Röhl, Heussinger
Intelligent investieren mit Zertifikaten
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3. Auflage 2013
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eBook by ePubMATIC.com
Geleitwort von Prof. Bernard A. Lietaer
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage
Was sind Zertifikate?
Im Dschungel der Finanzinnovationen
Funktionsweise und Merkmale von Zertifikaten
Zertifikate sind Anleihen
„Underlying“ bestimmt den „Fair Value“
Laufzeit: begrenzt oder unbegrenzt
Zertifikate zeichnen
Kaufen und verkaufen: die Spanne macht’s
Kosten und Gebühren: Agio, Fee und Dividende
Besteuerung: viele Chancen, einige Tücken
Index-Zertifikate: Solide Basisinvestments
Was Indizes leisten und wie sie funktionieren
Zertifikate auf den DAX
Zertifikate auf den MDAX
Zertifikate auf den Nemax50 und den Nemax All Share
Zertifikate auf die Stoxx- und EuroStoxx-Indizes
Zertifikate auf den Benmax50
Zertifikate auf nationale europäische Indizes
Zertifikate auf den DJIA und den S&P500 (USA)
Zertifikate auf den Nasdaq100 (USA)
Zertifikate auf den Nikkei225 und den Topix (Japan)
Index-Fonds und Index-Aktien: Alternativen zum Zertifikat?
Strategie-Zertifikate: Den Index outperformen
Anlagehintergrund und -motivation
Maximum-Strategie: Es kommt doch auf die Größe an
Value-Strategie: Im Einkauf liegt der Gewinn
Growth-Strategie: Kurse steigen wie Gewinne
Value&Growth-Strategie: Immer richtig positioniert
Kursmomentum-Strategie: „The Trend is Your Friend“
Look-Back-Strategie: Das Beste zum Schluss
Best Seasons-Strategie: „Sell in May and Go Away“
Mitarbeiterbeteiligungs-Strategie: Divide et impera
Index-Strategie: Investition in Aufsteiger
Geo-Strategie: Blühende Landschaften
Experten-Strategie: Wenig Licht, sehr viel Schatten
Themen- und Branchen-Zertifikate: Sinnvolle Depotbeimischung
Anlagehintergrund und -motivation
Internet: Die Blase ist geplatzt, das Blubbern bleibt
Technologie: „High Tech“ = „High Yield“ ?
Telekommunikation: Im Bann von UMTS
Medien: Das Öl des 21. Jahrhunderts
Life Science: Medizin fürs Depot
Finanzdienstleistungen: Mit Geld Geld verdienen
Venture Capital: Nur für Wagemutige
Energie & Versorgung: Defensiv-Anlagen mit Grün-Phantasie
Logistik: Überschätzte Modebranche
Konsum: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Emerging Markets
Hedgefund-Zertifikate: Auf Soros’ Spuren
Anleihen-Zertifikate: Die Steuer überlisten?
Exoten-Zertifikate: Innovationen für Spezialisten
Anlagehintergrund und -motivation
Garantie-Zertifikate: Sicherheit zu einem hohen Preis
Discount-Zertifikate: Billiger Einstieg – begrenzter Gewinn
Bär-Zertifikate: An fallenden Kursen verdienen
Turbo-Zertifikate: Die heße Hebel-Spekulation
Erfolgreich anlegen
Die Mischung macht’s: passives Portfoliomanagement
Vorsorge-Strategie (sehr konservativ)
Sicherheitsorientierte Strategie (konservativ)
Dynamische Strategie (offensiv)
Wachstumsorientierte Strategie (aggressiv)
Anhang
Weiterführende Informationen
ZertifikateJournal: Die Ergänzung zum Buch
Glossar
Dies ist ein wichtiges Buch für die Finanzgemeinde. Nicht aufgrund dessen, dass es das Erste ist, das in komprimierter Form sehr viele der gegenwärtig in Deutschland erhältlichen Zertifikate behandelt oder dass es von zwei sehr erfolgreichen und bekannten Finanzexperten geschrieben wurde (beide wurden in Fernsehsendungen zum Thema Geldanlage bereits vor ihrem 21. Geburtstag in den 90er Jahren interviewt), sondern weil es das erste Buch ist, in dem eine völlig unabhängige und ehrliche Anlageberatung gegeben wird.
Wussten Sie zum Beispiel, dass eines der größten Geheimnisse der Finanzgemeinde darin liegt, dass bis zu 95 Prozent sämtlicher verwalteter Portfolios langfristig schlechter als die allgemeinen Marktindizes abschneiden und dass die höheren Renditen, die durch Marktindizes erreicht werden, viel günstiger durch Zertifikate zu erzielen sind als generell durch Fonds? Als Folge dessen werden einige der kostengünstigsten Anlagestrategien mit den höchsten Renditen gegenüber der großen Mehrheit von Anlegern noch nicht einmal erwähnt …
Dies ist daher das erste praktische, kundenorientierte Anlageberatungsbuch, das alle Gesichtspunkte des Themas behandelt – von allen wichtigen Grundlagen und Hintergründen über Gebühren und versteckte Kosten bis hin zu ausgefeilten Anlagestrategien und Steuergesichtspunkten – nichts wird ausgelassen.
Der einzige Kritikpunkt, den ich hätte, ist eigentlich gar keiner – die niedrige Ambition des Titels. Dieses Buch enthält mehr als Zertifikate, obwohl der größte Teil des Textes sich natürlich auf dieses Thema bezieht. Im letzten Kapitel jedoch wird alles ins rechte Licht gerückt – man hätte ihm den folgenden Titel geben können: “Anlagestrategien für das 21. Jahrhundert” – Strategien, in denen Portfoliopraktiken aktualisiert werden, einschließlich sämtlicher Vermögensklassen und unter Berücksichtigung der neuen Möglichkeiten, die durch Zertifikate für jegliche Art von Portfolio entstehen. Die meisten Anleger denken, dass Zertifikate – wie alle Derivate – nur ein Instrument für erfahrene Profis sind, da sie für den Durchschnittsanleger zu komplex und zu riskant sind. In diesem Text wird aufgezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Heutzutage sollten selbst die grundsolidesten Anlagestrategien bzw. die konservativsten Portfolios für die Altersvorsorge einen Platz für Zertifikate bieten, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.
Es gibt einen letzten Grund, warum dieses Buch so wichtig für die Finanzgemeinde ist: Es ist kein Geheimnis, dass die deutschen Kapitalmärkte weniger ausgereift sind als zum Beispiel die in London oder New York. Dies hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen.
