Nr. 2873
Das Atopische Fanal
Ein verzweifeltes Unternehmen in der Sonne – der Untergang des Solsystems steht kurz bevor
Uwe Anton
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Baagsystem
1. Terra, Ruhrstadt
2. Terrania City
3. Terra, Paris
4. Terrania
5. Terra, London
6. Solsystem
7. Terra, London
8. Terrania City
9. Vastralische Raumjacht
10. RAS TSCHUBAI
Epilog: SHEZZERKUD
Leserkontaktseite
Glossar
Clubnachrichten
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.
Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.
Perry Rhodan ist von einer Expedition in vergangene Zeiten in die Gegenwart zurückgekehrt. Diese wird nicht nur von der Herrschaft der Atopen bedroht, sondern auch durch die brutalen Tiuphoren, die durch einen Zeitriss aus tiefster Vergangenheit zurückgekehrt sind. Immerhin scheint mit dem ParaFrakt eine Abwehrwaffe gefunden zu sein.
Doch die Zeit arbeitet gegen Rhodan und seine Helfer. Sogar der Atopische Richter Matan Addaru Jabarim wird nervös und entscheidet sich zu einem verzweifelten Schritt, um den Weltenbrand der Milchstraße zu verhindern: Er zündet DAS ATOPISCHE FANAL ...
Perry Rhodan – Der Terraner sieht dem Untergang entgegen.
Sichu Dorksteiger – Die Wissenschaftlerin findet keine Datengrundlage.
Matan Addaru Jabarim – Der Atope fasst einen verzweifelten Plan.
Mato Cardweel – Der Evakuierungs-Kommissar versucht Kulturgüter zu retten.
Cai Cheung – Die Solare Premier muss Entscheidungen treffen.
Prolog
Baagsystem
3. Januar 1519 NGZ
Wir werden scheitern!
Der Atopische Richter Matan Addaru Jabarim hatte nicht den geringsten Zweifel daran. Angaqquk, warum hast du mich verlassen?
Er schaute auf das Holo, das den Atopischen Konduktor zeigte, den ehemaligen Planeten Arkon III. Das Bild war vertraut, gab ihm ein Gefühl der Heimat, die dahinter wartete, und er verspürte kurz wieder etwas mehr Zuversicht.
Zumindest eine gewisse Vertrautheit. Der nun genau 1883 Kilometer durchmessende frühere Planet Arkon III war vollständig von Technogeflecht überwuchert und von Myriaden tt-Progenitoren in eine riesige Maschine verwandelt worden. Sie hatte die planetare Masse mit Hyperenergie aufgeladen und damit die Materie des Planeten verändert, bis sie sich in eine Transgravitative Masse umgewandelt hatte. Übrig geblieben war nur eine völlig schwarze, sturkturlose Kugel, wie herausgestanzt aus der Wirklichkeit.
Aber der Weg in die Heimat war ihm versperrt. Die Pforte in die Synchronie verschlossen.
Was geschah in dieser Galaxis, die auf vage Art seine Heimat war/gewesen war/sein würde?
Er verlor die Perspektive, die ihm stets als jenzeitig-stabil vorgekommen war.
Er sah YLA an. »Bist du bereit?«
»Ja«, antwortete NATHANS Tochter fest. Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel. Sie wollte unmissverständlich ausdrücken, dass sie von ihren Fähigkeiten überzeugt war.
»Du befürchtest nicht, dass ...«
»Ich schaffe es«, unterbrach YLA ihn, ein Verhalten, das er unter normalen Umständen nicht geduldet hätte. »Ja, ich traue es mir zu, sonst wäre ich nicht hier.«
Zweifelnd betrachtete Matan Addaru Jabarim den Avatar NATHANS. YLA schien aus den Scherben eines Spiegels zusammengesetzt zu sein, in dem eine schöne, dunkelhaarige Frau reflektiert wurde. Der Richter hatte den Eindruck, von ihr angeschaut zu werden, obwohl er ihre Augen nicht sehen konnte. Ihre leise Stimme wurde von einem fernen Rauschen überlagert, als spräche sie durch einen Kommunikator, der eine leichte Funktionsstörung aufwies.
