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Barbara Balldini

Einmal Schlampe, immer Schlampe

Intimer Schriftverkehr

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Barbara Balldini, geb. 1964 in Tirol, Dipl. Sexualpädagogin, Kabarettistin und Autorin, lebt in Wien, im Waldviertel und in Vorarlberg. Bühnendebüt 2007 mit dem Programm „Von Liebe, Sex und anderen Irrtümern“; 2010 folgte „Heart-Core … SEXtra LUSTig“. Barbara Balldini gehört zu den erfolgreichsten österreichischen KabarettistInnen. Sie tritt auch in Deutschland, in der Schweiz, in Liechtenstein und Südtirol auf. Ihr erstes Buch „Besser Schlampe als gar kein Sex“ (Kyrene 2010) wurde zum Bestseller. 2012 erschien, ebenfalls bei Kyrene, „Nackte Halbwahrheiten … auch Schlampen können weinen“.

1. Auflage 2014

Für alle Wesen
Mögen Sie glücklich sein und Leid vermeiden

Inhalt

Vorspiel

Fünfzig Jahre – Lust auf mehr

Mut zum Aufbruch

Liebe im Schatten

Swing Swing

Eifersucht

Aller guten Dinge sind drei

Die ideale Beziehung

Eine Muschi für den Kater

Pornosucht

Anonyme Spielchen

Sexual Healing

Wenn den Männern die Lust vergeht

Dunkle Begierde

Vom Glück, zwei Frauen zu lieben

Heißer Thermentag

Danksagung

Vorspiel

Gleich vorweg darf ich Ihnen etwas verraten, geschätzte Leserinnen und Leser. Wie Sie vielleicht wissen, gehört es zu meinem Beruf, Menschen in sexuellen Nöten beizustehen und sie aus verstrickten Beziehungen zu befreien. Und doch bin ich nicht jene Person, die all Ihre Fragen beantworten können wird. Zugegeben, ich weiß nichts. Zumindest nichts über Ihre ganz persönliche Situation, Geschichte und Erfahrungswelt. Die Antworten liegen nicht bei mir, sondern bei Ihnen. Dies ist das Geheimnis, das Sie gerne ausplaudern dürfen: Wir tragen die Lösungen und Antworten auf unsere Probleme bereits in uns selbst.

Ich kann Ihnen aber aus den Erlebniswelten und Erfahrungen anderer Menschen erzählen, damit Sie sich vielleicht in der einen oder anderen Situation wiedererkennen und darin Antworten auf Ihre Fragen finden können. Es kann sein, dass ähnliche Gedanken schon lange in Ihrem Kopf herumgeistern, Sie möglicherweise aber nicht in der Lage waren, sie in Worte zu fassen oder auf den Punkt zu bringen. Ich hoffe, dass Ihnen die erzählten Geschichten Vorbild sein können – oder abschreckendes Beispiel. Ob Sie mit der einen oder anderen Schlussfolgerung einverstanden sind oder nicht, steht Ihnen frei. Es ist mir sogar lieber, Sie sind es nicht, denn dies beweist untrüglich, dass Sie Ihr eigenes Hirn benutzen und auf Ihr Herz hören. Die Wahrheit liegt in uns selbst und es spricht für die Entwicklung des Menschen, dass sich seine Meinungen und Wahrheiten im Laufe des Lebens stetig ändern. Vergleichen Sie Ihre eigene mit anderen, und wenn Ihnen etwas brauchbar erscheint, entscheiden Sie, was Sie damit machen.

Dieses kleine Büchlein, das bestimmt nicht grundlos in Ihre Hände geraten ist, berichtet über unterschiedlichste Erfahrungs- und Erlebniswelten. Es handelt, wenn man so will, von Abgründen, von menschlichem Verhalten außerhalb der Norm. Es geht um ungewollte Abenteuer, dunkle Geheimnisse, leidenschaftliche Begegnungen und bittere Erkenntnisse. Wie das Leben eben sein kann. Vielleicht nicht das Ihre, aber doch das Leben vieler Menschen, denen ich hiermit von ganzem Herzen DANKE sage, für den Mut, mir zu schreiben. Ich kann bei all den Schilderungen und Erzählungen nur staunen und mich darüber freuen, dass Menschen ihre Sehnsüchte leben. Dass sie gewillt sind, über ihre Grenzen zu gehen, und erkennen, dass selbst Scheitern etwas Nützliches sein kann. Am Ende Ihrer Tage werden Sie vielleicht sagen können: „Ich habe gelebt!“ statt: „Das kann doch nicht alles gewesen sein!“ Gleichwohl möchte ich Sie mit diesem Buch nicht dazu aufhetzen, Ihr bisheriges Leben über Bord zu werfen. Ich möchte Ihnen nur leise ins Ohr flüstern: „Verhalten ist veränderbar.“ Sie können letztendlich nur gewinnen. Seien Sie mutig und experimentierfreudig. Wer weiß, was diese Lektüre in Ihnen auslöst! Und noch einmal: Achten Sie dabei immer auf das, was Ihr Herz sagt. Dies ist das Wichtigste, was ich Ihnen für die Lektüre dieses Buches mitgeben kann.

