Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Epilog
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2347
Die Heiße Legion
Cosmuel Kain stammt von der Erde – doch als Cyno ist sie ein Problem
Christian Montillon
Wir schreiben das Jahr 1345 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4932 alter Zeitrechnung. Die Milchstraße ist von der Terminalen Kolonne TRAITOR besetzt, einem Machtinstrument der Chaotarchen. Die aus der Galaxis gewonnenen »Ressourcen« sollen für Zwecke eingesetzt werden, die dem Entstehen einer Negasphäre in der Nachbargalaxis Hangay dienen werden. Eine Negasphäre wiederum ist ein Raum, den normale Lebewesen als absolut lebensfeindlich empfinden, und eine Brutstätte des Chaos.
Perry Rhodan und seine Weggefährten erhalten mit den sogenannten Friedensfahrern eine Organisation als Verbündete, die erst vergleichsweise kurz besteht, aber dennoch von vielen Geheimnissen umrankt ist. Ihr gehören unter anderem Alaska Saedelaere an, der schon oft in kosmische Ereignisse verstrickt war, und Kantiran, Rhodans Sohn, der noch keine Heimat gefunden und für sich das Leben eines Sternenvagabunden gewählt hat.
Beide allerdings kämpfen mit ganzer Kraft für die Freiheit und gegen TRAITOR, obwohl viele andere Friedensfahrer noch zweifeln und zaudern. Um effektiv kämpfen zu können, müssen sich die Friedensfahrer einig sein – ein wichtiges Hilfsmittel ist DIE HEISSE LEGION …
Alaska Saedelaere – Der Aktivatorträger setzt erneut den mysteriösen Vektor-Helm ein.
Kantiran – Der Sternenvagabund sucht die Konfrontation mit dem Patronat und der Heißen Legion.
Chyndor – Der Friedensfahrer hält seinem alten Freund die Treue.
Borgin Sondyselene – Der Patron der Friedensfahrer muss endlich handeln.
Cosmuel Kain – Eine Cyno verschwindet spurlos.
Nicht länger will ich die Verlorenen beweinen, die in ihren Sternengräbern ruh'n.
Aus einem 2500 Jahre alten Gedicht der Enthonen
Auf Rosella Enthon
22. Januar 1345 NGZ
»Samburi«, flüsterte Borgin Sondyselene, der Patron der Friedensfahrer. »Samburi Yura.«
Wie sehr er sie vermisste, sie, die als Beauftragte der Kosmokraten mit ihrem Raumschiff LEUCHTKRAFT das Universum durchstreifte.
Die Frau Samburi.
Seine Tochter.
Einst die Hoffnung der Enthonen, das erste und einzige Neugeborene nach dem Krieg, der Vernichtung, der Flucht und dem Neubeginn.
Jetzt das Höhere Wesen, die Alterslose, die ihr Volk in wenigen Jahrhunderten überdauert haben würde, als Letzte der Enthonen.
Einst die Klügste, das Symbol für die Hoffnung, die niemals verging.
Jetzt weit weg von hier, von dem Ort, an dem Sondyselene entgegen dem damaligen Enthusiasmus die Hoffnung begraben hatte.
Die Frau Samburi.
Es war der schrecklichste Moment im Leben des Patrons gewesen, als sie damals mit dem Kosmokratenroboter Cairol wegging. Schlimmer noch, er wagte es sich kaum einzugestehen, als das Sterben des LICHTES VON AHN.
Welch eigenartige Wege das Schicksal manchmal ging.
Das Schicksal … Je älter Sondyselene wurde, desto weniger zweifelte er an einer Instanz wie dieser. Oder konnte es Zufall sein, dass Samburi ausgerechnet auf Alaska Saedelaere getroffen war und ihm ein neues Cappin-Fragment geschenkt hatte? Gerade auf jenen Alaska Saedelaere, der dann dem Geheimbund der Friedensfahrer beitrat und dem Patron auf diese Weise unwissend Nachricht über die verlorene Tochter brachte?
Die Sehnsucht drohte Sondyselene zu zerreißen, immer wieder aufs Neue. Wenn er hierher, an die symbolische Grabstätte seiner Tochter kam, erinnerte er sich; aber er quälte sich auch.
Seine Qual war die aller Enthonen. Und sie bestimmte das Schicksal der Friedensfahrer. Denn es gab Neuigkeiten. Beunruhigende Neuigkeiten.
»Samburi«, flüsterte er wieder den geliebten Namen.
