Dorsey • Sicher anlegen mit Point&Figure
Thomas Dorsey
Sicher anlegen mit Point&Figure
Klare Signale mit einfachen Methoden
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Nachdruck 2012
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© 1995 by Marketplace Books, Inc. Published by John Wiley & Sons, Inc. unter dem Titel Point & Figure Charting
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Aus dem Amerikanischen von: Johannes Zeh
Gesamtbearbeitung: Michael Volk, München
Satz: Rigotti-Klarhorst GmbH, Bonn
Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN Print 978-3-89879-729-0
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-357-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-804-9
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eBook by ePubMATIC.com
Inhalt
Einführung in die Point&Figure-Chartanalyse
Vergessene Kunst
Warum sollten Sie Point&Figure-Charts benutzen?
Wie alles anfing
Grundsätzliches über Point&Figure
Erstellen von Point&Figure-Charts
Charting U.S. Surgical
Trendlinien
Kursziele
Chartformationen
Aufzeichnung der Schlacht zwischen Angebot und Nachfrage
Statistische Wahrscheinlichkeiten von Chartbildern
Formationen
Aufbau und Verwaltung des Engagements
Kauf und Verkauf
Die Bullish-Katapult-Formation
Die Bearish-Katapult-Formation
Umgang mit dem Stop bei einem Leerverkauf
Auflösung der Position
Weitere Beispiele für profitable Gewinnmitnahmen
Richtlinien für die Durchführung eines Engagements
Die Relative Stärke
Grundlagen und Erfahrungen
Moodys und Parkers Relative Stärke Studie
Die Relative Stärke als kurzfristiger Indikator
Der NYSE Bullish Percent
NYSE Bullish Percent Index – Einführung
NYSE Bullish Percent Risk Level (Marktzustand)
Wichtige Faktoren über den Bullish Percent
Andere Marktindikatoren
Der OTC Bullish Percent Index
Der AMEX Bullish Percent Index
Prozent-der-10
Der NYSE High-Low Index
Der OTC High-Low Index
Prozent-der-30
Der Daily Range Index (Handelsspannen-Index)
Der Bullish Sentiment Index
Der Bearish Sentiment Index
Die Advance-Decline Line
Der Block Discount
Der U.S. Dollar Index
Trendcharts von Marktindizes
Die Bond-Markt-Indikatoren
Sektorbetrachtungen
Sektorenanalyse unter Anwendung der Bullish Percent Indizes
Es ist in Ordnung, Fehler zu machen, aber es ist nicht in Ordnung, die Fehler beizubehalten.
Ein Rückblick auf die sechs Marktzustände
Markt- und Sektorrisiko
Beispiel für Sektorenanalysen
Benutzen von Point&Figure-Charts im Handel mit Optionen
Grundsätzliches
Call-Definition und Strategien
Put-Definition und Strategien
Weitere Definitionen
Grobe Regeln für das Delta
Empfehlungen
Das Handeln mit Warenterminkontrakten unter Anwendung der Point%Figure-Methode
Zusammensetzung des Puzzles
Erster Schritt: Analysieren Sie den NYSE Index
Zweiter Schritt: Werten Sie die zwei Kurzfristindikatoren aus
Dritter Schritt: Auswahl des Sektors
Vierter Schritt: Ermitteln Sie eine Anzahl fundamental gesunder Aktien aus dem ausgewählten Sektor
Fünfter Schritt: Die Auswertung der Chartformationen Ihrer Aktien
Sechster Schritt: Bestimmen Sie Ihren Einstiegskurs und setzen Sie Ihre Stops
Siebter Schritt: Was zu tun ist, wenn sich Ihr Investment wie geplant entwickelt
Schlussbemerkung
Danksagung
Vorwort
Ich habe Tom Dorsey 1985 bei einer Veranstaltung in St. Petersburg, Florida kennengelernt. Er war zu diesem Zeitpunkt als Optionsspezialist bei Wheat First Securities angestellt, und ich hatte gerade eine neue Position als Senior Vize President der Philadelphia Stock Exchange akzeptiert. Ich wurde zu dieser speziellen Veranstaltung eingeladen, um vor Tom und anderen Vertretern regionaler Brokerfirmen der USA eine Präsentation über Neuigkeiten bei der Philadelphia Stock Exchange zu halten. Seit dieser Zeit sind wir gute Freunde. Wir haben eine Menge Gemeinsamkeiten, wir beide lieben die Musik der 1950er und ‘60er, Motorräder und teilen die Begeisterung für unseren Beruf.
Als Tom mich darum bat, das Vorwort für dieses Buch zu schreiben, das Ihnen alle Aspekte der Point&Figure-Analyse nahebringt, war ich auf der einen Seite geschmeichelt, hatte aber andererseits Bedenken. Ich wusste wenig mehr über die Kunst der Point&Figure-Analyse als dass diese in der einen oder anderen Form seit etwa 100 Jahren existiert. Heutzutage beherrschen nur wenige Leute in unserem Geschäft diese Methode. Tom Dorsey ist einer von ihnen. Vor Jahren hat er die Kunst der technischen Aktienanalyse wiederentdeckt und sich zu einem Experten im Auswerten der Chartformationen, die sich aus den X’n und O’s der Point&Figure-Technik ablesen lassen, entwickelt. Darüber hinaus ist Tom Dorsey dazu in der Lage, aus den vorgegebenen Chartbildern, die auf historischen Preisen basieren, zukünftige Aktienkursbewegungen zu bestimmen. Diejenigen von uns, die wenig von diesem Aspekt der Technischen Analyse verstehen, mögen in Tom eine Art Magier sehen..
Ich würde Tom Dorsey nicht auf der Ebene von Nostradamus sehen, aber Tom’s Arbeit ist nicht so weit davon entfernt. Wie war es Nostradamus möglich, zukünftige Ereignisse wie Naturkatastrophen, Bevölkerungsexplosionen und Religionskriege vorherzusehen? Er hat die Geschichte der Zivisilation und auch geologische Formationen studiert. Er wurde ein Experte in der Zukunftsanalyse, weil sich wie bei vielen Aspekten des Lebens Formationen herausbildeten und diejenigen, die diese zu lesen verstehen, vielleicht die Fähigkeit entwickeln, in die Zukunft zu sehen. Ich bin sicher, dass es nicht so einfach ist, ein Medium zu werden, aber dieses Buch wird Ihnen eine Vorstellung darüber vermitteln, wie sich die Kunst der Point&Figure-Analyse fast zu einer präzisen Wissenschaft entwickelt hat.
