»Wenn jemand so fantasielos ist, eine Lüge mit Beweismaterial zu stützen, kann er ebenso gut gleich die Wahrheit sagen.«

Oscar Wilde (1854–1900), Der Verfall der Lüge

»Aus schlaffem Bogen fliegt kein Pfeil.«

Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.)

»Alles auf Erden lässt sich finden, wenn man nur zu suchen sich nicht verdrießen lässt.«

Philemon von Syrakus,
griechischer Dichter (um 360–um 264 v. Chr.)

»Nicht die Psychoanalyse ist neu, sondern Freud. So wie nicht Amerika neu war, sondern Columbus. Psychoanalyse gab es immer; jeder Arzt, jeder Dichter, jeder Staatsmann, jeder Menschenkenner mußte es sein, war es unbewußt oder automatisch.«

Arthur Schnitzler (1862–1931), Über Psychoanalyse

»Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen.
Er fährt, um recht zu haben.«

Kurt Tucholsky, Schriftsteller (1890–1935)

»Wenn man den toten Hund nicht aus dem Brunnen holt, wird man den Brunnen nie sauber bekommen.«

Pakistanisches Sprichwort

Die Einkommensteuer hat mehr Menschen
zu Lügnern gemacht als der Teufel.«

(Will Rogers, US-Humorist, 1879–1935)

»Die Virenproblematik ist nur ein temporäres Phänomen und wird in ein paar Jahren verschwunden sein.«

John McAfee, Gründer des Antivirensoftware-Herstellers McAfee, im Jahre 1988

»Anatomie (…) lernt aus dem Todten, was das Lebendige war. Sie zerstört mit den Händen einen vollendeten Bau, um ihn im Geiste wieder aufzuführen und den Menschen gleichsam nachzuschaffen. Eine herrlichere Aufgabe kann sich der menschliche Geist nicht vorstellen.«

Joseph Hyrtl, Wiener Anatom (1811–1894)

»Das Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas.«

Christian Morgenstern, Schriftsteller (1871–1914)

Fälschungen erkennen wie ein Zollfahnder

Wie Sie gefährliche Plagiate erkennen – Wie Sie verdächtige Mitreisende erkennen – Wie Sie nach Geheimverstecken fahnden

Ohne eine besondere Liebe fürs Detail könnte Ulrich Schulze seinen Beruf nicht ausüben. Er achtet auf vermeintliche Kleinigkeiten, die andere gar nicht wahrnehmen: die Naht der Röhrenjeans etwa, die Gummierung der Turnschuhsohle, die Zahnrädchendrehzahl einer edlen Uhr oder die Blisterung einer Packung Kopfschmerztabletten. Doch nicht allein mit Mode und Medizin kennt sich Schulze aus, auch im Baumarkt entgeht seinem Expertenblick nur wenig: Schulze weiß, welcher Dübel aus dem Schwarzwald stammt und welcher aus China, welcher Bolzen ein Gerüst zusammenhält und welcher brechen wird. Und er weiß auch, wie man Leute erkennt, die einem billige Kopien statt geprüfter Originale unterjubeln wollen. Ulrich Schulze hat Jahrzehnte als Zollfahnder die Grenzen Deutschlands und der Europäischen Union gesichert, hat Produktpiraten gejagt, Schmuggler überführt und Geldwäscher entlarvt. Für seine Verdienste wurde Schulze als »Weltzöllner« von der World Customs Organization ausgezeichnet. Heute arbeitet der Zollamtmann a. D. bei der Frankfurter KDM Group, einer Firma, die Unternehmen zu Produktpiraterie und Patentsicherheit berät.

Wie Sie gefährliche Plagiate erkennen

Falls Sie dieses Buch nicht als E-Book, sondern in gedruckter Form lesen, möchte ich Sie um folgenden Test bitten: Schauen Sie auf die einzelnen Buchstaben. Ist der Druck gleichmäßig oder hin und wieder ausgebleicht? Streichen Sie mit den Fingern über das Papier. Fühlt es sich dünn und porös an oder robust und widerstandsfähig? Schnuppern Sie nun am Falz. Riecht es dort angenehm holzig oder nach giftigem Lösungsmittel? Drehen Sie abschließend das Buch und schütteln Sie es kräftig. Fallen einzelne Seiten aus dem Druckerzeugnis oder hält alles kompakt zusammen?

Wenn die allgemeine Erscheinung sowie die Qualität von Druck, Geruch und Verarbeitung dieses Buchs Sie überzeugen, dann halten Sie höchstwahrscheinlich keine (oder zumindest keine billige) Raubkopie, sondern ein Original in den Händen. Das freut die Autoren und den Verlag, und auch Sie selbst können zufrieden sein: Statt Markenfälscher und Produktpiraten unterstützen Sie ehrliche Wertarbeit. Sie erhalten damit Arbeitsplätze, stärken die Volkswirtschaft und schützen geistiges Eigentum.

Ideenklau und das Verletzen von Marken- und Urheberrechten ärgerten bereits die antiken Dichter. Daher geht der Begriff des Plagiats auf den Römer Martial (40–103 n. Chr.) zurück. Nachdem ein römischer Schreiber die besten Passagen eines seiner Epigramme geklaut hatte, beschimpfte Martial diesen als »plagiarius« – »Menschenräuber« auf Latein.

Heute geht der Zoll gegen materielle Plagiate vor und versucht, Raubkopien und Fälschungen aus dem Warenverkehr zu ziehen.

