Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2118
Quintatha
Ein Arkonide bei den Barknern – in einem Universum der Wunder
von Leo Lukas
Im Herbst des Jahres 1311 Neuer Galaktischer Zeitrechnung operieren die LEIF ERIKSSON unter der Expeditionsleitung von Perry Rhodan und die von der arkonidischen Admiralin Ascari da Vivo kommandierte KARRIBO allein gegen eine ganze Galaxis: Die beiden Kugelraumschiffe aus der Milchstraße sind in der Galaxis Tradom unterwegs, dem Herzstück des Reiches Tradom. Dahin kamen sie durch ein Sternenfenster, das mittlerweile »gesperrt« wurde und nicht mehr als Passage zur Verfügung steht.
Um das Reich Tradom von seinem befürchteten Großangriff auf die Sternenreiche der Menschheitsgalaxis abzuhalten, suchen Perry Rhodan und seine Begleiter fieberhaft nach Hinweisen, die ihnen weiterhelfen können. Sie wissen von dem so genannten Trümmerimperium, das angeblich als einzige Macht in der Galaxis gegen die so genannte Inquisition der Vernunft zu kämpfen wagt. Bisher aber konnte keine konkrete Spur dieser Widerständler gefunden werden.
Dafür fand man auf dem Planeten Pombar das Imitat eines menschlichen Skeletts. Wie Knochen von der Erde in eine Galaxis kommen, die 400 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt ist, weiß bislang keiner. Aber der Hinweis ist wichtig genug, dass Rhodan den Planeten Linckx ansteuern lässt.
Dort stößt der arkonidische Zeroträumer Benjameen da Jacinta auf ein seltsames Gebilde – auf QUINTATHA ...
Aufmar – Der Steuermann hat große Ambitionen.
Shirka – Der Kapitän lebt nur für seine Rache.
Merad – Der Erste Offizier gerät zwischen die Fronten.
Unshil, Ftniem und Andander – Jeder der Barkner spielt sein eigenes Spiel.
Benjameen da Jacinta – Der Zeroträumer strandet in einer Welt ohne Strand.
Wenn der Narr kommt
Wenn der Bote kommt
Aus der Kalten Hölle
Aus dem Totenreich
Wird das Blatt sich wenden
Wird die Mühsal enden
Wenn der Zwerg kommt
Wenn der Tor kommt
(Litanei der Barkner von Quintatha)
1. Kapitel
In welchem die Welt als Nachttopf definiert wird
»Die Luft hier drin ist schlecht«, plärrte der Kalfakter, »und das Bier hier drin ist noch schlechter; aber das Allerschlechteste hier drin, das sind deine Argumente!«
Die Zuschauer johlten. Vor Begeisterung stampften einige so hart mit den Beinen auf, dass der ganze Raum erzitterte und die Gläser auf den Tischen klirrten. Sogar die Natter wirkte für einige Augenblicke irritiert und züngelte in alle Richtungen.
Aufmar wartete, bis sich der Tumult gelegt hatte. Dann sagte er: »Netter Spruch, Kalfakter. Nur habe ich ihn schon zu oft gehört, um ihn noch witzig finden zu können. Aber du darfst ihn gern weiterhin verwenden – jedes Mal, wenn du sonst nichts weißt, was meine Beweisführung entkräften könnte.«
Die Reaktion des Publikums fiel nicht annähernd so stark aus wie zuvor. Ein wenig Gemurmel, das eine oder andere anerkennende Kopfnicken. Doch das hatte wenig zu bedeuten.
Was wirklich zählte, war die Natter. Und diese drehte soeben langsam den Kopf und starrte den Kalfakter an.
Aufmars Gegner war freilich viel zu abgebrüht, um deswegen nervös zu werden. Die Zahl der Duelle, die der Kalfakter für sich entschieden hatte, ging in die Hunderte, wenn nicht Tausende. Er hatte schon an diesem Tisch gesessen, als Aufmars Vater noch nicht auf der Welt war.
Und allein dass er immer noch hier saß, sagte eigentlich schon alles.
Denn ein Duell war beendet, sobald die Natter zubiss. Es gab kein Unentschieden, nur einen Sieger und einen Verlierer. Wen das Gift der Natter nicht auf der Stelle tötete, der siechte in wenigen Stunden dahin. Kein einziger der Wundärzte von Hellmock kannte ein Mittel dagegen.
