Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2122
Die Prinzenkrieger
Ein Leben in der Gläsernen Stadt – und in der Speiche des Herrn des Lichts
von Ernst Vlcek
Im Dezember 1311 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hat die SOL endlich die Galaxis Wassermal erreicht, nach einem mehrere Jahre dauernden Flug über die unglaubliche Entfernung von fast 700 Millionen Lichtjahre. Hier hoffen die Besatzungsmitglieder unter dem Kommando des Arkoniden Atlan, endlich weitere Informationen über Thoregon und die Helioten zu erhalten. Immerhin gibt es in der Galaxis Wassermal die Pangalaktischen Statistiker, legendäre Wesen, die unglaubliches Wissen über die Geschichte des Universums angehäuft haben.
Die ersten Hürden konnten genommen werden. Zusammen mit sechs Begleitern hat Atlan es geschafft, die seltsame LOTTERIE zwar nicht zu gewinnen, aber dennoch eine Passage ins Innere der Galaxis Wassermal zu erhalten.
An Bord einer Malischen Dschunke haben sie bereits den Planeten Vision erreicht, auf dem die Pangalaktischen Statistiker residieren. Doch dort werden sie unverhofft in einen Konflikt verwickelt, der anscheinend große Teile der Galaxis erfasst hat.
Hintergrund für den Konflikt sind wohl Auseinandersetzungen zwischen den eigentlichen Herrschern der Galaxis – dies sind DIE PRINZENKRIEGER ...
Soner – Der junge Prinz wächst in der Gläsernen Stadt des Planeten Kazién auf.
Marca – Der alte Prinzenkrieger erzieht seinen Sohn nach den uralten Regeln des »gozin«.
Parkiru – Der Sohn eines Ministers wird zum besten Freund des Prinzen.
Rodo – Der junge Pfauchone entwickelt eine seltsame Beziehung zu dem Prinzen.
Sihame – Die Tochter des Prinzenkriegers Vaccine wird zu Soners Schicksal.
Unselige Geburt
Dies war ein besonderer Freudentag: Dem Prinzenkrieger Marca war ein Sohn geboren worden.
Und alle in der Gläsernen Stadt, die gesamte Bevölkerung des Planeten Kazién ... ja, ganz Ukkhar-Kaza feierte dieses lange ersehnte Ereignis. Und selbst die anderen acht Prinzenkrieger von Akhimzabar schickten ihre Grußbotschaften und Glückwünsche, die einen, wie der Herr des Schlafes Kurnic von Ukkhar-Sapin, mit aufrichtiger Anteilnahme, die anderen nur pflichtschuldig, wie etwa der Herr des Morgens Vaccine von Ukkhar-Kmi.
Denn es war für das Schicksal der gesamten Galaxis von außergewöhnlicher Bedeutung, wenn ein Prinzenkrieger einen Thronfolger zeugte.
Doch während die Untertanen des Prinzenkriegers Marca in ausgelassener Festtagsstimmung schwelgten, braute sich über dem Haupt des Herrn des Lichts Unheil zusammen.
Es geschah in der Abenddämmerung, bald nach der Geburt des Prinzen, als sich das dunkle Tuch der Nacht über die Gläserne Stadt breitete, dass der Himmel acht Mal aufglühte. Acht Mal zogen herabfallende Meteoriten ihre glühende Bahn über den violett gefärbten Himmel.
Die alten Weisen warteten darauf, dass wenigstens ein neunter Meteorit in der Atmosphäre von Kazién verglühte. Doch ihre Hoffnung war vergebens. Es blieb bei der unheilvollen Zahl acht.
War der Meteoritenfall allein für sich schon ein bedrohliches Omen, so wurde es von der Anzahl der Niedergänge noch zusätzlich verschärft.
Denn die Acht war für die Pfauchonen die absolute Unglückszahl!
Die alten Weisen der Gläsernen Stadt, die der Gilde der Astronomen entstammten, schickten daraufhin eine Abordnung in den Palast des Herrn des Lichts, die ihn auf die Bedeutung dieses göttlichen Himmelszeichens aufmerksam machten. Der achtmalige Meteoritenfall sei, so verkündeten sie ihrem Herrscher, ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Ukkhar-Kaza eine Ära des Krieges und des Leides und der verlorenen Ehre bevorstünde. Und diese göttliche Fügung könne nur getilgt werden, wenn Marca seinen Erstgeborenen opfere.
