Genetics

 

 

 

Science-Fiction-Thriller

 

 

 

 

Lutz Büge

 

 

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Prolog

331 konnte nicht mehr. Noch nie in ihrem Leben war sie so weit gelaufen. Im Frauensektor wurde das nicht verlangt. Ciah forderte die Frauen zwar regelmäßig auf, sich zu ertüchtigen, aber Pflicht war nur das Gymnastik-Grundseminar.

Jetzt wünschte 331, sie hätte mehr getan. Sie stolperte eher, als dass sie lief, die Luft ging ihr aus und sie hatte fürchterliches Seitenstechen.

Wenn sie doch nur begreifen könnte, was mit ihr vorging! Doch als Jak, der neben ihr lief, vorhin angstvoll geflüstert hatte: „Polizei!“, da hatte sich sein Entsetzen einfach direkt auf sie übertragen. Sie wusste, dass es nicht in Ordnung war, was Jak und sie taten, aber dieses Entsetzen, diese Panik …

Ohne sie wäre er viel schneller. In ihm steckte eine unerhörte Kraft. Sein Körper bestand praktisch nur aus Muskeln. Er hatte sogar einen Namen, während sie in Verkürzung ihrer Seriennummer nur 331 genannt wurde; die volle Nummer lautete 2158-B2/331. Der Code setzte sich zusammen aus Befruchtungsjahr und der laufenden Nummer des befruchteten Eies.

Wenn ihr gestern Morgen vorausgesagt worden wäre, dass sie in Kürze mit einem Mann weglaufen würde, ohne auch nur die geringste Angst vor ihm zu haben – sie wäre kopfschüttelnd davongegangen. Gestern Morgen war sie starr vor Angst gewesen, nachdem Ciah ihr den Befehl erteilt hatte, den alle jungen Frauen im Frauensektor fürchteten: den Befehl, einen Mann zu empfangen und ihre Pflicht zu tun. Doch dann war sie vom ersten Moment an von ihm fasziniert gewesen, von seiner Größe, seiner Kraft, seiner Haut. Er hatte denselben Hauttyp wie sie: straff, kühl, bronzefarben, sogar leicht irisierend. Er saß auf einem Stuhl, als 331 hereingebracht wurde, und war komplett nackt. Ihr Blick fiel gleich auf dieses Ding zwischen seinen Beinen, über das sie so viel Schlimmes gehört hatte, und sie weinte. Doch dann wirkte er völlig hilflos und überfordert, als habe er nicht die geringste Ahnung, was nun zu geschehen hatte. Er war kaum älter als sie. Verlegen musterte er sie mit unschlüssigen Blicken aus seinen auffallend grünen Augen.

„Wir müssen die Artverbesserung voranbringen“, sagte sie zwischen mehreren Schluchzern, nur damit etwas gesagt war; das Schweigen quälte sie. „Ich soll dein Kind empfangen, hat Ciah gesagt.“

„Ich weiß“, sagte er und räusperte sich; seine Stimme klang belegt.

„Magst du nicht?“

„Ich habe eine Aufgabe und werde sie erledigen“, antwortete er, „aber es kommt mir … falsch vor.“

„Falsch?“

„Wie heißt du?“

Sie nannte ihm ihre Nummer, und er sagte:

„Ich nenne dich Dee. Du bist so schön, Dee. Ich habe noch nie etwas so Schönes wie dich gesehen.“

Dann stand er plötzlich auf und zog sie an sich, und was dann folgte, war ein Wirbelsturm, der Dees bisheriges Leben hinwegfegte – dieses Leben im Frauensektor, wo vielfach die Angst vor den Männern herrschte. Ja, er fügte ihr den Schmerz zu, von dem die Frauen redeten, doch dabei sah er sie mit seinen grünen Augen an, die von tief innen zu leuchten schienen, und drang mit Blicken noch viel tiefer in sie ein als mit seinem Ding. Seine Hände glitten über ihren Körper, durch ihn spürte sie sich selbst wie noch nie zuvor, und plötzlich wurde es hell. Da berührte sie ihn, betastete seine Haut, seine Muskeln, kniff und kratzte ihn, und sein Ding in ihr tat nicht mehr weh. Es kam sogar dazu, dass sich ihre Lippen begegneten, obwohl Ciah ihnen eingeschärft hatte, Lippenkontakt unbedingt zu vermeiden. Dabei konnten schwerwiegende Krankheiten übertragen werden. Doch in all dem Wirbel fragten ihre Lippen nicht nach derlei. Es war völlig unbegreiflich, wie schön, wie unendlich schön das war. Die Angst, die Frauen, selbst Ciahs Stimme blieben in diesen Sekunden weit hinter Dee zurück, und sie riss die Augen auf und sah in seine Augen, als er sich pflichtgemäß ergoss.

„Für die Artverbesserung“, keuchte er über ihr, denn das sollte man so sagen, und Dee wiederholte es, ebenfalls keuchend. Doch dann flüsterte er ihr ins Ohr:

„Ich will nur noch dich!“

Er war 16 Jahre alt, ein Jahr älter als sie, und es war das erste Mal für ihn gewesen, genau wie für sie.

Sie hatte ihn ungläubig angesehen. Gewollt zu werden! Nicht nur toleriert zu sein, weil man nun mal eben vorhanden war und weil es ohne Frauen angeblich noch immer nicht ging, sondern gewollt zu werden um ihrer selbst willen!

Als sie getrennt wurden, hatte er ihr flüsternd einen Ort genannt, an dem sie sich morgen – heute – treffen sollten. Das war nicht einfach für 331, denn dieser Treffpunkt lag außerhalb des Frauensektors. Sie musste durch einen der beiden Verbindungskorridore hinüber nach Block Arkansas, und das war nicht möglich, ohne entdeckt zu werden. Zudem war es den Frauen zwar nicht direkt verboten, ihren Sektor zu verlassen, aber es kursierten fürchterliche Geschichten darüber, was jenen widerfuhr, die es versuchten. Die Männer, die drüben lebten, waren in Scharen über sie hergefallen und hatten sie vergewaltigt, und damit war eine jede Frau für Ciah und die Artverbesserung unbrauchbar. Es war nur dann im Sinne der Artverbesserung, einen Mann wiederzutreffen, wenn die Eizelle beim ersten Versuch nicht befruchtet worden war.

Trotzdem ging 331 hinüber nach Block Arkansas, ihrer inneren Stimme gehorchend. Niemand hielt sie auf. Die Türen öffneten sich vor und schlossen sich hinter ihr, ohne dass es Alarm gab. Sie gelangte unversehrt hinüber und fand den Treffpunkt sofort, und dann drückte sie sich zu Jak in die dunkle Nische und gab sich einfach dem Gefühl hin, für das es keinen Namen gab, als er sie umarmte und sie erneut küsste. Bis Jak plötzlich entsetzt hauchte:

„Polizei!“

Doch er bekam sich sofort wieder in den Griff.

„Ich wusste es“, murmelte er. „Zieh deine Schuhe aus.“

331 war tief eingetaucht in den Wirbel des Gefühls; sie hörte zwar die eiligen Schritte in der Ferne, die in den Korridoren hallten, verstand aber nicht, was das mit ihr zu tun hatte. Dennoch tat sie, was er sagte, und im nächsten Moment lief sie auf nackten, leisen Fußsohlen neben ihm davon.