Mit den Erzeugnissen von Produktpiraten ist mittlerweile mehr Geld zu machen als mit Drogengeschäften. Produktpiraterie ist Teil des organisierten Verbrechens. Deutschen Firmen entstehen dadurch jährliche Umsatzverluste von rund 50 Milliarden Euro.

Man kann also schon aus patriotischen Gründen auf Fake-Artikel verzichten. Aber vor allem auch aus egoistischen. Denn was billig ist, kann nicht gut sein.

Auch wenn in den Augen der Geizkrägen die Schatzkiste der Produktpiraten verführerisch funkelt, ihr Inhalt ist meist defekt, unbrauchbar, unrentabel und manchmal sogar gefährlich. Ein raubkopiertes Buch ist harmlos, nicht aber die folgenden Imitate.

Die hier aufgelisteten Waren sollten Sie unbedingt an der Einreise in Ihre Lebenswelt hindern.

Auto & Eigenheim

Das Kfz

Weit mehr als 10 000 Einzelteile sind in einem Auto verbaut. Wartung und Unterhalt von Kraftfahrzeugen sind teuer. Davon profitiert der Markt der Fälscher. Für die sind fast alle Kfz-Teile interessant: von der Schraube bis zur Zündkerze, von der Felge bis zum Bremsbelag. Um Imitate zu entlarven, muss man auf Teilegutachten und die Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) der Produkte achten und zudem Hologramme und 2D-Barcodes überprüfen – so kann man zumindest die billigsten Fälschungen entlarven.

Gefahr: hoch. Kopierte Bauteile bieten dem Fahrer Herzklopfen und Nervenkitzel statt Sicherheit. Unbedingt zu vermeiden sind diese:

Immerhin: Auch bei Plagiaten kann sich die Investition in Qualität lohnen. In der Türkei gefertigte falsche Mercedes-Sterne waren so hochwertig, dass Daimler auf eine Klage gegen die Plagiatoren verzichtete – und die Fake-Fabrik zum Zulieferbetrieb machte.

Ist ein nicht genehmigtes Teil verbaut, erlischt übrigens die Allgemeine Betriebserlaubnis des Fahrzeugs – bei der nächsten Hauptuntersuchung erhält der Pkw keine Plakette mehr.

Die Gartenfackel

Wer gern stimmungsvolle Sommerabende im Feuerschein von Gartenfackeln verbringt, kann sich leicht in mehrfacher Hinsicht die Finger verbrennen: Zeitweise wurden radioaktiv belastete Feuerleuchten aus Indien nach Deutschland geliefert. Strahlenschutzexperten entdeckten sie schließlich bei Gastronomen auf der Insel Sylt. Nach 10 bis 15 Stunden Betriebsdauer war die Grenze der tolerierbaren Jahresbelastung für Menschen erreicht. Durch den deutschen TÜV wären die Billigprodukte nicht gekommen.

Gefahr: Da die Fackeln meist im Garten und somit in größerem Abstand genutzt wurden, war die Gefahr für den Menschen nicht akut. Doch wer dauerhaft die nuklearen Brennstäbe vom Subkontinent verheizt, braucht Tschernobyl-Pilze nicht mehr zu fürchten.

Das Quietsche-Entchen

Wer mit Badespielzeug in die Wanne steigt, sollte vorsichtshalber erst einmal daran riechen. Duftet es nach Teer oder Mottenkugeln, könnten sich gefährliche Weichmacher darin befinden. Viele dieser meist giftigen Stoffe sind in der EU verboten. Nicht immer kann der Zoll diese Produkte aus dem Verkehr ziehen.

Gefahr: Im schlimmsten Fall planscht der verbotene Weichmacher Diethylhexylphthalat mit. Der Name bricht Zungen, und der Stoff kann die männliche Fortpflanzungsfähigkeit gefährden, wie das Bundesamt für Risikobewertung erklärt. Auch verbotene krebserregende Stoffe werden häufig in buntem Wasserspielzeug gefunden, vom schwimmenden Quietsche-Entchen für Kinder bis hin zu aufblasbaren Booten, Luftmatratzen, Wasserbällen oder Schwimmreifen.

Der Dübel

Ein Unternehmen aus dem Schwarzwald stellt mit großem Erfolg einen hochwertigen Dübel her. Das Bauteil ist wegen seiner Qualität sehr populär und wird in aller Welt verwendet. So viel Erfolg weckt schnell Begehrlichkeiten – vor allem bei Fälscherbanden in Südostasien. Auf Messen preisen sie Plagiate an, die äußerlich perfekt sind und über originalgetreue Details verfügen. Kollegen vom Zoll konnten vor einigen Jahren verhindern, dass die Fälscher ihre Ware auf einer Messe an einen Großabnehmer verkauften. Sonst hätte heute Ihr örtlicher Baumarkt die Plagiate womöglich im Sortiment. Immer wieder gelingt es jedoch, minderwertige Artikel ohne Prüfsiegel im Handel zu platzieren. Wieder einmal ist der Preis der beste Plagiats-Detektor: Originalware ist nicht billig. Und der Ein-Euro-Laden keine Bastion der Wertarbeit.

