Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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10.
Epilog
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2336
Das Wunder von Terra
Unter den Geschützen der Terminalen Kolonne – Menschen trotzen dem drohenden Untergang
Robert Feldhoff
Über die Welten der Milchstraße bricht im Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4931 alter Zeitrechnung – eine Veränderung herein, wie sie sich niemand hat vorstellen können: Die Terminale Kolonne TRAITOR, eine gigantische Raumflotte der Chaosmächte, greift nach der Galaxis.
Im unmittelbaren galaktischen Umfeld der Milchstraße soll in der Sterneninsel Hangay eine sogenannte Negasphäre entstehen, ein absolut lebensfeindlicher Raum. Die Menschheitsgalaxis soll dieser kosmischen Region als »Ressource« zugeführt werden.
Der Nukleus, ein Geistwesen, beschwört Perry Rhodan, dass Terra und das Solsystem nicht an die Mächte des Chaos fallen dürfen. Tatsächlich gelingt es, das Solsystem mit Hilfe des TERRANOVA-Schirms zu sichern.
Doch nach wie vor belagert die riesige Raumflotte der Terminalen Kolonne TRAITOR den Schutzschirm um die solaren Planeten. Und während sich die Lage immer weiter zuspitzt, beginnt DAS WUNDER VON TERRA …
Junior Solari – Im Angesicht der Terminalen Kolonne TRAITOR wächst der Fußballer über sich hinaus.
Catalina Tampa – Als Journalistin interessiert sich die Frau aus Terrania beruflich für Fußball.
Homer G. Adams – Der im 20. Jahrhundert geborene Aktivatorträger ist ein eingefleischter Fußballfan.
Perry Rhodan – Der Terraner verteidigt die Heimat der Menschheit in einem aussichtslos wirkenden Konflikt.
Spätsommer 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung,
Luna City, Solsystem
»Le-vi-ta-tor! Le-vi-ta-tor!«
Junior Solari hörte das Geschrei bis auf den Korridor. Er bog die Schultern gerade und straffte das Rückgrat, dann öffnete er das Schott zur Mannschaftskabine, obwohl es tausend Orte im Solsystem gab, an denen er lieber gewesen wäre.
»Le-vi-ta-tor! Le-vi-ta-tor!« Der Schlachtruf seiner Fußballmannschaft, intoniert aus zwanzig Kehlen.
Jeder zweite Spieler war noch halb betrunken. Für eine Sekunde hielt Solari seine Ohren zu, der Geruch von Schweiß, Gras und Massagecremes umfing ihn wie Schmiere, und ein Ball mit Levitator-Logo flog haarscharf an seiner Stirn vorbei. Ein Becher Wasser war besser gezielt; Solari wischte sich die Tropfen von der Stirn und schüttelte mit Stirnrunzeln das Haar, der Rest lief in seinen Nacken. In der Kabine war der Teufel los. Kein Wunder nach dem Match von gestern, vor ausverkauftem Stadion.
Auf seiner Schulter landete krachend eine Faust. »Was schleichst du wie ein Zombie, Kleiner?«, tönte Toto Ambest, Spitzname Totmacher. »Nur mal zur Erinnerung, wir haben nicht verloren, sondern das war unentschieden gestern. 1:1! Exakt das Ergebnis, das wir brauchten. Wir sind qualifiziert, Junior – qualifiziert!«
»Vorsicht, Toto, ich bin am Knie verletzt.«
»Quatsch! Verletzt? 'ne Bagatelle ist das!«
Ambests Schädel, sonst rasiert und spiegelglatt, wirkte zerbeult wie von einer Schlägerei, ein Auge war deutlich sichtbar blau, und die Schramme über der Stirn stammte aus der Nachspielzeit des gestrigen Qualifikationsspiels. Totmacher war Innenverteidiger, der härteste Kämpfer der Mannschaft. Junior Solari dagegen war der Künstler im Mittelfeld, die Nummer 10, die von Typen wie Ambest vorzugsweise in die Medo-Station getreten wurde.
»Le-vi-ta-tor! Le-vi-ta-tor!«
Die Stimmung kochte – nur nicht die von Junior Solari. Er hinkte zu dem Sitz mit seinem Namen, ließ sich nieder und rutschte herum, bis er eine Haltung ohne Schmerz fand.
