Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2146
Die Pangalaktischen Statistiker
Kampf um Wassermal – Cynos verteidigen ihre neue Heimat
von Arndt Ellmer
Seit sich die Besatzung der SOL in der Galaxis Wassermal aufhält, wurden Atlan und seine Begleiter schon Zeugen großer Ereignisse. Sie erlebten die Tragödie von Soner, dem Prinzenkrieger der Pfauchonen, mit, und sie erfuhren mehr über den Ehrenkodex der Pfauchonen, aber ebenso über das weitgehend friedliche Zusammenleben der Völker der Galaxis.
Nach wie vor wissen sie aber nicht viel über die Pangalaktischen Statistiker. Diese Wesen sind der Grund, warum Atlan und die Menschen von der SOL die Galaxis besuchen. Von ihnen erhofft man sich Antworten auf die Fragen, die letztlich die Existenz der Menschen in der Milchstraße betreffen.
Was steckt hinter dem geheimnisvollen Thoregon? Warum sind die Kosmokraten, die Hohen Mächte des Universums, gegen das Konzept der Thoregons?
Auf diese Fragen möchte Atlan in diesem Januar 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung eine Antwort. Deshalb hält er sich mit den Mutanten Trim Marath und Startac Schroeder auf dem Planeten Vision auf und wartet auf die Große Konjunktion. In Rik'ombir erfährt Atlan eine lange Geschichte – sie ist der Hintergrund für DIE PANGALAKTISCHEN STATISTIKER ...
Kewin Kirrik – Der Techno entwickelt sich zu einem Pangalaktischen Statistiker.
Atlan – Der Arkonide wird Zeuge einer Geschichte über 160.000 Jahre.
Trim Marath – Der Mutant erhält ein interessantes Angebot.
Kamattagira – Die Mago verwandelt sich anders als ihre Techno-Begleiter.
Cairol – Der Roboter der Kosmokraten nimmt Kontakt zur Galaxis Wassermal auf.
In Riks Turm
Trim Marath und der Arkonide standen vor dem Sarkophag und starrten auf den reglosen Körper, der nur wenig an die Visienten erinnerte, die sie auf dem Planeten angetroffen hatten. Der Körper gehörte einem Cyno, er besaß die Gestalt eines Ahhani. Sein Name lautete Kewin Kirrik. Als Rik war er einer der neun Pangalaktischen Statistiker.
Nein, Atlan korrigierte sich. Der Körper in seinem Bett stellte lediglich einen Teil dieses Wesens dar. Der andere Teil manifestierte sich in Gestalt der Membran, mit der die Pangalaktischen Statistiker hinaus ins All lauschten.
Ein irrwitziger Gedanke durchzuckte ihn – nicht zum ersten Mal. Am liebsten hätte er die neun Kosmischen Mediotheken beschlagnahmt, in die SOL gebracht und wäre davongeflogen. Die Auswertung hätte er dann an Bord des Hantelraumschiffes vorgenommen.
Für den Bruchteil eines Augenblicks tauchte ein leises, kaum wahrnehmbares Lachen in Atlans Bewusstsein auf.
Dann fuhr Rik in seiner Erzählung fort.
Trümmertage
Die Membran umgab Kewin Kirrik wie eine zweite Haut. Sie erfüllte sein Inneres mit Wärme. Und immer wenn er sein Bewusstsein durch Akhimzabar wandern ließ, vermittelte die Membran ihm etwas von dem gewaltigen Kosmos, der alles Leben in sich barg.
Leben – früher hatte er völlig andere Vorstellungen von diesem Begriff gehabt. Heute zählte er auch die scheinbar unbelebten Dinge dazu, die Sonnen, die Planeten, den Staub. Sie gebaren neues Leben aus sich selbst. Alles folgte einem wunderbaren Schöpfungsprogramm.
