Sechs Geschichten dieses Buches wurden bereits früher veröffentlicht, wenn auch in etwas anderer Form. Sie erschienen zum ersten Mal in folgenden Publikationen:
«Guter Rat ist kostbarer als Rubine» im New Yorker; «Das kostenlose Radio» in Atlantic Monthly; «Das Haar des Propheten» in der London Review of Books; «Yorick» im Encounter, «Auf der Versteigerung der roten Schuhe» in Granta; und «Christoph Kolumbus und Königin Isabella von Spanien» schließlich ebenfalls im New Yorker.
«Die Harmonie der Sphären», «Chekov und Zulu» sowie «Der Courter» wurden bisher noch nicht veröffentlicht.
«Die Harmonie der Sphären» stützt sich bei okkultistischen Dingen teilweise auf die Schriften James Webbs, vor allem auf «The Occult Underground» (Open Court, Illinois, 1974) und «The Harmonious Circle» (Putnam, New York, 1980).
Bei «Der Courter» dankt der Autor für die Genehmigung des Abdrucks aus folgenden Quellen: Buddy Kaye, Ethel Lee und David Hill für Textzeilen aus «Speedy Gonzales», Copyright © 1962, Copyright erneuert 1990. Internationales Copyright geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Außerdem © David Hess Music Co. (1/3). Mit Genehmigung der Memory Lane Music Ltd. Textabdruck von «Speedy Gonzales» mit freundlicher Genehmigung der Carlin Music Corp., U K-Verwaltung.
«Jambalaya (On the Bayou)», Text und Musik von Hank Williams © Copyright 1952, erneuert 1980, Acuff-Rose Music Incorporated, USA. Acuff-Rose Opryland Music Limited, London W1. Abgedruckt mit Genehmigung der Music Sales Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Internationales Copyright geschützt. «Big Girls Don’t Cry» (Text und Musik von Bob Crewe und Bob Gaudio) und «Sherry» (Text und Musik von Bob Gaudio) © 1962, Claridge Music Inc., USA. Abgedruckt mit Genehmigung der Ardmore & Beechwood Ltd., London WC2H oEA.
Der in «Der Courter» zitierte Schachpassus ist in Wirklichkeit der Bericht über eine Partie zwischen S. Reshevsky und M. Najdorf, gespielt im Jahre 1957 und beschrieben in «The Most Instructive Games of Chess Ever Played» von Irving Chernev (Faber und Faber, London, 1966).
Schließlich danke ich Bill Buford, Susannah Clapp und Bob Gottlieb; Sonny Mehta und Erroll McDonald sowie Frances Coady und Caroline Michel.
SALMAN RUSHDIE, 1947 in Bombay geboren, studierte in Cambridge Geschichte. Mit seinem Roman »Mitternachtskinder« wurde er weltberühmt. Seine Bücher erhielten renommierte internationale Auszeichnungen, u.a. den Booker Prize, und sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2008 schlug ihn die Queen zum Ritter.
Am letzten Dienstag des Monats brachte der Frühbus, die Scheinwerfer noch aufgeblendet, Miss Rehana vor das Tor des Britischen Konsulats. Er bremste in einer Staubwolke, die ihre Schönheit vor den Augen der Fremden verhüllte, bis sie ausstieg. Der Bus war grell mit bunten Arabesken bemalt. Auf der Stirnseite stand in grünen und goldenen Lettern PLATZ DA, SCHÄTZCHEN! Auf dem Heck stand TATA-BATA und außerdem O. K. ALLES GUTE! Miss Rehana sagte dem Fahrer, es sei ein wunderschöner Bus, woraufhin er hinaussprang, ihr die Tür aufhielt und sich, als sie ausstieg, übertrieben tief vor ihr verbeugte.
Miss Rehanas Augen waren groß und schwarz und so glänzend, dass sie der Hilfe von Antimon nicht bedurften, und als der Beratungsexperte Muhammad Ali diese Augen sah, hatte er das Gefühl, selbst wieder jung zu werden. Er beobachtete, wie sie sich, während das Tageslicht zunahm, dem Konsulatstor näherte und sich an den bärtigen lala in seiner Khaki-Uniform mit den Goldknöpfen und der Kokarde am Turban wandte, um ihn zu fragen, wann das Tor geöffnet werde. Der lala, sonst immer so schroff zu den Dienstagsfrauen des Konsulats, antwortete Miss Rehana so, dass es schon fast an Höflichkeit grenzte.