Positiv: die geringeren Regulierungsauflagen haben es Frankfurt ermöglicht, den Weg für eine eindrucksvolle Anzahl neuer Arten von Nischenprodukten, die sich durch ihren hohen Entwicklungsstand und ihre Innovation auszeichnen, zu bereiten. Die Volumina, die in New York gehandelt werden, sind selbstverständlich ein Vielfaches dessen, was in Frankfurt gehandelt wird. Aber bei fast allen davon handelt es sich um einfache “Plain Vanilla-Finanzprodukte” ohne bedeutende innovative Eigenschaften. Frankfurt dagegen handelt mit kleineren Volumina, jedoch mit höherem intellektuellen Inhalt.
Als Negativpunkt hat das Fehlen einer Regulierung und Transparenz manchmal dazu geführt, dass internationale Geldanleger Deutschland als eine Art “Wilder Westen für Anleger” betrachten. Und das ist der Grund dafür, warum auch sie genug deutsch lernen sollten, um dieses Buch lesen zu können: die rigorose analytische und unabhängige Meinung der Autoren wirkt in diesem Dschungel erfrischend. Das Buch hat überdies den Vorteil, dass es stets auf den Punkt kommt, damit sowohl Anleger, die noch Anfänger sind, als auch erfahrene Profis etwas lernen, das für ihre finanzielle Zukunft nützlich ist.
Das Buch ist eine echte Bereicherung für die Anlegergemeinde und ein wegweisender Ratgeber für nachweisbar erfolgreiche Anlagestrategien.
Brüssel, im Sommer 2001
Prof. Bernard A. Lietaer
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1Bernard A. Lietaer war Professor für internationales Finanzwesen in Leuven, der ältesten Universitätsstadt seines Heimatlandes Belgien. Während seiner Tätigkeit an führender Stelle in der belgischen Zentralbank zeichnete er verantwortlich für die Einführung des ECU. Anschließend wurde er Präsident des elektronischen Zahlungssystems in Belgien. Von 1987 bis 1991 war Lietaer Geschäftsführer und Währungshändler des Gaia Hedge II Fonds, eines der erfolgreichsten Hedgefunds überhaupt. “Business Week” kürte Lietaer zu den besten Währungshändlern weltweit. Bereits in den 80er Jahren hat er an der Entwicklung von Zertifikaten in den USA mitgewirkt. Seine aktuellen Bücher “Das Geld der Zukunft” sowie “Mysterium Geld” (in Deutschland beide beim Riemann Verlag erschienen) entstanden während eines Forschungsauftrages an der Universität Berkeley und einer Gastprofessur an der Sonoma State University in Kalifornien.
Als Ende September 2001, kurz nach den barbarischen Terroranschlägen in den USA, die erste Auflage dieses Buches erschien, waren wir als Autoren eigentlich davon überzeugt, uns mit einer Überarbeitung des Buches mindestens drei Quartale Zeit lassen zu können.
Dass es dann doch anders gekommen ist und der Verlag schon im Januar 2002 mit den Planungen für eine zweite Auflage begonnen hat, erfüllt uns naturgemäß mit großer Genugtuung und einem gewissen Stolz – Genugtuung, weil das starke Interesse an einem Buch wie diesem zeigt, dass immer Anleger die richtigen Lehren aus dem „Crash“ der letzten zwei Jahre ziehen und nun auf langfristigen Vermögensaufbau mit diversifizierten Strategien setzen statt riskante Spekulationen mit Einzelaktien zu wagen; Stolz, weil es uns scheinbar gelungen ist, das revolutionäre Finanzinstrument “Zertifikat” in all seinen Facetten anschaulich zu machen, wofür nicht zuletzt die positiven Rezensionen der Fachpresse und vor allem die zahlreichen Zuschriften aus der Leserschaft ein eindrucksvoller Beweis sind.
Diese erfreuliche Resonanz ist für uns natürlich auch eine Verpflichtung, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Und so ist diese Neuauflage nicht nur eine auf den neusten Stand gebrachte Version der 1. Auflage des Buches, sondern gleichsam eine intensive Neubearbeitung: Bei den theoretischen Ausführungen im ersten Teil haben wir die Passagen über die Zertifikate-Emittenten sowie den Handel mit Zertifikaten dem Wunsch unserer Leser entsprechend detaillierter gestaltet. Im Rahmen der Abhandlung über Index-Zertifikate gehen wir nun auch auf Index-Fonds bzw. ETFs (Exchange Traded Funds) ein, die in einigen Fällen eine interessante Alternative zum Zertifikat sein können. Der dritte Abschnitt, der sich mit Strategie-Zertifikaten beschäftigt, wurde teilweise neu strukturiert und um einige in der Zwischenzeit auf den Markt gekommene innovative Produkte ergänzt, während bei den daran anknüpfenden Themen-Zertifikaten einige einzelne Papiere nun weniger ausführlich besprochen werden – dies freilich nur, um Platz zu schaffen für das völlig neu konzipierte Kapitel über „Exoten-Zertifikate“. Hier haben die rege Emissionstätigkeit und die Kreativität der Banken dafür gesorgt, dass Hedgefund- und Renten-Zertifikate mittlerweile nichts exotisches mehr sind, dafür aber verschiedenste Garantie-Produkte, Discount-Zertifikate und „Turbo“-Papiere dem Anleger selektiv neue Chancen eröffnen können.
Auch diesmal wollen wir nicht die Menschen vergessen, die einen wesentlichen Anteil an diesem Buchprojekt haben, ohne dafür auf dem Cover genannt zu werden. Damit gemeint sind zunächst die zahlreichen Leserinnen und Leser der ersten Auflage, die uns mit sehr ausführlichen Anregungen ebenso überrascht wie geholfen haben. Zu danken haben wir außerdem den Vertretern der Emissionshäuser, die sich intensiv bemüht haben zu beweisen, dass Zertifikate gegenüber Fonds nicht nur das bessere Anlageinstrument sind, sondern dass die Zertifikate-Anbieter sich gegenüber der Fonds-Industrie auch durch ein beeindruckendes Maß an Service und Offenheit auszeichnen. Besonders seien an dieser Stelle Rainer Bellet, Florian Brechtel, Holger Bosse, Susann Cudok, Christine Dillinger, Sylvianne Falter, Werner Humpert, Frank Klingelhöfer, Thorsten Michalik, Joachim Rohrmann, Wolfgang Stefan und Andreas Walla genannt, die unser Research weit über das zu erwartende Maß unterstützt haben. Ein besonderer Dank geht abschließend an unsere Mitarbeiterin Birgit Schmitt, die uns viel von der mühseligen „Kleinarbeit“ abgenommen hat, sowie an die Geschäftsführung und die Mitarbeiter des FinanzBuch-Verlags sowie unseres Editionspartners n-tv, die dieses Buchprojekt mit enormem Engagement unterstützt haben.
Wir hoffen, dass die Neuauflage von „Intelligent investieren mit Zertifikaten” Ihren Ansprüchen gerecht wird und wünschen Ihnen viel Erfolg dabei, mit Zertifikaten selbst Ihr bester Vermögensverwalter zu werden.