Die Vielfalt des Lebens erfuhren die Cynos auf Zabar-Ardaran am eigenen Leib. Seit sie vor Jahrhunderten jenem Hilferuf gefolgt und auf dem dritten Planeten gelandet waren, waren sie nicht mehr die Lebewesen, die einst in Kys Chamei gelebt hatten. Die Fragmente der verstorbenen Entität wohnten in ihnen, nicht als Schmarotzer, wie sie anfangs befürchteten, sondern als körperlose Symbionten. Das mentale Potenzial einer unglaublich weise wirkenden und friedlichen Kreatur lebte in ihnen weiter. Vielleicht war das der eigentliche Grund, warum die namenlose Wesenheit ihnen den Hilferuf geschickt hatte. Cynos besaßen eine hohe Lebenserwartung. In ihnen hatte die Entität eine Überlebenschance gesehen.
Kewin Kirrik richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rand von Wassermal. So weit reichte seine Fähigkeit inzwischen. Dahinter herrschte Dunkelheit, als existiere außerhalb dieser Galaxis nichts mehr. Er stellte sich die absolute Dunkelheit als Vorhang vor, den er nur zur Seite ziehen musste, damit er das Universum in seiner wirklichen Größe sah.
Seine Wahrnehmung trübte sich ein wenig. Er zuckte innerlich zusammen. Einen Augenblick lang befürchtete er, die Membran löse sich auf.
Ein Impuls Kamattagiras erreichte ihn. Sie schickte den Gefährten auf diesem Weg eine Warnung.
Mühsam stellte Kewin Kirrik die innere Distanz zur Membran her. Er öffnete die Augen, blinzelte in das grelle Licht der Halle, sah die Mago zur Tür rennen.
»Eine Flotte von fremden Schiffen nähert sich Zabar-Ardaran!«, rief sie ihnen zu. »Ich gehe zur Baustelle.«
Der Turm! Sie wollte den Turm schützen. Ausgerechnet sie.
Kewin sprang auf. Während er sein Funkgerät aktivierte und den Stützpunkt rief, stellte sein Bewusstsein erneut Kontakt zur Membran her. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er die Fremden fand. Zwischen dem vierten und dritten Planeten quollen sie Funken sprühend aus dem Hyperraum, eine Flotte aus schwarzen Zylindern mit schrundiger, borkiger Oberfläche. Unregelmäßig verteilt ragten armdicke Speere aus der Oberfläche, starr eingebaut, aber dafür in großer Zahl und in unterschiedliche Richtungen.
Ein Signal drang aus dem Funkgerät. »Wir grüßen die Götter Akhimzabars«, hörte er die Stimme von Kommandant Sandor. »Nennt uns euren Wunsch. Wir werden ihn erfüllen.«
»Vergiss den Wunsch, gib Alarm!«, sagte Kewin hastig. »Eine Flotte von fremden Schiffen nähert sich Zabar-Ardaran. Kennt ihr sie?«
»Einen Augenblick, Gott Kirrik! – Es tut mir Leid. Unsere Ortung zeigt nichts an.«
»Dann besitzen sie Tarnschirme, oder eure Orter taugen nichts. Es handelt sich um zwanzig Zylinder mit unregelmäßiger Oberfläche, Farbe Schwarz.«
»Es könnten Schiffe der Ayrfi sein.«
Ayrfi – die Angehörigen dieses Volkes verhielten sich den Pfauchonen gegenüber oftmals feindselig, wenn sie aufeinander trafen.
Kewin hörte eine Sirene heulen. Sandor versetzte den Stützpunkt der Pfauchonen in Alarmzustand.
Der Cyno schaltete eine Verbindung mit dem städtischen Planungszentrum von Bikarra. Dort standen mehrere pfauchonische Funkgeräte. Die Ahhani benutzten sie fast ununterbrochen für die Kommunikation mit den anderen Städten. Es dauerte lange, bis er endlich eine Verbindung erhielt.
Kewin Kirrik ordnete die sofortige Evakuierung der Stadt an. Aber die Ahhani besaßen keine Erfahrung mit solchen Ereignissen. Sie benötigten viel zu viel Zeit, bis sie verstanden hatten, dass das keine Übung, sondern ein Ernstfall war.