Gefahr: Nicht nur der ambitionierte Heimwerker fürchtet gefälschte Schrauben wie der Klempner den Rohrbruch. Auch renommierte Bauherren fallen immer wieder auf Imitate herein, und die gefälschten Dübel oder Schrauben sind tückisch. Sie sind schnell verbaut, und was erst einmal aus den Augen ist, wird nicht mehr kontrolliert. Belegt ist eine ganze Reihe von Unfällen in aller Welt, deren Ursache Imitatschrauben waren. Zu den folgenschwersten zählt Norwegens bis dato größte Luftfahrtkatastrophe: 1989 stürzte eine Maschine der Partnair auf dem Weg von Oslo nach Hamburg ab, 55 Menschen starben. Im Heck der Convair CV-240-Maschine waren drei gefälschte Bolzen verbaut. 36 Jahre hatten sie gehalten. Bis zu jenem Tag im September.

Lifestyle & Genuss

Die Rolex-Uhr

Kaum ein Straßenbasar zwischen Bagdad und Bangkok, der nicht eine gefälschte Rolex Cosmograph Daytona im Angebot hat. Die Fake-Rolex ist der Porsche 911 unter den Markenimitaten: klassisch, zeitlos, unnütz und unwiderstehlich für Hochstapler und Angeber. Kratzer deuten auf gefälschte Ware hin, denn Originale verfügen über ein robustes Saphirglas. Ist das Stück sehr leicht, handelt es sich nicht um ein mechanisches, sondern um ein günstiges Quarz-Uhrwerk. Bei Imitaten gleitet der Sekundenzeiger nicht über die Fläche, sondern springt. Ein Tipp aus der Praxis: Wenn Sie im Urlaub Mitreisende treffen, die sich eine dicke Rolex zugelegt haben, fragen Sie die Zeitgenossen, ob sie nicht mit dem schönen neuen Stück in den Pool springen wollen. Käufer von echter Ware hätten damit kein Problem, Träger von Fake-Uhren hingegen schon. Original-Rolex-Uhren sind immer wasserdicht. Fälschungen fast nie.

Gefahr: für den Körper gering, für die Seele gewaltig. Die unzuverlässigen Chronographen führen zu Unpünktlichkeit, stören ein effektives Zeitmanagement und schaden der Karriere. Der Traum, sich eines Tages eine Original-Rolex leisten zu können, rückt so in weite Ferne.

Das Handy

Oft sind die Fälschungen so gut gemacht, dass man sie kaum vom Original unterscheiden kann. Darum sollten Sie Mobiltelefone, Akkus oder Batterieteile nur bei seriösen Händlern und nicht über das Internet kaufen. Wer nach einem Auslandsurlaub mit gefälschten Markenartikeln einreist und kontrolliert wird, hat nichts zu befürchten, solange er die Reisefreigrenze für den zollpflichtigen Privatgebrauch nicht überschreitet. Die Freigrenze hängt vom Einkaufspreis im Urlaubsland ab. Wer den Verdacht erweckt, er wolle mit den Fälschungen Handel treiben, hat jedoch ein Problem. Bei einem Mann aus der Türkei war das der Fall: Wir griffen ihn am Flughafen Düsseldorf mit gleich 54 gefälschten Handys auf. Bei dieser Menge lag der Verdacht auf illegalen Handel mit Plagiaten natürlich nahe. Die Handys wurden sichergestellt und vernichtet. Danach wurde ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Markengesetz und versuchter Steuerhinterziehung eingeleitet.

Gefahr: Schlagzeilen machte der Tod eines chinesischen Schweißers. In dessen Brusttasche explodierte ein gefälschtes Handy. Durch die Wucht der Detonation brach eine Rippe und bohrte sich ins Herz. Der Mann war sofort tot. Seitdem ist der Verkauf von Handy-Akku-Plagiaten im Reich der Mitte verboten. Zumindest offiziell.

Die Jeans

Anfang der 90er-Jahre verlagerten westliche Hersteller von Bekleidungs- und Elektronikartikeln ihre Produktion in die Billiglohnländer Asiens. Es ist kein Zufall, dass seither gerade in dieser Weltregion die Industrie der Markenfälscher blüht. Neu entwickelte Modelle verschwinden aus den Fabriken der Originalhersteller und werden in illegalen Produktionsstätten kopiert. Indem Hersteller ihre Produktion auslagern, sparen sie zwar Kosten, gleichzeitig begünstigen sie damit aber das Geschäft der ortsansässigen Produktpiraten und den daraus entstehenden Image- und Wirtschaftsschaden. Die Imitate sind so ausgefeilt, dass sie kaum noch vom Original zu unterscheiden sind. Allerdings: Wer auch im Urlaub nur bei offiziellen Markenhändlern einkauft, kann die Artikel zurückgeben, sollten sie sich als beschädigt, minderwertig oder gar als Imitat entpuppen. Die Händler der orientalischen Straßenbasare sind hinsichtlich der Gewährleistung wenig kulant.

Gefahr: Das Herstellen von Jeans ist aufgrund der verwendeten Chemikalien an sich schon eine schmutzige Angelegenheit. Nun sind illegale asiatische Hinterhoffabriken nicht gerade für ihren strengen Arbeitsschutz bekannt. Und auch die Chemiesuppen, in denen die Textilien gebadet und gebleicht werden, sähe man lieber in einem Fass in einer Endlagerstätte. Gesund kann es also nicht sein, wenn diese Stoffe stattdessen an Bauch, Beinen und Po scheuern.

Die Zigaretten

Die Zigarettenindustrie lässt Wissenschaftler gern im Müll anderer Leute wühlen. Bei der sogenannten Entsorgungsstudie werden aus Abfall- und Recyclinganlagen weggeworfene Zigarettenschachteln gefischt und geprüft, um welche Marke es sich handelt und ob sie eine Steuerbanderole aufweisen. Das Ergebnis: 2013 war jede fünfte gerauchte Zigarette nicht in Deutschland versteuert worden. Immer wieder finden die Forscher in Mülleimern eine gelbe Packung mit einem Ziegenbock als Logo, der an das Design der Marke Camel erinnert. Eine der populärsten Zigarettenmarken in Deutschland, so schließt die Studie, ist demnach die Marke Jin Ling.