Frankfurt am Main / Reith im Alpbachtal, im Februar 2002
Christian W. Röhl Werner H. Heussinger
Unter den zahlreichen Finanzinnovationen, welche die Produktentwickler der Banken dem deutschen Finanzmarkt in den vergangenen Jahren beschert haben, erfreuen sich Zertifikate – mitunter auch Partizipationsscheine, Participations oder fast schon metaphorisch PERLES (Performance Linked to Equities) genannt – besonderer Resonanz.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dieses Finanzinstruments, der besonders für die Markteinführung entscheidend war, ist sicherlich die Tatsache, dass private Anleger über Zertifikate erstmals die Möglichkeit erhalten, auch mit geringem Kapitaleinsatz gleich auf einen ganzen Index zu setzen statt nur einzelne Aktien zu kaufen, und dies ohne die zusätzliche Risikokomponente des bei Optionsscheinen üblichen Hebeleffekts.
Die ohnehin rege Emissionstätigkeit – mittlerweile sind in Deutschland über 600 Zertifikate auf nationale und internationale Marktbarometer und Aktienkörbe erhältlich – dürfte sich in Zukunft weiter sehr dynamisch entwickeln, weil immer mehr Anleger feststellen werden, dass Zertifikate sowohl im Hinblick auf ihre Chance/ Risiko-Struktur als auch wegen ihrer universellen Einsatzmöglichkeiten das ideale Anlageinstrument darstellen. Da sie kostengünstiger und flexibler als ein Investmentfonds und weniger volatil als die Einzelaktie sind, bedienen Zertifikate die Bedürfnisse und Motivationen der wichtigsten Zielgruppen für kapitalmarktbasierte Finanzprodukte.
Dem aktiven Anleger bieten Zertifikate die Möglichkeit, effizient und mit einem weitaus geringeren Risiko als bei Investitionen in Einzelwerte auf kurz- und mittelfristige Börsenbewegungen und -trends zu setzen. Für den Langfrist-Investor sind vor allem Strategie- und Index-Zertifikate mit unbegrenzter Laufzeit eine unschlagbare Alternative zu aktiv gemanagten Investmentfonds, die trotz hohem Analyse- und damit Kostenaufwand in den meisten Fällen keine Outperformance des Index erreichen. Über Spar- und Auszahlungspläne werden Zertifikate darüber hinaus zu einem Vehikel für den langfristigen Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge.
Trotz des Zertifikate-Booms und der zahlreichen Vorteile, die Zertifikate gegenüber anderen Anlageinstrumenten für den Privatinvestor aufweisen, existiert zu diesem Thema bis auf die (teilweise wirklich gut gemachten, aber leider eben nicht unabhängigen) Broschüren der Banken kaum qualifizierte Literatur. Selbst der aufgeschlossen-interessierte Anleger hat wenige Hilfsmittel zur Hand, um im „Dschungel der Zertifikate“ den Überblick zu behalten – ein durchaus gewichtiges Problem, schließlich ist nicht jedes Zertifikat für jeden Anleger sinnvoll und empfehlenswert.
Diese Lücke will das vorliegende Buch schließen; es soll sowohl dem Einsteiger als auch dem erfahrenen Anleger als Leitfaden und Nachschlagewerk für die Geldanlage mit Zertifikaten dienen.
Ausgangspunkt ist dabei zunächst die grundsätzliche Frage „Was sind Zertifikate?“, die im ersten Teil des Buches ausführlich behandelt wird. Anhand von Definitionen und Beispielen wollen wir Ihnen die Funktionsweise von Zertifikaten erläutern und gleichzeitig praktische Tipps geben, die Sie bei Ihrer Anlage in Zertifikaten unbedingt beachten sollten – beispielsweise in Bezug auf die Laufzeit, die Preisfindung oder die steuerliche Relevanz.
Der zweite Teil widmet sich dann den momentan auf dem Markt verfügbaren Zertifikaten. Um Ihnen die Übersicht über das ungemein breite Spektrum zu erleichtern, haben wir eine Unterteilung in vier Segmente (ergo vier Kapitel) vorgenommen: Index-, Strategie-, Themensowie „Exoten-Zertifikate“ (u. a. Hedgefonds- und „Bär“-Zertifikate). Für jeden Typus stellen wir zunächst den spezifischen Anlagehintergrund vor, um dann in die Besprechung einzelner Zertifikate einzusteigen.
Bei dieser Detailanalyse geht es nur entfernt um Einschätzungen zur künftigen Entwicklung der Märkte – die Antwort auf die Frage „Kaufe ich jetzt besser DAX- als S&P500-Zertifikate?“ hätte eine für ein Buch mit dem Anspruch eines Leitfadens und Nachschlagewerks viel zu geringe Halbwertszeit. Im Zentrum der Erörterung steht vielmehr die Frage, welche von den oft sehr zahlreichen Zertifikaten mit derselben Anlageidee unter Aspekten wie Laufzeit, Kosten oder Marktliquidität empfehlenswert sind. Selbstverständlich „hecheln“ wir dabei nicht alle verfügbaren Papiere durch, sondern konzentrieren uns auf die interessantesten und erklärungsbedürftigsten, um Ihnen auf diese Weise das Rüstzeug an die Hand zu geben, mit dem Sie Zertifikate selbständig beurteilen können.
In einem abschließenden dritten Teil erhalten Sie dann – basierend auf den Einzelbesprechungen – Anregungen und Leitlinien für individuelle Anlagestrategien mit Zertifikaten. Dabei geben wir Ihnen auch eine allgemein verständliche Einführung in die Theorie des passiven Portfoliomanagements, die einzige wissenschaftlich anerkannte Methode für nachhaltig erfolgreiches Agieren an den Finanzmärkten. Abgerundet wird das Buch Kapitel durch eine umfangreiche Liste weiterführender Informationsquellen, die neben den Kontaktdaten der Emissionshäuser auch Anleger-Zeitschriften und Internet-Angebote nennt, welche sich mit dem Thema Zertifikate beschäftigen.
Nicht unerwähnt lassen wollen wir an dieser Stelle auch unseren Informationsservice „ZertifikateJournal“, der Sie wöchentlich über allgemeine Marktentwicklungen, Neuemissionen von Zertifikaten, aktuelle Anlagechancen, Musterstrategien und Änderungen in der steuerrechtlichen Behandlung auf dem Laufenden hält. Nähere Informationen hierzu gibt es im Anhang, wo Sie auch erfahren, wie Sie uns Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu diesem Buch übermitteln können.