Selbst jetzt noch, auf der Flucht, konnte sie dieses Gefühl nicht begreifen. So entsetzlich und zugleich so schön! Es wies weit über alles hinaus, was sie jemals für möglich gehalten hätte, so weit, dass es kein Wort dafür gab. Mit einer urgewaltigen Kraft riss es sie fort in ein fernes, unbestimmtes Leben. Von hier aus, wo sie jetzt war, schien ihr die Vergangenheit in eine einzige große Dämmerung getaucht, während vor ihr nichts als klare Helligkeit lag. Sie musste nur Jak in die Augen blicken, um diese Helligkeit auch in ihm zu finden.

Ihr Körper war längst erschöpft, doch sie merkte es kaum. Es geschah neben ihr her, dass ihr Körper keuchte und torkelte, während sie hoch aufgerichtet zu laufen meinte, genau wie Jak. Doch dann konnte er endgültig nicht mehr. Für sie war es wie ein Erwachen, als sie mit der Schulter schmerzhaft gegen die stählerne Wand prallte. Sie taumelte und wäre beinahe gefallen. Jak fing sie auf, zog sie in die Deckung der Rippe und drückte sie in den tiefen Schatten.

„Ruhig!“, flüsterte er. „Leise! Die Polizei hat Geräte. Sie hört uns!“

Ihr war schwindlig, aber sie bemühte sich, ihr Keuchen zu unterdrücken und ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen.

„Ich … kann nicht mehr“, brachte sie mühsam hervor.

Sie befanden sich in einem staubigen, leeren Korridor irgendwo in der Peripherie von Block Arkansas. Zu beiden Seiten führte der Gang in tiefe Dämmerung; hier draußen brannte nur jede fünfte Lampe. Die nächsten Gangkreuzungen rechts und links waren kaum zu erkennen. Ein paar Türen in der Nähe, Stille bis auf die allgegenwärtigen, gedämpften Arbeitsgeräusche der schweren Maschinen der untersten Ebene. Keine Anzeichen dafür, dass da noch jemand war.

„Sind sie weg?“, fragte 331.

Jak schüttelte den Kopf. Dann wies er auf die nächste Tür.

„Verstecken wir uns!“

Er setzte über den Gang, betätigte den Öffnungssensor und winkte ihr, als die Tür offenstand. Wankend folgte sie ihm. Er verschloss die Tür wieder. Es roch staubig in der dunklen Kammer. Normalerweise hätte sich das Licht automatisch einschalten müssen, aber offenbar funktionierte hier nicht alles, wie es sollte. Nur der Sensor des Türschlosses glühte dunkelrot, ein winziger Fixpunkt, einsam in der scheinbaren Weite der Finsternis, die sie ummantelte.

„Wo bist du?“, fragte sie.

Doch statt einer Antwort spürte sie, wie Jaks Hand sie berührte. Sie tastete ebenfalls in die Dunkelheit hinaus, fand ihn, schlang ihre Arme um seine Hüften und drückte sich an ihn. Verwundert spürte sie seine Erregung. Hatte er denn keine Angst? Und schon zerrte er mit einer Hand am Reißverschluss ihres Overalls, packte sie fest mit der anderen und presste seine Lippen auf die ihren. Er wollte wieder mit ihr zusammen sein, so wie gestern.

Sie wollte es ebenfalls. Sie hatte keine Angst mehr davor. Was die Frauen ihr einzureden versucht hatten – Blödsinn! Angst? Lächerlich! Was zählte das in einem Moment wie diesem, wo es nur das Hier und Jetzt gab?

Mit zitternden Händen befreite sie sich von ihrer Kleidung. Gleich darauf warf er sie zu Boden. Vor Schreck ließ sie einen leisen Schrei fahren. Fassungslos registrierte sie die Helligkeit, die sie übergangslos erfasste, als sie sich küssten. Fast war es, als sähe sie wirklich. Doch in dieser Helligkeit gab es keine Konturen und keine Formen, sondern nur eine Steigerung: Dort, wohin sie blickte, war es heller als hier, wo sie jetzt noch war. Und sie war auf dem Weg dorthin, zusammen mit Jak.

Es war nicht schmerzhaft wie beim ersten Mal, als er in sie eindrang. Warme Wellen überrieselten sie, und als sie ihn schluchzen hörte, wurden ihre Augen nass, und sie musste weinen. Er zitterte; sie fühlte es an seinen Armen, die sie mit ihren Händen umklammert hielt. Wie er sich anspannte! Wie alles anders wurde, wie sich aus diesem Moment heraus eine neue Zukunft formte und wie nichts mehr war wie früher!

Da flog die Tür auf. Ein Schatten, ein Umriss erschien vor dem helleren Hintergrund des Korridors dort draußen, eine Gestalt mit unförmigem Kopf, die einen langgestreckten Gegenstand auf Jaks Rücken richtete. Er sah die Gestalt nicht, aber dass es in der Kammer heller wurde, konnte ihm nicht entgehen. Doch er schloss nur die Augen. Dies war sein Moment. Was danach kam - egal. Sie spürte, wie er in ihr zuckte, und sie hörte sein Stöhnen, als er sich entlud.

„Dee!“, stöhnte er.

Donner, ein Lichtblitz. Jak seufzte tief auf. In seinem Brustkorb brodelte es, aber er hielt sich auf seinen Armen, noch zuckte er in ihr. Ein zweiter Donner, und sein Kopf flog weg. Eine warme Masse spritzte durch die Kammer, in hohem Bogen sprudelte heißes Blut aus seinem Halsstumpf über Dee hinweg, und nun brach der Rumpf über ihr zusammen, der schwere Körper begrub sie unter sich.

Zwei Männer stürzten hinter dem Schatten hervor in die Abstellkammer, wälzten Jaks Körper zur Seite, packten Dee an den Armen und zerrten sie hinaus. Der Gang draußen, das Licht, die Männer, alles war rot von Blut, und ihr Gesicht war heiß.

„Schlampe!“, zischte jemand neben ihrem Ohr. Ihr wurde etwas in den Mund gestopft, und sie dachte: Ja, ich will ersticken! Aber das Ding sollte nur verhindern, dass sie schrie. Ein Stich an ihrem Hals, ein Zischen; einer der Männer hatte ihr ein Mittel injiziert, während der andere ihre Vagina untersuchte.

„Verunreinigt“, sagte er. „Ciah wird dich neutralisieren.“

Das alles berührte sie kaum. Hauptsache, sie spürte Jak noch, den Nachklang seines Zuckens, seinen Geruch. Sie beobachtete den dritten Polizisten, der mit dem Gewehr in der Hand vor der offenen Tür der Kammer stand und immer noch hineinblickte. Er trug einen Anzug, wie sie ihn nie zuvor gesehen hatte. Durch das Visier seines Helmes konnte sie sein unbewegtes Gesicht sehen, als er Jaks Leichnam betrachtete. Dann wurde ihr übergangslos schwindlig, und alles um sie her versank in einem flimmernden Nebel. Das letzte, was sie sah, war der Blick des Schützen, der kalt auf ihr lag.