Eine Schachtel mit 20 Zigaretten kostet weniger als zwei Euro. Allerdings nur auf dem Schwarzmarkt. Jin-Ling-Zigaretten werden in der russischen Enklave Kaliningrad in großen Mengen von der Firma Baltische Tabakfabrik hergestellt und von dort aus in den EU-Markt geschmuggelt. Rund fünf Milliarden der Billigkippen fluten jährlich den europäischen Wirtschaftsraum, und hier vor allem den deutschen. Die hohe Tabaksteuer lässt den Schwarzmarkt blühen. Die Ware wird auf der A2 (im Polizeijargon »Warschauer Straße« genannt) aus dem Ostblock über Berlin Richtung Ruhrgebiet geschmuggelt und landet irgendwann in der Plastiktüte eines Händlers, der Ihnen auf dem Parkplatz eines Discounters die gelben Kippen unter die Nase hält.

Gefahr: Was passiert, wenn Sie zugreifen und sich eine Jin Ling anzünden? Geschmacklich werden Sie vielleicht keinen Unterschied zur Marlboro aus dem Automaten erkennen. Während also das Nikotin in Ihren Blutkreislauf fließt und seine beruhigende Wirkung entfaltet, denken Sie doch mal über Folgendes nach:

Sie haben dem Typen vom Supermarkt-Parkplatz für zwei Euro illegale und unverzollte Ware abgekauft. Dadurch entgehen dem Staat Steuereinnahmen – insgesamt bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr –, die sonst dem Gemeinwohl zugutekommen.

Sie sagen: Ist mir egal, schließlich zahle ich schon genug Steuern?

So kann man es sehen.

Allerdings machen Sie durch Ihren Kauf die Baltische Tabakfabrik und damit die internationale Zigaretten-Mafia reicher. Die kann dank Ihrer zwei Euro investieren und expandieren. Sie kann korrupte Ostblock-Zöllner kaufen und so die Staatsgewalt zu Mittätern machen. Korruption ist Gift für jede Volkswirtschaft.

Einen noch größeren Teil Ihrer zwei Euro investiert die Mafia in die Sicherung ihrer Macht. Sie heuert Auftragskiller an, um Geschäftspartner zu bedrohen, zu erpressen oder sofort zu liquidieren. Wie etwa der Vietnamese Duy Bao Le, Spitzname »der Barmherzige« – wobei »der Erbarmungslose« besser gepasst hätte. 2002 wurde der Chef der Berliner Zigaretten-Mafia zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte acht Morde in Auftrag gegeben. Insgesamt 19 Menschen wurden im Krieg der Zigaretten-Banden in der deutschen Hauptstadt per Kopfschuss getötet. Bezahlt wurden die Kugeln mit den auf dem Schwarzmarkt abgeschöpften Gewinnen.

Die Marke Jin Ling ist mittlerweile so verbreitet, dass sogar die Schmuggelware selbst wiederum gefälscht wird. 2007 wurde bei Köln eine illegale Werkstatt ausgehoben, wo unter haarsträubenden Produktionsbedingungen Rattenkot, Milben, Pestizide und anderer Schmutz in den Tabak der Billigkippen gekehrt wurden. Die Imitat-Jin-Ling waren zumindest äußerlich von den russischen Schmuggelkippen nicht zu unterscheiden.

Der Schlangenschnaps

Als Zollfahnder wird man unfreiwillig zum Ramschgutachter: Bettvorleger aus Tigerfell, Sitzhocker aus Elefantenbeinen oder Aschenbecher aus Löwenpfoten, dazu allerhand Eingelegtes oder Ausgestopftes fallen dem Grenzer in die Hände. Viele dieser Geschmacksverirrungen verstoßen gegen das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, in dem geregelt ist, welche Tierarten geschützt sind und nicht eingeführt werden dürfen. Zu den verbotenen, aber gern geschmuggelten Souvenirs gehört der Schlangenschnaps. In Vietnam legen Bauern Kobras, Vipern und Skorpione in hochprozentigen Reiswein ein. Durch das Ethanol wird das Gift der Tiere neutralisiert. Das daraus entstehende Elixier soll Haarausfall, Rückenbeschwerden, Potenzprobleme und andere Alltagsgebrechen kurieren. Man könnte sagen: ein Klosterfrau Melissengeist aus Fernost.

Gefahr: Sie geht weniger vom Alkohol als von den darin eingelegten Tieren aus. In der chinesischen Metropole Harbin wollte eine Frau ihre Rheumaschmerzen mit einem Schluck Schlangenschnaps besänftigen. Als sie den Verschluss der Flasche aufdrehte, schnellte die tot geglaubte Viper heraus und biss sie in die Hand, wie die China Times im September 2013 berichtete. Bei anderen dokumentierten Beißattacken soll es sogar zu Todesfällen gekommen sein. Einige Schlangen können ihren Stoffwechsel offenbar geschickt herunterfahren. Sie versetzen sich in den Tiefschlaf und überleben so rund drei Monate lang ohne Sauerstoff in einer mit Schnaps gefüllten Flasche.

