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Kirstin Wulf

Dann geh doch zur Bank und hol dir welches!

Rätselraten ums Geld im Elternhaus

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Die Autorin

Kirstin Wulf wurde 1967 geboren und wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe von Lüneburg auf. Sie ist diplomierte Politikwissenschaftlerin und war Dozentin an der Freien Universität Berlin. In dieser Zeit hat sie ihren Blick für Zusammenhänge zwischen Politik, Volkswirtschaft und Gesellschaft geschärft – den sie mit einer Ausbildung zur PR-Beraterin um den Bereich Kommunikation ergänzte. Seit 2011 ist sie selbstständig als Über-Geld-Sprecherin tätig, arbeitet mit Eltern und ErzieherInnen ebenso wie mit Kindern und Jugendlichen. Kirstin Wulf hat zwei Söhne (*1999, *2002).

1. Auflage
© Cividale Verlag Berlin, 2016
Kontakt: info@cividale.de
Website: www.cividale.de
ISBN 978-3-945219-17-1
Umschlaggestaltung: Nina und Christoph von Herrath
Satz: Matthias Liesendahl

Das Werk einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt
insbesondere für Vervielfältigung, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Für Anne Wallisser

Wenn wir an uns arbeiten, beschenken wir uns

mit immer neuen Perspektiven auf unser Leben.

Klingt pathetisch – aber diese Erfahrung durfte ich machen.

Danke für all die Anregungen!

Inhalt

Vorwort

Geld – für Kinder ein Rätsel

Vom Umgang mit Geld – eine Einführung

Wie lernen Kinder den Umgang mit Geld?

Eltern machen Geld zum Rätsel

Das Rätsel und seine Folgen

Lasst uns das Thema Geld enträtseln!

Mund aufmachen – tut auch nicht weh!

Unsere eigene Geschichte – ein machtvoller Faktor

Erwachsenen-Alltag – dem Leben über die Schulter schauen

Gefühle – was meldet sich denn da zu Wort?

Werte ohne Besitz – was uns wirklich wichtig ist

Verantwortung durch Handeln – Konsequenzen des eigenen Tuns

Voraussetzungen dafür, dass Geld für Kinder kein Rätsel ist

Literaturverzeichnis

Endnoten

Vorwort

Geld ist allgegenwärtig. Es bestimmt weite Teile unseres Lebens und ist für die meisten von uns nicht irgendein Thema, sondern ein hoch emotionales. Und viele von uns haben eine negative Einstellung zum Geld.

Als Über-Geld-Sprecherin mache ich Eltern, Großeltern, Pädagogen, Kindern und Jugendlichen das Angebot, über Geld zu reden.

„Wie bitte? Warum denn das?“, werden Sie vielleicht fragen. „Verkaufen Sie Versicherungen, Kredite oder Anleihen? Sind Sie ‚so eine‘?“

Nein, das tue ich nicht. Ich hatte jahrelang beruflich nichts mit dem Thema Geld am Hut. Lebte ein Leben, in dem Geld zwar eine Rolle spielte, aber nie die Hauptrolle. Als Kind wuchs ich auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide auf; wir hatten nie viel. Auch in meiner Zeit als Studentin war mein Budget begrenzt. Dennoch wog die Freiheit in der großen Stadt Berlin dieses Defizit auf. Ich studierte Politik, lernte Russisch, jobbte, reiste, lebte in WGs und in Hinterhofwohnungen mit Kohleofen. Später pendelte ich für meine Arbeit, nahm viele Strapazen auf mich. Ich bekam zwei Kinder, musste Familie und Beruf miteinander vereinbaren, trennte mich vom Vater meiner Kinder und schlug mich durch. Geld war „irgendwie“ da, mal ging es aufwärts, zwischendurch auch mal abwärts.

Es war das Leben mit meinen Kindern, das mich dazu brachte, bewusster über Geld nachzudenken. Wie wachsen Menschen mit Geld auf? Welche Bedeutung hat es in ihrem Leben? Wie erwerben sie die vielen Kompetenzen, die sie für einen guten Umgang mit Geld benötigen? Und welche können sie durch einen guten Umgang mit Geld erlangen? Warum braucht es den gerade heute? Welche Rolle spielen die Eltern in diesem Prozess – und welche die Konsumgüterindustrie, Werbung und Handel? Was glauben wir von deren Botschaften? Werden wir mit einem Produkt oder einer Dienstleistung schöner, glücklicher oder beliebter? Wie ist es für unsere Kinder, in dieser Welt aufzuwachsen? Wie schaffen wir es, ihnen das Rüstzeug mitzugeben, damit sie später ihren Weg gehen, für sich, ihre Familien und die Gesellschaft Verantwortung übernehmen, für sich sorgen können, das „richtige“ Maß zwischen Verzicht und Überfluss finden? Welche Bilder vermitteln wir ihnen vom Leben? Und welche machen sie sich selbst davon? Kinder träumen nicht selten von Karrieren als Fußballer wie Ronaldo oder Messi, vom Ruhm einer Musikikone wie Rihanna oder der Bekanntheit eines Schauspielers wie Elyas M’Barek. Viele Kinder wollen in wenigstens einer Phase ihres Lebens reich und berühmt sein. Wie und wann beschäftigen wir uns gemeinsam mit unseren Kindern mit solchen Fragen? Und wie klären wir zunächst für uns selbst, was wir ihnen mitgeben wollen? Wie sollen sie werden? Was ist uns wichtig? Was haben wir von unseren Eltern gelernt?