«In einer halben Stunde», erklärte er mürrisch, «vielleicht in zwei Stunden. Wer weiß? Die Sahibs sitzen beim Frühstück. »
Der staubige Platz zwischen der Bushaltestelle und dem Konsulat wimmelte bereits von Dienstagsfrauen, manche von ihnen tief verschleiert, nur wenige mit völlig unverhülltem Gesicht wie Miss Rehana. Sie alle wirkten ängstlich und stützten sich schwer auf den Arm eines Onkels oder Bruders, der sich jeweils große Mühe gab, selbstsicher dreinzublicken. Miss Rehana dagegen war allein gekommen und schien überhaupt keine Angst zu haben. Muhammad Ali, der sich darauf spezialisiert hatte, die am unsichersten wirkenden der allwöchentlich erscheinenden Ratsuchenden anzusprechen, merkte plötzlich, dass seine Füße ihn unwillkürlich zu dieser seltsamen, großäugigen und selbstbewussten jungen Frau hinübertrugen.
«Miss», begann er, «Sie kommen wegen Permit nach London, glaube ich?»
Sie war zu der kleinen Shanty Town, einer Ansammlung von baufälligen Holzhütten am Rande des Platzes, gegangen und kaute vor einem Imbissstand zufrieden Chili-pakoras. Als sie sich umwandte und ihn ansah, spielten ihre Augen so aus der Nähe seinem Verdauungstrakt übel mit.
«Das ist richtig.»
«Erlauben Sie mir dann bitte, Ihnen einen guten Rat zu geben? Kostet nur wenig.»
Miss Rehana lächelte. «Guter Rat ist kostbarer als Rubine», gab sie zurück. «Aber bezahlen kann ich leider nichts. Ich bin eine Waise und gehöre nicht zu den reichen Damen, die Sie gewohnt sind.»
«Vertrauen Sie meinen grauen Haaren!» Muhammad Ali ließ nicht locker. «Meine Ratschläge beruhen auf reicher Erfahrung. Sie werden sie sicher gut finden.»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich sage Ihnen doch, ich bin ein sehr armes Ding. Hier sind Frauen mit männlichen Verwandten, die alle gut verdienen. Gehen Sie zu denen! Guter Rat sollte gutes Geld wert sein.»
Ich bin verrückt, dachte Muhammad Ali, denn er hörte seine Stimme völlig eigenmächtig sagen: «Miss, das Schicksal hat Sie zu mir geschickt. Was soll ich machen? Es war uns vorbestimmt, uns hier zu treffen. Ich bin auch nur ein armer Mann, Ihnen aber gebe ich meine Ratschläge gratis.»
Wieder lächelte sie. «Dann sollte ich sie mir anhören. Wem das Schicksal etwas schenkt, der erhält stets etwas Gutes.»
Er geleitete sie zu dem niedrigen Holzschreibtisch in seiner Ecke der Shanty Town. Im Gehen aß sie weiter pakoras aus der kleinen Zeitungspapiertüte. Ihm bot sie keine davon an.
Muhammad Ali legte ein Kissen auf den staubigen Boden. «Bitte, Platz nehmen!» Dem kam sie nach. Während er sich mit untergeschlagenen Beinen hinter dem Schreibtisch niederließ, war ihm klar, dass zwei bis drei Dutzend männlicher Augenpaare ihn neidisch beobachteten, dass sämtliche Männer hier die junge Schönheit begutachteten, die sich von diesem alten, grauhaarigen Gauner reinlegen ließ. Um sich zu beruhigen, atmete er tief durch.
«Den Namen, bitte!»
«Miss Rehana», antwortete sie. «Verlobt mit Mustafa Dar aus Bradford, London.»
«Bradford, England», korrigierte er sie freundlich. «London ist nur eine Stadt wie Multan oder Bahawalpur. England ist ein großes Land, bewohnt von den kältesten Fischen der ganzen Welt.»
«Ach so. Ich danke Ihnen», gab sie so ernst zurück, dass er nicht sicher war, ob sie sich nicht über ihn lustig machte.