Gleichzeitig möchten wir an dieser Stelle denen danken, die uns bei der Realisierung dieses Buchprojekts tatkräftig unterstützt haben. An erster Stelle sind dabei die Vertreter der Emissionshäuser zu nennen, die durch ihre Kooperationsbereitschaft das Basisresearch wesentlich erleichtert haben. Besonders danken wir in diesem Zusammenhang Werner Humpert, Tanja Jost, Silke Kaiser, Marc Klein, Frank Klingelhöfer, Carsten Richter, Wolfgang Stefan, Thomas Timmermann, Dirk Urmoneit, Alexander Wilson und Herbert Wüstefeld für den intensiven fachlichen Dialog und wertvolle Praxis-Tipps.
Ein spezieller Dank geht an Herrn Prof. Bernard A. Lietaer für sein Geleitwort, die motivierenden Anregungen und den stets fruchtbaren Gedankenaustausch sowie an Herrn Dr. Hubert-Ralph Schmitt, Vorstand der Bank Schilling & Co. AG, für die Überarbeitung der mit steuerlichen Aspekten befassten Textpassagen.
Außerdem möchten wir uns sehr herzlich bei Yassin Hankir, Heike Görner, Thomas González, Maik Jacobs, Wolfgang Raum, Birgit Schmitt und Andrea Willburger für ihre aktive Hilfe und die stets konstruktive Kritik bedanken. Besonderer Dank gebührt schließlich unseren Lebenspartnerinnen für ihre Geduld und ihre aufmunternden Worte.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und viel Erfolg mit der Geldanlage in Zertifikaten!
Frankfurt am Main / Reith im Alpbachtal, im Sommer 2001
Christian W. Röhl Werner H. Heussinger
Auch wenn die erst in den letzten Jahren wirklich aktiv gewordene öffentliche Berichterstattung oft etwas anderes zu suggerieren scheint – die Börse ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts: Schon aus dem Altertum sind Marktplätze mit börsenähnlichen Mechanismen bekannt; im späten Mittelalter sorgten die Tulpenzwiebel-Hausse und der anschließende brutale Crash für das gleiche Aufsehen wie jüngst die Entwicklungen an der Nasdaq und am Neuen Markt; der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. finanzierte seine Prachtbauten und Kriege mit öffentlichen Anleihen; Motor des Eisenbahnbaus und der gesamten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert war das am börslichen Markt eingesammelte Aktienkapital.
Im Gegensatz zu heute war das Spektrum der börslichen Wertpapiere damals allerdings recht eng begrenzt auf zwei Kategorien mit sehr spezifischen Merkmalen – Aktien und Anleihen: Die Aktie ist ein Wertpapier, das einen Anteil am Stammkapital eines Unternehmens, der Aktiengesellschaft, verbrieft. Der Aktienbesitzer ist somit Miteigentümer des Unternehmens und besitzt Rechte wie die Stimmkraft in der Hauptversammlung oder den Anspruch auf Ausschüttung einer Gewinnbeteiligung (Dividende), sofern die Hauptversammlung dies beschließt. Aktien haben keine Laufzeit, sind also unbegrenzt gültig und als Eigenkapitalpapiere auch nicht zurückzahlbar. Kleinste handelbare Einheit ist die einzelne Aktie.
Anleihen sind das genaue Gegenstück zur Aktie: Der Erwerber einer Anleihe ist nicht Miteigentümer, sondern Gläubiger der Institution oder des Unternehmens, das die Anleihe begeben hat, des so genannten Emittenten. Somit hat der Anleihen-Käufer weder Stimmrechte noch ist er über eine Gewinnausschüttung direkt am Verlauf des operativen Geschäfts des Emittenten beteiligt. Als Kompensation für das dem Emittenten zur Verfügung gestellte Kapital (den so genannten Nennbetrag) erhält der Besitzer einer Anleihe in bestimmten Zeitabständen, zumeist jährlich, eine in den häufigsten Fällen vordefinierte Zinszahlung. Anleihen haben eine fixe Laufzeit, an deren Ende der Nennbetrag zurückgezahlt wird. Kleinste handelbare Einheit ist in der Regel ein Nennbetrag von DM bzw. € 100,00.
Die Innovationsleistung des 20. Jahrhunderts – und hier vor allem der 80er und 90er Jahre – bestand nun in der Entwicklung neuartiger Wertpapiere, die auf den beiden Grundtypen Aktie und Anleihe basieren, dabei aber deren klassischen Merkmale abwandeln oder ergänzen oder sogar diese beiden eigentlich so gegensätzlichen Finanzinstrumente miteinander kombinieren.
Volkswirtschaftlich betrachtet wohnt allen diesen Finanzinnovationen übrigens die Eigenschaft inne, dass sie nicht primär der Finanzierung des Emittenten dienen. Wenn Unternehmen an der Börse Aktien platzieren, steht dahinter die Absicht, mit dem eingesammelten Kapital neue Investitionen oder Übernahmen zu tätigen. Und die öffentliche Hand begibt alljährlich großvolumige Anleihen, um ihre zahlreichen Haushaltslöcher zu stopfen. Aber wenn Banken neue Finanzprodukte auf den Markt bringen, sind diese zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Zielgruppe, der privaten oder institutionellen Anleger nämlich, und kaum an den bankinternen Kapitalerfordernissen orientiert. Finanzinnovationen dienen also nicht vorrangig der Finanzierung der Banken, sondern der Generierung von Erträgen, und diese sind alles andere als gering.
Einige Beispiele für Finanzinnovationen sind:
Investmentfonds: Die bereits seit den 60er Jahren in Deutschland etablierte Fonds-Idee basiert auf dem Umstand, dass „Otto Normalbürger“ in der Regel weder genügend Zeit oder Kenntnisse für ein erfolgreiches Agieren an den Finanzmärkten besitzt noch über ausreichende Mittel verfügt, die für eine Streuung des Anlagekapitals auf mehrere Wertpapiere (Diversifikation) und damit eine Reduzierung der Risiken erforderlich wären. Ein Investmentfonds ist quasi ein „Kapitaltopf“, in den zahlreiche Einzelpersonen Geldbeträge einzahlen, die dann gesammelt von einem erfahrenen Management in Wertpapieren angelegt werden. Die Fondsmanager sind gehalten, ihre Investments breit zu streuen, wobei allerdings eine Branchen- oder Marksegment-Spezifizierung möglich ist. Da der einzelne Investmentfonds-Anteil in der Regel im dreistelligen DM-Bereich notiert, war diese Anlageform für viele Kleinsparer die erste Möglichkeit, überhaupt an der Börse aktiv zu werden.