»Na schön, du kleiner Klugscheißer.« Der Kalfakter hob sein Glas und nahm einen tiefen Schluck Titanenblut. »Du behauptest also, die Welt sei eine Kugel. Und wenn ich dein wirres Gestammel von vorhin richtig deute – korrigiere mich, falls ich dir fälschlich Logik unterstelle –, siehst du als Indiz dafür an, dass jede Bark, die von Hellmock ausläuft, in welche Richtung auch immer, irgendwann wieder hierher zurückkehrt. Richtig?«
»Richtig. Wäre die Welt flach, beispielsweise eine Scheibe, würde eine Bark, die lange genug geradeaus fährt, nach einiger Zeit an den Rand gelangen und hinunterstürzen. Oder aber die Besatzung würde, so sie knapp davor rechtzeitig wendet, hinterher von ihrem Erlebnis am Rand erzählen. Es liegt jedoch seit Tausenden von Generationen kein einziger derartiger Bericht vor.«
Aufmar merkte, dass er eine knappe Mehrheit der Zuhörer auf seine Seite gezogen hatte: Die Natter neigte ihren Kopf drei Fingerbreit näher zum Kalfakter. Doch der tat, als kümmere ihn ihr Gezüngel nicht im Mindesten.
»Abgesehen davon«, sagte er bedächtig, »dass erstens keineswegs jede Bark zurückkehrt ... Bleib sitzen, Junge, wir alle haben dich darauf hinweisen hören, dass praktisch immer irgendwelche Wrackteile angeschwemmt werden. Auf diesen Punkt werde ich später noch genauer eingehen. So oder so könnte aber zweitens die Tatsache, dass alle nicht Verunglückten wieder nach Hause kommen, einfach darin begründet liegen, dass wir Barkner ziemlich gute Seeleute sind, oder nicht?«
Zustimmendes Gelächter. Der Kopf der Natter pendelte in die Mitte des Tisches zurück.
»Vor allem aber«, schob der Kalfakter mit dröhnender Stimme nach, »kann drittens die Welt dennoch eine Scheibe sein. Vielleicht ist sie ja eine sehr, sehr große Scheibe und der Rand viele Monate oder sogar Jahre entfernt, was weiß man? Den Kapitän zeigst du mir, der nicht umdreht, wenn der Proviant knapp wird.«
Starker Applaus. Der Champion lehnte sich grinsend zurück und betätigte provokant langsam den Schalter der Uhr, die seine abgelaufene Redezeit anzeigte. Aufmar versuchte den Blick aus den geschlitzten Pupillen der Natter zu ignorieren.
»Du vergisst, Kalfakter, oder versuchst uns vergessen zu machen«, entgegnete er schnell, »dass es sehr wohl Berichte gibt von Kapitänen, die stur Kurs geradeaus nahmen, wochenlang, mit festgeschraubtem Steuerruder. Und schließlich gleichwohl wieder nach Hellmock gelangten, und zwar von der entgegengesetzten Seite!«
Die lange, geschlitzte Zunge des Reptils, das die Stimmung des Publikums aufnahm und fast zeitgleich umsetzte, entfernte sich wieder ein Stück weiter von Aufmars Gesicht. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nicht nur einen Bericht, sondern Dutzende!«, fügte er hinzu.
»Ja, ja, soll sein«, knurrte der Kalfakter. »Ich will hier gar nicht den Begriff Seemannsgarn bemühen. Aber sag mir eins, Schlauköpfchen: Wenn die Welt schon eine Kugel ist, eine Kugel aus Blut, wohlgemerkt, das aber viertens trotzdem nicht einfach davonrinnt ...«
Er goss mit einer theatralischen Geste ein wenig Titanenblut auf seine Handfläche, tat, als wolle er es mit den Fingern festhalten, und schnitt eine verdutzte Grimasse, als die Flüssigkeit den Tisch bekleckerte. Die Zuhörer bogen sich vor Vergnügen, und zugleich bog sich die Schlange so weit zu Aufmar herüber, dass er die Gifttröpfchen an ihren Fangzähnen erkennen konnte.
Der Kalfakter legte eine lange Kunstpause ein. Genüsslich wartete er, bis auch der letzte Lacher verebbt war, obwohl er schon mehr als drei Viertel seiner Redezeit verbraucht hatte. Dann aber donnerte er: »Was ist dann fünftens mit dem Himmel?«
Die Natter riss das Maul auf, streifte beinahe Aufmars Nase. Süßlicher Gestank drohte ihm den Magen zu heben.