Das Leben mit Kindern ist immer eine Herausforderung. Ihnen soll es gut gehen, es soll ihnen an nichts fehlen. Unsere Aufgabe ist auch, sie auf das Leben vorzubereiten. Darauf angesprochen, sagen viele Eltern, dass sie sich bemühen, sich mit den vielen Fragen des Lebens bewusst auseinanderzusetzen: Ernährung, Bewegung, Bildung, Medien, soziales Lernen. Das Thema Geld gehört aber oft nicht dazu, obwohl es eine so große Bedeutung in unserem Leben hat. Viele blocken bei diesem Thema sogar ab. Da Geld und Konsum allgegenwärtig und mitunter erdrückend sind, uns außerdem ständig in Berührung mit allen möglichen Gefühlen bringen, ist es fast ein Reflex, sich dieser Dominanz zu entziehen, alles, was damit zu tun hat, lieber nicht so genau zu betrachten, es nicht so wichtig zu nehmen. Natürlich können wir warten, bis unsere Kinder das Thema von selbst anschneiden, statt sie früh in den finanziellen Alltag der Familie einzubeziehen. Wir können versuchen, sie von der Übermacht des Geldes fernzuhalten, indem wir „bewusst“ darüber schweigen.

Doch dann twittert Naina, eine 17-jährige Schülerin, und wühlt uns auf. [1] Wir haben den Eindruck, sie klagt an. Sie schreibt, sie wolle mehr vom Leben wissen. Sie habe keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Niemand habe ihr erklärt, wie das Leben funktioniert. Junge Menschen wie Naina kenne ich viele.

Versäumen wir es als Eltern, den Alltag mit unseren Kindern von Anbeginn zu teilen, sie nicht nur zu guten Noten in der Schule zu bewegen? Können sie staubsaugen, ein warmes Gericht kochen, das Badezimmer putzen, einen Knopf annähen, Kartoffeln ernten, ein Bild an der Wand anbringen, alleine einkaufen, Petersilie von Basilikum unterscheiden, beim Hausmeister in der Sporthalle nachfragen, ob der verlorene Pulli gefunden wurde, drei Tage ohne Handy auskommen, sich das Taschengeld einteilen, einen Ausflug planen, Wäsche waschen, aufhängen und zusammenlegen, sich einen Schülerjob suchen, ein Baby in den Armen halten, eine Fahrkarte kaufen und alleine mit dem Bus fahren, auf etwas verzichten oder längere Zeit warten? Lernt Ihr Kind diese Kompetenzen zu Hause?

Mit Geld umgehen zu können, ist ebenfalls eine wichtige Alltagskompetenz. Wir arbeiten, rechnen, planen, wägen ab, schieben auf, verschenken, fragen nach, führen Buch, bezahlen Rechnungen, kaufen ein, sind enttäuscht, neidisch oder geizig. Wir merken gar nicht, was der Umgang mit Geld konkret von uns verlangt – und in welchem Verhältnis er zu den anderen alltäglichen Aufgaben des Lebens steht.

Wie bereiten wir unsere Kinder nun auf einen guten Umgang mit Geld vor? Und was heißt überhaupt „gut“? Geht es nur darum, in Zukunft keine Schulden zu machen? Zu lernen, wie man gut mit Geld umgeht, ist nicht nur denen vorbehalten, die viel Geld haben. Die Tendenz, dieses Thema auszuklammern, findet sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Hat es die Konsumgüterindustrie mit ihren Botschaften geschafft, uns müde, unaufmerksam und unkritisch zu machen? Soll es uns einfach nur gut gehen, sollen wir entspannen, genießen, dazugehören? Sind wir noch die Hüter der Tugenden, die unsere Kinder nicht nur beschützen, sondern vor allem von innen stärken sollen? Oder haben wir kapituliert? Haben wir verlernt zu kämpfen? Ist es der richtige Weg, unsere Kinder von der Welt, die uns umgibt, möglichst lange fernzuhalten? Was ist wichtig im Leben? Und wie finden wir das heraus?

Lasst uns anfangen darüber zu sprechen, was echter Schutz überhaupt ist. Selbst wenn wir nicht jede Werbesendung anschauen, nicht jede Anzeige lesen, nicht jeden Einkauf tätigen, müssen wir feststellen, dass das, was wir kritisieren oder kritisch beäugen, längst Teil unseres Lebens geworden ist. Die Welt um uns herum ist nicht mehr die unserer eigenen Kindheit. Das können wir beklagen – oder aber akzeptieren und verantwortungsvoll damit umgehen. Und dazu gehört der Dialog mit unseren Kindern.

Die direkte Auseinandersetzung mit den Prinzipien des Konsums und des Geldes stärkt Kinder nachhaltig. Wollen wir also weiterhin – wenigstens teilweise – unsere Entscheidungsspielräume behalten, wollen wir weiter in vielen Situationen „die Wahl haben“, dann müssen wir hier und da bewusster hinsehen. Das gilt für uns als Erwachsene und insbesondere für das Zusammenleben mit unseren Kindern.