Daraufhin bat der Herr des Lichts die Gilde der Astronomen vollzählig zu sich. Er kleidete sich in das Gewand des Kriegers, trug volle Rüstung und war mit seinen beiden Schwertern bewaffnet. Und hatte, wie immer, seinen Mishim bei sich. Den Dolch, in dem seine Seele wohnte.
Nachdem die 88 Astronomen im Audienzsaal versammelt waren, verschloss Marca alle Türen und auch die Fenster, so dass nicht einmal das Licht der Sterne den Raum erhellen konnte. In diese absolute Finsternis sprach der Herr des Lichts:
»Es darf nicht sein, dass das Omen des Unheils mit dem Leben des Thronfolgers getilgt werden soll. Mir wird die Gnade, dass meine Gattin Shebea mir einen weiteren Thronfolger schenkt, leider versagt bleiben. Darum ist es mir unmöglich, meinen Erstgeborenen zu opfern. Sein Leben ist das höchste Gut, das die Ukkhar-Kaza besitzt. Es war daher als Prinzenkrieger meine heilige Pflicht, eine andere Lösung für dieses Problem zu suchen. Und ich habe die Lösung gefunden. Das schicksalhafte Ereignis muss ungeschehen gemacht werden.«
»Aber Herr, mein Prinzenkrieger«, wagte der Älteste der Astronomen einzuwerfen, »der Meteoritenfall kann nicht ungeschehen gemacht werden.«
»Doch, er kann«, widersprach Marca. »Ich habe die Macht dazu, und ich werde sie gebrauchen.«
Der Prinzenkrieger Marca hielt daraufhin in der Sprache der Ehre eine kurze Ansprache, die die Astronomen jedoch nicht verstehen konnten, weil sie der Ehrensprache nicht mächtig waren. Mit seinen Worten bat Marca die Götter um Vergebung, und er richtete seine Entschuldigung an die Zeit und an den Raum, weil er sich gezwungen sah, sich über sie alle hinwegzusetzen und im Namen der Ehre auf sie Einfluss zu nehmen.
Nachdem der Herr des Lichts dieses unerlässliche Ritual beendet hatte, ging er ans Werk. Er richtete die alten Weisen von Kazién einen nach dem anderen hin. Seine beiden Schwerter kamen für Minuten nicht zur Ruhe und fanden mit jedem Streich ihr Ziel. Als das kurze Gemetzel beendet war, legte Marca das blutbesudelte Kriegergewand ab und behielt lediglich seine beiden Schwerter und den Mishim.
Er verließ den Ort des Geschehens in dem Bewusstsein, das einzig Richtige – das einzig Mögliche – getan zu haben. Marca brauchte nicht zu befürchten, dass ihm in jener Nacht einer seiner Minister oder jemand aus dem Gesinde begegnen würde. Denn er hatte vorsorglich über den gesamten Palast die Quarantäne verhängt und hatte den Sektor mit dem Audienzsaal räumen lassen.
Er hatte nur noch zwei Dinge zu tun.
Er legte einen Brand, der diesen Teil des Palastes einäschern und somit das Zeugnis seiner Geschichtskorrektur austilgen würde.
Danach löschte Marca das Ereignis des Meteoritenfalles aus den Annalen von Ka und verfügte, dass jegliche Erwähnung dieses Ereignisses mit der Todesstrafe geahndet wurde. Ihm war im selben Augenblick klar, dass dies eine Reihe von Todesurteilen nach sich ziehen würde, bis allen klar sein würde, wie ernst es ihm war.
Denn der achtmalige Meteoritenfall hätte nicht geschehen dürfen.
Und nun war es auch nicht geschehen!
Dieser Tag hatte ein Tag der Freude zu sein!
Denn dem Reich des Lichts war ein Prinz geboren worden!
Der kleine Prinz
Der kleine Prinz bekam den Namen Soner.
Soner war kein Name, der wegen seines besonderen Klanges oder einer persönlichen Beziehung des Prinzenkriegers dazu ausgewählt worden war. Kein Name des Herzens oder der Emotion, vielmehr war es ein Name mit besonderem geschichtlichen und mythischem Bezug. Die Propheten der Ukkhar-Kaza hatten ihn in mühevoller und aufreibender Quellenforschung erarbeitet.
Der antike Soner war einst auf dem Planeten Pfauchon, der legendären Ursprungswelt aller Pfauchonen, der letzte Feldherr gewesen, der die alte Heimat bis zuletzt verteidigt hatte und mit ihr in den Untergang gegangen war.