Das Publikum tobte, begann rhythmisch zu klatschen. Obwohl die meisten von ihnen, der Quote wegen, auf den Herausforderer gewettet hatten, gierten sie nun nach dem Todesstoß. Und der Kalfakter, der seit undenklich langer Zeit regierende Weltmeister-Philosoph, gab ihnen, wonach sie verlangten.
»Könnte man«, schnurrte er leise, wobei er unter dem Tisch nach seinem Seesack griff, »denn sechstens nicht mit mindestens derselben Berechtigung behaupten, die Welt sei – ein Nachttopf?«
Und, nun in rasendem Stakkato, während er ein altes, blechernes, verbeultes Nachtgeschirr krachend vor sich auf den Tisch platzierte: »Dessen Wände siebentens so steil sind, dass keine Bark darüber hinauszufahren im Stande ist; an dessen tiefster Stelle sich achtens unsere geliebte Heimatstadt Hellmock befindet; zu welcher deshalb neuntens von der Schwerkraft alle Barken und Wrackteile unweigerlich wieder hinabgezogen werden; und über dem sich zehntens und letztens, rot wie ein rostiger Deckel, der ewige Himmel wölbt?«
Bei den letzten Worten drosch er einen Eisendeckel auf den Nachttopf. Das scheppernde Geräusch ließ die Natter zusammenzucken, doch einen Lidschlag später richtete sie sich zur vollen Größe auf, balancierte auf ihrem zusammengerollten Hinterleib – und stieß auf ihr Opfer hinab.
*
»Nichts anderes versuche ich dir die ganze Zeit über begreiflich zu machen«, sagte Aufmar ruhig.
Die Zähne der Schlange verharrten Millimeter vor seinem Gesicht. Im Raum war es plötzlich so still, dass man das Plätschern der Wellen hören konnte, die draußen an den Schiffsrumpf schlugen.
»Dein Modell ist nicht schlecht, Kalfakter, nur ein wenig veraltet und gehört deshalb modifiziert. Beispielsweise glaube ich nicht, dass die Welt einen Henkel hat und überall so faulig stinkt wie in deiner Kajüte.«
Aus dem linken Giftzahn der Natter löste sich ein Tropfen und fiel auf die Tischplatte. Rasch entwickelten sich Bläschen, eine Rauchfahne stieg auf, und auf einem Fleck von der Größe einer Klopfmuschel begann sich der Lack aufzulösen.
Sehr langsam griff Aufmar in die Taschen seiner Jacke und holte zwei gleich große, halbkugelförmige silberne Schalen heraus, die im Licht der Öllampen rötlich schimmerten. Eine davon stellte er vor sich auf den Tisch, gleich neben die von der Säure verätzte Stelle.
»Das ist der Ozean«, erklärte er, »oder der Topf, wie du sagen würdest, alter Kalfakter. An seinem tiefsten Punkt, wo alle Schwerkraftlinien zusammenlaufen, befindet sich Hellmock.«
Er legte eine kleine goldene Meerrosenblüte, die er in seiner Hand verborgen gehalten hatte, in die Schale. Einer der Zuschauer grunzte andächtig.
»Und das«, sagte Aufmar, während er die zweite Schale umgekehrt auf die erste setzte, »ist der Himmel.«
Er rückte die Schalen vorsichtig zurecht, bis ihre Ränder exakt aufeinander lagen. »Man kann, wenn man will, unsere Welt auch weiterhin als Nachttopf bezeichnen. Du, alter Kalfakter, würdest wahrscheinlich sogar dieses Gefäß entsprechend missbrauchen. Ich aber ziehe es vor, die Welt eine Kugel zu nennen. Eine Hohlkugel.«
Der Kopf der Natter fuhr herum. Stimmengewirr brandete auf, dann Jubel. Ungläubig blickte der Kalfakter zu Aufmar, ins Publikum, dann zu dem tödlich giftigen Reptil, das sich ihm mit wiegenden Bewegungen näherte.
Da zerschnitt ein sirrender Laut die Luft. Ein Messer, wie es jeder Barkner an seinem Gürtel trug, traf die Schlange, durchbohrte sie knapp unterhalb des Kiefers, riss sie mit sich und nagelte sie an die Wand der Kajüte.