Er dachte an eine alte Überlieferung seines Volkes, die noch aus der Zeit stammte, als die Enthonen ein produktives Volk gewesen waren, Diener des LICHTES VON AHN im Kampf gegen den Herrn der Elemente und seine Negasphäre.
Nicht länger will ich die Verlorenen beweinen, die in ihren Sternengräbern ruh'n.
Eine Zeile aus einem Schlaflied, das er seiner Tochter an jedem Abend gesungen hatte. Welche Zuversicht sich darin spiegelte, den Blick vorwärts gerichtet. Doch was blieb in Wirklichkeit, außer der Trauer, den Gedanken an die Vergangenheit und daran, wie brutal und schonungslos sie geendet hatte?
Borgin Sondyselene strich über die steinerne Nachbildung seiner Tochter und schloss die schwarzen Augen. In seiner Phantasie verwandelte sich der raue Stein in den warmen Leib Samburis.
»Es gibt beunruhigende Nachrichten, Samburi. Alles wiederholt sich. Ich werde versuchen, es aufzuhalten, doch ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird. Das Verderben kommt dieses Mal aus den eigenen Reihen.«
Der Patron wandte sich ab und ging mit kleinen, schleifenden Schritten durch den Nebel. Winzige Tropfen kondensierten auf seiner leuchtend roten Toga und dem alabasternen Weiß der Haut. Plötzlich verharrte er und drehte sich um.
»Bislang sah ich dich als Teil meiner Vergangenheit. Vielleicht wirst du schon bald meine ganz persönliche Zukunft sein. Ich plane etwas, Samburi.«
Erhitzte Diskussion
23. Januar 1345 NGZ
»Es ist verboten!«
Kantiran wandte sich ab, und am liebsten hätte er seiner Verärgerung Luft verschafft, indem er irgendetwas völlig Unsinniges tat, etwa die holografische Nachbildung eines Enthonen mit arkonidischer Kampftechnik zu malträtieren. »Ich weiß, dass es verboten ist, aber wenn wir auf dieser Ebene der Diskussion hängen bleiben …«
»Beruhige dich«, unterbrach Chyndor. Er sog durch die Nasenscharten die Luft so heftig ein, dass sie sich stärker weiteten, als Kantiran es je zuvor gesehen hatte.
Kantiran zügelte seinen Zorn. Der Sohn von Perry Rhodan und Ascari da Vivo besann sich auf seine Herkunft. Ein Perry Rhodan hätte nicht die Nerven verloren, und eine Ascari da Vivo … Darüber wollte er erst gar nicht nachdenken. Seine Mutter hätte wohl irgendwelche Intrigen geschmiedet oder ihre Absichten mit Gewalt in die Tat umgesetzt, wie es einer Vertrauten von Imperator Bostich ähnlich sah. Doch Ascari lebte längst nicht mehr, und über die Umstände ihres Todes wollte Kantiran nicht nachdenken. Nicht jetzt. Dieses Kapitel seines Lebens gehörte der Vergangenheit an.
»Betrachten wir die Angelegenheit von einem nüchternen Standpunkt«, schlug Alaska Saedelaere, der dritte Friedensfahrer an Bord der FORSCHER, vor.
Er und Chyndor saßen sich in kantigen, genau den Körperkonturen angepassten Sesseln gegenüber, während Kantiran gegen die in sanften Beige- und Grüntönen gehaltene Wand lehnte.
Das Ambiente wirkte an keiner Stelle wie das Innere eines Raumschiffes. Nirgends war technisches Interieur zu sehen, was jedoch nichts daran änderte, dass sich die OREON-Kapsel mit maximalem Überlichtfaktor der Galaxie Altasinth näherte. Die Technik war durchaus vorhanden, aber verborgen. Hier in der Zentrale konnten Alaska und Kantiran jederzeit per Mentalsteuerung Zugriff auf die Systeme der FORSCHER nehmen.
Neben dem Ausgang standen auf einem Tisch aus goldfarbenem Metall Getränke und Knabbereien – keiner der drei Passagiere in der Zentrale der FORSCHER rührte sie an.