Ich wünschte, ich hätte eine andere Botschaft. Gerne würde ich sagen: Entspannt euch, alles wird gut! Ich möchte nicht, dass das Leben ein permanenter Kampf ist. Aber angesichts des immer größer werdenden Bedürfnisses vieler Eltern nach Ruhe und Erholung muss ich feststellen: Es gibt leider nicht nur Sonnenschein. Und deshalb trete ich dafür ein, dass wir Eltern intensiver, kritischer und bewusster mit den Themen Geld und Konsum in der Familie umgehen – früh, altersgerecht und kreativ, für uns und unsere Kinder.

„Du verkaufst Arbeit“, sagte neulich eine gute Freundin zu mir. „Das will doch niemand hören!“

Das könnte sein. Aber dann dachte ich an Tom Sawyer, der es schaffte, seine Pinselarbeit am Zaun als großen Spaß zu präsentieren. Die Nachbarskinder sahen seine – gespielte – Leidenschaft, die ansteckend wirkte, und boten ihm ihre ungewöhnlichsten Habseligkeiten, nur um selbst einmal streichen zu dürfen. Bald war die Arbeit getan und Tom im Besitz vieler neuer Gegenstände: „Am frühen Nachmittag war aus Tom ein steinreicher Junge geworden. Vor ihm lagen Schätze wie ein gut erhaltener Drachen, eine tote Ratte, zwölf Murmeln, eine blaue Glasscherbe zum Durchsehen und vieles mehr. [...] Ohne es zu wissen, hatte er entdeckt, dass man, wenn man eine Sache als unerreichbar darstellt, die anderen dazu bringt, sie tun zu wollen. Wäre Tom ein großer weiser Philosoph gewesen, dann hätte er jetzt verstanden, dass eine Arbeit nur lästig ist, wenn man sie tun muss. Wenn man sie jedoch freiwillig tut […], dann macht sie Spaß.“ [2]

Es ist nicht unmöglich, seinem Kind einen guten Umgang mit Geld zu vermitteln. Doch ich will Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch nicht mit falscher Leidenschaft locken. Ich verspreche Ihnen eine Menge Anregungen. Denn in diesem Thema stecken neben der großen Notwendigkeit auch viel Freude und Kreativität. Aber vielleicht sind Sie weise Philosophen! Sie haben verstanden, dass Sie in kleinen Schritten vorgehen können – und dass Sie es freiwillig tun sollten. Dann werden Sie Spaß am Thema Geld und am Geld-Alltag mit Ihren Kindern haben. Dafür möchte ich auch keine Murmeln, Glasscherben oder tote Ratten. Nur, dass Sie weiterlesen.

Ich habe mich übrigens entschlossen, auf das allgemeine Gendern von Berufen zu verzichten. Wenn ich von Lehrern schreibe, meine ich selbstverständlich auch die Lehrerinnen! Das ist keine Missachtung, ich finde es so nur einfacher zu lesen. Und noch etwas: Meine Familienangehörigen, Kita-Leiterin Astrid und Werber Andreas aus Berlin gibt es wirklich. Alle anderen erwähnten Personen gibt es natürlich auch, allerdings habe ich ihnen einen neuen Namen gegeben.

Geld – für Kinder ein Rätsel

Vom Umgang mit Geld – eine Einführung

„Wenn ich Gesteinsbrocken vom Mars auf der Erde verkaufe, bin ich reich“, sagt mein Sohn Lennart zu mir.

„Warum?“, will ich von ihm wissen.

„Weil es die hier bei uns nicht gibt, Mama. Ich kann die Steine sehr teuer verkaufen und habe dann viel Geld.“

Was für eine Idee! Ich frage mich, wie er darauf kommt. Er ist doch erst fünf Jahre alt. Muss ich mir Sorgen machen? Spricht ein zukünftiger Kapitalist aus ihm? Doch seine Überlegung macht mich neugierig. Ich fange an, mich damit auseinanderzusetzen, wann und wie Kinder den Umgang mit Geld erlernen. Was sie damit verknüpfen, welche Faszination für sie von diesem Thema ausgeht. Es ist der Beginn einer Beschäftigung, die ich – Jahre später – zu meinem Beruf machen werde.

Was ist eigentlich Geld?

Angenommen, mein Sohn würde es zum Mars schaffen, um sein Vorhaben umzusetzen. Er fängt an, zu graben und zu buddeln, damit er besonders schöne Exemplare mit nach Hause nehmen kann. Plötzlich hört er eine Stimme. Er schaut auf und sieht einen Marsmenschen. Lennart ist gar nicht überrascht, denn er ist davon überzeugt, dass es Leben auf anderen Planeten gibt. Durch einen Zauber können die beiden sich sogar unterhalten.

„Hey“, sagt der Marsmensch, „was machst du hier?“

„Ich sammle schöne Steine von eurem Planeten“, erklärt ihm Lennart.