»Le-vi-ta-tor! Le-vi-ta-tor!«
Luna Levitator war das beste Fußball-Team aus den Städten auf dem Mond. Seit vierzig Jahren lebte Levitator von seiner erfolgreichen Tradition, nachdem die Mannschaft mehrfach die Meisterschaft gewonnen hatte – vor dem Abstieg, der danach erfolgt war. Seit dieser Zeit spielte Levitator im Solsystem keine Rolle mehr – so hieß es zumindest bei den Trivid-Sendern.
Und plötzlich standen sie im Turnier der letzten zweiunddreißig. Levitator spielte in der Endrunde: die Solare Meisterschaft, im Januar 1345 NGZ auf der Erde, unter der Schirmherrschaft von Perry Rhodan in Person.
Solari stellte sich vor, er stünde auf dem Platz und Perry Rhodan sähe ihn spielen. Törichte Gedanken. Er träumte wie ein Jugendspieler.
Morg D'Accuzu, ihr Abräumer und Stratege mit der Nummer sechs, kam mit nassem Schädel aus der Duschkabine. Schulterabwärts war er trocken, und er roch, als habe er die Nacht in einem Faulturm verbracht: »Le-vi-ta-tor, Leute! Mach mal deine Füße frei, Toto, ich will sie küssen!«
»Geh weg! Nicht, solange du nicht fertig geduscht bist.«
»Das ist der Schweiß von gestern, der ist historisch! Sozusagen qualifizierter Schweiß.«
D'Accuzu war so groß wie Toto Ambest, nicht ganz so kräftig, dafür schneller. Eine rothaarige, zottelige Kampfmaschine – die momentan mächtig verkatert aussah –, und der einzige Levitator-Spieler, den der Gegner mehr fürchtete als Toto Ambest.
Mit einem Mal wurde es still im Raum, und Solari wandte seinen Kopf zum Hintereingang:
Ein hagerer Mann mit den Rangabzeichen eines LFT-Majors a. D. trat in die Kabine. Serano Alderfarn hatte eisgraues Haar, eisgraue Augen, und er war dreimal so alt wie jeder Spieler. Alderfarn hatte mit Nordstern Terrania den Titel geholt, bevor er zu Luna City gewechselt war. Um eine neue Herausforderung zu suchen, hieß es offiziell. Die Presse kannte ihn als Altes-Eisen-Alderfarn.
Alderfarn besichtigte kühl die Reihen seiner Leute. So als nehme er an Maschinenblöcken Maß.
»Brillantes Match gestern, Morg.«
»Danke, Trainer.«
»Gefeiert?«
»Ein bisschen.«
»Man riecht es.«
Alles grinste, nur nicht Alderfarn, der keineswegs beabsichtigt hatte, einen Witz zu reißen. Wenn es etwas gab, was der Exmajor nicht besaß, war es Humor.
An Junior Solari blieb der Blick des Trainers länger hängen.
Alderfarn musterte die verkrümmte Haltung, mit der Solari im Sitz hing. »Wieder die alte Verletzung aus dem Venus-Spiel?«
Solari nickte. »Volltreffer aufs Knie. Die Medos haben bis eben das Innenband geflickt. Mikroinvasiv, die Schnitte sind seit einer halben Stunden zugeklebt.«
Alderfarn musterte ihn starr. »Auf dem Platz merken die anderen, wenn einer Angst hat. Sieh dir Männer wie Totmacher oder D'Accuzu an, die spüren das. Du musst schlauer und robuster werden, Junior, sonst nehmen sie dich immer als Ersten aufs Korn.«
»Ich trete mich ja nicht selbst.«
»Als Trainer hab ich auch für dich Verantwortung, dass du heil bleibst. Als Zielscheibe stelle ich keinen auf. Geh schneller in die Zweikämpfe – und nicht zurückziehen. Du lernst das – oder du spielst nächste Saison zweite Mannschaft.«
Ambest und die anderen lachten, obwohl auch das kein Witz gewesen war. Morg D'Accuzu hatte dabei einen feindseligen Ton, der Junior Solari nicht entging, vermutlich weil Solari das Doppelte verdiente: Levitator hatte ihn vorletztes Jahr als größtes Talent vom Mond eingekauft, und Leute wie D'Accuzu oder Toto Ambest, die das Spiel von hinten machten, spielten für kleines Geld. Besser gesagt, hatten für kleines Geld gespielt, denn die Teilnahme an der Solaren Meisterschaft steigerte den Marktwert der Mannschaft. Damit verbunden die Gehälter, wenn alles normal verlief.