Doch sie konnten ihr nichts tun, denn sie hatte jetzt einen Namen. Den Namen, den Jak ihr gegeben hatte.

Dee.

Genetics

1.

Das Wasser auf der Haut tat gut. Kühl rann es an Cals aufgeheiztem Körper hinab. Cal stand still unter der Brause, die Beine gespreizt, den Unterleib leicht vorgereckt, und hielt sein Gesicht in den perlenden Dauerbeschuss. Er spürte jeden einzelnen Tropfen, der auf seinen Körper traf, er spürte jeden Quadratmillimeter seiner Haut, über den die Tropfen perlten, und er fühlte sich gut.

Er genoss das Gefühl, Teil von Ciahs Ordnung zu sein und wieder einmal seinen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass Block Arkansas perfekt funktionierte. Ciah war groß, und ihre Ordnung war umfassend. Cal erschauerte jedes Mal, wenn ihn eine Ahnung davon anflog, wie perfekt alles ineinander griff. Es war keineswegs selbstverständlich, dass er sich mit Wasser berieseln lassen durfte. Ciah unternahm große Anstrengungen zur Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufs, damit zwei Millionen Tics täglich zweimal duschen konnten. Die meisten Tics dachten kaum darüber nach, welchen Aufwand Ciah da betrieb, aber Cal kannte einen Techniker, der auf den unteren Ebenen von Block Arkansas im Park der schweren Maschinen für Wasseraufbereitung und Wasserkreislauf anpackte. Sie hatten sich ein paar Mal getroffen und beim dritten Date schließlich auch miteinander gesprochen. Mik hatte von seiner Arbeit erzählt. Cal war zurückhaltender.

Alles war bestens geregelt.

Cal stand mit geschlossenen Augen unter der Dusche, aber seine Fühler waren ausgestreckt, und er spürte, dass andere Tics in der Nähe duschten. Auch wenn er so tat, als ginge ihn das nichts an, hätte er nichts dagegen gehabt, wenn sich einer vor ihn hingekniet und sich mit dem Mund das geholt hätte, was das Wertvollste an Cal war – seinen Samen. Er kannte ein paar Tics, die ganz gierig danach waren, und der Gedanke daran erregte ihn sogar ein wenig. Als ob sich seine Klasse auf sie übertrug, indem sie etwas von ihm zu sich nahmen. Aber von den anwesenden Tics traute sich keiner. Cal war Premium, die aktuelle Krone auf dem Weg der Artverbesserung, wie jeder leicht anhand seiner grünlich opalisierenden Haut und seinen klaren, grünen Augen erkennen konnte. Alle anderen, die gerade duschten, waren höchstens Plus, zwei Stufen unter ihm. Darum achteten sie auf den gebührenden, respektvollen Abstand.

Ist auch besser so.

Cal hatte ohnehin keine Zeit. Nicht mal fünf Minuten. Sein Wasserkontingent war in diesem Moment verbraucht, und die Dusche stellte ihre Arbeit automatisch ein. Außerdem musste er in zehn Minuten auf dem Revier sein. Der Captain wollte ihn sprechen. Es ging zurzeit ein bisschen durcheinander in der Revierzentrale, nachdem Smit versagt hatte. Smit hatte jahrelang einen guten Job gemacht. Vor fünf Jahren war er Stufe Premium gewesen, bevor Cal mit seinem aktuelleren Hauttyp nachgerückt war. Nun war er Geschichte. Selbst Ciah konnte nicht vorhersehen, wann ein verdienstvoller Polizist wie Smit versagte.

Cal öffnete die Augen und griff nach seinem Handtuch. Als er sich umdrehte, blickte er in die grünen Augen eines jungen, muskulösen Tics vom Bodytyp Mechaniker, Hauttyp allenfalls Plus, der sich ein Handtuch um die Hüfte geschlungen hatte und dessen Blicke an Cals Schulter hingen.

„Darf ich mal anfassen?“, fragte der Bursche.

Schon die Frage war eine Frechheit, eine unerhörte Grenzüberschreitung. Man fasste einen wie Cal nicht einfach an, so neugierig man auch darauf war, wie sich dieser neueste Hauttyp anfühlte. Doch dass der Bursche die Antwort nicht abwartete …

Cal schlug die Finger des Jungen grob beiseite, bevor er ihn berühren konnte.

„Reicht!“, knurrte er drohend.

„Entschuldige“, sagte der Tic. „Du bist älter als ich, aber Premium, während ich nur Plus bin. Warum bin ich nicht Premium?“

„Weil Ciah es auf dem Weg der Artverbesserung so geplant hat.“

„Das weiß ich selbst, aber sie hätte es doch anders planen können …“

„Bist du überhaupt schon erwachsen?“, fragte Cal mit düsterer Miene. Da ließ der Bursche die Schultern hängen.

Dachte ich mir. Noch keine 16. Er hat eine Frage gestellt. Eine Warum-Frage. Das tut ein Erwachsener nicht.

„Du verschwindest jetzt besser“, sagte Cal, während er sich abtrocknete. Ihm flog die Zeit davon. Im Scherz fügte er hinzu: „Oder soll ich die Polizei rufen?“

„Ich wollte nur bei den Männern duschen.“

„Verschwinde!“, brüllte Cal ihn an, und der Bursche verzog sich an einen Spind.

Auch die anderen Tics musterten Cal vorwurfsvoll. Er konnte sich denken, dass sie gern ihren Spaß mit dem Jungen gehabt hätten. Das war zwar nicht verboten, aber Ciah sah es nicht gern, wenn Kinder, auch wenn sie kurz vor dem Erwachsenwerden standen, schon zu den Männern gingen. Cal kümmerte sich nicht um die Blicke der anderen. Rasch zog er sich an.

Als er die Tür des Spindes schloss, stand der Bursche plötzlich wieder vor ihm. Der offensichtliche Qualitätsunterschied zwischen ihnen schien ihn tatsächlich nicht zu beeindrucken.

„Heute Abend im Dark Room, wenn du willst“, sagte er. „Ich heiße Ric.“

„Du solltest noch nicht ins Dark Room gehen“, mäkelte Cal, doch Ric gab nur ein patziges:

„Mach ich aber!“, zurück, ehe er sich umwandte und wegging.

Nun musste Cal doch grinsen. Der Kleine war so frech und mutig, dass Cal – ob er wollte oder nicht – von ihm eingenommen war. Vermutlich hätte Cal ihn zusammenschlagen können, und trotzdem hätte der Kleine ihn hinterher aufgefordert, ihn zu ficken.

Cal hatte damit ein Date für heute Abend. Er würde sich noch überlegen, ob er es eingehen würde. Erst mal sehen, was der Tag noch brachte. Doch der Gedanke, dass er jeden Tic haben konnte, den er wollte, egal wie stark, wie jung, wie schön derjenige war, befeuerte seine gute Laune.

Vom Sportzentrum war es nicht weit bis zur Zentrale von Revier 27 – hundert Meter den Korridor rechts entlang, dann auf einer belebten Gangkreuzung links abgebogen, und schon nach wenigen Schritten weitete sich der Korridor zur Plaza Bella, vier Stockwerke hoch, umringt von Galerien, wo die oberen Stockwerke an die Plaza stießen, und überkrönt von einer weiten Kuppel, die an den Rändern hell und weiß leuchtete und im Zentrum tiefblau schimmerte; und hier, im Zentrum der Kuppel, kreiste Ciahs Symbol in strahlendem Grün um seine Achse wie in all den Jahren seit der Inbetriebnahme von Block Arkansas: zwei stilisierte Chromosomen, die unzertrennlich umeinander gekrümmt waren. Jeder verstand die Botschaft.