„Warum denn das? Die sind doch gar nichts Besonderes, hier gibt es ja nichts anderes.“

„Ja“, sagt Lennart, „aber bei uns gibt es nur Erdsteine. Marssteine hat noch niemand gesehen, deshalb werden die Menschen auf der Erde auch ganz scharf auf meine Mitbringsel sein. Dann bekomme ich dafür sehr viel Geld.“

„Oh“, erwidert der Marsmensch, „das ist bestimmt etwas sehr Schönes.“

„Na ja“, sagt Lennart, „nicht wirklich, obwohl es auch viele schöne Geldstücke und scheine auf der Erde gibt. Aber ich werde dann sehr reich sein und kann mir alle Sachen kaufen, die ich haben will. Zum Beispiel ein neues Raumschiff, damit ich das nächste Mal schneller und bequemer zum Mars fliegen kann.“

Der Marsmensch überlegt. „Also, du bringst Steine auf die Erde, bekommst dafür dieses Geld, und das brauchst du, um ein Raumschiff zu erhalten? Aber warum geht das nicht anders? Du könntest doch auch die Steine dem Raumschiff-Verkäufer geben, oder?“

„Nee, das heißt tauschen“, sagt Lennart. „Bevor das Geld erfunden wurde, haben die Menschen getauscht: einen Hasen gegen einen Fisch oder einen Topf gegen ein Fell. Aber irgendwann wurde das zu schwierig.“

„Warum?“

„Weil nicht jeder das hatte, was der andere brauchte oder wollte. Und manchmal waren die Transporte zu schwer oder etwas war verfault, bevor es zu Hause ankam. Mit dem Geld ist das viel einfacher: Hase gegen Geld, Geld gegen Fisch. Erst haben die Menschen Muscheln oder wertvolle Edelsteine als Geld benutzt. Sie brauchten was, wovon es nicht viel gab und was sich nicht einfach nachmachen ließ.“

„Und dieses Geld, findet man das auch bei euch? Wie Muscheln oder Edelsteine?“

„Nein, das Geld machen die Präsidenten auf der Erde. Damit können wir nicht nur tauschen – also einkaufen –, sondern auch sagen, wie viel uns etwas wert ist. Die Marssteine werden den Menschen viel Geld wert sein, weil sie die nicht kennen und unbedingt haben wollen. Viel wert sein heißt viel Geld kosten.“

„Du meinst, unsere Steine hier kosten bei euch ganz viel von diesem Geld?“

„Na klar, die hat ja sonst keiner!“

„Und viel Geld heißt viel wert sein?“

„Na ja, ich habe auch Sachen, die sind für mich viel wert, aber nicht für andere. Die kosten also auch nicht viel Geld. So was wie mein Lieblingsspielzeug. Hast du auch so was?“

„Ja, mein Marsmobil.“

„Siehste! Wir können jedenfalls durch die Preise unterschiedliche Sachen miteinander vergleichen, die wir verkaufen und kaufen. Und wir rechnen die Preise zusammen und überlegen, was wir uns kaufen wollen und was wir uns leisten können.“ Lennart hört gar nicht mehr auf, dem Marsmenschen, der wie gebannt zuhört, das Geld zu erklären. „Geld passt in jede Tasche. Es ist klein, leicht und wird nicht schlecht. Und es gibt noch einen Vorteil: Das Geld ist immer gleich viel wert. Die Steine nicht. Denn vielleicht kommen jetzt noch andere Menschen auf die Idee, zum Mars zu fliegen, wenn sie sehen, dass es für die Steine viel Geld gibt. Dann wird es irgendwann auf der Erde sehr viele Steine vom Mars geben und sie werden immer weniger wert sein. Daher wird sich auch der Preis ändern. Das ist bei Geld anders. Wenn ich es noch nicht gleich ausgeben möchte – vielleicht warte ich auf das nächste Mega-Raumschiff –, dann lege ich es in ein Glas und spare. Das heißt, ich sammle das Geld.“

Der Marsmensch überlegt. „Aber wenn immer mehr Präsidenten immer mehr Geld machen, wird es ja auch immer weniger wert, oder?“

„Ach, ich bin doch erst fünf. Das weiß ich nicht so genau. Die Menschen bekommen Geld, wenn sie arbeiten. Arbeit bedeutet, man tut etwas, wofür man Geld kriegt. Man kann Dinge herstellen und verkaufen oder anderen Menschen bei etwas helfen. Ich kann zum Beispiel dein Marsmobil sauber machen und du gibst mir dafür Geld.“

„Au ja, das ist auch mal wieder nötig …“

Erste Erfahrungen von Kindern mit Geld

Schon kleine Kinder wissen um die Macht, die von Geld ausgeht. Legen die Erwachsenen Geld in Münzen oder Scheinen auf den Tisch, den Tresen, die Theke, dann bekommen sie etwas anderes dafür. Manchmal ist es bunt, manchmal groß, manchmal lecker.