Alderfarn klatschte in die Hände. »Bitte schön, Herrschaften, Manöverkritik. Wir hatten ein Qualifikationsspiel gestern, und es gibt eine Menge anzusprechen.« Er hielt einen Block in die Höhe, mit handschriftlichen Notizen in krakeligen Buchstaben, und Junior Solari erkannte eine Fehlerliste von locker sechzig Punkten.
Das Licht in der Kabine erlosch, stattdessen zauberte der Deckenprojektor ein verkleinertes Hologramm der Schüssel in den Raum, des Stadions von Luna City. Es war wieder gestern, 35.000 Zuschauer, und auf dem Feld standen zwei Mannschaften: Levitator ganz in Blau, die Außenseiter von Sonnenlicht Merkur in schimmerndem Gold. Ein lichter Moment, mit dem Solari die Merkur-Abwehr ins Leere schickte, führte zum 1:0 – was ein komfortables Ergebnis war, denn zum Gruppensieg reichte schon ein Unentschieden.
Die Szene des Spiels ereignete sich in Hälfte zwei, neunundsiebzigste Minute am Mittelkreis: Ein winzig kleiner Junior Solari nahm mit links den Ball auf, stürmte Richtung Strafraum, auf dem Weg zum 2:0, das alles entschieden hätte – als ein Gegenspieler Marke Totmacher von der Seite geflogen kam.
Der winzige Solari zog die Füße hoch. Ein menschlicher Rammbock im Goldtrikot wirbelte seinen Körper durch die Luft.
Trainer Alderfarn fror das Bild ein und zoomte den Ausschnitt: In Solaris vor Schreck geweiteten Augen wurde eine Sekunde das Weiße sichtbar.
»Weichei«, hörte er von hinten eine Stimme zischen, und Solari war sicher, das Schimpfen kam von Morg D'Accuzu.
»Was Morg sagen will«, ergänzte Alderfarn, »ist sachlich richtig. An diesem Punkt hängt das Match. Junior kommt entweder durch und macht das Tor. Oder er hält dagegen, mit der Gefahr, sich zu verletzen. In dem Fall folgt ein Platzverweis für Merkur, und Levitator rettet den Sieg. – Was Junior dann getan hat, ist allerdings das Schlechteste: Wir sehen das in der nächsten Szene.«
Solaris Sturz in Zeitlupe endete in einer aufgepflügten Sode Gras. Der Freistoß-Pfiff blieb aus, Merkur eroberte den Ball, und der Gegenstoß gelang in Überzahl, weil Levitator in der Vorwärtsbewegung getroffen wurde.
Postwendend fiel das Tor für das Team vom Merkur. Das 1:1.
Sonnenlicht Merkur rannte plötzlich wie mit Rückenwind, den Sieg vor Augen, der für Luna Levitator das Ende aller Träume bedeutete. Von den Rängen schallte: »Kämpfen, Junior, kämpfen!« – bis Solaris Auswechslung erfolgte, nach dem dritten verlorenen Duell in Folge. Doch die Abwehr stand: D'Accuzu und Ambest – zu dem Zeitpunkt noch ohne blaues Auge – fegten weit und hoch die Bälle raus, die kamen, und Solari wünschte sich, er hätte noch auf dem Platz gestanden, mit seiner Schnelligkeit und Technik.
Der Schlusspfiff tönte.
Die Mannschaft lag sich in den Armen, weil das Unentschieden bereits reichte, und die Kamera zoomte eine Sekunde auf Solari, der am Spielfeldrand für sich allein saß.
Mit einem Mal erlosch das Hologramm, und das Licht flackerte wieder auf. Alle starrten auf Solari.
»Wenn der das größte Talent ist, das wir auf dem Mond haben«, schimpfte D'Accuzu offen, »dann gute Nacht. In Terrania kommen die großen Mannschaften, da kriegen wir Nordstern oder Asia Delhi vielleicht schon in der Vorrunde. Gegen die sehen wir keinen Stich, wenn wir einen Spieler mit permanenter Formkrise durchschleppen.«
Junior Solari vermerkte, dass keiner widersprach, auch nicht Totmacher, obwohl dieser sein Freund war.
»Wie würdest du denn spielen, Morg?«, fragte Trainer Alderfarn neutral.