Wir gehören zusammen – Ciah und ihre Tics.

Mitten auf der Plaza stand eine mächtige Säule aus Plexiglas, in der eine Armee von Riesenalgen ihre Arme dem Licht der Oberfläche entgegenstreckte, von einer kreisenden Strömung zu langsamem Wedeln angetrieben. Es gab Algen in unzähligen Formen und Farben: dunkelrote, die mit blasenartigen Strukturen übersät waren, hellgrüne, an deren Körpern sich tellerförmige Blätter aneinanderreihten, blaugrüne, purpurfarbene – und natürlich die riesigen, viele Meter hohen, schmutziggrünen Kelp-Algen. Ciah erteilte Anschauungsunterricht: Seht her, Tics – aus diesen Pflanzen ist alles, was ihr esst, ist alles, was ihr am Körper tragt; aus diesen Pflanzen seid ihr selbst. Jeder Tic wusste, dass solche Pflanzen in schier unendlichen Mengen in riesigen Tanks unten auf den Maschinenebenen wuchsen.

Der Anblick der Algen war für Cal alltäglich, so dass er kaum einen Blick darauf verschwendete, aber manch anderer Tic hatte nicht jeden Tag Gelegenheit, Plaza Bella aufzusuchen. Und so fanden sich immer Schaulustige, die auf den Bänken und Stühlen rund um das Algenaquarium Entspannung suchten und über Ciahs Ordnung staunten, während sie ihr Algenbier tranken, aus Bechern, die ebenfalls aus Algen hergestellt wurden und die sie hinterher essen konnten. Die andere Möglichkeit war, sie sich wieder vollschenken zu lassen. Kellner mehrerer Bars und Kantinen der A-Ebene von Plaza Bella kümmerten sich darum, dass niemand Durst leiden musste.

Plaza Bella war das Zentrum des öffentlichen Lebens von Revier 27. Hier befand sich auch der Haupteingang der Revierzentrale, Cals Arbeitsplatz. Dreißig Sekunden vor der befohlenen Zeit betrat Cal den Komplex von Räumen, Sälen und Korridoren, in denen diejenigen Dienst taten, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig waren.

Cal trug die bequeme, graue, kurzärmlige Dienstuniform, die ihn als Ciahs Polizisten auswies. Ihr war es zu verdanken, dass ihm überall, wohin er kam, bereitwillig Platz gemacht wurde. Iam kam ihm auf dem Korridor entgegen, einer der Lieutenants, der ihn normalerweise nicht beachtete – sie waren beide Premium, aber Cal war der Jüngere. Iam nickte ihm zu und sagte im Vorbeigehen:

„Guter Job, Sergeant. Perfekte Arbeit. Ciah wird zufrieden sein.“

Cal salutierte und erwiderte:

„Danke, Sir!“

Doch der Lieutenant war schon weitergegangen. Cal runzelte die Stirn. Nein, er mochte Iam nicht. Allein schon dieser drahtige, breitschultrige, langbeinige Körperbau des Bodytyps Offizier war einfach nicht nach Cals Geschmack. Zum Glück hatte Iam ihn noch nie zum Ficken aufgefordert. Vermutlich entsprach Cal umgekehrt ebenso wenig Iams Geschmack.

Auf die begeisterten Kommentare zweier Officer vom Hauttyp High-Q, die er auf dem Weg zum Captain traf, reagierte er mit einem hinnehmenden Nicken.

„Hast den Perversen nach allen Regeln der Kunst fertiggemacht“, sagte der eine, und der andere fügte hinzu:

„Cheers!“

Ausdruck höchster Bewunderung!

Cal fasste den Officer kurz in den Blick. Gehörte zur Mannschaft von Smit. War nun wohl frei. Wollte auf sich aufmerksam machen. Wirkte geschmeidig. Vielleicht sollte Cal sich mal mit ihm treffen. Er war schon seit einer Weile mit Orge, einem der Officer in seinem Team, nicht mehr zufrieden – Orge war nur Hauttyp Plus. Ein weiterer High-Q würde das Ansehen von Cals Team erhöhen. Zudem hatte der Officer diese extrem grünen, strahlenden, zukunftweisenden Augen, die auch Cal hatte.

Da öffnete sich die Tür zum Büro des Captains, und der Captain trat heraus, blickte den hell erleuchteten Gang entlang und entdeckte Cal.

„Wo bleibst du denn!“, funkelte er Cal an. „Fünf Sekunden zu spät!“

„Entschuldigung, Sir!“

Iam hat mich aufgehalten.

Cal salutierte und richtete die Augen geradeaus.

„Lass das! Ein Held wie du sollte nicht vor einem Auslaufmodell wie mir geradestehen.“

Cal ließ verblüfft die Hand sinken. Warum betonte der Captain das Wort „Held“ in dieser Weise? Machte er sich etwa über Cal lustig?

Der Captain war der diensthöchste Offizier der Polizeitruppe von Revier 27 und der älteste Tic, von dem Cal wusste. Die Officer erzählten sich, er sei über vierzig Jahre alt! Sein Hauttyp war von silbrig-bleichem Glanz und war sonst nirgends anzutreffen. Ganz sicher gehörte er keiner der höheren Qualitätskategorien aktueller Hauttypen an. Trotzdem hatte Ciah ihn nicht den Unverwertbaren zugeordnet, die sich im Park der schweren Maschinen ihr Lebensrecht erarbeiteten. Es wurde sogar erzählt, dass der Captain trotz seines Alters und seines Hauttyps regelmäßig seine Pflicht auf dem Weg der Artverbesserung tun musste. Wahrscheinlich war er Träger seltener Gene. Ciahs Wegen waren unüberschaubar. Vielleicht folgte sie in einem Seitenast der Artverbesserung Leitlinien, bei denen nicht der Hauttyp im Vordergrund stand, sondern andere Eigenschaften, die weniger offensichtlich waren.

Die Luft im Büro des Captains roch irritierend dumpf und verbraucht. Der Captain schien die Umwälzung auf fast Null heruntergefahren zu haben. Und es lag ein Hauch von Bar in dieser schweren, stickigen Luft, es roch nach Alkohol. Auf einem Tisch stand eine Flasche mit grünem Algenwhisky, davor standen zwei Gläser.

Er hat im Dienst getrunken!

Cal blickte hinauf zu den Kameras. Überall in Block Arkansas gab es Kameras, selbst im Büro des Captains. Ciah musste zugesehen haben! Die Flasche war halb leer!

Ehe der Captain, so hoffte Cal wenigstens, seinen Seitenblick bemerkte, bekam Cal sich wieder in den Griff. Natürlich stand es ihm nicht zu, den Captain zu kritisieren. Wäre er Lieutenant wie Iam, hätte er vielleicht ein offenes Wort gewagt, aber als Sergeant hielt er besser den Mund.