«Haben Sie den Antrag ausgefüllt? Dann möchte ich ihn bitte sehen.»
Sie reichte ihm einen braunen Umschlag mit einem sorgsam gefalteten Dokument.
«Ist das okay?» Zum ersten Mal lag eine Andeutung von Besorgnis in ihrem Ton.
«Tipptopp», verkündete er schließlich. «Alles in Ordnung. »
«Ich danke Ihnen für Ihre Beratung», sagte sie und machte Anstalten, sich zu erheben. «Ich werde jetzt zum Tor gehen und dort warten.»
«Aber wie stellen Sie sich das vor?», rief er laut und schlug sich vor die Stirn. «Glauben Sie, das ist so einfach? Sie geben Ihren Antrag einfach ab, und – husch – schon überreichen die Ihnen mit freundlichem Lächeln die Einreisegenehmigung? Oh, Miss Rehana, ich sage Ihnen, Sie begeben sich an einen Ort, der schlimmer ist als jedes Polizeirevier.»
«Tatsächlich?» Seine Beredsamkeit schien zu wirken. Jetzt hatte er eine aufmerksame Zuhörerin gefunden, und er konnte sie noch einige Minuten länger bewundern.
Nach einem zweiten tiefen, beruhigenden Atemzug ließ er seine Standardrede vom Stapel und erklärte ihr, die Sahibs hielten sämtliche Frauen, die an den Dienstagen hier auftauchten und behaupteten, Angehörige von Busfahrern in Luton oder vereidigten Buchprüfern in Manchester zu sein, für Lügnerinnen, Schwindlerinnen und Betrügerinnen.
«Aber dann werde ich ihnen einfach sagen, dass ich eine Ausnahme bin, dass ich nicht so bin», protestierte sie.
Ihre Naivität ließ ihn vor Angst um sie erschauern. Ein Spatz sei sie, erklärte er ihr, die da drinnen aber seien Männer mit verhangenen Augen, wie Falken. Man würde ihr Fragen stellen, verriet er ihr, persönliche Fragen – Fragen, die sogar der eigene Bruder einer Lady nicht zu stellen wage. Ob sie noch Jungfrau sei, würden sie fragen, und falls nicht, welche Gewohnheiten ihr Verlobter bei der Liebe habe und welche geheimen Kosenamen sie füreinander erfunden hätten.
Muhammad Ali drückte sich bewusst brutal aus, damit der Schock, den sie bekommen würde, wenn es tatsächlich dazu oder zu Ähnlichem kam, sie nicht so hart traf. Ihr Blick blieb gelassen, doch ihre Hände auf der Schreibtischkante begannen zu zittern.
Er fuhr fort: «Man wird Sie fragen, wie viele Zimmer es im Haus Ihrer Familie gibt, welche Farbe die Wände haben und an welchen Tagen Sie den Müll ausleeren. Man wird Sie nach dem zweiten Vornamen der Stieftochter der dritten Cousine der Mutter Ihres Mannes fragen. Und all diese Fragen wurden bereits Ihrem Mustafa Dar in seinem Bradford gestellt. Und wenn Sie nur einen einzigen Fehler machen, sind Sie erledigt. »
«Ja», sagte sie, und er hörte genau, wie sie sich bemühte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. «Und wie lautet Ihr Rat, guter Mann?»
An dieser Stelle begann Muhammad Ali sonst eindringlich zu flüstern und seiner Klientin zu erklären, er kenne da einen Mann, einen sehr netten Menschen, der im Konsulat arbeite, und über den könne er – für einen bestimmten Betrag – die notwendigen Papiere mit allen notwendigen Stempeln und Siegeln besorgen. Das war ein wahrhaft gutes Geschäft, denn die Frauen bezahlten nicht selten fünfhundert Rupien oder gaben ihm ein goldenes Armband für seine Bemühungen und gingen hochzufrieden davon.
Da sie aus Ortschaften kamen, die Hunderte von Meilen entfernt lagen – dessen versicherte er sich gewöhnlich, bevor er sich daranmachte, sie reinzulegen –, war es unwahrscheinlich, dass sie ihn abermals aufsuchten, wenn sie den Betrug entdeckten. Sie fuhren nach Sargodha oder Lalukhet zurück und fingen an zu packen, und ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt sie darauf kamen, dass er sie geprellt hatte – es war in jedem Fall zu spät.