Habe ich eine andere Wahl, als auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen?
Sein Raumschiff, die 233-COLPCOR, war schwer beschädigt worden und hatte mit Angaqquk seinen Piloten verloren.
Behelfsweise hatte Matan Addaru YLA zur neuen Pilotin bestimmt. Sie war eine Interimslösung und würde das Schiff bis auf Weiteres steuern – zumindest im Normalraum.
Aber Matan Addaru Jabarim musste in die Synchronie vorstoßen.
Nur aus den Jenzeitigen Landen konnte er noch etwas für GA-yomaad bewirken.
YLA war von allen Wesen im Baagsystem am geeignetsten für diese Aufgabe. Sie bestand aus mikroskopisch kleinen Bauteilen, die sich zu einem Holoprojektor zusammensetzen konnten, der ihre Gestalt vorgaukelte. Zusätzlich konnten sie eine Mikropositronik bilden, die eine Verbindung zu NATHAN hielt. Eine Verbindung, die NATHAN bis vor Kurzem nur wahrgenommen hatte, wenn YLA das wollte.
Sie sah sich als weiblich und als Tochter und Hüterin der Großpositronik. Geschaffen hatte sie die Programmiererin Leyla Kezziban zu jenen dunklen Zeiten, als das Schicksal Lunas noch nicht geklärt war.
Also vor ewigen Zeiten. Und vor wenigen Jahren gleichermaßen.
Sinnlose Gedanken!
Für den Augenblick ließ er seine Vorbehalte fallen und blickte YLA ausdruckslos an. Er beherrschte seine Mimik perfekt. Immerhin standen YLA mehr Möglichkeiten offen als einem sterblichen Wesen. Er wollte keine sich selbst erfüllende Prophezeiung heraufbeschwören, indem er sie seine Unsicherheit spüren ließ. Er musste Zuversicht ausstrahlen, die er nicht empfand.
Er gab YLA das Zeichen, und die 233-COLPCOR stieg langsam von Luna empor. Der Erdmond war in den Jenzeitigen Landen tatsächlich seine Heimat, aber in diesem Augenblick verspürte er nicht die geringste Verbundenheit.
Unter ihnen blieb die Atopische Feste im Petavius-Krater zurück. Das Einschlagloch hatte einen Durchmesser von 184 Kilometern und eine Tiefe von 3300 Metern, und der Zentralberg und der Wall waren stark terrassiert und durch Technogeflecht verändert worden.
Der Richter lachte leise auf. Schwarzer Palast, nannten die meisten Lunarer diese Feste, und wenn sie von ihr sprachen, schwang Angst in ihren Stimmen mit.
Die 233-COLPCOR näherte sich dem Atopischen Konduktor.
Matan Addaru spürte das vertraute Kribbeln der Fremdartigkeit, das für ihn so alltäglich war. Der Konduktor war aus dem Standarduniversum entrückt und hatte seine Struktur als festmaterieller Körper verloren. Das lag an den Septadimenergien, die ein Teil von ihm waren. In seinem Inneren herrschten unberechenbare und schnell veränderliche Naturgesetze, denen nur Bewusstseine gewachsen waren, die sich bereits im Bereich jenseits der Materiequellen aufgehalten hatten.
Wie soll YLA sie ertragen können?
Nun, immerhin war mit ihm ein Richter an Bord. Vielleicht würde das den Ausschlag geben.
Abrupt flog die 233-COLPCOR in den Konduktor ein, aber etwas war ... anders.
Matan Addaru schaute an sich hinab, streckte einen Arm aus, spreizte die Finger der Hand. Sie wurden durchscheinend, transparent, nahmen dann wieder Gestalt an, nur um sie im nächsten Moment erneut zu verlieren. Er konnte die Adern sehen, durch die das Blut floss, die Knochen seiner Finger, die Gelenke und Knorpel.