Der Captain schloss die Tür des Büros und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, wobei er Cal, der stehenblieb, keinen Moment aus dem Blick seiner wachen hellblauen Augen entließ. Durch ein großes Fenster hatte er von seinem Arbeitsplatz aus Überblick über ein großes Büro, in dem etwa zwei Dutzend Tics an ihren Pulten das öffentliche Leben in Revier 27 regelten.

Cal versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Wie betrunken war der Captain? Warum hatte er Cal hierher beordert? Die Art, wie er den Stift in den Fingern drehte, machte Cal unruhig.

„Großartige Arbeit, Sergeant“, sagte der Captain mit ruhiger Stimme. Ihm war nicht der geringste Hauch von Betrunkenheit anzumerken. „Tics wie dir ist es zu verdanken, dass Ciahs Ordnung stabil ist. Ich bin sicher, dass Ciah es dir danken wird.“

„Danke, Sir.“

„Du hast uns alle mit deiner Arbeit wieder einmal daran erinnert, was Ciahs Ordnung ist. Wir gehen zu den Frauen, wenn Ciah es uns sagt. Wir mögen es nicht, aber wir tun unsere Pflicht im Sinne der Artverbesserung. Freiwillig Kontakt zu Frauen zu suchen ist widernatürlich und muss bestraft werden.“

„So will es Ciah, und so ist es richtig“, sagte Cal – die Formel aus den Dankesmessen, zu denen sich die Tics an Feiertagen versammelten. „Es ist mir unerklärlich, wie ein Tic freiwillig gemischtgeschlechtlichen Verkehr suchen kann, und ich verstehe nicht, wieso das immer wieder passiert.“

„Sei froh, Junge. So hast du einen respektierten Job.“

„Ja, Sir!“

Der Captain seufzte.

„Ich muss schon morgen wieder meinen Beitrag zur Artverbesserung leisten“, offenbarte er Cal. „Ich mit meinen 48 Lebensjahren? Ich bin der älteste Tic des Reviers, und trotzdem …“

Cal musste sich beherrschen, um den Captain nicht entsetzt anzustarren. Diese persönliche Bemerkung war unangemessen.

„Das … ist bedauerlich, Sir“, erwiderte Cal mühevoll zackig.

„Wann ist dein nächster Einsatz zur Artverbesserung befohlen?“

„In zwei Wochen, Sir.“

„Du bist natürlich oft dran, du hast den aktuellsten Hauttyp. Ciah braucht deine Gene. Macht es dir Spaß?“

„Ich tue meine Pflicht.“

Da geschah etwas, was unter Tics nur sehr selten vorkam: Der Captain lachte. Dabei wurde seine Gesichtshaut wellig – ein Beleg dafür, dass das Bindegewebsproblem bei seinem Hauttyp noch nicht gelöst war. Bei Cal legte sich die Haut angemessen in grobe Falten, wenn er denn einmal lachte, aber bei älteren Hauttypen war die Epidermis häufig noch zu starr konstruiert.

Erst jetzt fielen Cal die silberglänzenden Einsprengsel in der blauen Iris des Captains auf.

Der Captain wurde von einem Augenblick auf den anderen ernst.

„Du fragst dich sicher, warum ich dich her befohlen habe“, sagte er. „Ich weiß, ihr Tics redet nicht viel miteinander, und schon gar nicht über Persönliches. Zu meiner Zeit war das noch anders. Wir konnten uns noch anvertrauen. Du findest das vermutlich … unpassend?“

„Captain, Sir …“

„Die Art, wie die Dinge sich entwickeln, gefällt mir nicht, aber du bist ein guter Polizist, und darum habe ich dich bei Ciah als meinen Nachfolger vorgeschlagen. Das wollte ich dir sagen, deswegen bist du hier. Du sollst der nächste Captain von Revier 27 werden. Ich habe keine Ahnung, wann Ciah mich einbehält. Wann ist also der richtige Moment für ein persönliches Wort zwischen dem Captain und seinem möglichen Nachfolger?“

„Aber ich bin nur Sergeant“, antwortete Cal eingeschüchtert. „Um Captain zu werden …“

… muss ich das Offizierspatent machen. Wenn Ciah es will …

Der Captain schwieg einige Sekunden lang, während die Blicke seiner blauen Augen Cals Gesicht abtasteten. Dann erhob er sich von seinem Stuhl, wanderte zur Hälfte um seinen Schreibtisch herum, verschränkte seine Finger hinter seinem Rücken und richtete seine Blicke gegen die Seitenwand seines Büros, als könne er ihren Stahl durchdringen und ebenso die Wand des Raumes dahinter, die Wände aller weiteren Räume, Hallen, Quartiere und Korridore. Sein Blick durchdrang den Stahl von Block Arkansas bis zur Außenhaut, bis zur Gelschicht, die Block Arkansas gegen Erdstöße abschirmte und zur Energieerzeugung diente, und noch durch das Gel hindurch drang er in den Fels der Kruste des Planeten vor, in der Block Arkansas schwebte, von Gel umflossen.

„Wie viele Kinder hast du?“

Die Frage kam so unvermittelt, dass sie Cal wie ein Schlag traf.

„Kinder?“, fragte Cal verständnislos.

„Meistens kommt ein Kind dabei heraus, wenn du zu einer Frau gehst. Vielleicht sollte ich besser fragen: Wie oft warst du bei einer Frau?“

Diese Frage konnte Cal leicht beantworten. Wie die meisten Tics zählte auch Cal diese Begegnungen.

„126 mal, Sir.“

„Du könntest demnach 126 Kinder haben.“

„So will es Ciah, und so ist es richtig.“

Der Captain lachte erneut und wandte sich dann zu Cal um. Derselbe Blick, der gerade noch Block Arkansas bis zu seinen Grenzen durchwandert hatte, bohrte sich plötzlich in Cals Kopf.

„Bei mir könnten es 2000 sein“, sagte er. „Und im Gegensatz zu dir kann ich sicher sein, bereits einigen dieser Kinder begegnet zu sein, denn Ciah verwertet sie auf die unterschiedlichsten Weisen, aber einige leben unter uns in Block Arkansas.“

Cal schluckte, als er begriff, was der Captain ihm da möglicherweise sagen wollte.

„Du willst sagen, dass du mein … mein Erzeuger bist?“

Der Captain setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.

„Ich will gar nichts sagen“, sagte er langsam. „Ich mache mir nur meine Gedanken. Das ist etwas, was ihr Tics verlernt habt. Schau, ich war einmal Premium. Nicht vom Hauttyp her, aber einige andere Eigenschaften meines Genotyps sind nützlich, so dass Ciah sie gern einkreuzt. Sie braucht mich zur Artverbesserung, obwohl ich alt bin. Die Kriterien für den optimalen Tic bestehen ja nicht nur aus Merkmalen des Hauttyps. Ciah verfolgt verschiedene Linien, wie ich weiß, ...“

Und Ciah hört auch jetzt zu …

„… und es geht bei Got, dem Tic der Zukunft, nicht ausschließlich um die optimale Struktur der Haut oder um eine möglichst strahlend-grüne Augenfarbe. Hast du dich schon jemals gefragt, warum Ciah dich zu den militärstrategischen Schulungen schickt?“

Ja …

„Nein, Sir“, antwortete Cal im letzten Moment, im Innersten erschrocken – denn Tics stellten keine Fragen.