»Ein sehr guter Vorschlag, Alaska«, meinte der Heesorter und schloss das einzelne Stirnauge. »Wenn wir die Fakten ausbreiten, ergibt sich ein völlig klares Bild. Das Patronat …«
»Nein«, warf Kantiran ein, dieses Mal merklich sanfter, aber doch so bestimmt, dass Chyndor verstummte. Er ging durch den wenige Meter durchmessenden Raum und blieb direkt vor dem Sessel des Heesorters stehen. »Den Anfang unserer Überlegungen darf nicht das Patronat und damit die Haltung der Enthonen bilden.«
»Bei einer sachlichen Darstellung spielt es keine Rolle, was wir zuerst erwähnen.«
»Das tut es sehr wohl«, widersprach Saedelaere zu Kantirans Erleichterung. »Denn Fakten müssen interpretiert werden, und die Art, wie diese Fakten präsentiert werden, lenkt die Erwartungshaltung.«
Chyndor schwieg. Das Punktmuster auf den grünen Handrücken verfärbte sich rötlich; ein Zeichen innerer Erregung.
Kantiran zweifelte keinen Augenblick daran, dass dem Heesorter die genannte Grundregel der Argumentationstechnik bekannt war; schließlich hatten sie es mit keinem Narren, sondern mit einem der bekanntesten und dienstältesten Friedensfahrer zu tun.
»Lass Kantiran seine Darstellung der Fakten zuerst präsentieren«, bat Alaska.
Da Chyndor nicht widersprach, nutzte Rhodans Sohn die Gelegenheit. »Ausgangspunkt aller Überlegungen muss sein, dass in Hangay eine Negasphäre entsteht. Und dass die Friedensfahrer, genauer, dass alle Friedensfahrer in den Kampf gegen diese Negasphäre eintreten müssen.«
Chyndor hob die viergliedrige Hand und schnitt Kantiran symbolisch das Wort ab. »Obwohl Letztgenanntes nicht zu den Fakten gehört, sondern nur die Meinung der Aktionsgemeinschaft Negasphäre spiegelt. Mit solchen Einwänden müssen wir rechnen.«
Der »AGN« gehörte inzwischen ungefähr ein Drittel der zurzeit etwa 4500 Friedensfahrer an. Die Gründung war vor einigen Jahren von Kantiran selbst initiiert worden. Ihr Ziel war es, mit allen Mitteln gegen die Entstehung der Negasphäre vorzugehen, die inmitten der Universalen Schneise zu entstehen drohte. Bislang war diese Absicht eher theoretischer Natur gewesen; nun schien die Zeit gekommen zu sein, praktisch tätig zu werden. Und damit begannen die Probleme erst.
Hinter Saedelaeres Gesichtsmaske emittierte das Cappin-Fragment kleine Lichtblitze. Er blickte Chyndor an. »So weit sind wir uns einig. Die entscheidende Frage ist jedoch eine andere, und bislang bist du einer Antwort immer wieder ausgewichen.«
»Es ist nun einmal eine Tatsache, dass wir als Friedensfahrer an einen Kodex gebunden sind. Wir mischen uns nicht in die Belange der Hohen Mächte ein, und wenn wir gegen die Negasphäre vorgehen, wenden wir uns eindeutig gegen die Chaotarchen!« Chyndor erhob sich und näherte sich dem Ausgang mit weiten Schritten.
»Warte!«
Kantiran fragte sich, ob Saedelaeres Ruf eine Bitte oder ein Befehl war.
»Genau das ist der entscheidende Punkt. Die Aktionsgemeinschaft Negasphäre, deren Zielen du zustimmst, ist nichts als eine lächerliche und kraftlose Vereinigung, solange der Kodex gilt! Wir haben alle Friedensfahrer zu einer Vollversammlung aufgerufen, damit wir …«
»Das Patronat unter Patron Borgin Sondyselene hat jegliche Verwendung von OREON-Kapseln oder sonstigen Mitteln oder auch nur der Infrastruktur der Friedensfahrer für den Kampf gegen die Negasphäre untersagt!«
»Das ist seine Meinung, und die seines Volkes. Die Enthonen sind traumatisiert, weil ihr Volk vor zweieinhalb Jahrtausenden fast vollständig ausgelöscht wurde, als es gegen die Negasphäre des Herrn der Elemente ankämpfte.«
»Das mag sein – aber Sondyselene ist nun einmal der Patron. Er stellt die Regeln auf, und diesen Regeln hat sich jeder Friedensfahrer durch einen Eid unterworfen. Auch wir.«
Saedelaere stand ebenfalls auf und näherte sich Chyndor. Er ging neben ihm leicht in die Knie, bis er sich auf Augenhöhe mit dem Heesorter befand. »Du weichst immer wieder aus. Du weißt genau, worauf wir hinauswollen. Es muss zu einem Umsturz kommen. Borgin Sondyselene mag der Patron sein, aber er darf es nicht bleiben. Also benötigen wir einen Gegenkandidaten. Keiner eignet sich dafür besser als du. Du genießt den besten Ruf von allen Friedensfahrern, und das hat nichts mit deiner Gabe als Para-Charismat zu tun. Du wirst die Emotionen nicht auf psionischer Ebene beeinflussen müssen, um alle von dir zu überzeugen!«
»Ich würde niemals einen anderen Friedensfahrer mit Hilfe meiner Psi-Fähigkeit beeinflussen.« Chyndor drehte sich demonstrativ langsam um.