YLA stieß ein seltsames Geräusch aus, eine Mischung aus Schrei und Stöhnen. Der Richter wunderte sich, dass er es überhaupt wahrnehmen konnte.
Wahrnehmen. – Hören wäre der falsche Begriff gewesen.
Er schmeckte das Geräusch, sah und ertastete es, hörte es jedoch nicht. Die Synapsen in seinem Gehirn gruppierten sich um, schalteten neue neuronale Verbindungen.
Und das bei mir als Richter!, dachte Matan Addaru fassungslos.
Ohne Pilot litt er an den Auswirkungen der veränderten Naturgesetze – oder der Septadimenergien? –, obwohl nicht in dem Maße wie ein gewöhnlicher Normalsterblicher.
Meine Vorahnung hat sich bewahrheitet! Es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt!
»Abbrechen!«, wollte er sagen, doch es kamen keine Worte über seine Lippen, sondern nur tintig-violette Bläschen, die sprudelnd durch die Luft wirbelten und sich langsam auflösten.
Die Synästhesie wurde stärker. Matan Addaru schmeckte Geräusche, hörte Töne und ertastete Farben, und nichts von alledem ergab Sinn für ihn.
Er wollte die Hand bewegen, doch sein Fuß ruckte vor und gab nach. Er knickte ein, ließ sich auf die Knie fallen, um schlimmere Verletzungen zu vermeiden.
Als der Effekt kurz nachließ, sah er tatsächlich, wie YLAS Körper gegen die Pilotenkonsole geschleudert wurde und zerbrach, in Tausende kleiner Splitter gesprengt wurden, die klirrend zu Boden fielen.
Er hörte den gellenden Schrei, mit dem sie starb.
*
Der Richter nutzte die Sekunde der Annäherung an eine gewisse Normalität und holte erneut mit der Hand aus. Diesmal bewegte sie sich tatsächlich, wie er es beabsichtigt hatte, und hämmerte gegen die Nottaste, die er in einem Anflug archaischer Konstrukteursgedanken vorsorglich eingerichtet hatte.
Eine Ewigkeit schlug die Zeit wie die gischtig wirbelnde Brandung eines sturmgepeitschten Meeres gegen seinen Körper. Seine Gedanken verliefen träge, schienen wie von einer defekten Audioaufzeichnung in ihm zu hallen. Was habe ich erwartet? Angaqquks Ausbildung hat Jahrhunderte gedauert, YLA hat so gut wie gar keine erhalten. Sie ist einfach nicht geschaffen für diese Aufgabe ...
Er schmeckte in seinem nun völlig durchsichtigen Körper, wie der Schmerz um den ehemaligen Piloten sich öffnete wie die Blätter einer schwarzen Blüte.
Dann war der Spuk vorbei. Die 233-COLPCOR erzitterte, als wollte der Atopische Konduktor sie zerreißen, und der künstliche Globus spie sie aus. Matan Addaru spürte kurz eine Qual, die vergleichbar mit der war, die eine Wiedergeburt begleitete, aber sie verging, bevor sie sich in seinen Körper fressen konnte.
Trotzdem war er benommen. Es gelang ihm kaum, seine Gedanken zu ordnen. Nur langsam kam die Erkenntnis, und sie tat weh.
Er, Matan Addaru Jabarim, ein Atopischer Richter, war gescheitert. Es war ihm nicht gelungen, in die Synchronie einzufliegen.
Er zeigte auf die winzigen funkelnden Scherben, die von YLA zurückgeblieben waren.
»Sammelt sie ein«, sagte er zu den Tesquiren und Sganshan, die stets an Bord der 233-COLPCOR waren. »Und versucht, das Programm zu rekonstruieren. Falls es euch gelingt«, fügte er wenig hoffnungsvoll hinzu.
*
Es gelang. Es dauerte über einen Tag, bis YLA wieder vor ihm stand. Einen Tag, den Matan Addaru allein in seinen Gemächern verbracht, seinen Gedanken nachgehangen und Pläne geschmiedet hatte.