Das Leben ist schwer, und von irgendetwas muss ein alter Mann leben. Warum sollte Muhammad Ali Mitleid mit diesen Dienstagsfrauen haben?
Aber wieder spielte ihm seine Stimme einen Streich, sodass er Miss Rehana, statt mit der gewohnten Belehrung zu beginnen, sein bestgehütetes Geheimnis verriet.
«Miss Rehana», sagte seine Stimme, der er verwundert lauschte, «Sie sind ein Mensch, wie man ihn selten findet, ein Juwel, und ich werde für Sie tun, was ich vielleicht nicht mal für meine eigene Tochter tun würde. Ich bin an ein Dokument gelangt, das all Ihre Probleme auf einen Schlag lösen kann.»
«Und was ist das für ein wundertätiges Papier?», fragte sie, während ihre Augen ihn jetzt ganz unverkennbar anlachten.
Seine Stimme wurde ganz, ganz leise: «Ein britischer Pass, Miss Rehana. Absolut echt und über jeden Verdacht erhaben. Ich habe einen guten Freund, der Ihren Namen und ein Foto von Ihnen da hineinpraktiziert, und dann, in null Komma nichts – England, ich komme!»
Er hatte es gesagt!
Heute, an diesem Tag des Wahnsinns, war alles möglich. Vermutlich würde er ihr das Ding gratis und franko geben und sich dafür dann ein Jahr lang selbst in den Hintern treten.
Du alter Narr!, schalt er sich. Die ältesten Narren lassen sich von den jüngsten Mädchen betören.
«Dass ich Sie recht verstehe», sagte sie zu ihm. «Sie schlagen mir vor, eine Straftat zu begehen ...»
«Keine Straftat», fiel er ihr ins Wort. «Nur einen leichteren Weg.»
«... illegal nach Bradford, London, zu reisen und damit die schlechte Meinung zu bestätigen, die diese Konsulats-Sahibs von uns allen haben. Alter babuji, das ist wahrhaftig kein guter Rat!»
«Bradford, England», korrigierte er sie traurig. «So sollten Sie mein Geschenk nicht sehen.»
«Wie denn dann?»
«Ich bin ein armer Mann, bibi, und habe Ihnen dieses Angebot gemacht, weil Sie so wunderschön sind. Spucken Sie nicht auf meine Großzügigkeit. Nehmen Sie das Papier! Oder nehmen Sie es nicht, fahren Sie nach Hause und vergessen Sie England! Nur: Gehen Sie nicht in dieses Haus da, wo Sie bloß Ihre Würde verlieren!»
Aber sie war schon aufgesprungen, wandte sich von ihm ab und marschierte auf das Tor zu, wo sich die Frauen inzwischen versammelt hatten und der lala ihnen barsch befahl, sich zu gedulden, weil sonst keine von ihnen eingelassen werde.
«Dann machen Sie sich eben zum Narren!», rief Muhammad Ali ihr nach. «Was kümmert’s meine Väter?» (Das hieß, was kümmerte es ihn.)
Sie drehte sich nicht um.
«Das ist der Fluch, der auf unserem Volk liegt», schrie er. «Wir sind dumm, wir sind unwissend, und wir wollen einfach nicht lernen.»
«He, Muhammad Ali», rief die Frau vom Betelnussstand herüber. «Die Dame hält wohl mehr von jüngeren Männern. »
An diesem Tag lungerte Muhammad Ali nur noch in der Nähe des Konsulatstores herum. Immer wieder schalt er sich selber: Geh weg von hier, du alter Esel! Die Dame will nicht mehr mit dir reden. Doch als sie dann herauskam, entdeckte sie, dass er dort wartete.
«Salaam, Beratungs-wallah!», begrüßte sie ihn.
Sie wirkte ganz ruhig und schien ihm nicht mehr böse zu sein. Mein Gott, ya Allah, dachte er, sie hat es geschafft! Auch die britischen Sahibs sind in ihren Augen ertrunken, und sie hat ihre Passage nach England.
Hoffnungsvoll lächelte er sie an. Und sie erwiderte sein Lächeln freimütig.
