Die Österreichische Schule der Ökonomie ist so aktuell wie noch nie. Das vorliegende Werk sieht und beschreibt die Blasenökonomie unserer Tage, analysiert die heutige ihr zugrunde liegende Geldpolitik der Notenbanken und weist auf mögliche Anlagephilosophien hin.
Es geht hier auch um geschichtliche Rückbesinnung. Die Zukunft ist offen, eindeutige Prognosen können nicht geliefert werden. Die Sichtweise der österreichischen Schule hilft uns aber, langfristige Muster zu erkennen und Optionen aufzuzeigen, die heute oft nicht unmittelbar ersichtlich sind.
Ich wünsche allen Lesern, vor allem denen, die sich mit der Aufgabe nachhaltiger, wertorientierter Anlagen auseinanderzusetzen haben, eine spannende Entdeckungsreise. Den Autoren und ihrem Werk wünsche ich den verdienten Erfolg und den weitesten Leserkreis eines Bestsellers.
S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein,
Chairman LGT Group
Kaum jemals war die Verwirrung und Unsicherheit über Investitionen so groß wie heute. Einerseits leben wir in einer Zeit, in der Vermögen in unglaubliche Höhen wachsen können. Andererseits geht das Gerücht einer Krise um – als düstere Ahnung, dass Kurse jederzeit einbrechen und von heute auf morgen die Ersparnisse eines ganzen Lebens dezimiert werden können. Obwohl offizielle Zahlen nur geringe Teuerung anzeigen, teilweise sogar das Gegenteil, vermeinen viele Menschen eine laufende Entwertung ihrer Währung zu spüren. Die meisten ahnen, dass sie sich mehr Gedanken um den Werterhalt ihrer Ersparnisse machen sollten, werden jedoch mit widersprüchlichen Antworten konfrontiert. Das Vertrauen in die »Experten« ist im Sinken begriffen, ob Ökonomen, Bankiers oder Politiker. Wenn jemand Anlageempfehlungen gibt, dann um etwas daran zu verdienen – so wie überhaupt alle am kleinen Anleger zu verdienen scheinen.
Für den Anleger ist es schwer, etwas richtig zu machen, aber unglaublich leicht, etwas falsch zu machen. Die aktuelle Wirtschaftslage erscheint wie ein Spiel mit gezinkten Karten, bei dem die Gewinnchancen systematisch zu ungunsten der vielen kleinen Mitspieler liegen. Der Eindruck einer großen Abzocke drängt sich auf. Doch wütendes Politisieren bringt den Anleger auch nicht voran.
Dieses Buch enthält keine neue Investment-Mode, ist kein Werbeprospekt für ein Anlageprodukt und kein ideologisches Programm, sondern will zu Unrecht vergessenes Wissen für aktuelle Fragen, die jeden typischen Anleger bewegen, nutzbar machen. Es beruht auf dem Forschungsprogramm einer ökonomischen Schule, die erst in den letzten Jahren in der breiteren Öffentlichkeit langsam wiederentdeckt wurde – denn sie hatte sich erneut als prophetisch erwiesen. Diese Tradition wird in der Ideengeschichte »Österreichische« oder »Wiener Schule« der Ökonomik genannt. Eine Auseinandersetzung mit den alten Österreichern wirkt wie eine Impfung gegen allerlei Illusionen. Sie macht verständlich, warum die herkömmliche Perspektive auf Wirtschaft, Sparen und Anlage an Fahrlässigkeit grenzt. Die Österreichische Schule bietet durchaus eine Therapie – aber nicht als fertiges Wundermittel, sondern als nachhaltiges Programm der Enttäuschung und der Aktivierung des eigenen Verstandes.
Warum aber sollte sich ein Anleger heute mit einer alten, womöglich veralteten Wirtschaftstheorie auseinandersetzen? Ist das nicht Zeitverschwendung oder gar Irreführung? Findet sich hier eine versteckte Kristallkugel oder ein Geheimrezept für höhere Renditen? Sowohl für Ersteres als auch für Letzteres gibt es in der Tat Hinweise. Diese Hinweise sind verblüffend und paradox. Die Wiener Schule schließt nämlich so kategorisch wie sonst keine Tradition theoretische Prognosen aufgrund von Daten über die Vergangenheit aus. Die Modelle der modernen Ökonomik gelten den meisten Vertretern der Wiener Schule als Quacksalberei, sofern sie nicht bloß zur Illustration und als Denkhilfe dienen, sondern um sich eine Expertise über zukünftige Entwicklungen anzumaßen. Zudem sind die wenigsten Theoretiker gute Investoren, das gilt auch, und zwar manchmal sogar in verstärktem Maße (wenngleich aus gutem Grund), für Vertreter der Wiener Schule. Dennoch, und das ist vielleicht das Überraschende, finden sich unter den österreichischen Ökonomen die größten Propheten ihrer Zeit, deren Voraussicht oft gespenstisch war.