So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, rannte Kewin hinaus. Aus anderen Gebäuden stürzten andere Cynos. Die meisten Ahhani gingen ihren Geschäften nach. Über den Lautsprecher seines Anzugs forderte er sie auf, den Platz zu räumen und aus der Stadt zu fliehen.
Ein Teil der Ahhani machte sich in mäßiger Eile auf den Weg. Andere fanden sich zu Gruppen zusammen, um die Warnung zu diskutieren.
Kewin Kirrik sah keine Möglichkeit, die Einheimischen zu schnellerem Handeln zu bewegen. Hast lag nicht in der Mentalität dieser Wesen. Sie brauchten viel Zeit, um sich an neue Gegebenheiten zu gewöhnen.
Die Entwicklung verlief für die Planetarier zu schnell. Die Technik der Pfauchonen brachte ihre Zivilisation voran, nicht aber sie selbst. Sie liefen Gefahr, eines Tages auf ihrer eigenen Welt wie Fremde zu leben. Das durfte nicht sein.
Sandor meldete sich. Die Orter lieferten endlich ein diffuses Bild von dem, was auf Zabar-Ardaran zuflog.
»Der Stützpunkt ist bereit zum Gegenschlag«, sagte der Pfauchone. »Die Schlachtkreuzer sind verständigt. Sie kehren so schnell wie möglich von ihrem Erkundungsflug zurück.« Sechs Schiffe insgesamt dienten dem Schutz Zabar-Ardarans und des Horani-Hamee-Systems.
»Eröffnet das Feuer!«, riet Kirrik. »Wartet nicht ab, bis sie euch vernichten.«
Die Cynos hasteten weiter. Sie mussten zum Raumhafen. Dort stand ein einzelnes Schwingenschiff der Pfauchonen. Es symbolisierte die Anbindung des Planeten an den Weltraum. Nie wieder wollten die Gestrandeten für Jahrhunderte auf Zabar-Ardaran festsitzen, ohne den Planeten verlassen zu können.
Die Fremden waren schneller. Ihre Zylinderschiffe erreichten den Orbit. Zielsicher brachten sie sich über Ukkhardin in Position.
Ein greller Blitz zuckte vom Himmel herab. Er schlug in ein Gebäude des Pfauchonenstützpunkts ein. Das Gebäude explodierte, Trümmer flogen mehrere hundert Meter hoch in die Luft. Ein zweiter Schuss folgte. Die Automatik reagierte noch immer nicht.
»Flieht nach Osten!«, rief Kewin den Ahhani zu. Sie säumten die Straße, starrten hinauf zum Firmament, wo sich entlang den Schussbahnen Säulen aus Wasserdampf bildeten, eine Folge der erhitzten Luft.
Die Eingeborenen schienen ihn nicht zu hören. Sie beobachteten den dritten Blitz, sahen die fliegenden Trümmer, die in der Weststadt einschlugen und in ihrer Wucht ganze Häuserzeilen zerstörten.
Die Ahhani entschlossen sich, den Cynos zu folgen. Aber sie taten es gemütlich, gerade so, als könne ihnen in Gegenwart der Zehngötter kein Leid widerfahren.
Wir haben sie nicht intensiv genug auf einen solchen Fall vorbereitet, dachte Kewin. Es ist unsere Schuld, wenn ihnen etwas passiert.
Als die Pfauchonen vor rund 400 Jahren nach Zabar-Ardaran gekommen waren, hatten die Cynos den Besuchern erlaubt, unmittelbar neben der Stadt einen Stützpunkt zu errichten. Inzwischen lag er mittendrin. Die Stadt war um ihn herumgewachsen wie ein Rankengewächs, das mit den Jahren alles einhüllte. Der Raumhafen, einst dort gelegen, wo Lambers Schwingenschiff niedergegangen war, befand sich inzwischen im Südwesten Bikarras, nicht weit vom Süßwasserkanal.