Tom Dorsey verfasst für uns den Philadelphia Report. Er analysiert für uns auf Wochenbasis jede Aktie, von der die Philadelphia Stock Exchange Optionen handelt, und er entwickelt strategische Empfehlungen für diese Wertpapiere zum Nutzen von Tausenden von Brokern, die diesen Report beziehen. Tom hat, seit er diesen Report verfasst, eine bemerkenswerte und beeindruckende Bilanz vorzulegen. Viele Wertpapierhändler halten sich strikt an diesen Report. Wenn Sie ein Interesse für die Finanz- und Aktienmärkte haben, werden Sie von den Seiten, die vor Ihnen liegen, fasziniert sein. Mit Sicherheit aber werden Sie etliches über eine einmalige Persönlichkeit erfahren … Tom Dorsey.
Joseph S. Rizzello
Executive Vize President
Philadelphia Stock Exchange
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Einführung in die Point&Figure-Chartanalyse |
1.1 Vergessene Kunst
Die Point&Figure-Methode ist in der technischen Chartanalyse nicht eine neue, aber eine fast vergessene Kunst. Ich sage dies, weil die meisten Profis und individuellen Investoren vergessen haben, was die Preise von Wertpapieren fluktuieren lässt. Das eherne Gesetz von Angebot und Nachfrage wird in der heutigen Zeit sich schnell entwikkelnder Technologien in den Hintergrund gedrängt. Immer neue Formen der Wertpapieranalyse schießen aus dem Boden und binden die nimmermüde Neugier der Anlagegemeinschaft. Jeder sucht nach dem heiligen Gral, nach Computerprogrammen, die jeden Tag profitable Handelsmöglichkeiten auswerfen.
In meinen jungen Jahren als Stockbroker einer großen Wall-Street-Firma lernte ich schnell, dass es keinen heiligen Gral im Investmentgeschäft gibt. Der Schlüssel zum Erfolg, in diesem wie in jedem anderen Geschäft, ist Vertrauen, Selbstvertrauen. Mein Lexikon erklärt Selbstvertrauen wie folgt: “Fester Glaube oder Vertrauen, Selbstvertrauen, Sicherheit.” Der Schlüssel zum Erfolg im Wertpapiergeschäft ist Selbstvertrauen und das ist die Eigenschaft, die die meisten Investoren und Investmentberater vermissen lassen. Anleger sind in unseren Tagen mehr und mehr abgeneigt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Das ist der Grund dafür, warum Mutual Funds sich eines Rekords an Mittelzufluss erfreuen. Die Ironie dabei ist, dass dreiviertel oder mehr dieser professionellen Geldverwalter niemals besser abschneiden als die breiten Aktienmarktindizes.
Wie auch immer, für die meisten Investoren bedeutet der Aktienmarkt ein großes Rätsel. Es verwirrt sie gewaltig, dass der Markt nicht so reagiert wie er eigentlich reagieren sollte. Gestiegene Gewinnerwartungen sollten eigentlich die Aktie, die es betrifft, teurer machen. Oder? Nicht unbedingt. In vielen Fällen ist genau das Gegenteil der Fall.
Der Erste, der Aktienbewegungen aufzeichnete, war Charles Dow. So um den Zeitpunkt des Milleniumwechsels zum 20. Jahrhundert stellten schlaue Investoren fest, dass einige von Dow’s Chartbildern die Tendenz hatten, sich zu wiederholen. Zum damaligen Zeitpunkt gab es keine Security and Exchange Commission (SEC). Der Markt unterlag nur wenigen Gesetzen und Regulationen. Aktienpools bestimmten das Marktgeschehen und Outsider hatten keine Chance. Der Markt wurde von Insidern gemacht. Die Point&Figure-Methode wurde als eine logische und organisierte Art, Angebot und Nachfrage zu dokumentieren, entwickelt. Chartbilder versorgen den Investor mit einer Aufzeichnung des Kampfes zwischen Angebot und Nachfrage.
Jedermann ist heute damit vertraut, Straßenkarten für seine Reiseplanung zu benutzen. Wenn wir von Virginia nach New York fahren wollen, dann starten wir unsere Reise auf dem Interstate 95 nach Norden. Passen wir dann bei Beginn der Fahrt nicht auf und geraten unvorsichtigerweise auf den Interstate 95 nach Süden, enden wir in Key West, Florida. Wenn wir uns also auf die Reise von Virginia nach New York vorbereiten, machen wir uns mit der Straßenkarte vertraut, überprüfen die Luft in den Reifen, füllen den Tank mit Benzin, kochen Kaffee und sorgen dafür, dass die Kinder etwas zu lesen und Spielzeug haben. Mit anderen Worten, wir planen den Trip.
Die meisten Investoren versäumen allerdings, ihren Investmenttrip genauso sorgfältig zu planen. Wenn Sie die Point&Figure-Methode, die Analyse von Angebot und Nachfrage lernen, sind Sie als Anleger dazu in der Lage, Ihre Reise zu planen. Es gibt keinen garantierten Anlageerfolg, aber die Wahrscheinlichkeit erfolgreich zu sein, ist wesentlich höher, wenn alle möglichen Faktoren für den Investor arbeiten. Sie mögen auf Ihrer Reise genötigt sein, Umleitungen zu akzeptieren. Das ist in Ordnung, solange Sie sich generell an Ihren Reiseplan halten. Dieses Buch wird Sie damit vertraut machen, den bestmöglichen Plan für finanziellen Erfolg beim Investieren in Wertpapiere zu entwickeln.