Verstreichende, nicht wiederkehrende Zeit. Ein seltsames Gefühl für einen, der jenzeitig war und der die Bürde der Zeit nur auf sich nahm, um zu heilen und zu helfen.
Sie sah ihn an, erwartungsvoll, aber auch ein wenig besorgt.
»Du bleibst meine Pilotin«, sagte er, bevor sie die entsprechende Frage stellen konnte. »Zumindest für den Normalraum. Das dürfte keine Probleme geben.«
YLA nickte. Ihr Gesicht blieb regungslos.
»Nimm Kurs auf Luna. 25,42 Grad südlicher Breite und 60,76 Grad östlicher Länge.«
»Zur Atopischen Feste.« Sie wusste, was sich an dieser Position befand, und nahm hinter dem Steuerpult Platz.
Einigermaßen zufrieden lehnte er sich zurück. Aufmerksam war sie; in dieser Hinsicht hatte er sich nicht in ihr getäuscht.
Die 233-COLPCOR ging tiefer, und er konnte den Krater mit bloßem Auge sehen. Die Feste noch nicht. Das Bauwerk auf dem Zentralberg war für externe Beobachter stets nur unscharf zu erkennen und ähnelte mit seinen Türmen tatsächlich einem Palast im abendlichen Dunst. Wie in einer rapide zunehmenden Dämmerung verlor es beim Betrachten an Kontur und Deutlichkeit.
Kein Wunder, dass die Feste auf Menschen angsteinflößend wirkte.
Dann klärte sich sein Blick, als hätte die Feste erkannt, dass ein Atopischer Richter sie betrachtete.
Das Schiff landete, und Matan Addaru Jabarim und YLA betraten den Palast. Im letzten Augenblick fiel ihm ein, dass er die Wände im Innern der Atopischen Feste einfach zu durchqueren vermochte, seine Begleiterin aber nicht. Also benutzte er die Türen und schritt durch die Räume, die zum größten Teil mit Strukturen von Technogeflecht überwuchert waren, bis er YLAS Quartier erreichte.
»Bring dich auf den neuesten Stand und erstatte mir Bericht«, wies er das positronische Phantom an. Er ging weiter zu seinen Gemächern und hing dort erneut seinen Gedanken nach.
Es waren keine guten Gedanken. Ihm war klar, dass sie Tod und Vernichtung mit sich bringen würden.
Aber er sah keinen anderen Ausweg.
Er musste einen Entschluss fassen. Und der stand in seinem Inneren bereits fest.
*
YLA erschien eine Stunde später.
Er war froh, dass NATHANS Tochter sich endgültig auf seine Seite geschlagen hatte. Das Mondgehirn hatte sich von der Entführung des Mondes an ambivalent verhalten und mit ihm, aber auch mit dem Lunaren Widerstand kooperiert. Dann hatte NATHAN sich an Matan selbst wiedererkannt, zumindest aber ihre Verwobenheit, und in Verbindung damit auch YLA. Die Kooperation durch NATHAN und YLA war eine Folge seiner Verwandtschaft mit NATHAN, und er war froh, dass es sich so entwickelt hatte.
»Ich habe die eingetroffenen Daten analysiert und zusammengestellt«, sagte YLA.
»Ja. Gibt es etwas Neues?«
»Nichts, was für dich von Bedeutung wäre.«
»Das Polyport-System ...?«
»Es bleibt weiterhin verschwunden.«
Die lapidare Aussage versetzte Matan erneut einen Stich. Seit zwei Monaten suchte er nach dem Transportsystem, auf das er so große Hoffnungen gesetzt hatte. »Nicht einmal Vermutungen? Keine neuen Anhaltspunkte?«
»Nein.«
»Das Mondgehirn weiß tatsächlich nichts?«
»So ist es. Es nicht, ich nicht.«
Der Richter nickte nachdenklich. Er konnte den Vorfall nicht von seinen Helfern untersuchen lassen, etwa den Tesquiren, denn niemand durfte von seinem Interesse für das Polyport-System wissen. Dessen Verschwinden war für seine persönliche Perspektive ein Desaster. Doch er würde es persönlich untersuchen, immer wieder, bis er herausgefunden hatte, was mit ihm passiert war – alle Zeiten standen ihm offen.