Liebe & Sex

Das Parfum

Populäre Parfum-Marken sind teuer. Darum werden im Internet Imitate für einen Bruchteil des Originalpreises angeboten. Parfum-Hersteller können ihre Kreationen nicht schützen lassen, da weder Düfte noch die ihnen zugrunde liegende chemische Formel beim deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt werden können. Allerdings ergibt das Design von Flakon und Verpackung zusammen mit dem Duft eine geschützte Marke. Diese Elemente werden von Fälschern aufgegriffen und nachgeahmt. Typischerweise verflüchtigt sich der Imitat-Duft schneller als das Original, weil er billiger hergestellt wird. Auch die Widerstandskraft der Flakons ist gering. Viele zerbrechen schon bei leichter Erschütterung im Koffer.

Gefahr: Von den geprüften Duft-Imitaten geht wenig Gefahr aus. Eher von Fälschungen, die auf Straßenmärkten und Touris­tenbasaren angepriesen werden. Meist nutzen die Fälscher chemische Konservierungsmittel wie Lackverdünner oder Anti­frostschutzmittel. Und das will man sich doch lieber nicht ins Gesicht sprühen.

Der Vibrator

Auch auf Erotikmessen wie der »Venus« sind Fahnder beruflich unterwegs. Man findet dort etliche Plagiate von Sexspielzeugen. Im Jahr 2011 wurde der Vibrator »Patchy Paul« mit der Negativ­auszeichnung »Plagiarius« prämiert. Der Titel prangert plumpen Ideenklau, Diebstahl geistigen Eigentums und skrupellose Machenschaften an. Trotz seines harmlosen Namens verortete man »Patchy Paul« in diesem Milieu. Das populäre Sexspielzeug gilt als Klassiker im Sortiment einer Bremer Firma. Im chinesischen Guangdong kupferten Hersteller das Spielzeug ab und brachten es für einen Bruchteil des Originalpreises in den Handel – für jene, die es besonders billig mögen.

Gefahr: Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass alles, was für die Einfuhr in den Intimbereich bestimmt ist, strengste Kontrollen bestehen sollte. Ähnlich wie bei Wasserspielzeug aus Plastik erkennt man Giftstoffe oft an dem penetranten chemischen Geruch der Artikel. Und am Preis.

Die Viagra-Pille

Der Markt der illegalen Arzneimittel ist gigantisch. Die Gewinn­margen sind höher als im Drogen- oder Menschenhandel. Deshalb gibt es auch kaum ein populäres Medikament, das nicht gefälscht wird. Über Internetapotheken werden die Geschäfte mit Fake-Medikamenten abgewickelt. Die Warenpalette ist breit: Aspirin, Schmerzmittel, dubiose Sexpillen und Schlankmacher, Allergietabletten und Anabolika – für jeden ist etwas dabei. Die Mittel sind ohne Verschreibung zu bekommen und kosten nur einen Bruchteil des offiziellen Preises. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist jedes zweite im Internet vertriebene Medikament gefälscht. Der beste Schutz vor der Arznei der Scharlatane: Medikamente verschreiben lassen und in der Apotheke nebenan kaufen. So spart man zwar kein Geld, schützt aber seine Gesundheit – was einem doch deutlich wichtiger sein sollte.

Gefahr: Im besten Fall sind die Pillen Placebos und somit harmlos. Im schlimmsten Fall wurden sie in dubiosen Giftküchen zusammengepanscht und enthalten Kleber, Lacke und Farbstoffe, damit sie zum Beispiel wie die rautenförmigen blauen Viagra-Pillen aussehen. Nach dem Konsum von gefälschten Potenzmitteln erlitten in Singapur vor einigen Jahren etliche Menschen einen Hirnschlag, weil die Inhaltsstoffe der Fake-Pillen falsch dosiert waren. Auch der Deutsche Rene D., ein 45-jähriger Ingenieur, wurde Opfer der Imitate. Eines Nachts wurde er mit Schaum vor dem Mund in seiner Wohnung gefunden. Gefährliche Mengen von Glibenclamid, einem Diabetes-Medikament, waren den Tabletten beigemischt. Die Folge: Unterzuckerung, Hirnschlag, Koma.

Wie Sie verdächtige Mitreisende erkennen

Sie kommen aus dem Urlaub, holen Ihren Koffer vom Band und gehen zum Ausgang. Sie haben nichts zu deklarieren und verlassen den Flughafen. Doch im Augenwinkel erkennen Sie noch den Mitreisenden, der von den Beamten aufgehalten und gefragt wird: »Haben Sie etwas zu verzollen?«

Vielleicht fragen Sie sich nun, warum ausgerechnet der nette Herr, der im Flieger neben Ihnen saß, seinen Koffer öffnen muss. Und warum nicht Sie selbst?

Es gibt einige taktische Geheimnisse der Fahndung, die ich hier nicht verraten kann. Anderes Wissen darf ich offenbaren, denn es basiert allein auf logischem Denken und wachen Augen. Ich finde es erschreckend, wie viele Menschen mit Scheuklappen durch die Welt laufen. So kann man nichts entdecken.

Im Folgenden skizziere ich drei klassische Schmuggler-Typen – und wodurch sie sich verdächtig machen. Es sind Charaktere, die Ihnen begegnen, wenn Sie auf Reisen sind: Sie warten mit Ihnen auf den Flug. Oder tanken wie Sie vor der Grenze noch mal voll. Sie trinken mit Ihnen in der Autobahn-Raststätte einen Kaffee. Oder sitzen in Ihrem Zugabteil. Manche sind kriminell, weil sie Geld machen wollen. Andere sind es, weil sie kein Geld verlieren wollen. Und wieder andere werden Schmuggler, weil sie das Geld brauchen, um zu überleben.