Endlich reagierte der Stützpunkt. Rote Strahlen rasten in den Himmel, zerschnitten Wasserdampfsäulen und drangen in den Orbit vor. Die Schiffe der Angreifer hatten inzwischen die Position gewechselt. Das Abwehrfeuer der Pfauchonen ging ins Leere.
Kamattagira stieß zu den Gefährten. In ihrem Gesicht entdeckte Kewin Schweißperlen. Sie kamen nicht vom Rennen, die Mago besaß eine hervorragende Kondition.
»Wir müssen nach unten«, keuchte sie. »Beeilt euch!«
Augenblicke später trafen sechs Energiesalven gleichzeitig den Stützpunkt und die umliegenden Gebäude. Der Untergrund bebte stärker, die Häuser schüttelten sich.
Es war nur der Anfang. Kurz darauf brach über Bikarra-West die Hölle los.
*
»Der Turm, was ist mit dem Turm?« Sie rannten nebeneinander die Straße entlang. Noch schalteten sie die Systeme ihrer Einsatzanzüge nicht ein. Sie wussten zu wenig über die Ortertechnik der Angreifer, wollten keine Zielscheiben für die Angreifer abgeben.
Der Himmel über der Stadt verwandelte sich in ein Gemisch aus schwarzem Qualm und roter Feuersbrunst.
Kamattagira wandte den Kopf in seine Richtung. »Alles in Ordnung. Er ist unsichtbar.«
Sie konnten nur hoffen, dass die Angreifer das Bauwerk zuvor nicht lokalisiert hatten.
Zwischen den vier- und fünfgeschossigen Häusern der Stadt stürzten die letzten Teile des Stützpunkts in sich zusammen. Dennoch stellten die Zylinderschiffe den Beschuss nicht ein. Einen Straßenzug nach dem anderen legten sie in Schutt und Asche. Staubwolken trieben durch Bikarra-West, tödlich für jeden, den sie verschluckten.
Kewin Kirrik sah sich flüchtig um. Die Gefährten waren nur wenige Schritte hinter ihm. Nos Somba und Fer Udhof schleppten Get Leshishi mit sich, den die Kräfte verlassen hatten.
»Schneller!«, keuchte der Anführer der Technos. »Wir müssen es schaffen.«
Auf dem Raumhafen stand ein einziges Fahrzeug. Bisher hatten die Fremden es nicht entdeckt.
Eine Reihe von Explosionen erschütterte Bikarra-West. Aus den Augenwinkeln sah Kewin Kirrik, dass sich die Fassaden der Häuser auf der linken Straßenseite neigten. Er stieß einen Warnruf aus, sprang nach rechts. Dort bewegten sich die Fassaden von ihnen weg.
Etliche Atemzüge lang schienen alle Bewegungen wie in Zeitlupe abzulaufen. Er sah die Mauern stürzen, als widerstrebe es ihnen, den Boden zu berühren.
»Kewin!« Der Schrei Kamattagiras riss ihn aus seinen Gedanken. Er hetzte weiter, stellte fest, dass die anderen ihn überholt hatten. Sie warfen sich in den Schutz eines eingeschossigen Vorbaus aus Metall. Er ächzte, brach aber nicht zusammen.
Augenblicke später rollte die Wolke heran. Drei Atemzüge reichten nach Schätzung des Technos aus, um seine Ahhani-Lungen zu verstopfen.
Die Technotroniken der Anzüge reagierten. Schirmfelder hüllten sie ein. Die Gefahr durch die Angreifer im Orbit rückte zwangsläufig an die zweite Stelle.
Kewin Kirrik sah nichts mehr. Er steckte in der Staubwolke wie in einem Mehlsack. Die Wucht riss ihn von den Beinen, wirbelte ihn davon. Mehrmals prallte das Schirmfeld gegen Mauerreste und fliegende Trümmer.
Undeutlich erkannte Kewin in der dicken Wolke ein paar Schatten. Zum Greifen nahe trieben sie vorbei. Er streckte instinktiv die Arme aus. Aber da waren die Schatten wieder verschwunden, Gespenster in einer unwirklichen Umgebung.