Optionsscheine: Schon Anfang der 90er Jahre, als der Börse noch keine große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde, hat sich in Deutschland eine lebendige Optionsschein-Kultur entwickelt. Basis dieses Finanzprodukts ist das schon jahrhundertealte und ursprünglich aus dem Rohstoff-Bereich stammende Termingeschäft, bei dem der eine Partner das Recht erwirbt, zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt und zu einem bereits vordefinierten Preis eine bestimmte Menge einer Ware zu kaufen oder zu verkaufen, und der andere Partner die Pflicht hat, die Ware zu diesen Konditionen auch zu liefern bzw. abzunehmen, wofür er von seinem Gegenüber wiederum eine Prämie erhält. Optionsscheine sind nun nichts anderes als die Standardisierung eines solchen Termingeschäfts in Form eines Wertpapiers, bei dem darüber hinaus die Ware nicht mehr Kaffee oder Weizen ist, sondern eine oder mehrere Aktien. Aufgrund der den Optionsscheinen eigenen Hebelwirkung – geringer Kapitaleinsatz bei voller Teilnahme an allen Schwankungen des Marktes – sowie der enormen Volatilitätseinflüsse ist dieses Finanzinstrument äußerst spekulativ, viele Engagements enden mit einem Totalverlust für den Anleger.
Floater: Mit diesem schönen Begriff – zu deutsch „Fließer“ – wird eine Anleihe bezeichnet, deren Zinssatz nicht von vornherein für die gesamte Laufzeit festgelegt ist (z. B. sechs Prozent p. a.), sondern in regelmäßigen Abständen, zumeist quartalsweise, an die aktuelle Entwicklung der Marktzinsen angepasst wird. Der Käufer einer solchen Anleihe erhält also stets eine marktnahe Rendite auf das eingesetzte Kapital, ohne das Risiko, in Hochzinsphasen in einer Niedrigzinsanleihe engagiert zu sein, dafür aber auch ohne Gelegenheit, hohe Zinsen für eine lange Laufzeit festzuschreiben.
Reverse Convertibles: Reverse Convertibles sind Anleihen mit sehr hohem festen Zinssatz (zwölf bis 25 Prozent), bei denen sich die Bank das Recht vorbehält, am Ende der Laufzeit den Nennbetrag nicht in Geld (z. B. € 100,00) auszuzahlen, sondern stattdessen eine vordefinierte Stückzahl einer bestimmten Aktie (z. B. drei Aktien der Deutschen Telekom AG) zu überweisen. Bei konstanten oder steigenden Aktienkursen ist dies für den Anleger ein gutes Geschäft, fallende Notierungen der jeweiligen Bezugsaktie lassen dagegen den Zinsvorteil schnell zusammenschmelzen und führen oft zum Kapitalverlust. Somit sind diese „Aktienanleihen“, auch wenn die Produktwerbung der Banken oft das Gegenteil suggeriert, eine recht riskante Finanzinnovation, die im Depot eines Privatanlegers – wenn überhaupt – nur mit dem Gewicht einer geringfügigen spekulativen Beimischung vertreten sein sollte.
Insbesondere bei den Optionsscheinen beweisen die Emissionsbanken schon seit Jahren einen unbändigen Einfallsreichtum, was die Entwicklung neuer Produkte angeht. Die Anleger bleiben dabei allerdings leider oft auf der Strecke und erleiden empfindliche Kursverluste: Viele dieser Kreationen sind einfach zu komplex; selbst mit Hilfsmitteln wie einschlägiger Literatur oder den immer zahlreicher werdenden Internet-Services kann ein Laie das Chance/Risiko-Profil vieler Finanzinnovationen kaum abschätzen. Schon vor diesem Hintergrund sind Zertifikate geradezu eine Wohltat, folgen sie doch weitestgehend dem guten, alten KISS-Motto – „Keep It Simple and Stupid“.
Während die Kreativität der Banken in puncto Finanzinnovationen kaum Grenzen kennt, herrscht bei der Benennung der neuen Produkte mitunter verwirrende Einfalt: Unter dem Begriff Zertifikat wird mittlerweile eine ganze Reihe unterschiedlicher Finanzprodukte vermarktet, die bei näherer Betrachtung in ihren spezifischen Merkmalen durchaus erheblich voneinander abweichen und teilweise sogar Optionskomponenten enthalten. Zur Veranschaulichung des Anlageinstruments, das Thema dieses Buches bildet, ist der Modebegriff „Zertifikat“ ohnehin nur bedingt geeignet; wesentlich aussagekräftiger ist hier die von der Dresdner Bank eingeführte und in der englischen Version noch immer als Produkt-Label verwendete Bezeichnung „Partizipationsschein“: Die Wertpapiere, um die es hier geht, verbriefen dem Anleger die Partizipation, also die Teilnahme an der Kursentwicklung anderer Wertpapiere und Finanzprodukte.
Dies erscheint auf den ersten Blick etwas befremdlich – an der Kursentwicklung beispielsweise einer Aktie oder einer Anleihe kann man schließlich auch direkt und ohne Zertifikat partizipieren, indem man dieses Wertpapier einfach über die Börse kauft. Der Einwand ist berechtigt, gilt allerdings nur für traditionelle Wertpapiere, nicht aber für synthetische Finanzprodukte wie Aktienindizes.
Ein Beispiel: An der Entwicklung des DAX, jenes die 30 größten Standardtitel umfassenden Deutschen Aktienindex teilzuhaben war in der Vergangenheit eine lukrative Angelegenheit. In den elf Jahren zwischen Anfang 1990 und Ende 2000 legte das Marktbarometer von 1.790,37 auf 6.433,61 Punkte zu, was einer Verdreieinhalbfachung oder einer jährlichen Durchschnittsrendite von veritablen 9,05 Prozent entspricht. Da bleibt nur die Frage, wie ein Anleger mit seinem Depot genau diese Wertentwicklung abbilden konnte – schließlich ist der DAX keine Aktiengesellschaft, sondern ein synthetisches Produkt, ein Index, den man schlecht „kaufen“ kann.
Es gibt zwei Lösungsmöglichkeiten. Die erste besteht darin, sich die Gewichtungen der 30 Aktien, der im DAX enthaltenen Unternehmen – diese findet man beispielsweise auf der Internet-Homepage der Deutschen Börse – anzuschauen und von seinem Anlagekapital, beispielsweise € 100.000, genau 11,6 Prozent in Anteilsscheine der Deutschen Telekom zu investieren, genau 5,33 Prozent in DaimlerChrysler-Aktien, 5,14 Prozent in E.ON-Titel, 4,44 Prozent in Bayer-Papiere usw., bis alle 30 Aktien im Depot sind. Ein mühsames und langwieriges Unterfangen, mit dem man den DAX obendrein nie exakt nachbilden wird. Schließlich müsste man beispielsweise bei einem E.ON-Kurs von € 59,50 getreu der Gewichtung genau 86,387 Aktien kaufen, und „gebrochene Aktien“ sind (noch) nicht verfügbar.
Die zweite Lösung ist deutlich einfacher: Man kauft ein DAX-Zertifikat, beispielsweise das „DAX Direkt 2005“ der Deutschen Bank (WKN 370 104), und kann sicher sein, bis 2005 exakt an der hoffentlich weiterhin positiven Entwicklung des DAX zu partizipieren.