Im Flugzeug: Pablo, der Bodypacker

Er ist Tagelöhner, und das Geld reicht einfach nicht, um seine Familie zu ernähren. Er lebt irgendwo in Südamerika. Nennen wir ihn Pablo.

Wenn Pablo Glück hat, packt er Obst von einer Plantage in Kisten, die Richtung Europa verschifft werden. Aber egal, wie viel er schuftet, Pablo wird immer arm bleiben. Also willigt er in einen lukrativen, aber gefährlichen Deal ein und beschließt, selbst auf Reisen zu gehen. Er soll als Flugpassagier Kokain nach Deutschland bringen. Wenn er es schafft, bekommt er 1000 Dollar bar auf die Hand. So viel, wie er sonst in einem ganzen Jahr verdient. Für die Drogenbosse ist Pablo nun ein »Donkey« – ein Esel. So nennt das Kartell die billig angeheuerten Transporteure des Stoffs.

Pablo bucht ein Ticket mit kurzem Stopp in Madrid. Er darf keine Zeit verlieren. Je länger er unterwegs ist, desto gefährlicher ist sein Job.

Er schluckt mit flüssigem Kokain gefüllte Kondome, die wiederum in Fingerlinge gepackt werden. In diese Plastikkapseln passen 12 Gramm des Rauschgifts. Mehr als ein Kilo muss er in seinem Magen-Darm-Trakt nach Europa schmuggeln. Löst die Magensäure die Fingerlinge auf, hat Pablo keine Chance zu überleben. Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit – und den Zoll.

Wie erkennt man einen solchen Schmuggler?

Bodypacker, wie die Kuriere genannt werden, sind meist männlich, stammen aus Südamerika und sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Fahnder schauen immer auf die Hände einer Person, denn sie verraten einiges: Wer Narben und Schwielen an den Fingern hat, arbeitet nicht im Büro am Computer. Typischerweise tragen »Donkeys« zur Tarnung teure Anzüge. Ein Anzugträger, der die Hände eines Kistenpackers hat, ist also verdächtig.

Bodypacker essen und trinken nichts, nehmen aber Tabletten gegen Durchfall, um die Darmtätigkeit auszuschalten.

Weil sie unter großem Zeitdruck stehen, ihre Fracht nach der Landung schnell loszuwerden, sind Körperschmuggler nervös und ungeduldig – schließlich sind sie in Lebensgefahr.

Ein Röntgenbild bringt meist Gewissheit: Darauf sind die Fingerlinge in Magen und Darm zu sehen. Auf dem sogenannten Schlucker-WC können die überführten Kuriere unter Aufsicht ihre Fracht abführen.

Und Pablo? Mehrere Dutzend Bodypacker werden jedes Jahr an deutschen Flughäfen festgenommen. Meist sind es verarmte und verzweifelte Menschen, die für wenig Geld ihr Leben riskieren. Ihre Auftraggeber hingegen verdienen Millionen. Sie tragen teure Anzüge und sind stolz auf ihre gepflegten Hände. Schließlich machen die Drecksarbeit die anderen.

Auf der Autobahn: Axel, der Chauffeur

Sie sind auf dem Weg in den Urlaub, fahren Richtung Ostsee. Sie machen Rast an einer Tankstelle kurz vor der polnischen Grenze und bestellen sich einen Kaffee. Da fällt Ihnen ein junger Mann mit zerschlissenen Jeans auf. Er ist Anfang 20 und tankt ein großes, teures Auto voll. Der junge Mann hat offenbar Geld und eine Vorliebe für PS-starke Karossen, so könnte man glauben. Nennen wir ihn Axel.

Einmal im Monat bekommt Axel einen Anruf mit Instruktionen. Er solle zu einer Raststätte östlich von Berlin kommen. Dort drückt ihm ein Mann ohne Namen einen Schlüssel in die Hand. Es ist jedes Mal ein anderes teures Auto: meist Modelle wie Porsche Cayenne, Audi Q7 oder BMW X5. Für ein paar Hundert Euro fährt Axel dann die Karossen über die Grenze. Am vereinbarten Treffpunkt in Polen übernimmt ein weiterer Mittelsmann. Auch er hat keinen Namen. Zurück nach Berlin fährt Axel mit dem Zug. Leicht verdientes Geld, sagt er sich.

Kleinganove Axel ist nur eine winzige Schraube im großen Uhrwerk der Autoschieber-Mafia. Er begegnet niemals denselben Auftraggebern. Deren Geschäft läuft so: Scheinfirmen schließen Leasingverträge für Autos ab und lassen sie, noch bevor die erste Rate fällig wird, im Ausland verschwinden. Oder: Händler kaufen Autos mit Totalschaden auf, um so an deren Fahrzeugpapiere zu kommen. Anschließend wird ein baugleicher Wagen gestohlen, der Fahrzeugschein auf den neuen Besitzer umgeschrieben – und schon gibt es einen sogenannten Zwilling, in dem dann Axel Richtung Ost fährt.

Axel bringt die Autos nur ein paar Kilometer hinter die polnische Grenze. Doch er kann sich vorstellen, dass es erst der Beginn der Reise für die geklauten Fahrzeuge ist. Auf Märkten in Osteuropa und im Nahen Osten werden sie mit hoher Gewinnspanne verkauft werden. Wird er nach seinem Job gefragt, sagt Axel: Ich bin Chauffeur, mehr nicht.