So will es Ciah, und so ist es richtig.

Er musste sich den Satz ihres Glaubensbekenntnisses mehrmals in Gedanken aufsagen, um den Schrecken darüber zu überwinden, dass der Captain ihm eine Warum-Frage gestellt hatte!

Er will mir eine Falle stellen!

Der Captain wollte Ciah vorführen, dass Cal sich verbotene Fragen stellte!

Aus dem Geplänkel war plötzlich ein gefährliches Verhör geworden!

Aber warum?

„Doch, hast du“, fuhr der Captain gnadenlos fort. „Immer, wenn du diese Simulationen mit Marschflugkörpern, Drohnen und mit den Höhlenfestungen der Islamisten durchspielst, fragst du dich, was das soll.“

„Nein, Sir“, erwiderte Cal mit leicht zitternder Stimme. „Ciah hat dieses Training für mich bestimmt, und daher ist es richtig.“

„Und welchen Sinn hat es?“, fragte der Captain schonungslos. „Gibt es etwa irgendwo in Block Arkansas Höhlenfestungen der Islamisten, die zu erobern wären?“

Er stellt die Sinn-Frage und zweifelt Ciahs Willen offen an, so dass Ciah selbst es hören kann …

Cal wusste nicht, was er sagen sollte – und genau das sagte er auch.

„Ich weiß es nicht. Ich stelle mir solche Fragen nicht.“

Das war für Ciah bestimmt. Cal wusste, was er Ciahs Ordnung schuldig war.

Der Captain dagegen schien nicht die geringste Scheu zu haben, die widerlichsten Fragen auszusprechen.

„Das bedeutet, dass Ciah dich für eine Führungsposition vorgesehen hat“, sagte er. „Zurzeit bist du noch ein einfacher, aber effizienter Sergeant, der Sexverbrecher zur Strecke bringt und gebärfähige Frauen sichert, aber bald wirst du mehr sein. Vielleicht wirst du sogar mein Nachfolger.“ Und leise fügte er hinzu: „Vielleicht bist du mein Sohn.“

Selbst wenn – welche Rolle spielt das? Was bedeutet es, Sohn zu sein? Dass ich seine Gene trage, mehr nicht.

Cal diente der Artverbesserung, nichts anderem. Er war niemandes Sohn, es sei denn Ciahs. Und so, wie dieser alte, erbärmliche Tic mit seiner bleichen, schlaffen Haut aussah, hielt Cal es für völlig unvorstellbar, dass es zwischen ihnen auch nur den Hauch einer genetischen Verbindung geben könnte. Der Alte musste sich bei seinen alkoholischen Exzessen in irgendwelchen Wahnvorstellungen verheddert haben.

Cal beherrschte sich mühsam, um seine Verachtung für den alten Tic tief in sich zu verschließen.

Der Captain schüttelte unwillig den Kopf.

„Ich sehe, ich bin nicht durchgedrungen“, sagte er und baute sich dicht vor Cal auf, so dass Cal den Algenwhisky deutlich riechen konnte, und sagte: „Unabhängiges Denken, Cal!“

Cal verschluckte sich fast.

„Wozu hast du einen Kopf? Wozu hat Ciah dir Verstand gegeben? Damit du ihr alles nachplapperst, was sie dir im Lauf deiner paar Lebensjahre eingeimpft hat? So will es Ciah, und so ist es richtig? Aber vielleicht ist es nicht richtig? Sind eventuell Zweifel erlaubt? Nein? Warum nicht?“

Cal wurde von Angst gepackt.

Der Mann ist wahnsinnig.

„Sir, geht es dir nicht gut?“

„Mir geht es bestens“, gab der Captain seufzend zurück, und seine Schultern sagten resignierend herab. „Ich verzweifle, weil niemand um mich herum auch nur minimale Tendenzen zeigt, unabhängig zu denken!“

Er trat an den Tisch, auf dem die Flasche Algenwhisky stand, und schenkte die beiden Gläser voll.

Cal schaltete schnell.

„Sir, ich bin zu einem weiteren Gespräch einbestellt, einem Gespräch mit Ciah“, sagte er, bevor der Captain ihm einen Drink anbieten konnte. Er wollte hier raus!

„Ich weiß.“

Der Captain hob das erste Glas an den Mund und kippte den Whisky in sich hinein. Dann ergriff er das andere, prostete in Cals Richtung und ließ seinen Inhalt langsamer dem des ersten folgen.

„Ich könnte dein Vater sein“, sagte er leise, so dass Cal, der zur Tür zurückgewichen war, ihn kaum noch verstand. „Denk daran, wenn du dich gleich mit Mutti unterhältst.“

Cal salutierte, riss die Tür auf und atmete erleichtert die frische Luft aus dem Korridor ein. Er fasste sich ein Herz und wandte sich noch einmal an den Captain:

„Sir, vielleicht solltest du hier drin einfach nur mal richtig lüften.“

Die Augen des Captains wirkten nun müde, und Cal konnte nicht beurteilen, ob er überhaupt verstand, was Cal gesagt hatte. Er ließ sich jedenfalls mehrere Sekunden Zeit, ehe er den Kopf schüttelte und antwortete:

„Nein. Es wird durch die Lüftung kommen.“

Nun hatte Cal keinen Zweifel mehr: Der Captain war wahnsinnig.

Er salutierte pflichtschuldig und schloss dann eilig die Tür von draußen.

Ein Officer vom Plus-Typ, den Cal beinahe umgerissen hätte, sprang gerade noch rechtzeitig vor ihm zurück, ehe er erschrocken vor Cal salutierte.

„Entschuldigung, Sir.“

Cal knurrte nur zur Antwort. Er schwitzte am ganzen Körper, seine Haut hatte Mühe, ihn ausreichend abzukühlen. Sie fühlte sich an, als ob sich direkt unter ihrer Oberfläche große Wasserblasen ansammelten. Das erzeugte eine unangenehme Spannung auf seiner Haut, die nass war, doch nicht nass genug. Cal brauchte seine Kühlungsjacke!

„Eine kühle Dusche, Sir?“, fragte der Officer.

„Was geht dich das an!“, fuhr Cal ihn an und versuchte, sich zusammenzureißen. Er dachte an seinen Spind hinten links in der Mannschaftsumkleide am Ende des Korridors. Dort hatte er eine Kühlungsjacke deponiert.

„Entschuldigung, Sir“, wiederholte der Officer, der einige Jahre älter war als Cal. Offenbar meinte er, dass ihm dies das Recht gab, ein lockeres Gespräch zu beginnen, obwohl Cals Rang höher war. „Wollte nur helfen. Der Captain ist in letzter Zeit … schwierig. Jeder, der aus seinem Büro kommt, hat Angst.“

„Ich habe keine Angst!“

„Natürlich nicht, Entschuldigung, Sir. Hast du das Gerücht gehört, dass der Captain seiner zehnten Organtransplantation entgegensieht?“

Nein, hatte Cal nicht, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr der Officer fort:

„Diesmal ist angeblich das Gehirn dran.“

Es reichte! Übler Scherz. Warum wurden heute alle übergriffig? Der eine versuchte, ihn unangemessen zu berühren, der andere zwang ihm ein persönliches Gespräch auf und zweifelte Ciahs Ordnung an, und dieser Kerl hier meinte also, Cal beiläufig über den Tratsch informieren zu dürfen, der in der Revierzentrale kursierte? Und fand das möglicherweise noch witzig? Gehirntransplantation, sehr komisch! Drei Grenzüberschreitungen in kürzester Zeit. Irgendwann lief selbst das geräumigste Fass über.