»... flach ... Bau ...«, hörte er die verzerrte Stimme der Mago aus dem Funkgerät seines Anzugs. »... Boden ... halten.«
Die Technotronik setzte in die Tat um, wozu er selbst nicht fähig war. Der Antigrav arbeitete, stemmte sich dem Druck des Hitzesturms entgegen, steuerte nach unten, bis Kewins Stiefel den Boden berührten.
»Geh weiter!«, sagte der Automat. »Immer geradeaus.«
Übergangslos lastete der volle Andruck des Planeten wieder auf seinem Körper. Der Orkan zerrte an ihm. Er duckte sich, versuchte jede Bewegung in den Knien abzufedern.
Wieder tauchte ein Schatten vor ihm auf, breit und dunkel. Erst als er nur noch wenige Schritte entfernt war, erkannte er, dass es sich um einen der Flachbauten von Bikarras Rohrbahn handelte.
Das also hatte Kamattagira in ihrem Funkspruch gemeint. Die Mago wartete neben dem Eingang, bis sie sich alle eingefunden hatten. Sie stieß die Tür auf, verschwand im Halbdunkel. Drinnen brannte die Notbeleuchtung. Die Cynos hasteten die Treppen hinab.
Reto Noraud kam als Letzter. Er warf die Tür zu, sperrte Staub und Hitze aus.
Ohne die Schutzschirme hätten sie die Minuten draußen nicht überlebt.
»Alle Systeme abschalten!«, ordnete Kewin an. »Und weiter!«
Drei Stockwerke tiefer mündete die Treppe in einer lang gestreckten Halle. Auch hier brannte lediglich die Notbeleuchtung. Erleichtert registrierte der Cyno, dass zwei Rohrbahnen auf ihren Schienen standen. Der Taster seines Kombigeräts prüfte die Stollen. Sie waren unbeschädigt.
Kamattagira saß bereits hinter den Kontrollen der Fahrerkabine. So schnell es ging, stiegen die neun Technos ein. Ein blaues Licht zeigte die Freigabe für die Fahrt an.
»Unser Ziel ist der Museumshangar«, sagte die Mago.
Die Rohrbahn fuhr an. Das fürchterliche Kreischen der metallenen Räder in den Führungsschienen zeugte von einem handwerklich nicht korrekt umgesetzten Konstruktionsprinzip. Die Ahhani gaben sich Mühe, aber sie arbeiteten mit Werkzeugen, die ihr Verstand kaum zu begreifen vermochte. Sie machten viele Fehler.
Immerhin schaffte es die Rohrbahn auf eine mittlere Streckengeschwindigkeit von vierzig Stundenkilometern. Kamattagira wusste um die Risiken, als sie die Bahn durch den Stollen jagte. Das Fahrzeug ruckelte und schwankte. Immer wieder ließen Explosionen an der Planetenoberfläche die Röhre und das Fahrzeug erzittern. Das Kreischen der Räder verwandelte sich jedes Mal in ein gefährliches Stakkato. Es vermittelte den Cynos den Eindruck, die Bahn würde im nächsten Augenblick aus den Schienen springen.
Der letzte Stadtbahnhof raste vorbei. Seine Decke wies bereits Risse auf, aus denen Staub und kleine Brocken herunterrieselten. Als die Bahn wieder in der Tunnelröhre verschwand, stürzte hinter ihr der Bahnhof in sich zusammen.
Die Druckwelle warf das Schienenfahrzeug nach vorn. Überall sprühten Funken. Die Radlager drohten sich zu überhitzen.
Dann kam die Staubwolke. Sie war schneller als die Bahn. Der Staub drückte durch alle Ritzen. Wieder reagierten die Technotroniken und schalteten die Schutzschirme ein.
Kamattagira meldete sich über Funk. »Wir sind gleich da.«
Die Rohrbahn wurde langsamer. Nach einem letzten Seufzen und Ächzen blieb sie stehen.
Draußen war es finster. Der Staub schluckte alles.