Soner war demnach gleichbedeutend mit dem Bild des strahlenden Helden, dessen Seele im Leben nach dem Tode, dem wahren Leben, Unsterblichkeit erlangt hatte.
Und diese Fügung, dass der Lebensweg des Prinzen Soner auf diese Weise vorgezeichnet war, erfüllte den Prinzenkrieger Marca mit ganz außerordentlicher Zufriedenheit. Es hatte sich demnach gelohnt, dass er die bösen Omen mit dem Schwert ausgetilgt hatte. Nichts sollte das gozin des Thronfolgers trüben.
Der Prinz wuchs im Herrscherpalast hoch über der Gläsernen Stadt wohl behütet und umsorgt auf. Über seine Sicherheit wachten unzählige Personen, und mindestens ebenso viele lasen ihm jederzeit seine Wünsche von den Augen und aus seiner Gestik ab. Aber bestimmt doppelt so viele waren nur dazu da, für die Erziehung und die Bildung des kleinen Prinzen zu sorgen, denn es war wichtigstes Gebot, dass er alle Formen der höfischen Etikette von klein auf zu beherrschen lernte.
Es gab für alle Lebensbereiche des heranwachsenden Prinzen ganze Kolonnen von Verantwortlichen, aber es gab niemanden, der dafür zuständig gewesen wäre, ihm Liebe und Wärme zu geben. Denn eine Mutter, die dafür hätte sorgen können, hatte der kleine Prinz nie kennen gelernt. Und seine Amme Iffenate war eine überaus gestrenge und gefühlskalte Person, die über eine Schwadron gleichartiger weiblicher Wesen gebot, die alle Klone von ihr hätten gewesen sein können.
Als Soner sie einmal nach seiner Mutter fragte, da hatte ihm Iffenate mit gewohnt kalter Stimme geantwortet: »Ein Prinz, der an Mutterschößen hängt, kann nie zum Krieger reifen.«
Seit damals hatte Soner niemanden mehr nach dem Schicksal seiner Mutter gefragt, denn er hatte begriffen, dass sich das für ihn als künftigem Prinzenkrieger nicht geziemte.
Auf solche und ähnliche Weise wurde der Prinz von früh an geformt. Es wurden ihm alle benötigten Lebensregeln und Umgangsformen im Dialog und an praktischen Beispielen beigebracht. Schon als er als Kleinkind die ersten Schritte machte, wurde bei ihm auf Haltung geachtet und permanent darauf korrigierend eingegriffen. Und schon als die ersten Laute über seine Lippen kamen, berichtigten ihn die Lehrer unermüdlich und formten mit gnadenloser Geduld für ihn die richtigen Worte, bis sein Sprachapparat sie perfekt nachplappern konnte, noch ehe sein Verstand begreifen konnte.
Ihm wurden ebenso Hochmut und Eitelkeit aufgezwungen und die Distanz zu den niederwertigeren Wesen in seinem Umfeld. Und das waren alle – bis auf den Prinzenkrieger, den er nicht Vater nennen durfte.
Soner hätte eigentlich keinen Augenblick seines jungen Lebens unbeaufsichtigt sein können, hätten ihm seine Erzieher nicht ganz bewusst Freiräume zugestanden. Denn schon in frühester Lebensphase gehörte auch eine gewisse Selbstständigkeit zur Erziehung des Prinzen, die ihm im späteren Leben zur Stärke werden musste. Diese Momente nutzte der Prinz weidlich aus.
Schon im Alter von zwei begann er mit seinen Entdeckungsreisen durch den Palast, lernte dabei ein an Wundern reiches Universum kennen. Der kleine Prinz wusste freilich nicht, dass Wachen und Erzieher ihm absichtlich auswichen und es ihnen bei Strafe verboten war, seinen Weg zu kreuzen, wenn er gerade seine »Freistunden« genoss. Sie waren aber sofort zur Stelle, wenn sie merkten, dass den kleinen Prinzen das Alleinsein überforderte und ihn Furcht beschleichen könnte.
Bei solchen Wanderschaften durch unbekannte Regionen des Palastes hatte der kleine Prinz auch eine Reihe ungewöhnlicher Erlebnisse.
Als er eines Tages in einen Bereich vorstieß, in dem er zuvor noch nie gewesen war, da kam er in einen für ihn überaus wunderlichen Raum. Es gab nur ein einziges lang gestrecktes Pult mit einem mobilen, schwebenden Kontursessel. Aber das nahm Soner nur nebenbei wahr.