Carlos ist Mitte 20 und hat eine zweijährige Tochter. Erst vor Kurzem ist er mit seiner Familie nach Berlin gezogen. Vorher lebten sie in Südafrika. Dass das Thema Geld für ihn und seine Tochter in Zukunft wichtig werden könnte, merkte Carlos, als er seine kleine Tochter noch in Südafrika dabei beobachtete, wie sie Geld aus seiner Tasche nahm, damit einen langen Weg zu einem anderen Haus ging und dort klopfte. „Dazu ist es gut zu wissen“, erzählt er, „dass wir in einer Gegend gewohnt haben, wo in vielen kleinen Häusern unterschiedliche Lebensmittel verkauft wurden, wie Brot, Milch oder Eier.“ Carlos beobachtete also seine Tochter und staunte, als er merkte, dass sie – sobald sich die Tür des Hauses geöffnet hatte – das Geld einer Frau gab und dafür eine Handvoll Bonbons bekam. „Sie hat schon früh kapiert, wie das mit dem Geld funktioniert, auch wenn sie noch weit davon entfernt war, den Wert des Geldes zu bemessen. Wir haben gar nicht im Blick, wie früh auch kleine Kinder diese Mechanismen verstehen.“

Wenn Kinder Geld sehen und auch, was wir damit machen, begreifen sie recht schnell, dass es sich beim Einkaufen um ein Tauschgeschäft handelt: Die Süßigkeiten oder das Eis gibt es eben nur für Geld, und das kommt von Mama, Papa oder anderen Erwachsenen. Grundsätzlich ist das für Kinder lange Zeit eine tolle Sache. Sie erhalten etwas, ohne etwas dafür tun oder abgeben, also tauschen zu müssen. Das könnte für viele Kinder immer so bleiben.

Doch es gibt einen Haken: Nicht sie entscheiden, was sie bekommen, sondern im Regelfall ihre Eltern. Und so kann es sein, dass sie auch mal leer ausgehen. Darüber gibt es später nicht selten Auseinandersetzungen.

Ein Experiment

Mit Kindern versetze ich mich in die Zeit, als es noch kein Geld gab. Die Menschen hatten das, was sie selbst herstellten, jagten oder sammelten. Sie halfen sich gegenseitig und fingen irgendwann an zu tauschen. Vielleicht wollte der Jäger nicht immer nur Rehe essen, sondern hatte Lust auf Fisch. Und der Fischer bekam seinerseits Appetit auf ein Reh. So begann der Handel mit Lebensmitteln, aber zum Beispiel auch mit Töpfen oder Waffen. [3]

Im Rahmen eines Kita-Projektes probiere ich aus, wie das Tauschen funktioniert. Die Kindergarten-Kinder organisieren einen Tauschmarkt. Jeder darf fünf Gegenstände mitbringen. Da stellen sich schnell viele Fragen: Was will ich tauschen, was brauche ich nicht mehr? Wovon kann ich mich trennen? Und ist das überhaupt für andere etwas wert – also: Ist das für mich ein gutes Tauschobjekt? Was möchte ich lieber behalten? Die Puppe, mit der ich nicht mehr spiele, ist ein Geschenk von Oma – darf ich sie weggeben, also tauschen? Und was sagen meine Eltern? Werden sie plötzlich unruhig, weil sie Angst haben, dass ich den Wert meines Spielzeuges nicht nach seinem Preis beurteile und damit unvorteilhafte Geschäfte mache?

Die Kinder sitzen in einem Raum, jeder hat vor sich seinen Besitz. Einige haben kleine Plastikpüppchen und Autos dabei, andere größere Laster, Bücher, Spiele. Und sie schauen genau, sehen sofort, was ihnen gefällt. Der Startschuss fällt und in nur wenigen Minuten sind die größten Geschäfte getätigt. Es ist wild, es ist laut, es ist spannend. In einer zweiten Phase sollen die weniger beliebten Gegenstände einen neuen Besitzer finden. Es wird im Dreieck getauscht. Ein bisschen geredet, aber mehr gehandelt. Es ist ein quirliger Basar mit Kindern, die später zusammen mit allem spielen, was da ist. Plötzlich erhält auch der zuvor nicht mehr geliebte Gegenstand durch das Interesse der anderen eine neue Bedeutung.

Wie fühlen sich alle nach dem Tauschen? Sind alle zufrieden? Manche traurig oder gar unglücklich? Wer bereut seinen Tausch und warum? Wer war mutig, wer eher vorsichtig? Wie haben die Kinder sich verhalten, als sie etwas besonders gern haben wollten? Was haben sie gelernt? Darüber spreche ich mit den Kindern.

Und wie ist es für die Eltern? Keine unumstrittene Erfahrung, wie sich zeigt. Viele hängen am Besitz der eigenen Kinder, denn sie haben ihn möglich gemacht. Loslassen, hergeben, abgeben fällt in vielen Fällen nicht leicht. Was ist, wenn mein Kind den großen Laster gegen ein kleines Auto tauscht? Das wäre nicht gleichwertig. Und doch geben Eltern zu, dass sie die vielen Sachen in den Zimmern ihrer Kinder ärgern. Wie sind die da nur hingekommen? Viele schöne und teure Geschenke liegen sogar unbeachtet in der Ecke.

Lässt Überfluss gerade noch wichtige Dinge schnell wertlos werden? Wie finden wir raus aus der Spirale?

Wozu wurde das Geld erfunden?

Das will ich von Schülern einer Grundschule erfahren.

„Hm, damit die Leute sich nicht immer streiten? Wenn es kein Geld geben würde, dann würde sich jeder etwas schnappen“, sagt Alina.