«Miss Rehana Begum», sagte er, «meinen Glückwunsch, Tochter, für das, was offensichtlich die Stunde des Triumphs für Sie war.»
Spontan ergriff sie seinen Unterarm. «Kommen Sie», sagte sie, «ich lade Sie zu einer pakora ein, um mich für Ihren guten Rat zu bedanken und mich außerdem für meine Unhöflichkeit zu entschuldigen.»
Sie standen im Staub des nachmittäglichen Platzes neben dem Bus, der zur Abfahrt gerüstet wurde. Kulis befestigten Bettrollen auf dem Dach. Ein Straßenhändler versuchte den Passagieren schreiend Liebesromane und grüne Pillen zu verkaufen – beides gegen Traurigkeit. Miss Rehana und ein glücklicher Muhammad Ali saßen auf der vorderen Stoßstange des Busses und aßen ihre pakoras. Der alte Beratungsexperte begann leise die Melodie einer Filmmusik zu summen. Die Hitze des Tages hatte sich gelegt.
«Es war eine arrangierte Verlobung», erzählte Miss Rehana unvermittelt. «Als meine Eltern sie aushandelten, war ich erst neun Jahre alt. Mustafa Dar war damals schon dreißig, aber mein Vater wollte einen Mann, der sich um mich kümmerte, wie er selbst es immer getan hatte. Und Mustafa war ein Mann, den daddyji als einen zuverlässigen Menschen kannte. Dann starben meine Eltern. Mustafa Dar ging nach England und versprach, mich nachkommen zu lassen. Das ist viele Jahre her. Ich habe ein Foto von ihm, aber er ist ein völlig Fremder für mich. Selbst seine Stimme erkenne ich nicht am Telefon.»
Dieses Geständnis überraschte Muhammad Ali, aber er nickte mit einer Miene, die, wie er hoffte, Weisheit ausdrückte.
«Dennoch und trotz alledem», sagte er, «die Eltern handeln immer zum Besten ihrer Kinder. Die Ihren haben einen guten, ehrlichen Mann für Sie gefunden, der sein Wort gehalten hat und Sie nachkommen lassen will. Und nun haben Sie ein ganzes Leben vor sich, um ihn kennen- und lieben zu lernen.»
Die Bitterkeit, die sich auf einmal in ihr Lächeln schlich, verwirrte ihn.
«Warum, guter Mann», fragte sie, «haben Sie mich denn schon auf die Reise nach England geschickt?»
Zutiefst erschrocken sprang er auf.
«Sie haben so glücklich ausgesehen ... Wenigstens kam’s mir so vor ... Entschuldigen Sie, aber wurden Sie etwa abgewiesen? »
«Ich habe alle Fragen falsch beantwortet», entgegnete sie. «Ich habe unverwechselbare Kennzeichen auf die falschen Wangen verlegt, habe das Badezimmer völlig anders eingerichtet und überhaupt alles auf den Kopf gestellt. Verstehen Sie?»
«Aber was werden Sie jetzt tun? Wie soll es mit Ihnen weitergehen? »
«Ich werde nach Lahore zurückkehren, und zu meiner Arbeit. Ich bin in einer großen Villa als ayah für drei liebe Jungen angestellt. Sie wären sehr traurig gewesen, wenn ich sie verlassen hätte.»
«Das ist ja eine Tragödie!», lamentierte Muhammad Ali. «O Gott, hätten Sie nur mein Angebot angenommen! Aber leider muss ich Ihnen sagen, dass es jetzt nicht mehr geht. Jetzt ist Ihr Antrag registriert, jetzt kann alles kontrolliert werden, jetzt würde Ihnen sogar der Pass nichts mehr nützen. Es ist aus, alles ist aus. Dabei wäre es so einfach gewesen, wenn Sie meinen Rat rechtzeitig befolgt hätten!»
«Ich glaube», gab sie zurück, «ich glaube wirklich, dass Sie mich nicht zu bedauern brauchen.»
Ihr letztes Lächeln, das er vom Platz vor dem Konsulat aus sah, ehe der Bus es mit einer Staubwolke verhüllte, war die glücklichste Sache, die er in seinem langen, wilden, harten, liebeleeren Leben jemals gesehen hatte.