Wie das genau funktioniert, wird in diesem Kapitel eingehend erklärt; vorab zum besseren Verständnis und zur Abgrenzung eine Definition dessen, was in diesem Buch als „Zertifikat“ bezeichnet wird – sicherlich etwas theoretisch anmutend, aber bestens geeignet, um im weiteren Verlauf die spezifischen Merkmale dieses Anlageinstruments sukzessive zu erläutern:
Zertifikate (im Sinne dieses Buches) sind
frei handelbare,
in ihrer Laufzeit begrenzte oder unbegrenzte,
von Banken begebene Anleihen
ohne laufende Erträge und
mit variablem laufenden Wert bzw. Rückzahlungsbetrag,
der an die Kursentwicklung eines Index oder „Korbes“ mit mindestens drei anderen Wertpapieren gekoppelt ist.
Wie oben schon angesprochen worden ist, lassen sich (fast) alle Finanzinnovationen auf die „klassischen“ Instrumente Aktie und Anleihe zurückführen. Dies ist bei Zertifikaten nicht anders – Zertifikate sind im Grundsatz Anleihen.
Diese Aussage mag zunächst etwas verwirrend klingen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass oben schon von Zertifikaten auf den Deutschen Aktienindex DAX die Rede war. Der Anleihencharakter wird allerdings schnell ersichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Zertifikate dergestalt funktionieren, dass man heute von einer Bank für einen Geldbetrag x ein Zertifikat erhält, welches man zu einem späteren Zeitpunkt gegen – wünschenswerterweise – mehr Geld an die Bank zurückgibt. In der Zwischenzeit kann die Bank mit dem erhaltenen Geld wirtschaften, aber dieses Geld ist eben kein permanentes Eigenkapital, wie es durch eine Aktie verbrieft wird, sondern die Bank muss spätestens bei Fälligkeit des Zertifikats eine Rückzahlung leisten. Die Höhe dieser Rückzahlung und die Frage, wonach der Rückzahlungsbetrag sich bemisst, spielen bei dieser theoretischen Betrachtung zunächst keine Rolle.
Dass Zertifikate grundsätzlich Anleihen darstellen, ist außerdem daran zu erkennen, dass sie keinerlei Aktionärsrechte verbriefen. Der Inhaber eines DAX-Zertifikats partizipiert zwar an der Kursentwicklung des DAX und damit der 30 wichtigsten deutschen Aktien, hat jedoch keine Handhabe, auf den Hauptversammlungen der DAX-Gesellschaften ein wie auch immer bemessenes Stimm- oder Rederecht wahrzunehmen. Und wenn wirklich einmal eine im DAX enthaltene Gesellschaft liquidiert werden sollte (der Aktionär dieses Unternehmens erhält in diesem Fall den seiner Quote am Grundkapital entsprechenden Anteil am Liquidationswert), kann der Zertifikate-Inhaber keinerlei Eigentumsrechte geltend machen.
Dies ist allerdings kein wirklicher Nachteil – angesichts des geringen Gewichts nimmt ohnehin kaum ein Privatanleger seine Stimmrechte in Hauptversammlungen wahr, und bei den von Zertifikaten abgebildeten Aktien und Indizes sind auch Liquidationen sehr unwahrscheinlich; ausgenommen vielleicht einige in speziellen Papieren enthaltene Technologie- oder Medien-Aktien, von denen inzwischen einige zur Beute des Pleitegeiers geworden sind. Der einzige Aspekt, bei dem das Fehlen von Aktionärsrechten sich für den Zertifikate-Inhaber handfest in der Rendite niederschlagen kann, ist die Behandlung von Dividenden; ein Thema, das weiter hinten unter „Kosten und Gebühren“ erläutert wird.
Wenn Zertifikate also Anleihen darstellen, gewinnt hingegen ein anderer Aspekt an Bedeutung: die Bonität, sprich die Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Die beste Wertentwicklung eines Zertifikats nutzt schließlich wenig, wenn der Emittent am Ende der Laufzeit mangels Mittel die Rückzahlung schuldig bleibt. Doch auch in diesem Punkt ist Gelassenheit angesagt: Wie die Grafik2 auf der folgenden Seite zeigt, werden Zertifikate von etablierten Banken aufgelegt, bei denen eine Zahlungsunfähigkeit höchst unwahrscheinlich ist. Oder, etwas zynisch gesprochen, wenn die Deutsche Bank oder die Commerzbank ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten, wäre dies eine derartige Bedrohung für die Volkswirtschaft, dass die ausbleibende Rückzahlung eines Zertifikats nur mehr ein unwesentlicher Zusatzschaden wäre. Und kommt wirklich einmal ein Institut in ärgere Turbulenzen, existieren in Deutschland zahlreiche Mechanismen, um einen Schaden für Anleger und Gläubiger zu vermeiden. So kritisch also die Situation beispielsweise momentan bei der Bankgesellschaft Berlin auch sein mag – kein Zertifikate-Inhaber muss ernsthaft befürchten, dass das zu großen Teilen im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Institut Bankrott geht und die Zertifikate somit verfallen. Die Praxis mancher Depotbanken, aus Risikogründen keine Aufträge mehr für Emissionen der Bankgesellschaft Berlin auszuführen, darf somit getrost als Panikmache eingestuft werden oder als (sehr durchsichtiger) Versuch, sich eines unliebsamen Konkurrenten zu entledigen.
Die Sicherheit in Bezug auf die Emittenten gilt auch für ausländische Häuser wie die Société Générale oder den Crédit Lyonnais. Gerade das letztgenannte Institut ist Beleg für diese These: Durch zahlreiche notleidend gewordene Großkredite stand das französische Geldhaus Mitte der 90er Jahre mehrfach kurz vor dem Zusammenbruch, konnte allerdings durch großzügige Finanzspritzen des französischen Staates, der für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit der Bank zu Recht dramatische volkswirtschaftliche Turbulenzen befürchtete, inzwischen erfolgreich saniert werden.