»Wirst du gegen Sondyselene in die Konfrontation gehen?«, fragte der Unsterbliche. »Öffentlich, mit allen Konsequenzen?«
Der Para-Charismat verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
*
»Er erklärt nicht einmal uns gegenüber sein Einverständnis«, stellte Kantiran bitter fest. »Er hängt den alten Zeiten an.«
Alaska ließ sich wieder in den Sessel fallen. »Vielleicht ist eine uralte, falsch verstandene Loyalität schuld.«
»Loyalität? Den Enthonen gegenüber?«
»Versuch ihn zu verstehen! Die Friedensfahrer entstanden vor mehr als zwei Jahrtausenden aus dem vergeblichen Kampf der Superintelligenz LICHT VON AHN gegen eine Negasphäre. Die überlebenden Enthonen gründeten daraufhin den Geheimbund, der zu allem Möglichen fähig ist – aber nicht zum Kampf gegen die innerste Urangst. Das Trauma der Enthonen lähmt die gesamte Organisation.«
»Das ist keine Rechtfertigung dafür, dass Chyndor die Konfrontation mit Patron Sondyselene derartig scheut. Er stimmt uns zu, dass wir in den Kampf gegen die Negasphäre eintreten müssen … aber er handelt nicht!«
»Weil er den Enthonen gegenüber loyal ist.«
»Das ist falsch.«
»Es spielt keine Rolle, ob diese Loyalität richtig ist oder nicht. Er hat betont, dass er, genau wie du und ich, bei seinem Eintritt den Kodex der Friedensfahrer akzeptiert hat.«
»Ich habe mein Anliegen schon bei der Vollversammlung im März 1339 vorgebracht, und Borgin Sondyselene selbst hat mich … er hat mich fertig gemacht, als hätte ich ihn persönlich angegriffen, hat mir klipp und klar gesagt, dass jeder Friedensfahrer das Credo missachten kann. Einzige Bedingung wäre aber, dass er vorher aus der Organisation ausscheidet. Ha!«
»Das ist keine Lösung«, stimmte Saedelaere zu. »Wenn wir keine Friedensfahrer mehr sind, wird uns der Revisor das psionische Siegel aufdrücken, das verhindert, dass wir jemals wieder eine OREON-Kapsel oder sonstige Einrichtungen der Friedensfahrer betreten können. De facto werden wir dann machtlos sein.«
»Sehr raffiniert gelöst. Jeder darf eine andere Meinung haben – aber dann hat er bitte schön zu gehen.«
Saedelaere schwieg einen Augenblick. »Auch wenn es mir nicht gefällt, muss ich Chyndor in einem Recht geben. Auch du und ich haben diesem Credo freiwillig zugestimmt.«
»Vergiss nicht, dass nicht nur wir der Auffassung sind, dass die Friedensfahrer gegen die Negasphäre vorgehen müssen. Wir sind in offiziellem Auftrag unterwegs.«
Der Nukleus, entstanden aus den ehemaligen terranischen Monochrom-Mutanten und derzeit als Wächter der Lokalen Gruppe und gewissermaßen »Statthalter« von ES tätig, hatte Saedelaere und Kantiran mit dieser Mission betraut. Das Geistwesen war nach Terra zurückgekehrt, um der Menschheit im Kampf gegen die Chaosmächte beizustehen – doch dazu benötigte es, wie es betont hatte, die Unterstützung aller Friedensfahrer. Ohne dass der Geheimbund geschlossen in die Auseinandersetzung eingriffe, gäbe es keine Aussicht auf Erfolg im Kampf gegen die Terminale Kolonne TRAITOR.