Ihre Barbara Balldini

Fünfzig Jahre – Lust auf mehr

Demnächst werde ich fünfzig Jahre alt – und zu dieser ehrlichen Aussage würde Oscar Wilde sagen: „Eine Frau, die ihr wahres Alter verrät, ist fähig, alles zu verraten.“ Sehen Sie, ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es kaum noch etwas zu verbergen gibt. Freimütig kann ich Ihnen erzählen, dass mich das Älterwerden ängstigt. Da nützt auch der Spruch nichts: „Man ist immer so alt, wie man sich fühlt.“ Mein gefühltes Alter ist Mitte dreißig. Doch das hilft mir herzlich wenig, wenn ich mich nackt im Spiegel sehe; schließlich habe ich drei Kinder geboren und lange gestillt. Darum trage ich einen Zauber-BH, das bedeutet: Wenn ich den BH ausziehe, ist der Zauber weg! Und ich trage Ketten mit großen Amuletten, nach dem Motto: Pimp my tits! Zum Glück weiß ich, dass Männer nicht unbedingt auf Silikonbrüste stehen, und wenn sie schon mit mir ins Bett steigen, dann aus dem Grund, weil sie Spaß haben und mich in der Regel glücklich machen wollen. Schlabberbrüste hin oder her, Cellulite – wen kümmert es? Wer wirklich Freude im Bett haben will, muss zuallererst seinen Körper annehmen und mögen. Guter Sex fängt bei sich selbst an.

Trotzdem bin ich in einem Alter, in dem es gilt, Inventur zu machen. Wo stehe ich? Was will ich noch erreichen? Bin ich mit dem bisher Erlebten zufrieden oder schlummern noch Sehnsüchte in mir, die es auszuleben gilt? Unzählige Menschen in meinem Umfeld fangen gerade in diesem Alter damit an, auszubrechen, aufzubrechen und Neues auszuprobieren. Ich kenne kaum jemanden in dieser Altersgruppe, der sich nicht fragt: „War’s das jetzt?“ Freunde und Freundinnen legen sich Geliebte zu, beenden langjährige Partnerschaften, ziehen um, beginnen neue Ausbildungen, reisen um die Welt und verspüren allgemein den dringlichen Wunsch, endlich mal die Sau rauszulassen. Ich selbst habe mich noch nie gescheut, beruflich und privat die gesellschaftlichen Normen und moralischen Gesetze außer Acht zu lassen. Natürlich gibt es dann jene, die sich hinter meinem Rücken den Mund zerreißen und mich mitunter gar als „Schlampe“ bezeichnen. Doch ist mir das ziemlich egal, denn wie heißt es so schön: Wer hinter meinem Rücken redet, spricht mit meinem Arsch!

Ich bin eben, wie ich bin. Dazu gehört vor allem, dass ich mich nicht den Vorstellungen anderer entsprechend verbiege, sondern meinem eigenen Wesen treu bleibe. Und wenn der Preis für mein „Wahrhaftig-Sein“ der ist, dass andere Menschen ein schlechtes Bild von mir haben, dann ist es eben so. Wir können es ohnehin nicht immer allen Menschen recht machen. Hauptsache, wir sind mit uns selbst zufrieden.

Glück, so heißt es, findet außerhalb der Komfortzone statt. Ich bewundere Menschen, die den Mut aufbringen, die Komfortzone zu verlassen. Menschen, die ganz zu sich selber stehen und dafür in Kauf nehmen, dass hinter ihrem Rücken getuschelt wird. Dinge zu unterlassen, damit die Moralgefühle anderer nicht verletzt werden, mag durchaus ein hehres Anliegen sein, allerdings wird einem damit aber die Chance genommen, sich zu entwickeln, da man seine Komfortzone so nie verlassen wird.

Es ist wichtig, dass wir lernen, für das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für das, was wir tun, sondern auch und gerade für das, was uns widerfährt. Wir sind gewohnt zu sagen: „Meine Kindheit war schrecklich.“ – „Meine Frau gibt mir nicht, was ich brauche.“ – „Mein Chef ist ein Idiot, die Wirtschaftslage beängstigend, die Politiker unfähig und die Welt ein Chaos.“ Stattdessen könnten wir es einmal hiermit versuchen: „Alles, was mir begegnet, ist eine Chance, wahrhaftig zu werden, ist eine Übung zur Entwicklung neuer Sichtweisen und neuen Verhaltens.“ Anstatt zu fragen: Warum?, könnten wir fragen: Wozu? Denn dies eröffnet Möglichkeiten, die im eigenen Handeln liegen und nicht im Hadern.