Wie erkennt man Autoschieber?

Verdächtig sind rote Kennzeichen, die von Kfz-Gewerbehändlern für Probe- oder Überführungsfahrten genutzt werden. Und teure Leihwagen, die gen Osten fahren. Denn viele Autovermietungen erlauben es ihren Kunden nicht, ins osteuropäische Ausland zu reisen.

Auch hier stellt sich wieder die Frage: Passen Fahrer und Auto zusammen? Was macht ein junger Mann in einem Auto, das aussieht wie der Dienstwagen eines Topmanagers?

Als Fahnder muss man die richtigen Fragen stellen. Es geht darum, Widersprüche und Sachverhalte, die nicht stimmig sind, aufzudecken.

Warum fliegt ein Geschäftsreisender mit Übergepäck zu einem Meeting, das angeblich nur wenige Stunden dauert?

Warum hat der Langzeiturlauber keine Zahnbürste dabei? Oder: Warum wird ein Paket voller Hightech-Bauteile über Umwege in einen autoritären Staat des Nahen Ostens verschickt? Warum nicht auf direktem Weg? Warum über drei Kontinente? Warum nimmt man hohe Zölle und Frachtkosten in Kauf? Was und wer steckt hinter diesem scheinbar wenig lukrativen Geschäft? Wird hier versucht, ein Waffen- oder Wirtschaftsembargo zu umgehen?

Wenn Axel in seinem Cayenne von der Polizei aufgegriffen wird, behauptet er, er besuche seine Freundin in Warschau. In welcher Straße sie dort genau wohnt, werden die Zöllner fragen. Oder: Wie heißt der Kiosk gegenüber ihrer Wohnung? Axel wird irgendwann nervös werden, weil er sich in Notlügen verstrickt. Und sich damit verdächtig machen.

Kollegen griffen einmal einen Kokainschmuggler aus Afrika auf, der behauptete, er sei Pfarrer. Die Geschichte vom Besuch beim Kirchentag war stimmig. Nur eines hatte der Mann vergessen: eine Bibel. Pfarrer auf Reisen ohne Heilige Schrift? Beim Röntgen wurde der Kurier als Bodypacker entlarvt.

Und Axel? Er wird womöglich auffliegen und wegen Hehlerei verurteilt werden. Doch den Betrieb der Mafia-Maschine stört es nicht, wenn eine einzelne Schraube ausfällt.

Im Urlaub: Das Ehepaar Schmitz

Seit in der »Tagesschau« wieder von Steuer-CDs die Rede ist, können die beiden Senioren nicht mehr gut schlafen. Andauernd ist von der Schweiz, von Nummernkonten und einer CD mit den Daten deutscher Steuersünder die Rede. Das macht nervös und lässt den Blutdruck steigen. Und Aufregung, das ist bekannt, ist nicht gut für das betagte Herz.

Nennen wir die beiden Rentner das Ehepaar Schmitz.

Immer wenn das Telefon klingelt, geht Herr Schmitz vom Schlimmsten aus. Die Polizei? Das Finanzamt? Fahnder? Zum Glück sind meist nur die Kinder dran. Doch ihnen kann Herr Schmitz seine Sorgen nicht beichten. Die Kinder sollen nicht Mitwisser werden.

Also beschließen die Schmitzs zu handeln, mieten ein Auto und fahren gen Süden. Sie wollen das Geld zurückholen. In der Schweiz, so glauben sie, ist es nicht mehr sicher. Jahrzehnte hat dort das Erbe sanft auf einem Nummernkonto geschlummert, es warf ordentlich Zinsen ab. Eine wunderbare Anlage war das. Diskret und ergiebig. Niemand wusste davon. Kein Steuerberater, kein Finanzamt, nur sie beide.

Und nun? Taucht auch der Name Schmitz auf der CD auf? Und wenn nicht auf dieser, dann auf der nächsten? Wie viele dieser Banker-Halunken werden noch Datensammlungen an den deutschen Staat verhökern? Diese Fragen drücken schwer aufs Gemüt.

Einen Teil des schwarzen Vermögens, das heimgeholt werden soll, möchte Frau Schmitz gleich in Goldschmuck investieren. Auch das ist eine Anlage, sagt sie. Der Rest soll bar zurück. Die nächsten Jahre, so glauben sie, werden sie sich dann den Weg zum Geldautomaten sparen können. Das freut Herrn Schmitz – denn er vergisst seine PIN andauernd.

Wenn die Medien über Steuersünder-CDs und die Fälle Hoeneß oder Zumwinkel berichten, dann können die Zollkollegen an den Grenzen Extraschichten fahren. Millionen von Euro werden dann auf abenteuerliche Weise in die Heimat geholt.

Sind Sie an der luxemburgischen Grenze oder im Dreiländer­eck zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs, sind die Chancen hoch, dass Sie Steuersündern wie dem Ehepaar Schmitz begegnen: In der Schlange vor der Grenzkontrolle, im Alpen-Urlaub oder etwa beim Juwelier in der Zürcher Fußgängerzone.

Woran erkennt man Schwarzgeldschmuggler?

Jugendliche unterhalten selten Auslandskonten, verdächtig sind daher eher ältere Herrschaften, die einen gewissen Wohlstand ausstrahlen. Oberklasselimousinen werden darum häufig kontrolliert. Auch die Kennzeichen sind für Fahnder interessant: Wer ist im Mietwagen unterwegs? Wer nimmt eine weite Anreise auf sich?