Saedelaere wies auf die Maske, die das leuchtende Cappin-Fragment verbarg. »Ich bin sogar unter den Friedensfahrern ein Sonderling. Würde ich mich zur Wahl als neuer Patron stellen, hätte ich nicht die geringste Chance. Du kommst ebenfalls nicht in Betracht, denn in den konservativen Kreisen haftet dir zu sehr das Etikett als Aufrührer an. Wir brauchen Chyndor.«
»Aber Chyndor schweigt. Und weißt du, was?« Kantirans Hände ballten sich. »Wenn er Sondyselene nicht die Stirn bieten will, dann werde ich es tun!«
»Du hast keine Chance.«
Wütend sprang Kantiran auf. »Es ist mir egal, ob die anderen mich davonjagen! Der Versuch muss unternommen werden, koste es, was es wolle.«
*
Was er brauchte, war Ablenkung, und an Bord der FORSCHER gab es nichts, was ihn besser ablenken konnte als eine Begegnung mit Cosmuel Kain.
Seit sie vor drei Tagen vom Fantamagula-System, wo sie Chyndor unter dramatischen Umständen an Bord genommen hatten, aufgebrochen waren, hatte Kantiran die Cyno für seinen Geschmack viel zu selten getroffen.
Er gestand es sich nicht gern ein, aber er ging ihr aus dem Weg. Nicht etwa, weil er sie abstoßend oder unsympathisch fand – ganz im Gegenteil. Ihre Gegenwart löste Gefühle in ihm aus, die er sich nicht eingestehen wollte.
Seit ihrer ersten Begegnung war noch keine Woche vergangen. Auf Terra, inmitten der urwüchsigen Landschaft der Isla Bartolomé, hatte sie plötzlich vor ihm gestanden und war mit ihrem Wunsch, Friedensfahrerin zu werden, unverblümt an ihn herangetreten.
Kantiran dachte oft an dieses erste Aufeinandertreffen zurück. Etwas an ihr hatte ihn sofort in seinen Bann gezogen. Seitdem erinnerte er sich öfter als zuvor an seine erste und bislang einzige wahre Liebe Thereme. Erstaunt hatte er festgestellt, dass wegen Theremes Tod immer noch Bitterkeit in ihm fraß; aber sie verringerte sich von Tag zu Tag – seit er Cosmuel kannte.
Zum einen fühlte sich Kantiran dadurch frei, als werde eine Last von seiner Seele genommen, der er sich all die Jahre über selbst nicht bewusst gewesen war; zum anderen verursachte gerade diese Befreiung, dass er Cosmuels Gegenwart mied. Ein widersinniges Verhalten, aber Gefühle folgten nun einmal nicht notgedrungen logischen Gesichtspunkten.
Er blieb vor Cosmuels Kabine stehen und bat um Einlass.
Es dauerte keine fünf Sekunden, bis sie öffnete.
Sie rieb sich die leuchtend hellgrünen Augen. Die weißblonden Haare hingen ungeordnet, ihr ausgebleichtes T-Shirt war zerknittert. »Ich war gerade aufgewacht, ehe du gekommen bist.«
»Entschuldige.« Etwas Geistreicheres fiel ihm nicht ein.
Sie gab die Tür frei, zupfte ihre braune Stoffhose zurecht und bat ihren Besucher einzutreten. »Was führt dich zu mir?«
»Wenn man von den Robots und MIRKET absieht, gibt es nicht allzu viele Gesprächspartner an Bord«, meinte Kantiran unverbindlich.
»Und da du keine Lust hast, mit Alaska oder Chyndor zu reden …« Den Rest des Satzes ließ sie unausgesprochen.
»Ganz so ist es nicht«, gestand er. »Wir hatten mal wieder eine Diskussion mit Chyndor.«
»Und er ist wie jedes Mal ausgewichen?«
Kantiran nickte. »Ich verstehe ihn nicht. Er hütet ein Geheimnis.«
»Er hält also nicht das, was ihr euch von ihm versprochen habt?«
Kantiran gab ein Brummen von sich, das sie als Zustimmung interpretieren konnte oder auch nicht. Es gefiel ihm nicht, dass sie ihm auf diese Weise vor Augen stellte, dass Chyndor ein freies Wesen war und nicht Mittel zum Zweck für die Absichten Kantirans.
»Also bereust du schon, dass wir ihn auf Dina Baca befreit haben?«
»Natürlich nicht. Er hatte unsere Hilfe verdient, egal, wie er jetzt handelt.«
Sie wirkte nachdenklich. »Dina Baca war für mich eine besondere Erfahrung. Ich bin zum ersten Mal in wirkliche Gefahr geraten.«