Und Luisa meint: „Weil die Menschen nicht so großzügig sind und sich nicht immer alles schenken können.“

Nick wiederum weiß: „Damit man nicht mehr tauschen musste. Denn früher haben die Leute zum Beispiel ein Schaf gegen zehn Brote getauscht oder eine Ohrfeige gegen einen Tritt in den Hintern.“

Die Geschichte des Geldes ist für Kinder faszinierend – und eigentlich auch für uns Erwachsene. Denn im Alltag sind viele Dinge ganz selbstverständlich einfach da. Wenn wir die Sendung mit der Maus schauen und Armin zeigt, wie etwas funktioniert – vom Kühlschrank bis zum Luftballon –, dann lernen auch wir Erwachsenen. Manchmal wundern wir uns, wie oft wir etwas einfach hinnehmen, ohne nach dem Sinn, der Herkunft oder der Funktion zu fragen.

So ist es auch mit dem Geld. Es ist eine Selbstverständlichkeit in unserem Alltag, die wir allerdings nur selten in ihre „Bestandteile“ zerlegen. Daher ist es spannend, die verschiedenen Aspekte des Geldes für und mit Kindern sichtbar zu machen: das Tauschen, die Frage nach dem Wert und dem Preis, das Vergleichen, Rechnen und Bezahlen. Und im Alltag kommen noch viele andere praktische Dinge im Umgang mit Geld hinzu.

Alltagshandeln und Schlüsselkompetenzen

Wir sparen, bezahlen, vergleichen und rechnen mit Geld. Kinder lernen Schritt für Schritt seine unterschiedlichen Bedeutungen und den Umgang damit kennen. Ist dieser eigentlich kompliziert? Oder macht es Spaß, sich um seine Finanzen zu kümmern? Bereitet Geld uns Sorgen, zum Beispiel weil wir uns fragen, ob es für die kommenden Monate oder Jahre reicht, um den Lebensstandard der Familie zu sichern?

Jeder Mensch hat einen eigenen Plan, was er mit seinem Geld anfangen will. Doch der bleibt häufig unausgesprochen und wird nirgends fixiert. Jeder will etwas erreichen, sei es eine größere Anschaffung, die geplant ist, oder eine längere Reise. Wollen wir für Notfälle abgesichert sein und für das Alter vorsorgen? Oder versuchen wir vor allem, im Hier und Jetzt über die Runden zu kommen?

Und wieso sprechen wir nicht offen mit unseren Kindern über Geld? Sie sollen Klavierspielen lernen, aber warum kneifen wir, wenn sie anstrengende Fragen zu unserem Einkommen stellen? Fast jeder stimmt zu, dass Geld eines der letzten Tabuthemen ist, und sagt gleichzeitig, dass er selbst natürlich die große Ausnahme ist – aber trifft das auch zu?

Mich interessiert, was „der Umgang mit Geld“ im Alltag bedeutet. Wo, wann und wie gehen wir täglich mit Geld um? Was heißt es für unsere Kinder, uns dabei zu beobachten, wie wir einen Haushalt führen, für uns und sie sorgen und Verantwortung übernehmen? Wie agieren Eltern als Verbraucher? Womit verdienen sie ihr Geld? Sind sie selbstständig, in einem Unternehmen beschäftigt oder bekommen sie Geld vom Staat? Zahlen sie eigentlich Steuern? Was müssen Menschen im Umgang mit Geld alles lernen? Welche Ausgaben haben immer Vorrang, welche werden regelmäßig zurückgestellt? Was verbinden Menschen mit dem Thema Geld? Warum ist es ihnen oft unangenehm, darauf angesprochen zu werden? Und wieso reden sie selbst kaum darüber?

Am Anfang nehmen Kinder Geld – in Form von Münzen – als reine Gegenstände wahr, die vor allem in Metalldosen wunderbar klappern, ohne kaputtzugehen. Schon bald stellen sie fest, dass es unterschiedliche Münzen und auch Scheine gibt. Sie sortieren das Geld mit Leidenschaft nach Aussehen, Größe und erst viel später nach seinem Wert.

Eltern erzählen mir, dass sie sich mit ihren Kindern im Kindergartenalter spielerisch mit Geld beschäftigen. Zunächst im Kinderzimmer mit dem Einkaufsladen, in dem eine Birne schon mal 1.000 Taler kosten kann. Aber bald muss es echtes Geld sein. Wie sehen die Münzen und Scheine überhaupt aus und woher kommt das Geld, das wir in unseren Händen halten? Ist es vielleicht gefälscht? Woran erkennt man sogenannte „Blüten“ – eine Frage, die nicht nur Räuber- und Piratenkinder interessiert.

Einige Eltern besorgen Kollektoren – Sammelalben für Münzen aus allen Euro-Ländern –, in die sie zusammen mit ihren Kindern die Münzen stecken. Nun fangen die Kinder an, beim Einkaufen nach Eulen, Gänsen oder Harfen auf der Rückseite der Euro-Münzen Ausschau zu halten. Und die Beschäftigung mit den Münzen führt zu neuen Fragen: Wo liegt das Brandenburger Tor, warum haben wir keinen König wie die Spanier und wer ist dieser Mozart? In welchen Ländern können wir mit dem Euro bezahlen? Wer war schon mal da? Welche Sprache wird dort gesprochen und was essen die Menschen da am liebsten?

Manchmal erzählen Eltern ihren Kindern auch, wie die europäischen Währungen hießen, als es den Euro noch nicht gab und sie selbst als junge Menschen das eine oder andere Land besuchten und so manche Abenteuer erlebten. Ältere Kinder werden bei einem Urlaub in einem Nicht-Euro-Land feststellen, dass sie alle Preise von der fremden Währung in Euro umrechnen müssen – eine gar nicht so leichte Aufgabe.