Grundsätzlich ist der Sachverhalt simpel: Sind mehr Käufer als Verkäufer am Markt, wird eine Aktie steigen. Sind mehr Verkäufer als Käufer am Markt, wird die Aktie fallen. Wenn gleich viele Leute eine Aktie nachfragen und verkaufen wollen, wird der Preis bleiben, wo er ist. Dieselben Gründe, die dafür sorgen, dass Produke wie Kartoffeln, Mais und Spargel sich im Preis bewegen, verursachen auch die Preisbewegungen bei Wertpapieren.
Zur Bewertung von Aktien und deren zu erwartender Bewegung kommen zwei Hauptmethoden zum Einsatz. Die am häufigsten benutzte Methode ist die Fundamentalanalyse. Das ist die Methode, mit der auch die meisten Analysten vertraut sind. Die Fundamentalanalyse beschäftigt sich mit der Qualität einer Firma, deren Gewinne, der Produktakzeptanz und des Managements. Die Fundamentalanalyse beantwortet also die Frage, welche Aktie gekauft werden soll. Sie können heutzutage fundamentale Informationen über Aktiengesellschaften aus vielen Quellen ermitteln. Sehr viele preiswerte Publikationen stehen zur Verfügung, die sich nur mit der Fundamentalanalyse beschäftigen. Die meisten Wertpapierbanken und Broker versorgen ihre Kunden mit Empfehlungen, die auf fundamentaler Recherche beruhen.
Die andere grundsätzliche Methode, die bei Bewertungen von Wertpapieren eine Rolle spielt, ist die technische Analyse. Die technische Analyse beantwortet die Frage, wann ein Wertpapier gekauft werden soll. Die Bestimmung des Zeitpunktes eines Engagements ist ein sehr wichtiger Schritt. Technische Analysen, die der durchschnittliche Investor verstehen kann, sind nicht so einfach zu erhalten. Es ist daher ein wesentliches Anliegen dieses Buches, den Leser in die Lage zu versetzen, Point&Figure-Charts zu verstehen und zu interpretieren, damit dieser selbst seine Investmententscheidungen fällen kann.
1.2 Warum Point&Figure-Charts?
Die Investmentindustrie ist mit vielen verschiedenen Methoden der Bewertung von Aktienpreisbewegungen überladen. Es gibt Methoden, die auf Balkendiagrammen basieren, alte japanische Candlestick Charts, Gann angels, Elliot waves und vieles andere mehr. Die einzige Methode, die ich entdecken konnte, die klare Signale gibt und leicht zu verstehen ist, ist die Point&Figure-Methode.
Die Charts bestehen aus X- und O-Spalten. Das Aufzeichnen der Wertpapierbewegung mit dieser Methode erinnert an ein Tennisspiel. Ein Tennismatch geht über drei oder fünf Sätze. Jeder Spieler kann Punkte machen und Spiele gewinnen, aber der Spieler, der den entscheidenden Satz gewinnt, ist der Sieger. Bei der Anwendung der Point&Figure-Methode sind wir nur am Höhepunkt des Spieles interessiert. Wir interessieren uns nicht für den Gewinner einiger Spiele, wir interessieren uns für den Sieger.
Die grafischen Bilder, die mit dieser Methode aufgezeichnet werden, sind klar zu erkennen. Sie sind so einfach zu erkennen, dass ich diese Methode sogar bei Grundschülern in Virginia gelehrt habe. Nach meiner Erfahrung ist Einfachheit oft die beste Methode.
Das Grundkonzept dieser Methode muss valid sein. Angebot und Nachfrage sind valid. Einfacher geht es nicht. Ich sage damit nicht, dass andere Methoden nicht gültig seien. Es ist nur so, dass die meisten Leute Angebot und Nachfrage viel leichter verstehen, weil Angebot und Nachfrage Teil ihres täglichen Lebens sind. Machen Sie “Angebot und Nachfage” daher zu einem Teil Ihrer täglichen Investmententscheidungen!
Chartcraft entwickelte 1955 einen der exzellentesten Marktindikatoren, der je erfunden wurde. Es ist der New York Stock Exchange (NYSE) Bullish Percent Index. Wir haben diesen Index viele Jahre mit großem Erfolg angewandt. Während der letzten Jahre haben wir den NYSE Bullish Percent verfeinert, ohne die grundsätzliche Philosophie dieses Indexes zu verändern. Im Kapitel 6 wird dieser Indikator ausführlich besprochen.
Die Sektorrotationsmethode, die in Kapitel 8 beschrieben wird, ist von dem Bullish Percent Index abgeleitet und wurde ebenfalls von Chartcraft entwickelt. Wenn Sie diese grundsätzlichen Dinge lernen und verstehen, wird Ihr Selbstvertrauen als Anleger erheblich gestärkt. Sie werden feststellen, dass Sie dann in den Märkten nicht passiv sind, sondern aktiv agieren. Dies hat mein Leben verändert und ich bin der festen Überzeugung, dass jeder, der sich die Zeit nimmt, dieses Buch zu lesen und die Investmentprinzipien, die darin enthalten sind, berücksichtigt, dieselbe Erfahrung machen wird.
1.3 Wie alles anfing
Während meiner Zeit im Brokergeschäft stolperte ich viele Jahre im Nebel, ehe ich endlich auf die Point&Figure-Methode stieß. Ich startete meine Karriere 1974 bei einer großen Investmentbank in Richmond, Virginia. Die Ausbildung konzentrierte sich vorwiegend auf den Verkauf. Als Trainees lernten wir, dass die Researchabteilung dieser Firma die Anlageideen entwickelte und es unsere Aufgabe war, diese dem Kunden zu verkaufen. In den ersten vier Monaten bereitete sich jeder potentielle Wertpapierhändler (Broker) auf das Serie-7-Examen vor, welches bestanden werden muss, um an der New York Stock Exchange (NYSE) registriert zu werden. Es war ein sehr umfangreicher Lehrgang, der von den Gesetzen und Regeln der Wertpapierbörse bis zu komplizierten Optionsstrategien alles abdeckte. Wenn ein Broker dieses Examen bestand und fünf Wochen Verkaufstraining hinter sich hatte, wurde er auf das Anlegerpublikum losgelassen.