»Ohne Nummer zehn. Mit zwei offensiven Leuten an den Flügeln, die nach hinten arbeiten.«
»Das würde bedeuten, Junior …«
»… geht auf die Ersatzbank, Trainer. Stimmt. Den kann man bringen, wenn man führt. Weil er schnell ist und Bälle hält. Aber nicht, wenn die Mannschaft kämpfen muss.«
»Ich denke darüber nach.«
4. Januar 1345 NGZ
Zwei Personen kamen früh am Morgen in Perry Rhodans Büro, in einer Dachetage der Solaren Residenz: Die Frau hieß Alma Ospital, sie war ein Blondschopf von mittlerem Alter, mit runzligem, strengem Gesicht und aufrechter Haltung. Ospital fungierte als Zivilschutz-Beauftragte von Terrania, und Rhodan hatte sie als Querkopf, aber ebenso als fähige Organisatorin in Erinnerung. Mit Seitenblicken voll Zorn musterte sie den beinahe kahlen Mann, der neben ihr stand: Homer G. Adams, Minister für Wirtschaft, Finanzen und Strukturwandel. Adams war einen Kopf kleiner als Ospital, über dreitausend Jahre alt, wie Rhodan ein Zellaktivatorträger und relativ Unsterblicher.
Keiner von beiden hatte momentan mit Militär oder Raumfahrt zu tun.
Rhodan wunderte deshalb, dass ein dringliches Gespräch gefordert war. Angesichts einer Lage, in der jede Stunde das Ende der Menschheit drohte.
»Fasst euch bitte kurz«, ordnete Rhodan an, »ich werde in PRAETORIA erwartet. Der Krisenstab der Flotte sammelt sich.«
Alma Ospital reckte stur das Kinn vor. »Tut mir Leid, Perry, ich wünschte, wir müssten jetzt hier nicht stehen. Also: Für den laufenden Monat ist die Austragung der Solaren Meisterschaft in Terrania angekündigt, wie du vermutlich weißt …«
»Ja?« Rhodan sah irritiert auf.
Sie deutete anklagend auf Adams: »Meine Dienststelle hat vor drei Tagen Weisung erteilt, die Meisterschaft abzusagen, auf Grund der bekannten Sicherheitslage. Es kann jederzeit zur Entscheidungsschlacht kommen, dann haben wir Kampfschiffe der Terminalen Kolonne womöglich über Terrania. – Und nun stelle ich fest, dass Adams die Meisterschaft dennoch spielen lässt! Mit einer Minister-Erlaubnis!«
Adams nickte. »So ist es. Die Zivilschutz-Dienststelle ist theoretisch weisungsbefugt, aber nicht die höchste Instanz. Ein lächerlicher Gedanke, die Meisterschaft abzusagen, das habe ich deutlich gemacht.«
Die Wahl des Wortes »lächerlich« ließ Ospital rot anlaufen.
Rhodan hob schnell die Hand: »Verstehe ich das richtig? Das Solsystem wird von der Terminalen Kolonne TRAITOR belagert, und ihr zwei verschwendet meine Zeit wegen einer Fußballmeisterschaft?«
Keiner der beiden gab Antwort.
Schließlich sagte Ospital: »Schließlich bist du der Schirmherr des Spektakels.«
Rhodan schloss eine Sekunde die Augen. Er konnte sich denken, dass das Gespräch nicht Adams' Idee war.
Der Terranische Resident, mächtigster Mann der Liga Freier Terraner, starrte nicht auf seine Besucher, sondern in das Hologramm über seinem Schreibtisch: Eine Wolke aus leuchtenden Punkten umgab das Solsystem. Jeder Punkt stand für ein feindliches Raumschiff, für einen Traitank, wie die Gegenseite ihre Schlachtschiffe nannte.
1452 Einheiten riegelten mittlerweile das Solsystem ab. Die gesamte Heimatflotte war nicht fähig, einen einzigen Traitank abzuschießen. Zwischen ihnen und der Vernichtung stand lediglich der TERRANOVA-Schirm – die Verteidigungslinie des Solsystems.
Im Hologramm wuchs die Zahl der Feind-Einheiten unaufhörlich. Die Terminale Kolonne bereitete den Generalangriff vor.
Aus 1452 Einheiten wurden zweitausend, dreitausend, und die Zahl wuchs immer noch. Wenn der Kristallschirm brach, kam für die Erde, die Planeten und zwanzig Milliarden Bewohner das Ende. Ob Rhodan dann in PRAETORIA weilte, in seiner Gefechtszentrale, war möglicherweise egal. Dennoch wollte er bei den Besatzungen seiner Flotte sein, wenn die Schlacht begann.