Er hatte nur Augen für die vielen Fenster, die entlang aller vier Wände und in die Tiefe gestaffelt angeordnet waren. Es waren deren so viele, dass er sie nicht zählen konnte. Sie waren unterschiedlich groß, und manche überlagerten einander teilweise. Aber keines zeigte den Ausblick auf die Gläserne Stadt, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, denn hinter diesen Mauern erstreckte sich die Residenzstadt.
Alle diese Fenster gaben den Blick auf die Sterne frei, wie sie Soner vom Nachthimmel kannte. Nur waren die Sterne in den Fenstern viel heller und zumeist auch viel dichter gesät als auf dem Nachthimmel selbst bei klarster Sicht. Diese Sterne waren voller Feuer und von einer elementaren Kraft, die Soner auf der Haut fast zu spüren meinte.
Und vor diesen Sternenmeeren zogen Fahrzeuge vorbei. Manche schneller, andere langsamer, und manche standen sogar still. Aber es waren alles Fahrzeuge wie Soner sie zuvor noch nie gesehen hatte. Sie besaßen alle die Form von dicken Scheiben verschiedener Größe. Eine dieser Scheiben beanspruchte ein ganzes großes Fenster für sich. Sie war besonders groß und rotierte langsam um ihre Mittelachse. Während der Drehung kamen Schriftzeichen in Sicht, die auf der Hülle der oberen Aufbauten prangten.
»KIJAKAN«, las Soner laut ab. Dabei fröstelte es ihn, so beeindruckt war er.
Plötzlich aber schlossen sich alle Fenster schlagartig – und dann waren nur noch nackte, kalte Wände zu sehen. Soner fühlte sich ertappt und lief davon.
Noch Tage danach wartete er bange darauf, dass dieser Vorstoß auf verbotenes Terrain Folgen für ihn nach sich ziehen würde. Aber nichts passierte. Der Vorfall wurde stillschweigend übergangen. Für Soner blieb es aber ein einschneidendes Erlebnis.
Erst viel später, als er fundierteres Wissen hatte und Zusammenhänge begriff, erkannte er, dass er damals ins Allerheiligste des Raumfahrtministers Admiral Hergetoor eingedrungen war, der sein Büro vermutlich bei Soners Kommen geräumt und es versäumt hatte, die Holoverbindungen zu Weltraumverbänden zu desaktivieren.
Als Soner sich wieder gefasst hatte und Tage später noch einmal bis zu jenem Raum vorstieß, fand er ihn verschlossen vor.
Ein weiteres Erlebnis blieb Soner nicht minder eindrucksvoll im Gedächtnis haften. Auch diesmal gelangte er auf seiner Erkundungsreise durch den Palast in einen Raum, an dem ein kleiner Prinz eigentlich nichts verloren hatte. Es handelte sich um ein privates Konferenzzimmer des Prinzenkriegers Marca, seines Vaters, den er nicht Vater nennen durfte.
Dort fand er den Prinzenkrieger im Gespräch mit dem Minister Aldomen vor, der für die Sicherheit des ganzen Planeten Kazién zuständig war.
Der Prinzenkrieger sprach in einer fremden Sprache, und der Minister antwortete ebenso. Aus beider Münder kamen bellende Laute, die rau und krächzend klangen, gerade so, als verstellten sie ihre Stimmen. Die seltsamen kehligen Laute hatten für Soner etwas Aggressives, Bedrohliches an sich. Für ihn hörte es sich an, als stritten der Prinzenkrieger und der Minister miteinander. Dabei war ihre Haltung alles andere als kämpferisch. Und als die beiden einander abschließend jeder eine Hand auf die Schulter legten, die Geste des Einverständnisses, war Soner sofort klar, dass er einem Irrtum aufgesessen war.
Er hatte nicht einem Streit beigewohnt, sondern einem ernsten, wichtigen Gespräch unter Männern.
Soner hatte sich eine Lautfolge gemerkt, und die wollte ihm nicht mehr aus dem Sinn. Er sagte sie sich immer wieder vor und übte sich vor allem in den rauen Kehllauten, bis er sie seiner Meinung nach schon recht gut beherrschte.
Während einer Unterrichtsstunde, die ihm sein ungeliebter Lehrer Eilsendor gab, fasste er sich ein Herz und flüsterte die aufgeschnappten Worte laut genug, dass Eilsendor sie hören musste.