Wie in jedem anderen Beruf, zählt Erfahrung eine Menge. Etwas, was wir natürlich nicht haben konnten. Der Markt hatte gerade eine Depressionsphase durchlaufen und etwa 70% seines Gesamtwertes verloren. Neue Konten zu akquirieren war ein schwieriges Geschäft. Diejenigen, die diese Anstrengung überstanden, schafften sich über die nächsten vier Jahre einen Kundenstamm und lernten durch Versuch und Irrtum.
Wir mussten uns jeden Morgen durch Berge von Empfehlungen aus New York durchkämpfen, alles Fundamentalanalysen. Es war uns verboten, Aktien, von denen unsere Firma keine positive Meinung hatte, zu empfehlen. Das Motto war, nicht selbst zu denken, weil dies vor Gerichten enden konnte. Unsere Aufgabe war es, den Research zu verkaufen, nicht ihn in Frage zu stellen.
Über die Jahre hatten wir gewaltigen Erfolg und gewaltigen Misserfolg, was dem Selbstvertrauen nicht unbedingt zuträglich war. Ich verwendete natürlich einen wesentlichen Teil meiner Zeit darauf, in den Newslettern nach unfehlbaren Empfehlungen zu fahnden. Es war wie die Suche nach dem heiligen Gral. Meistens war das Ergebnis, dass die Schreiber dieser Aktienanalysen und Aktienbriefe weitaus besser im Anbieten ihrer Analyse als in der Auswahl von Aktien waren. Das Schiff war also ohne Steuermann, aber wir segelten einfach weiter.
Jetzt, 20 Jahre später, hat sich an der Art und Weise, wie dieses Geschäft prinzipiell gemacht wird, nichts verändert. Es gibt einige neue Methoden und modische Instrumente, aber das Rückgrat der Industrie sind immer noch Aktien oder Aktienderivate.
Während meiner Beschäftigung als Aktienbroker, spezialisierte ich mich auf Optionsstrategien. Optionen waren relativ neu und wurden erst im April 1973 für gelistetes Trading eingeführt. Ich habe einen Großteil meiner Freizeit darauf verwendet, Optionen zu verstehen und deren Anwendung zu lernen. Daher wurde mir 1978 die Entwicklung und Führung einer Optionsstrategieabteilung bei einer großen regionalen Investmentfirma in derselben Stadt angeboten. Es war ein Angebot, zu dem ich nicht nein sagen konnte, also stürzte ich mich in dieses neue Abenteuer.
Über Nacht veränderte sich meine Kundschaft von individuellen Investoren zu professionellen Wertpapierhändlern. Ich war für die Entwicklung eines Departments verantwortlich, dass Optionsstrategien für eine Verkaufstruppe von 500 Brokern bereitstellen sollte.
Es war der Zeitpunkt, ehrlich zu mir selbst zu sein. Was weiß ich wirklich vom Aktienmarkt? Ich wusste genau, der Erfolg meiner Arbeit hing davon ab, die richtigen Aktien herauszusuchen, auf die meine Optionsstrategien erfolgreich anzuwenden waren. Damit würde meine neue Abteilung stehen oder fallen. Also war die Antwort auf die oben gestellte Frage für mich erschreckend.
Nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit als Aktienbroker hatte ich nahezu keine Ahnung, wie ich selbst Aktien auswählen konnte und schon gar keine Ahnung, wie ich Sektoren und den Markt im gesamten bewerten sollte. Ich war daran gewöhnt, das zu tun, was mir die Firma vorschrieb. Daher wusste ich: Sich auf die Empfehlungen dieser Firma zu verlassen war genau dasselbe wie bei meiner alten Firma – Zufall. Es war also klar, wenn ich im Aufbau dieser Abteilung erfolgreich sein wollte, musste ich jemanden finden, der ein Experte auf dem Gebiet der Aktienauswahl war.
Bei meiner Suche stieß ich immer wieder auf einen Namen, Steve Kane, der als ein Meister der Aktienauswahl angesehen wurde, ein Broker unserer Niederlassung in Charlotte. Ich rief Steve an, erklärte ihm meine Situation und offerierte ihm eine Position in meiner Abteilung. Er nahm an.
Meine Arbeitsteilung sah vor, dass Steve den Markt, die Sektoren und die Aktien analysieren und ich die Optionsstrategien basierend auf seiner Arbeit anpassen sollte. Wie jeder Künstler brachte Steve sein Handwerkszeug mit, das aus einem Chartbuch gefüllt mit X’n und O’s von Hunderten von Aktien und aus einem Buch über Point&Figure-Technische-Analyse, geschrieben von dem verstorbenen A. W. Cohen (dieses Buch ist nicht mehr im Handel erhältlich), bestand. Jede Woche brachte Steve diese Charts, bestehend aus X’n und O’s, akribisch auf den neuesten Stand und benutzte sie dazu, seine Aktienauswahl festzulegen.
Im ersten Jahr arbeitete Steve hervorragend. Aktien, von denen er glaubte, dass sie steigen würden, stiegen. Aktien, von denen er annahm, sie würden fallen, fielen. Das Team arbeitete gut zusammen und das Beste von allem war. Wir waren absolut unabhängig. Technische Analyse und Optionsstrategie waren in der Abteilung eins. Wir lagen nicht immer richtig, aber wir lagen meistens richtig. Am wichtigsten war, wir arbeiteten nach einem Plan.
Alles sah gut aus, doch plötzlich erhielt Steve ein Angebot von einer NYSE-Spezialisten-Firma, das darin bestand, deren Anlagekapital zu managen. Es war ein Angebot, zu dem Steve nicht nein sagen konnte und ich unterstützte ihn in seiner Entscheidung.
Natürlich fand ich mich nun in derselben Zwangslage, wie im Jahr zuvor. Aber anstatt nach einem anderen zu suchen, der die Point&Figure-technische-Analyse, an die ich mich gewöhnt hatte, verstand, entschloss ich mich dazu, diese selbst zu lernen. Steve erklärte mir die Grundlagen und empfahl mir sein streng gehütetes Buch von A. W. Cohen zu lesen. Noch am gleichen Wochenende stürzte ich mich in diese Lektüre und nach den ersten drei Seiten begann sich mein Leben zu ändern.