Rhodan erhob sich, drehte Adams und Ospital den Rücken zu und starrte aus dem Fenster. Schwerer Regen perlte an der Versiegelung der Scheibe ab. Bis zum Horizont erstreckte sich Terrania, die Hauptstadt des Sonnensystems. Die Waringer-Akademie, Atlan Village, weit im Osten der Handelshafen Point Surfat, der unter der System-Blockade beinahe stilllag … Über dem nahen Goshun-See probte die Kunstflugstaffel der Terrania Lunatics: Training für die Solare Meisterschaft.
Rhodan war ein Unsterblicher, fast dreitausend Jahre alt, und er hatte die letzten Weltmeisterschaften im Fußball noch persönlich erlebt. Als das Spiel neunzig Minuten gedauert hatte statt hundert wie heutzutage; als noch elf statt zehn Spielern pro Mannschaft auf dem Rasen gestanden hatten. Längst gab es keine Nationen mehr. Stattdessen vertraten die Mannschaften ihre Städte auf den verschiedenen Planeten, und die Weltmeisterschaft von früher hieß Solare Meisterschaft.
Er blickte auf den Regen, auf das Häusermeer der Stadt – und auf das Hologramm, das Traitank für Traitank als Lichtpunkt verzeichnete.
»Tut mir Leid, Alma«, sagte er, »aber Homer hat Recht. Die Durchführung der Meisterschaft ist psychologisch wichtig. Je verfahrener die Lage, desto wertvoller jede Ablenkung, und sei es Fußball. Oder ganz besonders, wenn es Fußball ist. Das ist mein letztes Wort. – Wenn ihr zwei mich jetzt entschuldigt …«
Rhodan wies auf die Tür.
»Moment mal, Perry«, insistierte Ospital, »das kann nicht dein Ernst sein! Ich hatte gedacht, wenigstens du würdest … Diese Meisterschaft kostet irrwitzige Summen! Wir stehen unter Belagerung – und da sollen wir uns um Fußball kümmern?«
»Gerade deswegen!«, schob Adams von der Seite ein. »Die Depression bekämpfen, bevor sie entstehen kann. Wir sind den dritten Monat in Folge im Solsystem eingeschlossen, wir haben Selbstmordraten wie seit dreißig Jahren nicht mehr. Aber das Leben geht weiter, und wir müssen psychologische Zeichen setzen. Dieses Turnier ist ein Symbol. Egal wie sehr die Kolonne uns bedroht, wir schaffen das, wir lassen uns nicht unterkriegen. Das ist es, worum es dieses Mal wirklich geht.«
»Du bist doch nur ein Fan von diesem Schwachsinn«, presste sie hervor. So inbrünstig, als nehme sie an einem religiösen Streit teil. »Du denkst nicht objektiv, Homer. Zwanzig Männer rennen hinter einem Ball her, und du willst mir erzählen, damit gewinnt man den Krieg? Nimm an, die Traitanks brechen durch den Schirm, und wir haben Zigtausende Leute in den Stadien sitzen! Es wird eine Panik geben.«
Rhodan erhob sich abrupt, umkreiste seinen Schreibtisch und legte beiden eine Hand auf die Schulter. »Alma, du hast in einem Recht, wir liegen unter Belagerung. Ich erwarte deshalb, dass meine Mitarbeiter sich nicht durch Streit in dieser Sache blockieren. Ich erwarte von euch beiden, dass ihr euren Disput begrabt.« Er blickte Alma Ospital fest an. »Diese Meisterschaft ist seit langem ausgerichtet. Seht euch meinetwegen nochmal die Sicherheitslage in den Stadien an. Aber alles findet statt wie geplant.«
»Bist du etwa auch ein Fan von diesem Spektakel?«
»Nein«, bekundete er abweisend, »Schirmherr oder nicht. Ich bin 1936 alter Zeit in Amerika geboren und dort mit Baseball und Hockey aufgewachsen, falls dir das noch etwas sagt.«
Der zweite und letzte Blick, bevor er seine Raummontur anlegte, galt Adams. »Also spielt Fußball, Homer!«
5. Januar 1345 NGZ
Luna Levitator kam geschlossen zum Goshun Space Port, mit einem Charterflug vom Mond zur Erde. Spielerfrauen waren nicht dabei, nach einer ehernen Regel von Altes-Eisen-Alderfarn: keine Frauen beim Turnier. Solari störte es am wenigsten, weil er ohne Beziehung war.