Aller Augen wandten sich der hochgewachsenen Gestalt im Türrahmen zu. Einige etwas Langsamere in den hinteren Reihen protestierten lautstark, doch auch sie verstummten schlagartig, sobald sie erkannten, um wen es sich handelte. »Verdammt, Aufmar«, zischte Shirka der Rächer, »ich suche dich seit Stunden.«
In welchem der Hass gelobt wird und die Welt erschüttert
Die schmiedeeisernen Stege, welche die vielen hundert, wenn nicht tausend Schiffe miteinander verbanden, aus denen die schwimmende Stadt Hellmock bestand, waren schmal und rutschig. Das einzige Licht kam von den Leuchtreklamen der Kneipenpötte und Spielbarken. Die Masten und Aufbauten der zwischen den großen Dampfern dümpelnden kleineren Handwerkerboote warfen lange, tiefschwarze Schatten. Häufig war es unmöglich zu sehen, wohin man den Fuß setzte. Dennoch rannte Shirka mehr, als er ging. Die Magnete in den Sohlen seiner Stiefel klickten zornig auf den eisernen Planken.
Aufmar hatte Mühe, mit seinem Kapitän Schritt zu halten. Sein Gesicht brannte wie Feuer. Auch der beständige Sprühregen der Gischt konnte es nicht kühlen. Shirka hatte ihn geschlagen, nur ein einziges Mal, doch mit einer solchen Wucht, dass sein linkes Auge gewiss binnen weniger Stunden zugeschwollen sein würde.
Es galt als Affront, ein Natternduell zu unterbrechen. Doch niemand hatte es gewagt, gegen Shirka aufzubegehren. Schweigend hatte der Kapitän der SIRIOS sein Messer aus der Wand gezogen, dem Kalfakter die tote Schlange in den Schoß geworfen und in derselben Bewegung seinen Untergebenen gezüchtigt.
Vor aller Augen.
Als gäbe es nicht schon genügend Gründe, deinen Namen zu verfluchen, Shirka, und den Tag, an dem ich in deine Dienste trat!
Sie ließen das Vergnügungsviertel hinter sich. Im schwachen Glimmen des Nachthimmels war der Weg kaum mehr auszumachen. Nur hie und da blinkte ein Positionslicht, doch Shirka verlangsamte seinen Schritt nicht.
Ich weiß genau, dass du eine Lampe unter deinem Umhang trägst!, brüllte Aufmar in Gedanken den breiten Rücken an, der immer wieder vor ihm im Nebel zu verschwinden drohte. Aber du willst die paar Tropfen Tran sparen, du vermaledeiter Geizkragen! Oh ja, Merad hat Recht, es wäre hoch an der Zeit, die Welt von dir zu erlösen.
Seine Rechte verkrampfte sich um den Griff des Messers in seinem Gürtel.
Da blieb Shirka stehen. »Denk nicht einmal daran, Steuermann«, sagte er halblaut.
Aufmar schluckte. Er ließ das Messer so schnell los, als hätte er sich an ihm die Finger verbrannt.
»Du hast Glück, dass ich nicht mehr rechtzeitig Ersatz für dich auftreiben kann.« Shirka wirbelte herum. In seinen dunklen Augen loderte mühsam gezügelte Wut. »Sonst würde ich dich eigenhändig auspeitschen, Steuermann, bis dir das Fleisch in Streifen von den Knochen fällt.«
Aufmar sprang einen Schritt zurück, glitt aus, bewahrte gerade noch sein Gleichgewicht. »Ich ... ich hatte Freiwache!«, stammelte er.
»Die ist vor drei Stunden zu Ende gegangen.«
Unwillkürlich blickte Aufmar auf die Uhr an seinem Handgelenk. Und erschrak: Er hatte tatsächlich die Zeit übersehen.
Aber der Kalfakter hat sich so lange geziert, und dann wollten die Buchmacher wegen des großen Andrangs unbedingt länger offen halten ...
»Außerdem habe ich«, sagte Shirka leise, mit verhaltener Schadenfreude, »bei Strafe verboten, dass sich jemand aus meiner Mannschaft an einem Natternduell beteiligt.«
»Ich hätte gewonnen! Ich hatte ihn genau dort, wo ich ihn haben wollte. Nur noch wenige Augenblicke ...«
Doch Shirka war, höhnisch lachend, bereits wieder losmarschiert. »Deine Leibschuld bei mir hat sich um drei Jahre verlängert, Steuermann!«, rief er über die Schulter zurück.