Cal rammte dem Officer die geballte Faust in die Magengrube und brüllte sofort danach:

„Steh gerade, Officer!“, während der Mann sich noch vor Schmerzen krümmte. Cal wiederholte den Befehl, und als der Officer ihm auch jetzt nicht nachkam, warf Cal sich den Burschen einfach über die Schulter und trug ihn zum Zellentrakt.

„Befehlsverweigerung“, sagte er zum diensthabenden Sergeant, Premium-Typ, „zwei Tage Haft und Disziplinarverfahren. Der Officer hat unter anderem das Gerücht verbreitet, der Captain bekomme ein neues Gehirn.“

Der Sergeant verzog das Gesicht, sagte aber nichts.

„Nichts als Scheiße im Kopf“, kommentierte Cal.

„Verzieh dich, Scheißkerl!“, knurrte der Sergeant und beachtete Cal nicht mehr, sondern kümmerte sich um den Officer, der sich immer noch krümmte.

2.

Aufatmend lehnte sich Cal an die Wand neben seinem Spind, als die Kühlungsjacke ihre Arbeit aufnahm. Binnen weniger Minuten brachte sie Cals Körpertemperatur auf die gewohnten 35,5 Grad.

Einmal mehr hatte Cal zu spüren bekommen, dass er nicht perfekt war. Es kotzte ihn an! Ciah hatte offenbar noch einiges zu tun, bis sie die Artverbesserung ans Ziel gebracht haben würde. Vielleicht war man in einem der anderen Blocks weiter fortgeschritten, aber daheim in Block Arkansas stellte Cal die gegenwärtige Krone von Ciahs Schöpfung dar. Seine Haut war von außen so gut wie undurchlässig, sie bildete eine wirksame Barriere gegen alle bekannten schädlichen Umwelteinflüsse. Ciah hatte Tests mit Cal gemacht, ihn in Kammern geschickt und ihn Gasen ausgesetzt, die für die Vorfahren der Tics – Ciah nannte sie Menschen – tödlich waren. Diese „Kampfstoffe“, wie Ciah diese Gase nannte, hießen Senfgas, Sarin, VX. Einige weitere Kampfstoffe hatten nur Seriennummern; Ciah hatte sie selbst entwickelt. Cal hatte bei diesen Versuchen lediglich eine Atemmaske getragen, und es hatte sich erwiesen, dass die Gifte nicht über die Haut in seinen Körper gelangten. Das war eines der Ziele auf dem Weg der Artverbesserung, und es war in Cal erreicht: In dieser Hinsicht war Cal bereits der Tic der Zukunft.

Noch besser war er bei den „lebenden Kampfstoffen“. Ciah hatte ihm erklärt, dass es sich dabei um mikroskopisch kleine Lebewesen handelte, die in einem menschlichen Körper unvorstellbare Verheerungen anrichten konnten. In Cals Körper richteten sie überhaupt nichts an. Pest, Pocken, Grippe, Ebola, Milzbrand – all diese Erreger bissen sich an Cals Immunsystem die Zähne aus. Cals Immunsystem war das Ergebnis von 150 Jahren stetiger Entwicklungsarbeit. Sein Immuntyp war genau wie sein Hauttyp: Premium.

Leider hatte diese Fortschrittlichkeit ihren Preis: Cals Haut regelte die Temperatur seines Körpers nur in engen Grenzen zuverlässig. Jenseits davon reagierte sie schwerfällig. Um ihn zuverlässig zu kühlen, musste sie schwitzen, aber seine Poren reagierten zu träge. Vor dem Sport musste er sich daher immer gründlich aufwärmen, um seiner Haut Zeit zu geben, sich auf die nötige Wärmeabfuhr einzustellen. Mit plötzlichen Temperaturanstiegen hingegen kam sie nicht zurecht.

Cal hatte auf seinem Bodykom nachgesehen, dem kleinen Multifunktionsgerät, das alle Tics am Handgelenk trugen: Seine Körpertemperatur war im Büro des Captains kurzfristig auf 37,8 Grad angestiegen, in jenem Moment, als er Angst bekommen hatte. Ciah würde ihn bestimmt fragen, was da vorgefallen war. Im Nachhinein verstand er sich selbst nicht. Angst – vor einem alten Mann, den er jederzeit mit Leichtigkeit fünf Meter weit gegen die Wand werfen konnte?

37,8 Grad, das war ernst zu nehmen, das war nicht weit entfernt von den 39 Grad, bei denen es kritisch wurde. Bei dieser Temperatur bestand die Gefahr eines irreversiblen Hitzestaus. Dann konnte seine Haut ihn nicht mehr kühlen, sein Körper würde sich in einer Art Schaukeleffekt immer mehr aufheizen. Dann half nur noch kaltes Wasser – oder die Kühlungsjacke.

Früher seien Tics in ihrer Haut geradezu gekocht worden, hieß es. Aber dann hatte Ciah die Kühlungsjacke entwickelt. Jeder Tic bestimmter Hauttypen hatte eine solche Jacke. Außerdem hatte Ciah die Durchschnittstemperatur in Block Arkansas auf 17 Grad heruntergefahren. Bei dieser Temperatur fühlten sich hochentwickelte Tics am wohlsten.

Cals Bodykom begann zu surren und zu brummen, und angenehme Vibrationen krochen vom Handgelenk ausgehend seinen Arm hinauf.

Ciah wünscht Kontakt!

Cal sah auf die Uhr – er war fünf Minuten überfällig. Genau die Zeit, die er zur Kühlung benötigt hatte. Eigentlich sollte er schon am Terminal sitzen und sich mit Ciah unterhalten. Doch Ciah würde sich den Grund für seine Verspätung denken können und nachsichtig sein. Sie kannte die Daten des Bodykom und wusste, dass er sich kühlen musste. Deswegen meldete sie sich auch erst jetzt und nicht schon vor fünf Minuten.

Effizienz. Wir nehmen uns die Zeit, vergeuden sie aber nicht. Jede Minute kann uns auf dem Weg der Artverbesserung entscheidend voranbringen.

Cal erhob sich, ging zur nächsten Kom-Kammer und zog die Tür hinter sich zu. Die einzige Lichtquelle in der Kammer war der bläulich glimmende Monitor, auf dem Ciahs Symbol sich wie gewohnt um seine Achse drehte, die grünen, ineinander gekrümmten Chromosomen. Cal fühlte sich sofort weich, umsorgt, behütet – allein mit Ciah. Aufatmend ließ er sich auf den Stuhl vor dem Monitor sinken und hielt sein Bodykom an den Scanner.

Ciah war sofort da.

„Hallo, Cal!“

Ihre Stimme klang wie gewohnt sanft, weich und verständnisvoll, und wie immer, wenn er sie nach längerer Trennung wieder hörte, rieselte ein angenehm kühler Schauer seinen Rücken hinab. Diese Stimme hatte ihm Märchen erzählt, als er ein Kind gewesen war, sie hatte ihn erzogen und erteilte ihm Befehle.