Die Jahre des Umherirrens im Nebel, das Suchen nach dem heiligen Gral und der Überzeugung, dass alles viel zu kompliziert sei, um es zu lernen, waren vorbei. Ich war zurückversetzt in meine Zeit als Student. Die simplen Grundlagen der ersten drei Seiten handelten von dem ehernen Gesetz von Angebot und Nachfrage. Mir wurde plötzlich die Mechanik des Aktienmarktes klar. Sind mehr Käufer als Verkäufer am Markt, wird die Aktie steigen. Sind mehr Verkäufer als Käufer am Markt, wird die Aktie fallen. Sind gleich viele Käufer und Verkäufer am Markt, bleibt die Aktie unverändert. Alles andere zählt nicht. Fundamentale Gründe erzeugen Veränderungen in Angebot und Nachfrage. Aber am Ende aller dieser Bewertungen steht das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, die den Preis der Aktie bestimmen. Von diesem Tag an las ich jede Information über Point&Figure, die ich finden konnte. Es waren Bücher und Manuskripte, die 30 oder mehr Jahre alt waren.
Ich managte die Optionsstrategieabteilung für neun Jahre. 1987 war für mich die Zeit gekommen, mich selbständig zu machen. Dorsey, Wright and Associates Inc. startete am 2. Januar 1987. Das Lernen der Point&Figure-Methode gab mir das Selbstvertrauen und die Stärke, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Meine Gesellschaft berät nun Hunderte von professionellen Firmen und Money Managern in der ganzen Welt. Wir unterhalten auch eine eigene Vermögensverwaltung in Beverly Hills und sind an mehreren Handelspartnerschaften beteiligt. Ich habe dieses Buch so geschrieben, dass es jeder verstehen kann. Wenn Sie daran interessiert sind, einen logischen und organisierten Weg zu finden, Ihre Investments zu optimieren, sind Sie hier an der richtigen Stelle.
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Grundsätzliches über Point&Figure |
2.1 Erstellen von Point&Figure-Charts
Viele Investoren sind mit der einen oder anderen Form von Charts vertraut. Point&Figure-Charts sind vor etwa 100 Jahren entwikkelt worden und haben den Test der Zeit bestanden. Diese Tatsache allein, dass sich eine Methode über so eine lange Zeit bewährt hat, hat mich besonders fasziniert. Ich habe diese Methode der technischen Analyse in vielen Seminaren gelehrt, sogar 12-jährige Schüler waren unter meinen Zuhörern.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage beherrscht die Kursbewegung von Aktien. Fundamentale Veränderungen, die die Geschäfte einer Aktiengesellschaft beeinflussen, können zu einem Ungleichgewicht führen. Die Point&Figure-Methode zur Analyse von Aktienbewegungen ist eine logische, organisierte Art und Weise, die Schlacht zwischen Angebot und Nachfrage zu illustrieren, wobei der Schwerpunkt auf “organisiert” liegt. Sich eine endlose Liste von Hoch-Tief-Quotierungen einer bestimmten Aktie anzusehen, bringt nichts. Wenn diese Quotierungen aber logisch und organisiert dargestellt werden, wird der Kampf zwischen Angebot und Nachfrage klarer herausgearbeitet. Wir benutzen verschiedene Chartformationen und Trendlinien, um unsere Kauf- und Verkaufsentscheidungen zu treffen. Diese Bilder werden wir später noch genauer erläutern.
Die Analogie eines Tennismatches beschreibt ziemlich genau den Kampf zwischen Angebot und Nachfrage. Ein Satz in einem Tennisspiel besteht aus mehreren Spielen. Der Verlauf dieser Spiele ist der Bewegung eines Point&Figure-Charts sehr ähnlich. Mal gewinnt der eine, mal gewinnt der andere, eine ständige Bewegung vor und zurück, entsprechend einem alternativen Wechsel der X- und O-Spalten bei einem Point&Figure-Chart. Irgendwann nun gewinnt einer der Spieler genügend Spiele, um den Satz oder das Match erfolgreich für sich zu entscheiden. Erst dann wissen wir also, wer der Sieger ist. Genauso ist es beim Aktienmarkt. Wir haben erst dann ein klares Bild, wenn einer der Spieler mehr Sätze als der andere gewonnen hat, um das Match für sich zu entscheiden. Die Point&Figure-Chartanalyse betrachtet daher den Gewinn einzelner Spiele als unwesentliches Rauschen und nicht entscheidend für den Entscheidungsprozess, wer der Gewinner sein wird. Kurz und gut, im Aktienmarkt ist es das Gleiche. Die Aktien bewegen sich hin und her, solange bis entweder das Angebot oder die Nachfrage überwiegt und ein Trend erkennbar wird.
Ich werde Ihnen in meinem Buch oftmals durch Analogien aus der Tennis- und der Footballwelt Chartbilder und Indikatoren verdeutlichen. Die Vergleiche mit einem Footballspiel stammen übrigens von meinem Mentor Mike Burke, dem Verleger des Investors Intelligence und ich glaube, dass die Analogie mit dem Footballspiel sehr treffend Aktienmarktindikatoren erklären hilft.
Als erstes wollen wir uns mit den Grundprinzipien der Erstellung eines Point&Figure-Charts beschäftigen. Sie brauchen nur wenig Zeit, um etwa 20 - 30 Charts jeden Tag auf den neuesten Stand zu bringen. Der Finanzteil einer Zeitung, der Ihnen die Höchst- und Tiefstkurse jedes Tages zur Verfügung stellt, ist hierbei hilfreich. Wenn Sie einen Internetanschluss besitzen, können Sie diese Daten kostenlos abrufen. Wir stellen unseren Kunden Point&Figure-Charts auf unserer Internetseite www.dorseywright.com zur Verfügung.
Der Point&Figure-Chart reflektiert nur die Kursverläufe der Aktien, das Volumen spielt keine Rolle. Zur Erstellung des Chart werden zwei Buchstaben des Alphabets verwendet, “X” und “O”, wobei das X die Nachfrage und das O das Angebot versinnbildlicht. Außerdem müssen wir wissen, wann eine Aktie von einer X-Spalte in eine O-Spalte überwechselt oder umgekehrt. Wir werden in diesem Buch vorwiegend die Drei-Punkt-Umkehrmethode (Three-Box Reversal) verwenden. Wenn Sie mit dieser Methode vertraut sind, kann es sein, dass Sie zur Verdeutlichung von gewissen Chartformationen gelegentlich andere Umkehrmethoden zum Ansatz bringen. In meiner Gesellschaft weichen wir allerdings selten von der Drei-Box-Methode ab.