Im Buddhismus heißt es: Du bist heute das, was du gestern gedacht hast. Du wirst morgen sein, was du heute denkst. Also sollten wir uns vielleicht eine Denkweise aneignen, die zukünftiges Leid vermeidet, und für mich ist dabei ganz entscheidend, dass man sein Glück nicht im Außen sucht. Die äußeren Dinge sind vergänglich, und mit dem Tod trifft das auch auf die Menschen zu, die wir lieben. Partner und Kinder können niemals unser ganzes Glück ausmachen – delegieren wir die Verantwortung für unser Glück allein an sie, säen wir bereits den Samen zukünftigen Leidens. Und dies rät uns der Philosoph Epiktet: Alles Glück, das sich im Außen findet, ist eine Leihgabe. Man soll gut auf die Dinge achten, die einem geliehen sind, man soll sie hegen und pflegen, ihnen einen besonderen Platz einräumen und dankbar sein dafür, dass es sie gibt. Doch früher oder später müssen wir sie zurückgeben.

Das ist die einzige Gewissheit des Lebens: Wir sterben und müssen alles loslassen. Jetzt, da ich bald fünfzig Jahre alt werde, wird mir die Gewissheit meiner eigenen Vergänglichkeit erst richtig bewusst. Die Erkenntnis rutscht vom Hirn ins Herz und in die Knochen. Das Leben ist wahrhaftig kurz. Für mich gilt es, keine Zeit zu verlieren mit überflüssigen Geschichten. Dem Herzen folgen, mir selbst treu bleiben. Insofern macht es mich glücklich, so alt zu sein, wie ich bin. Neugierig darauf, was auf mich zukommt. Mutig genug, neu anzufangen, und bereit, das zu akzeptieren, was geschehen wird.

Das Leben ist wie ein Fluss. Nie kommt dasselbe Wasser vorbei, es gibt Strömungen und Strudel, ruhige Passagen, Untiefen und Wasserfälle. Wie viele Menschen in meinem Alter habe ich Lust, einzutauchen und mich treiben zu lassen, unterzugehen, wieder hochzukommen und nach Luft zu schnappen, dahinzugleiten und fröhlich zu planschen. Reisen, neue Projekte beginnen, Altes ausmisten, mutig bleiben, vielleicht noch ein paar Liebhaber genießen … denn einmal Schlampe – immer Schlampe! Voilà. Das ist Leben.

Mut zum Aufbruch

Andrea, 42, Sekretariatsangestellte, schreibt:

Liebe Frau B.,

ich weiß nicht, an wen ich mich wenden könnte, außer an Sie. Ich stecke in einer verzwickten Lage und weiß mir keinen Ausweg. Ich bin seit achtzehn Jahren verheiratet und habe drei Kinder, die jetzt sechzehn, dreizehn und neun Jahre alt sind. Alles Söhne, die mich sehr auf Trab halten. Mein Mann arbeitet als Filialleiter in einer Bank und ich verdiene mir in einem Zwanzig-Stunden-Job als Büroangestellte in einem Schulsekretariat (Gymnasium) ein bisschen was dazu. Alles in allem sind wir eine – so scheint es – glückliche Familie. Ich bin in einem guten Elternhaus aufgewachsen. Meiner Schwester und mir fehlte es an nichts, und die traditionellen Werte, wie eine „richtige“ Familie funktioniert, haben uns unsere Eltern stets vorgelebt. Ich habe die Handelsschule absolviert und bis zur Geburt meines Sohnes vor sechzehn Jahren ebenfalls bei einer Bank gearbeitet. Dort habe ich auch meinen Mann kennengelernt. So wie ich stammt er aus einer ordentlichen Familie, die Schwiegereltern sind Lehrer.

Nach der Geburt unseres zweiten Sohnes haben wir uns ein schönes Haus gebaut mitten am Land mit einem netten Garten und einem Pool. Es gab immer viel zu tun und mein Mann und ich waren sehr fleißig. Dann kam unser dritter Sohn zur Welt, und seit dieser die Volksschule besucht, arbeite ich wieder halbtägig in der Schule meiner Schwiegereltern. Nach außen hin ist alles perfekt und genau so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Ich müsste zufrieden sein, wäre da nicht ein Umstand in meinem Leben, der mich nun völlig aus der Bahn wirft: Mein Schwarm aus Jugendtagen ist wiederaufgetaucht. Damals an der Handelsschule habe ich mich unsterblich in einen jungen Mann verliebt. Ich war zu schüchtern, es ihm zu sagen, aber wir verbrachten viel Zeit miteinander. Später erfuhr ich, dass er nach Amerika ausgewandert und dort verheiratet sei. Ich habe ihn nie vergessen und in manchen Nächten von ihm geträumt. Durch meine Hochzeit, die Geburten und den Hausbau geriet er langsam in Vergessenheit.