„Hallo Ciah, entschuldige bitte, dass ich mich verspätet habe.“

„Das ist in Ordnung, Cal. Ich habe deine Daten durchgesehen. Du musstest dich zunächst kühlen, das hatte Vorrang vor allem anderen.“

Sie machte eine Pause. Währenddessen drehten sich die Chromosomen auf dem Monitor, wie sie sich seit 150 Jahren drehten. Cal wartete geduldig auf Ciahs Worte.

„Ich höre, es ist alles glatt gelaufen“, sagte sie. „Du hast einen Sonderauftrag zu meiner vollen Zufriedenheit erledigt und den Sexverbrecher bestraft.“

„Ich war zwei Minuten zu spät“, wandte Cal ein.

„Natürlich. Du warst nicht im Dienst, nicht einmal in Bereitschaft. Du hattest Freizeit und bist auf die Schnelle für Smit eingesprungen. Das war eine Glanzleistung. Cal, ich bin sehr, sehr stolz auf dich. Du hast dir eine Belohnung verdient. Wie fühlst du dich?“

Cal horchte auf. Ciah fragte ihn nach seinem Befinden? Das hatte sie bisher nur nach seinen Organtransplantationen getan.

„Sehr gut“, antwortete er. „Ich habe meine Arbeit getan, und du bist stolz auf mich. Grund genug, mich gut zu fühlen, nicht wahr?“

„Wirklich, Cal, ja“, antwortete Ciah. „Du hast geholfen, den Weg der Artverbesserung zu sichern, und alle Tics sind dir zu Dank verpflichtet. Ich hoffe, deine Hand und dein Auge werden immer so sicher sein, wie sie es heute wieder waren.“

„Da bin ich mir sicher.“

„Die Sexverbrecherin blieb unbeschädigt.“

„Ja“, erwiderte Cal einsilbig.

Warum erwähnte Ciah das? Natürlich war die Frau unbeschädigt geblieben! Cal verstand sein Handwerk, er war der beste Schütze von Revier 27. Spielte Ciah etwa auf seine heimliche Lust an, auch die Frau zu eliminieren? Aber Ciah konnte nichts davon wissen, dass er dies in seiner Fantasie schon Dutzende Male getan hatte. Ihn persönlich ließen Frauen kalt, aber auf schwächere Tics schienen sie eine Wirkung zu haben, die offenkundig hochgefährlich war. Diese Tics waren leicht verführbar, und wenn eine Frau und ein solcher Tic aufeinandertrafen, dann konnten alle Dämme brechen. Es gehörten immer zwei dazu, aber nur einer wurde mit dem Leben bestraft – der Mann. Die Frau hingegen wurde lediglich neutralisiert. Der Sexverbrecher, den Cal heute erledigt hatte, war ein junger, aussichtsreicher Mann vom besten Hauttyp, doch er würde seine Gene nicht weiter verbreiten können. Daran hatte die Frau eine Mitschuld, fand Cal. Doch Frauen erschoss man nicht einfach. Auf hundert Männer kam nur eine Frau, sie waren wichtig für die Artverbesserung. Auch sie trugen Gene, und nur sie konnten bisher neue Tics gebären.

Plötzlich sah er die Sexverbrecherin wieder vor sich, wie sie blass auf dem Boden des Gangs lag und ihn unter halb geschlossenen Lidern musterte. Das Mittel, das die Officer ihr injiziert hatten, wirkte bereits, und ihre Gesichtszüge erschlafften; aber ihre Augen waren noch lebendig, und darin lag ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Angst war es nicht. Die Frau hatte nicht geschrien, sie hatte ihn nur stumm angesehen. Er konnte nicht sagen, wie er darauf kam, aber ihre Augen wirkten … hell; dabei waren sie eindeutig dunkelbraun.

„Es ist gut, dass die Frau nicht beschädigt wurde, denn sie wird eine Frucht tragen, in die ich große Hoffnung setze“, fuhr Ciah fort. „Cal, hast du eine Frage?“

Cal zuckte zusammen.

Eine Frage?

Diese Frage hatte Ciah ihm nicht mehr gestellt, seit er erwachsen geworden war. Damals hatte Cal seine letzte Frage an Ciah richten dürfen, wohlwissend, dass Erwachsene nicht mehr fragten; denn Fragen zu stellen bedeutete zu zweifeln. Warum die Welt war, wie sie war, das erfuhren alle Tics in den Jahren bis zum Erwachsensein. Ein erwachsener Tic wusste alles zur Genüge. Das waren Ciahs eigene Worte, die sich Cal eingeprägt hatten. Und nun fragte sie ihn, ob er eine Frage habe? Wollte sie ihn testen? Herausfinden, ob er insgeheim zweifelte? Aber gerade eben hatte sie ihn doch noch gelobt! Und dann dieser merkwürdige, kaum wahrnehmbare Unterton in Ciahs Stimme ...

Es war nicht leicht, diese Untertöne herauszuhören. Cal hatte jedoch ein Talent, sie zu erahnen. War da ein Lauern? Sein Instinkt riet ihm, vorsichtig zu sein. Doch wem sollte er vertrauen, wenn nicht Ciah, der Stimme, mit der er aufgewachsen war?

„Nein, Ciah, ich habe keinerlei Fragen“, antwortete er in sachlichem Ton. „Seit meinem Erwachsenwerden hatte ich keine Fragen mehr.“

„Das kann ich bestätigen“, erwiderte Ciah in unverändertem Ton. „Seit sieben Jahren, sechs Monaten und dreiundzwanzig Tagen, auf den Tag genau, hast du keine Fragen mehr gehabt. So lange bist du schon erwachsen. Eine schöne Zeit, nicht wahr?“

„Ja, Ciah“, antwortete Cal, wiederum etwas einsilbig. Siebeneinhalb Jahre – das war ein Drittel seines bisherigen Lebens. Worauf wollte Ciah hinaus?

„Ich bin stolz auf dich“, sagte Ciah.

„Und ich bin stolz, dir und dem Gesetz dienen zu dürfen“, erwiderte Cal prompt, froh, in den üblichen Ton ihrer Unterhaltungen zurückfallen zu dürfen, in das gewohnte Hin und Her von Lob und Gegenlob. Der Druck ließ augenblicklich nach.

„Ich hoffe, dass du mir und dem Gesetz noch lange dienen wirst“, sagte Ciah.

„Das … hoffe ich auch“, erwiderte Cal stockend, denn im gleichen Moment wurde ihm bewusst, dass Ciah „Ich hoffe“ gesagt hatte. Nicht: Ich weiß.

Irritiert betrachtete er das rotierende Symbol.

Was für ein seltsamer Tag!

„Cal, jetzt habe ich eine Frage an dich“, sagte Ciah. „Vorhin, als ich dich fragte, ob du eine Frage an mich hast, da hast du einen Moment lang gezögert. Ich möchte gern den Grund dafür wissen, Cal.“

„Den Grund für mein Zögern?“

„Ja, Cal.“

„Du irrst dich, Ciah“, erwiderte Cal schnell. „Ich habe nicht gezögert.“