Das Bild 2.1 gibt Ihnen einen ersten Eindruck davon, wie ein Point&Figure-Chart aussieht.
Wie Sie sehen, ist das Chartbild durch X-Spalten, die sich mit O-Spalten abwechseln, gekennzeichnet. Ein Wechsel von einer X-Spalte in eine O-Spalte kann nur durch eine Umkehr von mindestens drei Boxen (Kästchen) erzeugt werden. Dasselbe gilt für eine Umkehr von einer O-Spalte auf eine X-Spalte. Dieser Wechsel von einer Spalte zur anderen bildet letztendlich das Chartbild eines Point&Figure-Charts.
Bevor wir das nun weiter vertiefen, lassen Sie uns ein paar Worte über den Wert einer Box in Relation zum Preis einer Aktie verlieren. Der äquivalente Wert eines Kästchens verändert sich, wenn eine Aktie bestimmte Größenordnungen erreicht. Das ist auch einer der Gründe, warum wir diese Methode Drei-Kästchen- oder Drei-Box-Methode und nicht Drei-Punkt-Methode nennen. Zwischen $20 und $100 beträgt die Kästchengröße 1 Punkt pro Kästchen. Die Kästchengröße verändert sich unter $5, unter $20 und über $100. Wenn sich eine Aktie zwischen $5 und $20 bewegt, beträgt die Größe der Box 1/2 Punkt. Wenn die Aktie sich unter $5 bewegt, beträgt die Größe der Box 1/4 Punkte. Wenn die Aktie über $100 oder höher handelt, beträgt die Größe der Box 2 Punkte. Wenn also eine Aktie zwischen $20 und $100 handelt, ist eine Bewegung von mindestens drei Punkten erforderlich, um von einer X-Spalte in eine O-Spalte zu wechseln. Drei Kästchen entsprechen daher $3 in dem Bewegungsspielraum zwischen $20 und $100. Dieselbe Drei-Kästchen-Umkehr würde aber nur 11/2 Punkte betragen, wenn die Aktie zwischen $5 und $20 handelt. Wenn die Aktie sich unter $5 bewegt, würde die Drei-Box-Umkehr nur ein 3/4 Punkt (1/4 • 3 = 3/4) sein. Gewöhnen Sie sich daher an, in Bildern von Kästchenumkehr zu denken und nicht in einzelnen Wertzuordnungen.
Abbildung 2.1. zeigt Ihnen, wieviel eine Aktie steigen oder fallen muss, um eine Umkehr in eine andere Spalte zu bewerkstelligen. Wenn Sie nun Ihren Chart auf den neuesten Stand bringen wollen, wird Abbildung 2.2 hilfreich sein. In welcher Spalte Sie auch sind, Sie bleiben in dieser Spalte, solange sich die Aktie in die gleiche Richtung bewegt. Wenn der Chart also in einer O-Spalte ist und fällt, ist Ihre erste Frage am Ende des Handelstages: Fiel die Aktie während des Tages mindestens ein oder mehr Kästchen? Wenn die Aktie ein Kästchen weiter fiel, sagen wir von $45 auf $44, dann tragen wir dem dadurch Rechnung, dass wir bei $44 ein weiteres O eintragen. Und das ist es für diesen Tag.
Am Ende des nächsten Handelstages stellen Sie sich dieselbe Frage. Da die Aktie in einer O-Spalte ist, lautet die Frage: Fiel die Aktie mindestens eine Box mehr? Die Frage wird beantwortet durch einen Blick auf den Tiefstkurs des Tages. In unserem Beispiel erreichte die Aktie $43 oder niedriger (eine oder mehrere Boxen fallend), notieren Sie die Bewegung dadurch, dass Sie ein O oder mehrere O’s in die entsprechenden Boxen eintragen. Es spielt auch absolut keine Rolle, ob danach die Aktie stramm auf $100 stieg. Mit dieser Bewegung setzen Sie sich am nächsten Tag auseinander. An einem bestimmten Tag interessiert Sie nur eine Bewegungsrichtung.
Die Aktie steht jetzt also auf $43 in einer O-Spalte. Da sich die Aktie immer noch in einer O-Spalte befindet, stellen Sie sich am nächsten Handelstag wieder die Frage: Fiel die Aktie ein Kästchen oder mehr? Heute ist die Antwort “Nein” auf die Frage 1 des Flowcharts in der Abbildung 2.2.
Da die Aktie nicht stark genug fiel, um ein weiteres Kästchen zeichnen zu können, gehen Sie zu der letzten Flowchart Frage: Bewegte sich die Aktie drei Kästchen nach oben? Lassen Sie uns das herausfinden. Wir zählen also drei Kästchen ab, beginnend ab $43. Also $44, $45 und $46. OK, erreichte die Aktie $46? Lassen Sie uns annehmen, die Aktie ging nur auf 457/8. Nicht gut genug. Das waren nur 27/8 Punkte nach oben und nicht 3 Punkte. Was tun Sie also? Nichts! Am nächsten Tag gehen Sie durch denselben Prozess. Da die Aktie sich immer noch in einer O-Spalte befindet, stellen Sie sich wieder die erste Frage des Flowcharts: Fiel die Aktie ein oder mehrere Kästchen?
Ist die Aktie dann 3 Punkte nach oben gestiegen, also auf $46 und Sie stellen sich die Fragen des Flowcharts, werden Sie erkennen, dass nun eine X-Spalte angefügt wird. Der Chart steigt nun. Jetzt fängt der Prozess wieder von vorne an, nur fragen Sie sich diesmal: Ist die Aktie ein oder mehrere Punkte gestiegen? Das ist das ganze Geheimnis.