Der Lehrer wirbelte herum, sah Soner streng und forschend an und fragte mit unheilvoller Stimme: »Was möchtest du mir in der Ehrensprache mitteilen, Soner?«
Mit dieser Reaktion war Soner überaus zufrieden. Er brauchte auf die Frage des Lehrers nicht einmal zu antworten, denn dieser war gegenüber dem Prinzen ein Niedriger, der kein Recht auf Antwort hatte. Aber Soner lernte daraus, dass er Fragen nicht unbedingt stellen musste, um Antworten zu bekommen. Es gab auch raffiniertere Methoden, um sich für ihn unzugängliches Wissen anzueignen.
Diese Methoden praktizierte er in den folgenden Jahren unzählige Male erfolgreich, ohne zu ahnen, dass dem Prinzenkrieger darüber berichtet wurde und er überaus angetan von den diplomatischen Winkelzügen seines Thronerben war.
*
Eine weitere Begegnung bei einem seiner Streifzüge durch den Palast wurde für Soner zukunftsweisend.
Plötzlich trat ihm aus einem Seitengang ein Pfauchonenjunge entgegen, etwa in seinem Alter. Der unbekannte Junge erstarrte bei seinem Anblick zuerst vor Schreck, was ein deutliches Signal war, dass er ihn erkannt hatte. Aber der Junge fasste sich, drehte sich um und wollte fliehen.
»Halt!«, befahl Soner, dem die Macht seiner Worte inzwischen längst bewusst war.
Wieder erstarrte der fremde Junge mitten in der Bewegung. Er hatte sich halb um seine Achse gedreht, die Arme im Schwung erhoben. So verharrte er mit ergeben geschlossenen Augen.
Soner ging zu ihm und baute sich vor ihm auf. »Wer bist du?«, fragte er.
Der Junge begann zu zittern.
»Ich möchte wissen, wie du heißt«, sagte Soner um eine Spur strenger. »Hast du keine Sprache?«
»Ich heiße Parkiru«, kam es mit zittriger Stimme über die halb geschlossenen Lippen des Jungen.
»Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«
»Das ... wage ich ... nicht ...«
»Ich befehle es dir!«
Der Junge hob nur zögernd den Blick, seine Augen flatterten. Aber dann, als er Soners freundlichem Blick begegnete, hielt er diesem stand.
»Na, also, du kannst dich ja überwinden«, sagte Soner wohlwollend. »Wie heißt du?«
»Mein Name ist Parkiru.«
»Und was hast du im Palast des Prinzenkriegers zu suchen?«
»Mein Vater ist General und bekleidet den Posten eines Ministers.«
»Du willst behaupten, dass dein Vater ein Saltanträger ist?«, staunte Soner.
»Ja, das ist er.«
»Wie heißt er?«
»Sein Name ist Aldomen, und er ist Minister für planetare Sicherheit.«
Der Vater dieses Jungen namens Parkiru war demnach jener Minister, den er, Soner, im Gespräch mit dem Prinzenkrieger belauscht hatte, als sie sich in der Ehrensprache unterhalten hatten. Soner gab die Lautfolge von sich, die er sich gemerkt hatte und mit der er Lehrer Eilsendor überlistet hatte.
Aber Parkiru reagierte nur mit verständnisloser Verwunderung darauf, woraus Soner schloss, dass er noch nie etwas von der Ehrensprache gehört hatte.
Soner mochte den Jungen. Vor allem bot sich mit ihm die Chance, in seiner Freizeit nicht immer nur allein durch den Palast schleichen zu müssen.
»Bist du öfter im Palast unterwegs, Parkiru?«, fragte er ihn.
»Eigentlich nicht ...«
»Aber würdest gerne einmal mit mir auf Erkundung gehen?«
»Das ist für mich sicher verboten.«
»Nicht, wenn ich deine Begleitung wünsche«, sagte Soner selbstsicher. »Für mich gibt es keine Verbote.« Nur Regeln, fügte er im Geiste hinzu. »Dann treffen wir uns morgen um dieselbe Zeit hier. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Dies war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.
Schon bei ihrem ersten gemeinsamen Streifzug stellte Soner fest, wie vergnüglicher es war, zu zweit auf Entdeckungsreise zu gehen. Nicht nur, dass man sich über das Neue unterhalten und über Zweifelhaftes diskutieren konnte, man spornte sich auch gegenseitig an, wurde durch die Unterstützung des anderen mutiger, was manchmal bis zu Übermut und zur Dreistigkeit ging.
Doch Parkiru war stets bedacht, die Etikette nicht zu verletzen und sich an die höfischen Regeln zu halten. Er war es, der Soner vor so manchem Fehltritt bewahrte, der selbst für einen Prinzen unangenehme Folgen haben konnte.