Die Cynos stiegen aus. Im Licht ihrer Mikroscheinwerfer tasteten sie sich über den Bahnsteig bis zur Treppe. Die Staubwolke bewegte sich von unten nach oben, nicht umgekehrt. Es ließ sie hoffen, was die Verhältnisse draußen betraf.
Sie hetzten die Stufen hinauf. Vor dem Eingang herrschte gute Sicht. Die benötigten sie für ihr Vorhaben. Reto Noraud sperrte die Staubwolke im Flachbau ein.
Im Nordosten loderte die Stadt. Bikarra-West brannte lichterloh. Der Wind trieb die Hitze nach Osten, über die Stadt. Der Gedanke, dass in der Feuersbrunst Zehntausende oder sogar Hunderttausende Ahhani ihr Leben verlieren würden, trieb Kewin Kirrik Tränen des Zorns in die Augen.
Noch immer schossen die Zylinder im Orbit auf die Stadt. Aber das Feuer ließ nach. Kewin dachte sich den Grund. Die sechs Schlachtkreuzer der Pfauchonen trafen ein. Sie hatten keine Chance gegen diese Übermacht, aber immerhin gelang es ihnen, die Angreifer abzulenken.
Die Cynos rannten zum Museumshangar, einer Halle, viermal so groß wie der neue Tempel, den sie einst im alten Stadtzentrum von Bikarra hatten bauen lassen. Die wenigsten Ahhani wussten, was sich im Innern des Gebäudes mit seinen Rolltoren befand.
Es war der Prototyp eines Propellerflugzeugs, den sie damals zusammen mit den Ahhani gebaut hatten. Er war flugfähig und sogar betriebsbereit. Die Chancen, mit dem altertümlichen Fluggerät entdeckt zu werden, lagen weit unter denen von Antigrav oder Gravopulsaggregat.
Die Cynos beschlossen, das Wagnis einzugehen. Zu zehnt zwängten sie sich in die Maschine. Kewin Kirrik setzte sich hinter das Steuer. Das Flugzeug war voll getankt. Er lenkte es durch das offene Tor hinaus. Als Startbahn diente eine Straße, die seit dem Bau der Rohrbahn kaum noch jemand benutzte.
Zwei Minuten später hob die Maschine ab. Kewin ging auf knapp hundert Meter Höhe. Von hier oben erkannten sie das Ausmaß der Zerstörung erst richtig. Die westliche Hälfte Bikarras lag in Trümmern. Die Fremden – Ayrfi oder wer auch immer – hatten rücksichtslos alles zerschossen, was vor ihre Zielautomatik geriet.
Im Tiefflug lenkte der Techno die Maschine nach Norden. Auf diese Weise hofften sie, der Aufmerksamkeit der Angreifer zu entgehen.
Sie hatten Glück. Die Taster der Zylinderschiffe übersahen sie oder stuften sie nicht als Bedrohung ein.
Nach halbstündigem Flug tauchte der Raumhafen auf. Hier war alles unversehrt. Das einzelne Schiff ruhte getarnt unter einem großen Felsüberhang. Zusammen mit den Pfauchonen hatten die Ahhani einen zusätzlichen Baldachin daran befestigt, eine Art Vorzelt von hundert mal fünfzig Metern. Eine pfauchonische Minimalbesatzung hielt Wache.
Aus Sicherheitsgründen verzichtete Kewin Kirrik auf Funkkontakt. Er landete neben der Felsformation. Das Propellerflugzeug rollte aus.
Die Pfauchonen nahmen sie an der Bodenschleuse in Empfang. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die neun Technos mit Hilfe der Paramodulation schon in Artgenossen der Raumfahrer verwandelt.
Kommandant Ponzus empfing die Götter mit einer ungelenken Verneigung. »Es handelt sich tatsächlich um Ayrfi«, informierte er sie. »Sie besitzen ein neues Energiespeichersystem, das ihre Waffen den unseren um ein Vielfaches überlegen macht.«
Kewin Kirrik ging nicht darauf ein. »Wir starten. Achtet darauf, dass ihr den Planeten möglichst schnell zwischen euch und diese Zylinder bringt!«
*