Noch einmal zur Verdeutlichung. Es braucht mindestens drei Boxen, um eine Richtungsänderung zu erzeugen. Wenn wir annehmen, dass sich eine Aktie in einer X-Spalte mit einer Obergrenze von $45 bewegt, ist mindestens eine Bewegung auf $42 erforderlich, um eine Umkehr zu erzeugen und eine neue O-Spalte zu beginnen. Jede Bewegung, die geringer als drei Boxen ist, wird als “Marktrauschen” bezeichnet, nicht wert, registriert zu werden. Anders herum, wenn die Aktie in einer O-Spalte mit einem Tief von $45 handeln würde, bräuchte es eine Bewegung auf $48, bevor der Chart in eine X-Spalte überwechseln würde. Alles, was unter einer Drei-Boxen-Bewegung ist, zählt nicht. Das ist übrigens alles, was Sie brauchen, um einen Point&Figure-Chart zu verwalten. Abbildung 2.3 zeigt Ihnen Beispiele von Richtungswechseln (Reversals).
Selbstverständlich müssen Sie beim Erstellen und Verwalten von Point&Figure-Charts immer auch die oben genannten Punkteäquivalente der Boxen berücksichtigen. Sie erinnern sich? Wenn sich eine Aktie mit $21 zum Beispiel in einer X-Spalte befindet und in die nächste O-Spalte überwechseln soll, braucht sie nur 2 Punkte zu fallen und zwar deswegen, weil sie durch den Level von $20 gefallen ist, bei dem sich die Größenordnung der Box ändert. Die drei Boxen werden daher wie folgt gezählt: Der Fall von $21 auf $20 als eine Box, von $20 auf $191/2 als eine Box, $191/2 auf $19 als eine Box, macht insgesamt drei Boxen, da die Boxengröße unterhalb von $20 nur noch 1/2 Punkt ist. Merken Sie sich also diese Punkteinteilung.
Noch einmal zur Erinnerung, unter $5 per Box 1/4 Punkt, von $5 auf $20 per Box 1/2 Punkt, von $20 auf $100 per Box 1 Punkt und über $100 per Box 2 Punkte.
Wenn Sie einen Point&Figure-Chart erstellen, müssen Sie daher die Preise auf der vertikalen Achse sorgfältig eintragen, der Rest ergibt sich von selbst. Sie müssen sich dann nur noch mit dem Eintragen der Kästchen beschäftigen. Ordnen Sie daher den korrekten Wert diesen Größenordnungen 1/4, 1/2, 1 und 2 zu und zählen Sie anschließend einfach die drei Kästchen ab.
Beschäftigen wir uns weiter mit dem Charting. Sie brauchen dafür das tägliche Hoch und das tägliche Tief einer Aktie, die Sie meist dem Finanzteil einer Zeitung entnehmen können. Der einzige Kurs, der für Sie wirklich eine Rolle spielt, ist der, der eine Veränderung in Ihrem Chart erzeugt. Wenn zum Beispiel eine Aktie in einer X-Spalte ist und ein Hoch von $287/8 hat, lesen wir das zum Zwecke der Verwaltung des Charts als $28, denn die 7/8 reichen nicht, um einen Eintrag in Box $29 vorzunehmen. Wenn hier also ein weiteres X eingetragen werden soll, muss die Aktie mindestens $29 erreichen. Und $287/8 ist nicht $29. Wenn daher die Kästchengrößenordnung 1 Punkt ist, bedeutet 7/8 für den Point&Figure-Chartisten nur ein Rauschen. Das Gleiche trifft zu, wenn eine Aktie in einer O-Spalte ist und Sie überprüfen das Tief der Aktie, ist für Sie die nächste runde Zahl von Interesse. Wenn wir also das gleiche Beispiel nehmen und die Aktie hat ein Tief von $287/8, bedeutet das, dass wir nur ein O auf $29 eintragen würden, weil $28 nicht erreicht ist.
Wenn Sie eine Umkehr von drei oder mehr Boxen auf einem Chart feststellen, zeichnen Sie dies wie folgt ein: Sie gehen in die nächste Spalte und eine Zeile höher oder niedriger, je nachdem, ob der Reversal nach oben oder unten erfolgt. Wenn die Aktie von oben nach unten dreht, zeichnen Sie in der nächsten Spalte, ein Kästchen tiefer, drei O’s ein. Wenn eine Aktie nach oben dreht, zeichnen Sie eine Spalte weiter und ein Kästchen höher drei X’e ein. Bei einem Wechsel startet Ihre Zählung daher nicht auf demselben Niveau der letzten Nummer. Nach oben heißt, eine Box nach oben abzählen, um den Eintrag von X’n zu beginnen und vice versa.
Point&Figure-Charting hat, wie Sie wissen, keine Zeitachse. Die einzigen Zeitanhaltspunkte eines Point&Figure-Charts erkennen Sie, wenn ein X oder ein O durch eine Ziffer von 1 bis 9 oder die Buchstaben A, B, C ersetzt wird. Der allererste Eintrag, der in einem neuen Monat vorgenommen wird, wird so eingezeichnet. Dieser Charteintrag dient auch nur zur Zeitreferenz und hat sonst keine Bedeutung. Sie können die Monate Januar bis September durch die Ziffern 1 bis 9 identifizieren, für den Oktober steht A, für November B und für Dezember C.
Wie sich eine Aktie bewegt, wird durch die Einzeichnung von X’n und O’s und durch die alternierenden Spalten reflektiert. Sie haben eine X-Spalte, dann eine O-Spalte und dann wieder eine X-Spalte und dann eine von O’s, usw. Zu keinem Zeitpunkt haben Sie in einer X-Spalte irgendwo ein O oder in einer O-Spalte ein X. Die einzige Ausnahme bildet wie gesagt, die Monatskennzeichnung. Dazu noch etwas mehr: Steigt also eine Aktie den Gegenwert von einem Kästchen und es handelt sich um den ersten Eintrag im Monat Juli, würden Sie anstatt eines X’s in einer nach oben gehenden Aktie eine 7 eintragen. Das gilt selbstverständlich auch für Bewegungen nach unten und die Eintragungen in eine O-Spalte. Wenn eine Aktie zum Beispiel ein Kästchen fallen würde und dies wäre die erste Aktion im Monat August, würden Sie anstatt eines O’s eine 8 eintragen. Würde die Aktie 2 Punkte fallen, tragen Sie selbstverständlich nur eine 8 ein und dann wieder ein O. Es geht bei diesen Eintragungen nur um die allererste Bewegung im Monat, also um ein Kästchen.