Sie hatten in der Vorrunde die Sahara City Rangers als Auftakt-Gegner, dann Tropical Venus City und die New London Sharks. Ein machbares Tableau, fand Solari – auch wenn Levitator in den Wett-Büros auf Platz dreißig von zweiunddreißig lag. Die richtig guten Teams wie Nordstern Terrania oder Asia Delhi warteten frühestens im Viertelfinale.
Alderfarn hatte sie im Training mehrfach zu Fuß um das halbe Mare Imbrium gehetzt, in Raum-Monturen mit Mikro-Gravitator, und Junior Solari spürte kaum noch seine Beine.
Die letzte Woche, bis das Turnier begann, stand nun Erholung auf dem Plan. Solari freute sich auf sieben Tage Regeneration im Hotel Galactic. Im Landeanflug blickte er über den von Regenschauern gepeitschten See. Weit im Südwesten verbarg sich die Solare Residenz, verdeckt von der Wetterfront. Von dort lenkte Perry Rhodan den Kampf gegen die Terminale Kolonne.
Solari schnappte seinen Beutel mit Handgepäck und sprang aus dem Shuttle. Normale Erdschwerkraft, wie in Luna City, die Atmosphäre enthielt ähnlich viel Sauerstoff, nur der Geruch war in der Hauptstadt der Menschheit anders, nicht mehr künstlich, sondern bitter-würzig. Ein öliges Gemisch aus Schwebestoffen wurde mit dem Regen aus der Luft gewaschen.
Der Tross aus Mannschaft, Trainerstab und Betreuern schob sich in den Regen. Funktionäre schleppten Ballnetze, für das unvermeidliche Empfangskomitee.
»Heute ist der letzte Regentag!«, erklärte Alderfarn, als sie durch den Regen stapften. »Ab morgen macht die Wetterkontrolle Sonnenschein, und die Temperaturen steigen. Regen gibt's nur während der Halbfinale!«
D'Accuzu rief von hinten: »Wenn wir so weit kommen, Trainer, kann's meinetwegen auch hageln!«
»Recht hat er«, kommentierte Totmacher leise. »Auch wenn er ein Großmaul ist. Auf dem Mond regnet es Meteoriten, was kümmern uns die paar Tropfen hier!«
Solari setzte sich an die Spitze. Er folgte den Bodenmarken, die den Weg zum nächsten Laufband zeigten. Goshun Space Port war vertrautes Gelände, Levitator hatte oft Punktspiele gegen Nordstern oder Solar Terrania bestritten. Unter einem transparenten Dach trugen die Bänder sie zum Hafenausgang.
Ein Rudel Presse nahm die Mannschaft in Empfang: Fliegende Kamera-Roboter umkreisten den Kader wie Bienen, und Solari hatte im selben Moment die Schlagzeile des Abends vor Augen: »Levitator im Regen nass gemacht – Mond-Touristen ohne Chance?« Major a. D. Alderfarn schob kühl eine Kamera beiseite, die seinen Blick nach vorn versperrte. Betreuer drängten die Presseleute ab, doch die Kameras blieben auf Nahkontakt.
Eine Meute Nordstern-Fans postierte sich am Ausgang, in Schach gehalten von der Polizei. Die meisten trugen scharlachrote Spielertrikots. Ihr Sprechgesang klang nicht aggressiv, sondern spöttisch: Die Underdogs vom Mond waren willkommen – als Punkte-Lieferanten. Der Levitator-Pressechef verteilte Trikots als Gastgeschenke, vor laufenden Kameras, und Totmacher donnerte ein Netz Bälle unter die Decke der Halle, die von johlenden Nordstern-Fans gefangen wurden.
Alderfarn winkte erst Morg D'Accuzu heran, dann holte er Solari dazu. »Ihr zwei nehmt die Reporter. Bleibt eine halbe Stunde und macht Entertainment. Erzählt den Leuten, dass Levitator wegen der Terminalen Kolonne zwei Wochen Trainingsausfall hatte, verstanden? Wegen der Belagerung.«
D'Accuzu schaute überrascht. »Trainingsausfall? Das wäre das erste Mal seit …«
»Sagt es genau so!«, ordnete Alderfarn an. »Stell dir vor, Morg, du hättest Training geschwänzt und brauchtest jetzt eine Ausrede. Tu so, als wäre es dir rausgerutscht! Die anderen Teams müssen nicht wissen, dass wir in Bestform nach Terrania kommen. ––