Geldwäscher beweisen Einfallsreichtum: Zu den beliebtesten Verstecken gehört die Windel, allerdings nicht die für Kinder, sondern die für Senioren. Darin werden dann Barbeträge im Wert eines Eigenheims eingearbeitet. In Konstanz griff man einen Mann auf, der mit 140 000 Euro in kleinen Scheinen gewickelt war. Ein anderer Senior trug ein Frauenkorsett, in das er 150 000 Euro eingearbeitet hatte. Dass ihm die Reizwäsche die Luft abschnürte, fiel natürlich auf.

Wie das Ehepaar Schmitz versuchen viele, einen Teil des Schwarzgelds in Schmuck zu reinvestieren. Darum jubeln auch die Züricher oder Luxemburger Juweliere, wenn in Deutschland Steuersünder Schlagzeilen machen. Gefragt sind dann kleine, feine und teure Schmuckstücke, die sich leicht verstecken lassen. Denn Diamanten und andere Edelsteine müssen wie Bargeld über 10 000 Euro bei der Einreise angemeldet werden.

Fliegt das Ehepaar Schmitz auf, droht ein Bußgeld – schlimmer aber ist die Kontrollmitteilung an das örtliche Finanzamt. Sind die Fahnder dort informiert, werden die Schmitzs erst recht nicht mehr ruhig schlafen können.

Wie Sie nach Geheimverstecken fahnden

Die Arbeit des Zolls handelt vom Suchen und Finden des Verdachts, des Verbotenen und Unversteuerten.

Welche Taktiken können nun Laien anwenden, wenn sie selbst nach Verstecken suchen?

Grundsätzlich sollten Sie zunächst wissen, was Sie überhaupt zu finden beabsichtigen. Fahndet man beim Zoll nach Kokainschmugglern, schaut man sich Reisende aus Südamerika an. Sucht man Autoschieber, rücken Luxuswagen in den Blick. Wer unverzollte Zigaretten aufspüren will, wühlt im Stauraum eines Lkw. Und hat man Geldwäscher im Visier, kontrolliert man auf bestimmten Reiserouten.

Gehen wir von folgendem Szenario aus: Das Ehepaar Schmitz wird auf seinem Heimweg aus der Schweiz kontrolliert. Im Gespräch verstrickt es sich in Widersprüche. Man vermutet, dass im Auto große Mengen von nicht deklariertem Bargeld versteckt sind. Nun geht es darum, dieses zu finden.

Suchen Sie nicht allein!

Vier Augen sehen mehr als zwei? Allerdings! Es hat seinen Grund, weshalb Zöllner mit einem Kollegen kontrollieren: um Bestechungsversuche zu verhindern und um einen Zeugen zu haben, falls es zu einem Verfahren kommt. Aber eben auch, um mehr zu sehen.

Teilen Sie sich auf!

Die klassische Arbeitsteilung der Fahnder sieht so aus: Einer sucht, der andere schaut zu. Wobei Letzterer nicht den langweiligeren Job hat. Im Gegenteil: Er muss die Reaktionen der Personen während der Durchsuchung ihrer Habe genau beobachten. Was das psychologische Geschick betrifft, ist dies die anspruchsvollere Aufgabe.

Schütteln Sie die Hand!

Als Fahnder grüßen wir Verdächtige nicht per Handschlag. Ihnen als Laie kann diese offensichtlichste Form der Körpersprache jedoch wichtige Hinweise liefern. Weil diese Art der Kommunikation situationsbezogen, unbewusst und instinktiv erfolgt, kann sie kaum manipuliert werden. Anthropologen zufolge schütteln wir übrigens nur Hände, um dem anderen zu zeigen, dass wir unbewaffnet sind. Ein übertrieben harter Händedruck oder von Angstschweiß feuchte Handflächen sprechen für sich. Interessanter ist der Augenkontakt. Kann der Blick gehalten werden, oder geht er unstet und verunsichert in die Ferne?

Folgen Sie dem Blick des Verdächtigen!

Auch während der Suche sollten Sie die Blickführung des Verdächtigen genau studieren. Meist verraten sich die Schmuggler selbst, indem sie über ihre Körpersprache Hinweise auf das Versteck geben. Wann wird jemand nervös? Wann entspannt er sich? Versucht er abzulenken? Ein Gespräch anzufangen?

Es ist tatsächlich wie beim Ostereiersuchen: Man tastet sich von kalt zu heiß – und wenn es extrem heiß wird, sieht man dem Verdächtigen das auch an. Die Blickführung geht in diesem Moment meist in Richtung des Verstecks. So konnten wir einen Geldwäscher entlarven, der ein Auslandskonto aufgelöst und 800 000 Euro Schwarzgeld in der Klimaanlage seines Autos verbaut hatte. Beim Suchen unter den Fußmatten und in der Dachverkleidung schweifte sein Blick weg. Als wir den Lüftungsschacht aufschraubten, schienen seine Augen plötzlich interessierter.

Sein Blick sprach für sich. Er sagte uns: Heiß!


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Wichtiger Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass die Ermittler bei ihrem Handeln auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen können und eine andere rechtliche Absicherung genießen als der »Normalbürger«.

Wir übernehmen für Schäden, die sich aus der Umsetzung der in diesem Buch versammelten Vorschläge ergeben, keine Haftung.

1. Auflage 2014


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Redaktion: Wolfgang Gartmann, München

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann unter Verwendung von shutterstock und istock

Satz: Georg Stadler, München

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany



ISBN Print: 978-3-86883-362-1

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86413-452-4

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