend. Ein interessantes Hobby.«
Gucky lächelte nicht nur, er grinste. »So schön die Liebe auch ist, wir müssen jetzt aktiv werden!« Er klatschte sich auf das Gesäß. »Und komm mir nicht wieder mit deinen Hummeln!«
»Wir schlagen bald los«, versicherte Rhodan. »Aber wir müssen uns zuerst die Frage stellen, warum die Tiuphoren ausgerechnet dieses System ausgewählt haben. Sie planen etwas, und wenn sie so viel Sterngewerke dafür erübrigen, ist es für sie wichtig. Was wollen sie hier?«
»Na was wohl?«, sagte Gucky.
»So einfach ist das nicht. Es könnte ...«
»Doch, so einfach ist es. Die Tiuphoren haben keine Heimat. Ihnen fehlt eine Basis. Und Stahlquelle ist ein gigantischer, sehr gut funktionierender Werftplanet. Sie planen, die Anlage zu übernehmen, wenn sie es nicht längst geschafft haben. Sie werden die Fertigungsstraßen umfassend umprogrammieren, sodass sie neue Sterngewerke produzieren können. Wahrscheinlich ist bereits alles mit Indoktrinatoren verseucht.«
»Falls das stimmt, Gucky, müssen ...«
»Es stimmt, Perry. Das sagen mir zwei Dinge. Erstens das untrügliche Pochen in meinem Nagezahn – und zweitens mein Verstand.«
»Lass mich ausreden!«, forderte Rhodan.
Sichu legte ihm die Hand auf den Arm. »Du hast einen Plan?«
»Ich bin gerade dabei, einen zu entwickeln.«
»Mehr als ein Testlauf für den ParaFrakt-Schirm?«, fragte Gucky. »Das gefällt mir.«
»Wenn die Tiuphoren Stahlquelle nutzen wollen, um Sterngewerke zu bauen ...« Rhodan atmete tief durch. »Dann müssen sie Baupläne in die gatasischen Werftanlagen transferieren.«
Der Mausbiber pfiff leise.
Sichu lächelte. Sie hatte ein kleines Grübchen über dem rechten Mundwinkel. »Du meinst ...«
»Wenn wir uns diese Baupläne beschaffen, können wir Schwachstellen bei den Sterngewerken entdecken.«
»Kenne deinen Feind, um ihn zu besiegen«, sagte Gucky. »Klingt genial.«
Nun deutete Rhodan auf das Holo. »Aber es wird alles andere als einfach, mitten in diesen Hexenkessel vorzudringen ...«
2.
Blitze fressen
Es war alles andere als einfach gewesen, in diesen Hexenkessel vorzudringen.
Und nun würde sich Oryiri seinen Erfolg ganz bestimmt nicht von diesem Tiuphoren nehmen lassen, der auf sein Versteck zukam, die Waffe im Anschlag.
Es sah übel aus. Der Tiuphore hatte die Brünne geschlossen, war also bestens geschützt. Er rechnete damit, dass irgendwo in diesem Lagerraum ein Gegner versteckt sein musste. Aber er ahnte nicht, mit wem er es zu tun hatte.