Aber nicht jetzt. Jetzt hatte er keine gegenwärtig-historische Zeit übrig, sich darum zu kümmern.
Er räusperte sich, um wieder die Gewalt über seine Stimme zu bekommen. »Wie sieht die Lage im Baagsystem aus?«
»Hier halten sich mittlerweile einige Zehntausend Raumschiffe der Onryonen auf, die sich vor den Tiuphoren in Sicherheit bringen wollen. Die Ausrüstung der Raumschiffe mit der Anti-Indoktrinatorenwaffe schreitet voran.
Die Onryonen stehen im Gespräch mit den Terranern von Luna. Für Pri Sipiera ist offiziell eine Amnestie erlassen worden. Sie hat sich bereits mehrere Male mit dem onryonischen Ryotar in Iacalla getroffen, mit Bonthonner Khelay.«
»Die Onryonen und die Terraner arrangieren sich also«, sagte der Richter.
»Und das nicht nur im Baagsystem.«
Matan nahm es mit tiefster Befriedigung zur Kenntnis. »Und die Ordischen Stelen?«
»Sie siechen dahin. Sie verlieren den Halt in GA-yomaad.«
Das bereitete ihm Sorge. Etliche Stelen waren inzwischen extrahiert worden, aber bei Weitem nicht alle. Viele waren zu instabil, um die Extraktion zu überstehen. Sie würden dem Atopischen Tribunal in dieser Verfassung bald keine Stütze mehr sein, falls man überhaupt noch davon sprechen konnte.
Falls sie es je gewesen waren und nicht im Wesentlichen schon immer gegen Matan und seine Vision des Tribunals gearbeitet hatten.
»Haben wir Schiffe anderer Atopischer Richter in GA-yomaad geortet? Etwa Julian Tifflors MOCKINGBIRD?«
YLA schüttelte den Kopf.
Ist GA-yomaad noch zu retten?, fragte sich Matan. Konnte er als einziger Atopischer Richter, der sich seit Chuvs Tod in der Milchstraße aufhielt und damit die alleinige Verantwortung trug, das Schlimmste abwenden, oder war der Kampf längst verloren?
Nein, es gab keine andere Möglichkeit. Er hatte lange mit diesem Gedanken gespielt, hatte ihn bereits Angaqquk gegenüber erwähnt und mit ihm diskutiert, und nun stand sein Entschluss fest.
Es war ein verzweifelter Plan, aber immerhin ein Plan. Und einer, der eine gewisse Aussicht auf Erfolg hatte.
Ich werde ins Solsystem fliegen und TAFALLAS Korpus aus der Sonne reißen.
Das Tribunal konnte im Augenblick die Entwicklung der nächsten 500 Jahre nicht einsehen, da der Korpus der Superintelligenz TAFALLA einen Schleier über die Wahrnehmung aus den Jenzeitigen Landen legte. Matan wusste jedoch, dass der Weltenbrand in dieser Zeitspanne ausgelöst werden würde. Oder aus der Perspektive der Jenzeitigen Lande ausgelöst worden sein würde.
Und dass Rhodan, Bostich und der Adaurest die Auslöser sein würden.
Wenn er den psimateriellen Korpus von TAFALLA aus der Sonne entfernen konnte, würde sich der Schleier über die Entzündung der Ekpyrosis lüften. Dann würde das Atopische Tribunal sehen, was den Weltenbrand ausgelöst hatte oder auslösen würde, und neu intervenieren.
Sobald er den Schleier löste, konnte das Tribunal diese Zeitspanne einsehen!