Vorsicht ist hingegen angebracht bei Zertifikate-Emittenten wie Lang & Schwarz oder GAMAG German Asset Managers, die keine Vollbanken, sondern lediglich sogenannte Wertpapierhandelsbanken oder Finanzdienstleister sind. Für diese Unternehmen greifen kaum Sicherungsmechanismen, so dass der Anleger bei einer Schieflage schnell mit leeren Händen dastehen könnte. Und bei kleinen Maklergesellschaften, die in der Regel nur über wenige und stark von der allgemeinen Börsenstimmung abhängige Ertragsfelder verfügen, kann eine derartige existenzbedrohende Situation naturgemäß wesentlich schneller auftreten als bei etablierten Großbanken. Zwar wollen wir ausdrücklich betonen, dass wir keinem der genannten Unternehmen augenblicklich eine derartige Finanzkrise unterstellen; dennoch halten wir Engagements in den Papieren von Lang & Schwarz und GAMAG unter dem Aspekt des Bonitätsrisikos für nicht empfehlenswert – denn anders als bei festverzinslichen Wertpapieren, wo einem erhöhten Bonitätsrisiko auch höhere Renditechancen gegenüberstehen, enthalten Zertifikate keine solche Risikoprämie. Obendrein sind die von den beiden genannten Häusern derzeit angebotenen Produkte (“Top-Pick-Baskets” auf den Neuen Markt sowie Discount-Zertifikate bzw. Hedgefund-Zertifikate) derart unattraktiv, dass ein Kauf ohnehin nicht erwogen werden sollte.
Doch auch wenn an dieser Stelle gerade angesichts der Attraktivität von Zertifikaten keinem Emissionshaus ernsthaft eine fehlende Absicht zur Fortführung des Zertifikate-Geschäfts nachgesagt werden soll, ist der Investor sicherlich besser beraten, wenn er sich bei der Auswahl seiner Papiere an die Marktführer hält. Doch welches sind die führenden Institute? Einen ersten Anhaltspunkt bietet die Graphik auf Seite 27, in der für jede Bank die Anzahl der momentan ausstehenden unterschiedlichen Zertifikate dargestellt ist. Grundsätzlich gilt dabei: Je mehr Zertifikate eine Bank begeben hat, desto geringer ist das Risiko einer mittelfristigen Geschäftsaufgabe. Bei Instituten, die nur wenige Zertifikate begeben haben oder die erst vor kurzem in diesen Markt eingestiegen sind, besteht hingegen die Gefahr, dass diese ihr Geschäft wieder einstellen werden, wenn der erwartete Erfolg bzw. Ertrag ausbleibt.
Allerdings ist die Aussagekraft der reinen Anzahl an aufgelegten Produkten begrenzt, denn wenn ein Bankhaus zwar 30 Zertifikate im Markt hat, hinter jedem Papier jedoch nur ein Volumen von wenigen Millionen Euro steht, ist das für den Emittenten nicht gerade ein wirtschaftlicher Erfolg. Nötig wären also eigentlich exakte Informationen über das ausstehende Volumen der jeweiligen Zertifikate bzw. über das Gesamt-Volumen, das die Emissionsbanken auf sich vereinigen. Diese Zahlen (die natürlich im Jahresverlauf stark schwanken können) gehören indes leider zu den am besten gehüteten Geheimnissen der “Zertifikate-Macher”, was ja auch durchaus verständlich ist – schließlich möchte man sich gerade angesichts des härter gewordenen Wettbewerbs nicht von den Konkurrenten in die Karten schauen lassen.
Zumindest eine Indikation für die tatsächlichen Marktanteile gibt indes die aus dem unerschöpflichen Zahlenvorrat der Clearstream Banking AG, der für die Abwicklung sämtlicher deutscher Wertpapiergeschäfte zuständigen Tochtergesellschaft der Deutsche Börse AG, stammende “Sekundärmarktstatistik für Zertifikate”. Diese Statistik erfasst den börslichen Handel mit allen in Deutschland zugelassenen Index-, Strategie-, Themen-, Hedgefund- und Discount-Zertifikaten und liefert somit den größtmöglichen Marktausschnitt. Der – volumenmäßig erfahrungsgemäß stärkere – außerbörsliche Handel bleibt dabei freilich außen vor, so dass eine Betrachtung absoluter Zahlen wenig aussagekräftig ist. Zulässig ist dagegen die Behauptung, dass zwischen dem Marktanteil von Emittenten bzw. einzelnen Zertifikaten im börslichen Handel und im außerbörslichen Handel eine enge Korrelation besteht, weshalb diese Sekundärmarktstatistik durchaus Aufschluss über die relativen Größen, sprich die Marktverhältnisse, gibt.
Betrachtet man nun die vorliegenden Daten, nämlich die aufsummierten Handelsvolumina für die Monate Januar bis November 2001 (siehe Graphik), bestätigen sich die bisherigen Schlussfolgerungen: Die “erste Reihe” der Zertifikate-Emittenten besteht aus den deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, Hypo-Vereinsbank, DZ Bank), den vier ausländischen Häusern ABN Amro, UBS Warburg, Merrill Lynch und Société Générale sowie den beiden Regionalinstituten Bankgesellschaft Berlin und WestLB. Knapp 94 Prozent des Börsenhandels mit Zertifikaten fanden in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres in Papieren dieser elf Institute statt. Ebenfalls zum “ersten Kreis” dazurechnen würden wir aus heutiger Sicht die französische BNP Paribas, die zwar für den gesamten Zeitraum mit 0,70 Prozent Marktanteil nur auf einem der hinteren Ränge landet, für den Monat November isoliert betrachtet allerdings schon vergleichsweise sagenhafte 2,40 Prozent vorzuweisen hat.
Wenig überraschend ist dagegen die Marktführerschaft der Deutschen Bank. Deutschlands größtes Geldhaus hat zwar nicht die meisten Papiere im Angebot – bei der Anzahl der Emissionen liegt die Dresdner Bank vorn –, vereinigt aber mit weitem Abstand das größte Handelsvolumen auf sich. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Deutsche Bank im börslichen Handel traditionell sehr stark ist und dass deshalb die Differenz zu den folgenden Rängen bei Berücksichtigung des außerbörslichen Handels etwas geringer sein dürfte, ist diese Dominanz durchaus beeindruckend. Doch auch die anderen Großbanken, allen voran die Dresdner Bank als Nummer zwei mit 13,26 Prozent Marktanteil, müssen sich nicht verstecken. Eine wirkliche Sensation gelingt dagegen ABN Amro: Mit einem Marktanteil von 12,08 Prozent für das Gesamtjahr konnte das niederländische Haus sich vor Commerzbank und HypoVereinsbank auf Rang drei schieben und im Monat November mit 15,55 Prozent sogar Platz zwei der Liste erklimmen – und dies ohne Filialnetz. Ein beeindruckender Erfolg für das Team rund um Dr. Stefan Kunze, der gleichermaßen beweist, dass der Zertifikate-Markt inzwischen so erwachsen ist, dass innovative und gute Produkte sich langfristig durchsetzen.
Auch wenn Zertifikate sich zumeist auf Aktien oder Aktienindizes beziehen, sind sie von der Theorie her Anleihen. Zertifikate verbriefen keinerlei Eigentums- und Aktionärsrechte an den Unternehmen, auf deren Aktien die Zertifikate sich beziehen, sondern das Recht auf Rückzahlung eines bestimmten Geldbetrages. Der Zertifikate-Käufer ist somit Gläubiger des Emissionshauses und sollte sich sowohl der Bonität als auch der Absicht zur Fortführung des Geschäfts versichern.