Wenn jüngere Kinder das Wechseln des Geldes allerdings noch als Tauschen interpretieren, dann kommt es zu wunderbaren Äußerungen wie dieser: „Mama, das ist doch einfach, Geld zu verdienen – man gibt im Laden einen Schein ab und kriegt einen großen Berg Münzen zurück!“, wie mir die Mutter einer fünfjährigen Tochter berichtet.

Fünfjährige – was steckt nicht alles an Energie, Mut und Kreativität in ihnen! In diesem Alter drängen viele darauf, alleine einzukaufen und selbst zu bezahlen, obwohl das eigentlich nur bedeutet, das mitgebrachte beziehungsweise abgezählte Geld hinzulegen und im Gegenzug etwas dafür zu bekommen, da sie noch nicht rechnen können. Aber nichts geht über einen richtigen Einkauf mit echtem Geld: Brot vom Bäcker holen, Eier beim Bauern oder Toilettenpapier aus der Drogerie. Kinder wollen mithelfen, nicht nur einen Lolli von Omas Geld für sich selbst kaufen. Sie brauchen einen echten Auftrag der Eltern, zum Beispiel: „Ich möchte heute Kartoffelbrei kochen. Kannst du schnell einen Beutel Kartoffeln für mich besorgen?“

Manchmal kommt das Kind mit mehr als Kartoffeln zurück. Aber es war mutig von ihm, diese Aufgabe zu übernehmen, mit Geld in der Hand in den Supermarkt zu marschieren. Die Herausforderungen könnten für ein Kind im Vorschulalter nicht größer sein, schließlich gibt es kaum noch kleine Geschäfte. Da stellen sich ihm viele Fragen: Wo sind die Kartoffeln? Welche nehme ich? Wird das Geld reichen? Mache ich alles richtig, wenn ich in der Schlange mit so vielen Erwachsenen stehe? Wird die Kassiererin mein Geld nehmen und bekomme ich die Kartoffeln wirklich? Doch dann ist es geschafft – das Kind hat eingekauft. Stolz hält es den Einkauf in den Händen. Es hat sich und seinen Eltern bewiesen: Ich kann das. Wer sein Kind jetzt am Türrahmen misst, wird feststellen, dass es mindestens um zwei Zentimeter gewachsen ist.

„Ich habe wunderbare Erinnerungen ans Einkaufen als Kind“, berichtet eine Erzieherin in einem meiner Geld-Workshops. Sie schwärmt: „Einkaufen bei Onkel Kummerfeld! Da gab es eigentlich nur Edamer Käse für uns Kinder und Tilsiter für meine Oma. Und Sahne im Keller, die er selbst geschlagen hat. Und oben standen die großen Bonbongläser für 10 Pfennig. Und dann lose Milch, das sehe ich noch so richtig vor mir. Fand ich als Kind ganz toll – mit der Milchkanne loszugehen und ganz stolz einzukaufen.“

Auch ich kann mich sehr gut an meine Einkäufe in diesem Alter erinnern. Allerdings habe ich damals nur einen kurzen Einkaufsweg: Dieser unverstellte Blick aus unserem Küchenfenster auf den Laden von Frau Kruse! Heute stehen dort Bäume und das Geschäft gibt es schon lange nicht mehr.

Ich nehme an, dass meine Mutter mir nachschaut, um zu sehen, ob ich gut ankomme. Und ich kann mir vorstellen, dass ich das überhaupt nicht will. Richtig einkaufen heißt: Keiner guckt, keiner kontrolliert, ich mache und schaffe alles alleine. Das bedeutet auch, ohne Zettel einzukaufen. Ich will mir alles merken – wie die Erwachsenen. Und eine besondere Herausforderung kommt dazu: Frau Kruse fragt uns Kindern gerne Löcher in den Bauch: Hast du schon, machst du schon, bist du schon? Das passt mir nicht und dennoch will ich so gerne einkaufen. Also bleibe ich standhaft und berichte – wieder zu Hause – meiner Mutter voller Stolz: „Habe alles besorgt, aber keinen Piep gesagt!“

Ältere Kinder, die bereits zur Schule gehen, lernen eine weitere wichtige Fähigkeit im Umgang mit Geld: die Preise und das Rückgeld zu berechnen. Geben die Erwachsenen an der Kasse immer richtig heraus oder ist vielleicht eine Münze aus Thailand in meine Hand geraten? Nachzählen und Nachschauen sind immer wichtig, damit man sich später nicht ärgert, weil man Geld verloren hat. Rechnen ist also doch nicht nur ein Fach in der Schule. In welchen Alltagssituationen könnte es wichtig sein, den Kaufbetrag und die Höhe des Rückgeldes wenigstens grob zu überschlagen?

Michael aus Berlin hat es erlebt. Er berichtet von einem Einkauf, bei dem er einen etwa 13-Jährigen im Supermarkt an der Kasse beobachtet. Der Junge hat mutmaßlich den Auftrag, eine neue Patrone für den Sodawasser-Maker zu kaufen. Vielleicht rief ihm die Mutter hinterher: „Bring noch ein paar Zitronen mit!“ Der Sohn holt vermutlich als Erstes die Sauerstoffpatrone und dann den Beutel mit den guten Bio-Zitronen. Auf den Preis achtet er hierbei nicht, denn er ist in Gedanken schon bei der Schokolade, die er für sich mitnehmen will. Auch deren Preis spielt keine Rolle.