Lassen Sie uns diesen ganzen Vorgang noch einmal wiederholen: Wenn sich eine Aktie nach oben bewegt, überprüfen Sie als erstes das Tageshoch und tragen ein X ein, wenn die Aktie sich mindestens den Gegenwert einer Boxengröße nach oben bewegt hat. Für jede volle Bewegung tragen Sie so viele X’e ein, wie notwendig. Wenn die Boxengröße also 1 Punkt ist und die Aktie hat sich mindestens 4 Punkte bewegt, würden Sie vier X’e eintragen. Wenn dieselbe Aktie sich 5 Punkte nach oben bewegen würde, würden Sie eben fünf X’e eintragen. Damit hat sich die Flowchart Frage Nr. 1 erledigt und Sie haben Ihr Tagwerk bei diesem Chart getan.
Hat sich die Aktie nicht weit genug nach oben bewegt, um mindestens die Eintragung eines weiteren X’s zu rechtfertigen, gehen Sie zu Flowchart Frage Nr. 2 und überprüfen das Tagestief, um zu sehen, ob sich die Aktie weit genug nach unten bewegt hat, um ein Reversal zu rechtfertigen. Ein Reversal ist immer eine Schlüsselbewegung, weil dadurch letztendlich die Point&Figure-Chartbilder entstehen. Haben Sie ein Reversal festgestellt, gehen Sie eine Spalte weiter und in diesem Beispielfall, weil dies nun eine O-Spalte ist, ein Kästchen tiefer und tragen dann drei O’s ein, die die Umkehr dokumentieren. Hat sich die Aktie nicht weit genug nach unten bewegt, um einen derartigen Eintrag zu rechtfertigen, wird an diesem Tag kein Eintrag in dem Chart vorgenommen.
Eine Drei-Box-Umkehr heißt: alle drei Boxen müssen ausgefüllt sein (27/8 sind nicht 3 Punkte und 3 Punkte sind die Anforderungen für ein Reversal, wenn der Punktwert eines Kästchens 1 ist). Sie können also nicht erst eine Box ausfüllen und dann die andere, bis Sie drei Stück komplettieren. Der Chart bleibt in der laufenden Spalte, bis sich die Aktie mindestens drei Boxen in die andere Richtung bewegt hat.
Durch die Anwendung der Drei-Box-Umkehrmethode eliminieren wir kleinere Bewegungen, die sehr oft am Markt auftreten und konzentrieren uns auf signifikante Bewegungen, die es wert sind, aufgezeichnet zu werden. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber der Barchart Technik. Nochmals zur Verdeutlichung: Wenn eine Aktie fällt, wenden Sie denselben Prozess umgekehrt an. Überprüfen Sie erst, ob sich die Aktie so weit nach unten bewegt hat, dass der Eintrag eines weiteren O’s gerechtfertigt ist. Wenn das der Fall ist, tragen Sie ein weiteres O ein. Ist dies nicht der Fall, überprüfen Sie, ob das Tageshoch ein Reversal rechtfertigt. Wenn dies der Fall ist, gehen Sie eine Spalte weiter, gehen Sie ein Kästchen nach oben und tragen Sie drei X’e ein. Ist das nicht der Fall, wird an diesem Tag kein Eintrag vorgenommen. Es gibt Aktien, die bewegen sich monatelang so wenig, dass keine Charteinträge erfolgen. Genauso gibt es Zeiträume, in denen die Märkte so volatil sind, dass die Aktie die eingeschlagene Bewegungsrichtung behält, aber am selben Tag eine scharfe Bewegung nach unten macht.
Zum Beispiel: Eine Aktie bewegte sich so weit nach oben, um den weiteren Eintrag eines X’s zu rechtfertigen, aber in den letzten Minuten des Handelstages fällt die Aktie 8 Punkte nach unten, weil negative Gewinnnachrichten veröffentlicht wurden. Sie halten sich stur an Ihren Flowchart. Die Aktie hat sich ein weiteren Punkt nach oben bewegt, daher tragen Sie ein X ein und kümmern sich konsequenterweise nicht um das Tagestief. Denn mit dieser Bewegung setzen Sie sich am nächsten Tag auseinander. Es kann natürlich nichts schaden, sich diese besondere Bewegung in Erinnerung zu behalten, selbst wenn Sie an diesem speziellen Tag keine Eintragungen nach unten vornehmen werden.
Denken Sie immer daran, ein Chart kann nur in eine bestimmte Richtung an einem spezifischen Tag gehen. Das heißt also, wenn schlechte Unternehmensdaten gegen Ende der Sitzung bekannt werden und die Aktie stark nach unten fällt, erfolgt an diesem Tag trotzdem kein Eintrag, sondern Sie zeichnen Ihr X ein, weil das Tageshoch dies rechtfertigt. Sie setzen sich mit dem Kursrückgang erst am nächsten Tag auseinander.
Am nächsten Tag kann viel passieren. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass die Aktie ihren ganzen Verlust wieder aufholt, weil Analysten, die sich den Gewinneinbruch genauer angesehen haben, feststellen, dass es sich um eine Sonderabschreibung handelt. Selbstverständlich betrachten Sie dann am nächsten Tag als erstes den Flowchart, ob die Aktie um 1 Punkt gestiegen ist und es spielt keine Rolle, dass sie in der Zwischenzeit um 8 Punkte gefallen ist, da dann keine Umkehr vorliegt. In diesem Fall wäre der Zusammenbruch am Nachmittag des Vortages auch nur ein Rauschen. Wäre aber der kurzfristige Anstieg am Folgetag nicht über das Tageshoch des Vortages hinausgehend, sondern nur ein begrenztes Aufholen des Verlustes des Vortages, würde man den Tiefstkurs des Tages zum Ansatz bringen und dann eine Umkehrformation einzeichnen.
Wenn Ihnen dies nun alles klar ist, gehen Sie weiter zum Kapitel “Charting U.S. Surgical”.