Er war nicht sicher, ob der Korpus allein oder das Sonnensiegel oder die Kombination aus beidem für den Schleier verantwortlich war. Aber TAFALLAS Korpus zu entfernen, war die einzige Option, die ihm blieb.
Ja, er würde ein Fanal in GA-yomaad errichten.
Ein Atopisches Fanal.
Sein Entschluss stand fest.
»Mach dich bereit!«, sagte er zu YLA. »Wir fliegen ins Solsystem. Ich muss noch einige Vorbereitungen treffen. Wir starten morgen, am 6. Januar 1519 NGZ.«
1.
Terra, Ruhrstadt
16. Januar 1519 NGZ
Kurz nachdem Mato Cardweels aus unruhigem Schlummer erwacht war, weil sein Gleiter im Norden der Ruhrstadt zum Landeanflug ansetzte, sah der Eva-Kom den Haluter, wegen dem er nach Westeuropa geflogen war.
Nicht nur seinetwegen, dachte Cardweel erschöpft. Der kurze Schlaf hatte ihn nicht erfrischt.
Der schwarze Riese stand auf der Mitte der Breiten Brücke über den Alten Graben. Auch um sie musste er sich kümmern.
Ein schwarzer Riese war Friedhelm tatsächlich. Schon aus der Ferne bot er ein imposantes Bild. Er beherrschte mit seiner wuchtigen Gestalt und seinen 35 Metern Höhe nicht nur die Brücke, sondern auch die schon vor Jahrtausenden weitgehend renaturierte Umgebung.
Wie würde Friedhelm aus nächster Nähe auf ihn wirken? Holos vermittelten nur einen schwachen Eindruck, einen Abklatsch der Wirklichkeit, der Cardweel nun irgendwie falsch vorkam.
Genau wie die Renaturierung der Gegend zwischen Lippe und Emscher nur ein Abbild der Realität lieferte, das letztlich nicht stimmig wirkte. Der Gleiter ging tiefer und folgte dem Verlauf des Alten Grabens.
Einen Augenblick fühlte Cardweel sich ins Paradies zurückversetzt oder in etwas, das dem ziemlich nahe kam. Und das am Rande der Ruhrstadt, in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Europas, deren Skyline vor dem Horizont emporwuchs.
Das Gefühl, dass es sich um ein falsches Paradies handelte, wurde stärker. Der Alte Graben war begrünt, schien einer anderen Welt entsprungen zu sein. Er bildete das Bett eines schnell dahinströmenden Flusses. Unter Cardweel rauschte ein Wasserfall in die Tiefe. Weiße Gischt schäumte Dutzende von Metern hoch.
Der Gleiter ging tiefer.
Cardweel sah Haine und Wälder, Wiesen und Weiden. Eine pastorale Landschaft, da und dort gesprenkelt von Denkmälern, Gasthöfen und Spielplätzen.
Nur Menschen waren nicht zu sehen. Sonst herrschte am Rand der Großstadt, die das ehemalige Ruhrgebiet mit seinen vielen Einzelstädten umfasste, dichtes Gedränge. Der Alte Graben war seit Tausenden von Jahren ein Naherholungsgebiet, das jährlich Millionen Besucher anzog.
Der Gleiter setzte vor einem Gasthof auf. Das Gebäude war abgedunkelt, von einer dünnen Schicht nun verhärtetem Schaums überzogen, der es vor den Witterungseinflüssen schützen sollte, falls die Wetterkontrolle ausfiele.
Cardweel reckte sich, um den letzten Rest von Müdigkeit aus den Knochen zu vertreiben. Er hatte einen Teil des Flugs geschlafen. Kaum hatte er auf dem Sitz des Kopiloten Platz genommen, war es um ihn geschehen gewesen.
Aber der Flug war nur kurz gewesen. Dexter hatte für den Fall gewacht, dass es Probleme mit dem Autopiloten gäbe, die jedoch ausgeblieben waren. Schlaf benötigte er nicht.
Cardweel gab Dexter einen Wink, und der menschenähnliche Roboter erhob sich gehorsam und begleitete ihn hinaus.