Entscheidender Faktor für den Erfolg oder Misserfolg einer Anlage in Zertifikaten ist die Kursentwicklung des so genannten Underlyings. Mit diesem aus dem Optionsschein-Bereich entlehnten Begriff wird die Gesamtheit der Wertpapiere bezeichnet, auf den das Zertifikat sich bezieht; aus diesem Grunde wird mitunter auch von „Bezugswerten“ gesprochen. Im Gegensatz zu Optionsscheinen wohnt den Zertifikaten im Sinne dieses Buches, ähnlich wie den eng verwandten Investmentfonds, allerdings in hohem Maße der Diversifikationsgedanke inne – mit dem Kauf eines einzigen Wertpapiers partizipiert der Anleger an der Kursentwicklung mehrerer anderer Wertpapiere und kann somit auch bei geringem Kapitaleinsatz sein Risiko ökonomisch sinnvoll streuen.
Als Underlying für ein Zertifikat kommt prinzipiell jedes Wirtschaftsgut und Finanzinstrument in Betracht, für das sich regelmäßig ein Preis feststellen lässt. Sieht man einmal von „exotischen“ Zertifikaten ab, die beispielsweise Hedgefunds als Bezugswerte haben, lassen sich die momentan am Markt verfügbaren Zertifikate anhand ihres Underlyings in zwei Klassen unterteilen:
Index-Zertifikate
und
Basket-Zertifikate
Die Index-Zertifikate, 1990 zum ersten Mal von der Dresdner Bank angeboten, sind die ältere und bis heute vom emittierten Volumen her bedeutendere Kategorie. Anknüpfend an die bereits beschriebene Problematik, einen „Index zu kaufen“, bilden diese Papiere die bekannten Marktbarometer wie den DAX, den Nemax50 (Wachstumstitel des Neuen Marktes) oder die Indizes der Dow Jones Stoxx-Familie (europäische Standardaktien) ab und bieten damit die Möglichkeit, die exakte Wertentwicklung der Indizes unkompliziert, direkt und in der Anlagesumme beliebig skalierbar auf das private Depot zu übertragen.
Ein wesentlicher Vorteil dabei ist die Preistransparenz – im einfachsten Fall bildet das Index-Zertifikat „eins zu eins“ den zugrunde liegenden Index ab, wobei in letzter Zeit Bezugsverhältnisse von 1:10 oder 1:100 deutlich häufiger anzutreffen sind. Der Transparenz tut dies keinen Abbruch, der Anleger kann den Wert seines Investments ohne langes Rechnen direkt aus dem Wirtschaftsteil jeder beliebigen Tageszeitung entnehmen. Das Bezugsverhältnis macht keine Aussage über die Qualität eines Zertifikats; Bezugsverhältnisse von 1:10 oder weniger bieten dem Anleger lediglich den Vorteil, dass ein Kauf des jeweiligen Zertifikats schon mit vergleichsweise wenig Kapital möglich ist.
Greifen wir zur Erklärung auf das bereits erwähnte Zertifikat „DAX Direkt 2005“ von der Deutschen Bank zurück. Dieses Papier hat ein Bezugsverhältnis von 1:100, somit entspricht sein Wert, auch Fair Value genannt, stets dem in Euro ausgedrückten und durch 100 geteilten Stand des DAX. Notiert der DAX bei 6.700 Punkten, hat das Zertifikat also einen Wert von € 67,00; steigt das Marktbarometer um 450 auf 7.150 Punkte, klettert analog der Fair Value des Zertifikats um € 4,50 auf € 71,50. Genauso verhält es sich mit allen anderen Zertifikaten auf den DAX, den Nemax, den Stoxx oder andere nationale Indizes der Euro-Länder wie den CAC 40 (Paris), den IBEX (Marid) oder den ATX (Wien).
Achtung ist dagegen geboten, wenn das Underlying des Zertifikats ein Index aus einem Nicht-Euroland ist. Hier kann es nämlich sein, dass bei der Berechnung des Fair Value mit dem Wechselkurs zum Euro eine zweite Variable (neben dem aktuellen Indexstand) berücksichtigt werden muss. Auch hierzu wieder ein Beispiel, diesmal etwas ausführlicher: Das Nasdaq-Zertifikat der Dresdner Bank (WKN 107 945) lässt den Anleger partizipieren an der Kursentwicklung des Nasdaq100-Index, in dem die 100 wichtigsten Aktien der US-amerikanischen Wachstumsbörse zusammengefasst sind. Das Papier weist ein Bezugsverhältnis von 1:100 auf.
Bei einem Indexstand von beispielsweise 2.500 Punkten läge der Fair Value somit, wenn man das oben zum DAX-Zertifikat Gesagte auf das Nasdaq-Papier überträgt, bei € 25,00. Nun ist zu bedenken, dass der Nasdaq100 in US-Dollar berechnet wird, das Zertifikat als deutsches Wertpapier allerdings in Euro notiert – in Wirklichkeit liegt der Wert des Zertifikats also bei 25,00 US-Dollar. Dieser Wert muss nun noch mit dem aktuellen Euro/Dollar-Kurs, beispielsweise 1,09 €/US-Dollar (Euro pro 1 US-Dollar), multipliziert werden, um den „echten“ Fair Value zu erhalten, im Beispiel € 27,75.
Bei Zertifikaten mit Underlyings aus dem Euro-Raum lässt sich der faire Wert jederzeit sehr einfach ermitteln, indem der aktuelle Index-Stand mit dem Bezugsverhältnis multipliziert wird (wobei beispielsweise ein Bezugsverhältnis von 1:10 einem Multiplikationsfaktor von 0,1 entspricht).
Steigt nun der Nasdaq100 auf hypothetische 2.750 Punkte an („Szenario 1“), so ist das für den Zertifikate-Inhaber zunächst erfreulich. Dies gilt allerdings nur, wenn der Dollar im gleichen Zeitraum behauptet oder fest tendiert; beträgt der Euro/Dollar-Kurs dagegen beispielsweise nur noch 1,01 €/US-Dollar, liegt der Fair Value des Zertifikats nur noch bei € 27,77 (2.750 x 0,95 / 100); durch die Wechselkursentwicklung ist von dem zehnprozentigen Kursgewinn des Index beim Zertifikat nicht mehr viel übrig geblieben.
Die umgekehrte Situation ist natürlich auch denkbar („Szenario 2“): Fällt der Nasdaq-Index auf 2.320 Punkte, aber der US-Dollar ist mit 1,16 €/US-Dollar recht stark, liegt der Fair Value des Zertifikats bei € 26,92 (2.320 x 1,16 / 100), so dass die Verluste des Index durch die Verbesserung des Wechselkurses zumindest größtenteils kompensiert werden.