Michael erzählt: „Nun steht der Junge an der Kasse und muss feststellen, er hat sich bei seinem Einkauf total verschätzt. Die Kassiererin möchte nämlich 12,74 Euro von ihm, doch der Junge hat nur einen Zehn-Euro-Schein dabei. Das gesteht er der Frau ziemlich kleinlaut, und so ruft die Kassiererin Frau Klawirke mit dem Stornoschlüssel. Alles dauert ein bisschen. ‚Und wie machen wir das jetzt?‘, fragt die Kassiererin. Die Schokolade stand ja nicht auf dem Plan, also gibt der Junge sie ab. Die Ware wird erneut gescannt, diesmal mit dem Ergebnis von 10,75 Euro. Aber er hat immer noch nur 10 Euro dabei. Ein zweites Mal wird Frau Klawirke ausgerufen. Dem Jungen ist die Situation unglaublich peinlich. Ich habe mich gefragt, ob er sich das vielleicht hätte ersparen können, wenn er geguckt hätte, was seine drei Sachen kosten. Er scheint ja überhaupt nicht überprüft zu haben, ob es vielleicht eine Alternative zu den Bio-Zitronen gegeben hätte. Vielleicht hätte er auch einzelne Zitronen nehmen können und nicht ein ganzes Netz. Im Ergebnis lässt er jedenfalls auch die Zitronen im Supermarkt und geht nur mit der Kartusche und seinem Wechselgeld nach Hause.“

Ein Gespräch unter Eltern

Rechnen wir Erwachsenen denn (noch) konsequent unseren Einkauf zusammen? Und wissen wir, was ein Überschlag ist? Gelernt haben wir es, wie das folgende Gespräch zeigt.

Bettina: „Ich gebe mehr aus, wenn ich bargeldlos unterwegs bin. Da kann ich machen,

was ich will. Auch wenn ich gut im Kopfrechnen bin. Aber das ist oft unser Anspruch: es im Griff und im Gefühl zu haben, wie viel wir ausgeben. Und wie oft täusche ich mich da im Großen und im Kleinen.“

Mike: „Ja, stimmt. Wer von uns in der Runde rechnet denn noch nach, was es kostet, wenn wir zum Bäcker gehen oder kleine Einkäufe machen?“

Corinna und Sebastian: „Äh, wir machen das!“

Mike: „Ich mache es nicht, weil ich es mathematisch nicht hinbekommen würde, aber mir geht es so, weil auf den ganzen Sachen keine Preise mehr draufstehen. Heute muss ich mir das immer schon am Regal merken. Und da bin ich manchmal zu faul. Das mag bei den kleinen Sachen gehen, da mache ich noch einen lockeren Überschlag. Früher habe ich aber viel genauer gerechnet, als ich einkaufen war. Da gab es noch nicht diese vielen krummen Preise. Und wenn ich die Leute mit einem Einkaufswagen am Wochenende oder vor Feiertagen sehe, als stünden wir kurz vor dem Weltuntergang, sie den Supermarkt leerkaufen und bis zu 200 Artikel in ihrem Wagen haben, da kann mir keiner sagen, dass er irgendwie noch ansatzweise den Überblick hat.“

Bettina: „Ja, kenne ich. Für mich ist das der sogenannte Ikea-Effekt: Wollte nur Kerzen einkaufen und bezahle für den kleinen Berg an neuen Dingen stolze 175 Euro.“

Den Überblick behalten

Wie oft ertappen wir uns dabei, die Kontrolle über unsere Ausgaben – ihre Höhe und deren Richtigkeit – aus der Hand zu geben? Sind wir nicht mehr darauf angewiesen, auf jeden Cent zu achten? Wie steht es mit der Haltung unserer Großeltern: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“? Lachen unsere Kinder über diesen Spruch, weil sie es nicht für nötig halten oder wir es ihnen nicht mehr vorleben? Bemerken sie, dass wir in der ganzen Wohnung unachtsam unser Kleingeld herumliegen lassen und es uns egal ist, wenn wir beim Spätkauf ein paar Euro mehr bezahlen, als noch einmal zum Supermarkt zu laufen? Werfen wir Essensreste weg oder frieren wir sie ein? Wenn wir vor dem Waschen Cents und Euros aus den Hosentaschen der Familienmitglieder fischen würden, um sie dann in ein Glas zu stecken – wie viel würde nach einem halben Jahr zusammenkommen? Sind es nur die besonders Sparsamen unter uns, die den Blick auf die Kleinigkeiten des Alltags lenken? Was vermitteln wir unseren Kindern, wenn uns das Kleingeld nicht mehr viel wert ist? Und was erwarten wir von ihnen? Wie sollen sie die Preise alltäglicher Dinge kennenlernen, wenn Cent-Beträge immer unwichtiger werden? Und was heißt es in Zeiten von Kredit- und EC-Karten, nicht mehr genau hinzuschauen, seine Bons und Belege nicht mehr mitzunehmen und zu überprüfen?