Tränen schossen in Aufmars Augen. Halb blind stolperte er hinter seinem Herrn her.
Ich war so knapp dran, so knapp ... Selbst wenn der Kalfakter die Natter mit einem seiner rhetorischen Tricks noch im letzten Moment hätte abstoppen können – nach zehn, maximal zwanzig Sekunden wäre seine Redezeit verbraucht gewesen. Dann hätte er keine Möglichkeit mehr gehabt, dem Biss zu entkommen. Ich hätte den Kalfakter geschlagen, den Champion, den Weltmeister!
Und, viel wichtiger noch – mit dem Wettgewinn hätte ich endlich meine Leibschuld bei Shirka abzahlen, mich freikaufen können. Als Freier Mann ginge ich jetzt bereits durch Hellmock!
Aufmar ballte die Hände, verzog das Gesicht zu einem lautlosen Schrei. Er war verzweifelt genug, sich auf der Stelle ins Meer zu stürzen.
Doch das hätte nichts gebracht.
Er konnte viel zu gut schwimmen.
*
Nach der letzten Fahrt hatte Shirka die SIRIOS am äußersten Rand der schwimmenden Stadt vertäuen lassen, bei den gewaltigen Schlachtschiffen, in denen Tag und Nacht die gefangenen Titanen ausgeweidet wurden. Gestank und Lärm nahm er gern in Kauf, desgleichen den fetten, schwarzbraunen Ruß, den die Sturmwinde von den Schloten herüberwehten. Dafür war die Liegegebühr hier die billigste von ganz Hellmock.
Er wusste, dass seine Mannschaft ihn deswegen hasste, speziell die jungen Matrosen, die an ihren ohnehin seltenen freien Abenden die weite Strecke ins Stadtzentrum und zurück auf sich nehmen mussten.
Ha! Natürlich hassen sie mich – genau wie auch ich vor langer Zeit meinen Kapitän gehasst habe.
Shirka presste die Lippen zusammen und klopfte im Gehen spielerisch auf die Peitsche an seiner Hüfte. Hass war gut. Jeder benötigte einen Älteren, Größeren, Mächtigeren, den er hassen, an dem er sich reiben konnte. So war es immer gewesen, so würde es immer sein, solange Quintatha bestand.
Das letzte Stück ihres Weges bildeten schwankende Pontons, über die dünne, rostige Bleche gelegt worden waren. Vor dem Glühen der beginnenden Morgendämmerung hob sich der kühn geschwungene Bug der SIRIOS ab wie der Schattenriss einer Sichel.
Shirka holte das Funkgerät aus einer Tasche seines Umhangs. Die Wache meldete sich erfreulich rasch.
»Strickleiter!«, befahl Shirka und schaltete sofort wieder ab. Batterien waren teuer. »Und du, Steuermann, keuch nicht so erbärmlich! Oder hast du allen Atem für deine philosophischen Spiegelfechtereien verbraucht?«
Aufmar, dieser Schwätzer, antwortete nicht. Auch recht. Leichtfüßig kletterte Shirka hoch. Die Bordwand vibrierte, ein Zeichen, dass der Motor der Halbraumbark lief. Shirka schwang sich über die Reling.
Sein Erster Offizier erwartete ihn vor dem Steuerhaus. »Meldung!«, bellte Shirka.
»Keine besonderen Vorkommnisse, Kapitän!«
»Das will ich euch auch geraten haben. Lass die Mannschaft in Bereitschaft versetzen! In einer Stunde laufen wir aus.«
»Aber ...«
»Was aber?«
»Kapitän, wir – wir haben noch nicht einmal die Hälfte des Proviants an Bord genommen! Auch die Treibstofftanks sind erst zu zwei Dritteln gefüllt. Wir müssen noch mindestens eine Lieferung ...«
Shirka trat so nahe an den Ersten heran, dass er dessen Furcht riechen konnte. »Höre ich da, mein lieber Merad«, sagte er weich, »gerade den Ansatz einer Befehlsverweigerung? Auf die im besten Fall zwei, im schlechtesten fünf Jahre zusätzlicher Leibschuld stehen? Oder sollte es doch nur der Schrei eines verirrten Flughummers gewesen sein?«