Jetzt ist er wieder zurück. Seine reiche Frau in den Staaten hat sich von ihm scheiden lassen und ihm keinen Cent hinterlassen. Zurzeit lebt er bei seiner Mutter, etwa 170 Kilometer von mir entfernt in der Großstadt. Dass er zurück ist, habe ich von meiner besten Freundin erfahren. Ihre und seine Mutter sind bestens befreundet. Meine Freundin hat ihm meine Adresse zukommen lassen und ihm mitgeteilt, dass ich mich sehr freuen würde, wenn er sich meldet. Das hat er auch getan. Seit mittlerweile acht Monaten schreiben wir einander sehr viele Briefe. Er erzählt mir über seine Zeit in Amerika, seine gescheiterte Ehe und wie schwer es ihm fällt, hier neu anzufangen.

Diese Briefe gehen mir sehr ans Herz und ich merke, wie mich die Sehnsucht treibt, diesen Mann endlich wiederzusehen. Er zieht mich magisch an und neulich habe ich ihm gestanden, dass ich schon in der Handelsschule in ihn verliebt war. Er hat geantwortet, dass er mich ebenfalls toll fand, dabei allerdings immer dachte, meiner nicht würdig zu sein. Ich sei zu hübsch und zu anständig und hätte einen „guten“ Mann verdient, keinen aus geschiedenem Elternhaus, der kifft und sich häufig mit Mädchen trifft.

Durch unseren regen Schriftverkehr sind wir einander inzwischen sehr nahegekommen. Sie wissen ja, wie das ist – das geschriebene Wort kann deutliche Spuren hinterlassen. Ich traue mich wesentlich mehr zu erzählen und zu sagen, als wenn ich ihm gegenübersitzen würde. Wenn ich in der Früh aufstehe, schaue ich als Erstes nach, ob er mir schon geschrieben hat. Wenn es im Sekretariat ruhiger ist, schreibe ich ihm, und abends gehe ich nie ohne Gedanken an ihn zu Bett. Mein Mann ist wirklich ein guter Mensch. Wenn er mir auch niemals sagt, dass er mich liebt, und es ihm allgemein schwerfällt, über Gefühle zu sprechen, so weiß ich doch, dass ihm die Familie über alles geht. Am Wochenende machen wir Ausflüge oder grillen im Garten, laden Freunde oder die Schwiegereltern zu uns ein. Ich mag meinen Mann, aber dass ich ihn liebe, könnte ich, wenn ich wirklich ehrlich bin, nicht sagen. Unser Zusammensein ist alltäglich und ich „funktioniere“ einfach aus Gewohnheit. Meine bisherigen Wertvorstellungen würden etwas anderes auch gar nicht zulassen.

Okay, ich gestehe, ich habe meinen Jugendschwarm getroffen. Dank meiner Freundin, die mich auf ein Konzert in die Großstadt eingeladen hat. Das war die Gelegenheit, diesen Mann nach zwanzig Jahren endlich wiederzusehen. Wir haben uns ein Hotelzimmer genommen und ich war mir sicher, dass ich ganz bestimmt nicht mit ihm schlafen werde. Das haben wir auch nicht getan. Dazu waren meine Skrupel viel zu groß. Ich konnte nicht. Aber diese Begegnung hat mich noch mehr aus der Bahn geworfen. Ich hätte entspannt sein können, denn meine Freundin gab mir ein Alibi, aber trotzdem war ich alles andere als locker. Er sah noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, und das Grau in seinen Haaren ließ ihn reif aussehen. Seine Augen, sein jugendliches Gesicht, sein sportlicher Körper und seine schönen Hände – all das hat mich komplett in Bann gezogen. Fürs Zimmer hat er sogar Kerzen mitgebracht und Champagner und für mich eine rote Rose. Der absolute Kitsch und die absolut perfekte Inszenierung. Zum Schlafen sind wir nicht gekommen – wir haben die ganze Nacht geredet, uns umarmt, geküsst und von Zeit zu Zeit musste ich weinen, weil mir diese Situation so schön und gleichzeitig so grausam vorkam. Wie könnte ich meinen Mann betrügen? Das ist nicht meine Art, nicht mein Stil, und ich weiß, dass ich mit dem schlechten Gewissen nicht würde leben können.

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