Auch in der Praxis hat die österreichische Theorie einige Spuren hinterlassen. Die Namen der beiden berühmtesten Investoren zeugen von dieser Wirkung: Warren Buffetts Vater war stark durch die Österreichische Schule beeinflusst und hat wichtige Einsichten an seinen Sohn weitergegeben. George Soros’ langjähriger Partner und wichtigster Analyst Jim Rogers ist ein Vertreter der Österreichischen Schule. Benjamin Graham, Buffetts Lehrer und Mentor, wiederum entwickelte einen Ansatz, der erstaunliche Parallelen zur Österreichischen Schule zeigt, obwohl Graham diese nicht kannte. Schließlich entstand die Wiener Schule dadurch, dass ihr Begründer Carl Menger als damaliger Wirtschaftsjournalist das Geschehen auf der Börse genau beobachtete und dabei feststellte, dass die klassische Ökonomik die Realität nicht erklären konnte. Höhere Renditen kann es – zumindest langfristig – nie ohne höheres Risiko geben. Der einzig langfristige Weg zu höheren Renditen besteht in nachhaltigem Kapitalaufbau durch Unternehmertum. Insbesondere hier, in der Kapital- und Unternehmertheorie, liegen die großen Stärken des Wiener Ansatzes. Doch kann dieser Ansatz nicht nutzbar gemacht werden, ohne zuerst den beschwerlichen Weg der Enttäuschung zu gehen. Die Wiener Schule ist nämlich völlig unbrauchbar für »Systemtrottel« – so nennen wir jene, die der Mehrheitsmeinung und den Sachzwängen der Gegenwart hinterhertrotten. Das ist auch der Grund, warum sie heute so wenig bekannt ist. Ihre Einsichten sind in jeder Hinsicht unbequem.
Die Praxis des »Austrian Investing« erfordert zunächst Theorie: theoría nannten die alten Griechen die höchste Form der Praxis, nämlich die kritische Reflexion. Es ist kein Zufall, dass »Krise« und »Kritik« dieselbe Wortwurzel haben. Darum wirken sich Zeiten der Krise in aller Regel auch positiv auf das Reflexionsvermögen aus. Die Wiener Schule ist inmitten der schwersten Krisen des letzten und vorletzten Jahrhunderts entstanden und gereift. Die österreichischen Ökonomen waren die weltweit führenden Krisenexperten: Sie beobachteten aus nächster Nähe Börsenblasen, Rezession und schwerste Depression, Hyperinflation, wirtschaftlichen und politischen Niedergang, dramatische geopolitische Verschiebungen und die Weltkriege. Zeiten eines gestörten Geldwesens waren in der Vergangenheit, so beobachtete Friedrich A. von Hayek, immer Zeiten großer Fortschritte in der Geldtheorie.1 Insbesondere in Krisenzeiten zeigt sich auch der bleibende Wert der Wiener Schule. In einem Boom ist es keine Kunst, Geld zu vermehren – es vermehrt sich geradezu von selbst. Die guten Investoren scheiden sich von den schlechten in Krisenzeiten. Das zuletzt bekannteste Beispiel eines in der Krise erfolgreichen Investors ist wohl Nassim Taleb, der deutlich von der Österreichischen Schule beeinflusst ist. Sein langjähriger Partner und noch wesentlich erfolgreicherer Investor, Mark Spitznagel, schrieb gar ein Buch zum »Austrian Investing«,2 das – obwohl von einem Praktiker verfasst – deutlich theoretischer und philosophischer ist als dieses Buch. Daran zeigt sich sehr schön das Paradoxe des österreichischen Ansatzes.
Die nötige Reflexion erfordert eine radikale Abkehr von der herkömmlichen Anlegerperspektive. Wer in der Hoffnung zu diesem Buch gegriffen hat, einem neuen Trend folgen zu können, eine neue Investment-Mode aufzuschnappen und mit ein paar Tricks und Tipps schnell mehr Geld zu machen, wird enttäuscht werden. Wenngleich der typische Spekulant durch die Lektüre nicht ganz leer ausgehen wird. Aber dieses Buch wird mit voller Absicht heftig an dominanten Täuschungen rütteln, und das könnte ebenso heftige Schmerzen verursachen. Entstanden ist es am Institut für Wertewirtschaft in Wien (wertewirtschaft.org), wo die Autoren aufeinandertrafen. Rahim Taghizadegan ist einer der letzten Vertreter der Wiener Schule der Ökonomik in Wien und ein interdisziplinärer Theoretiker; Ronald P. Stöferle und Mark J. Valek sind zwei Praktiker, die zuletzt einen Fonds in Liechtenstein gegründet haben, dessen Ausrichtung auf den Einsichten der Wiener Schule beruht. Aus dieser Kombination von Theorie und Praxis ergaben sich am Institut viele fruchtbare Debatten, gemeinsame Lehrveranstaltungen und schließlich dieses Buch. Mitgeholfen haben dabei einige der wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut, vor allem Raphael Schaad, Johannes Leitner und Andreas M. Kramer. Beim Thema Value Investing half uns Michael Schmidt, bei der Behandlung der Anlageklasse Katastrophenanleihen unterstützte uns Harald Steinbichler. Ihnen allen herzlichen Dank.
Dieses Buch ist der erste deutschsprachige und der – auch international – bislang umfassendste Versuch, die Welt der heutigen Vermögensanlage kritisch aus der Perspektive der Österreichischen oder Wiener Schule der Ökonomik zu betrachten und daraus Schlüsse für Anleger abzuleiten. Dazu springen wir mehrmals bewusst zwischen Theorie und aktueller Praxis – wodurch dem Leser im Laufe des Buches die Schwierigkeit der Verbindung dieser Welten deutlich werden wird: der Verbindung zwischen der Muße zu kritischer Reflexion und den drängenden Erfordernissen des Investierens auf verzerrten Märkten unter volatilen Rahmenbedingungen.
Rahim Taghizadegan
Ronald Stöferle
Mark Valek