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Über dieses Buch:

Er ist wohl Deutschlands ungewöhnlichster Ermittler: Amateurdetektiv Bartzsch kämpft gegen Allergene und nebenbei auch gegen das Verbrechen. In seinen Fällen geht es hoch und hatschi her: Der Feind aller Keime nimmt es mit einer Attentäterin, einem Entführer und einem Hammermörder auf. Vor allem aber mit einem blutrünstigen und obendrein auch noch stark haarendem Hund. Bartzsch beweist erneut: Gerade mit einer verstopften Nase schnüffelt es sich ausgezeichnet!

»Die Geschichten sind verrückt, der Detektiv ein wenig absonderlich und das Thema absurd: Aber dabei so gut, dass sich der Kauf dieser Trilogie durchaus lohnt.« Westdeutsche Zeitung über Die Allergie-Trilogie

Über den Autor:

Gunter Gerlach, Jahrgang 1941, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Er schreibt Hörspiele, Rundfunkserien, Kurzprosa und außergewöhnliche Krimis, für die er u. a. 1995 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde. Gunter Gerlach zählt zu den am häufigsten mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichneten Autoren, lebt in Hamburg.

Bei dotbooks erschienen bereits Gunter Gerlachs Romane »Herzensach«, »Das Jahr, in dem ich beschloss, meinen Großvater umzubringen«, »Ich bin der andere«, »Der Haifischmann«, außerdem die Krimi-Reihe »Kortison«, »Katzenhaar und Blütenstaub« und »Neurodermitis« sowie die Literatur-Quickies »Gold im Gebirge« und »Vorlieben«.

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eBook-Neuausgabe Februar 2016

Copyright © 2007 by Rotbuch Verlag, Berlin

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Thinkstockphoto/Jupiterimages

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-467-2

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Gunter Gerlach

Melodie der Bronchien

Neues vom Nieser: Kriminelle Stories

dotbooks.

Allergien

Bartzsch beugte sich vorsichtig über die Leiche im Blumenbeet. An seiner Nasenspitze hatte sich ein glasklarer Tropfen gebildet, der praller wurde, sich rundete, bis sich darin die kleine, jägerzaunbegrenzte Welt mit dem Blumenbeet und dem Einfamilienhaus spiegelte. Die Frau am Eingang des Hauses hatte die Hände vor das Gesicht gepresst und beobachtete uns schluchzend. Jetzt hob sie ihre geblümte Kittelschürze und wischte sich die roten Augen.

»Die Kehle ist zerfetzt.« Bartzschs Stimme klang heiser. Mindestens zwei Allergene bedrohten in diesem Augenblick seinen Organismus. Er räusperte sich. Der Tropfen löste sich von seiner Nase und fiel auf die Leiche. Wenn er nur keinen Anfall bekam. »Mach das Foto, und lass uns verschwinden«, keuchte er. Er bekam einen Anfall und wankte hustend zum Haus.

Ich stellte die Kamera ein, fotografierte den toten Schäferhund von allen Seiten und machte eine Nahaufnahme seiner zerbissenen Kehle. Dafür hatte Bartzsch mich mitgenommen.

Bartzsch lehnte gebeugt an der Hausmauer und presste sein Inhalationsgerät gegen das Gesicht. Eine Aluminiumflasche mit einer durchsichtigen Maske, die Nase und Mund umschloss. Er hatte es immer dabei.

»Er war so ein lieber Hund, konnte keiner Fliege was zuleide tun.« Das verheulte Gesicht der Frau und Bartzschs geschwollenes Gesicht mit der roten Nase passten zusammen.

»Wann haben Sie ihn rausgelassen?« Bartzsch hatte seine Stimme wiedergefunden.

»Nach der Tagesschau. Der konnte keinem was zuleide tun. Er blieb oft nachts draußen. Ging in seine Hütte. Alle haben ihn geliebt. Und so treu. Seine lieben Augen. Dann, heute Morgen ...«

»Holen Sie den Abdecker.«

Bartzsch winkte mir zu. Tierliebe konnte für ihn tödlich sein. Wir verließen das Grundstück. Er kratzte sich mit den Fingernägeln das Gesicht.

»Kannst du mir einen Gefallen tun? Reiß mir diese verdammte juckende Nase aus dem Gesicht.«

»Wie wär's mit einem Schuss Kortison?«

Bartzsch grinste.

Mein Freund hatte nicht nur eine Allergie gegen Hunde- und Katzenhaare, sondern auch gegen Waschmittel, Tomaten, Kunststoffe, Pollen, Hausmilben, Chlor, Erdbeeren, chemische Konservierungsstoffe, Lösungsmittel, Hausstaub, Kaffee und Bratfett. Es hatte ihn für jeden Beruf ungeeignet und im Alter von fünfundvierzig Jahren zum Frührentner gemacht. Beim kleinsten Anlass bekam er Pickel, Pusteln, Asthma, seine Nase schwoll an, auf seinem Körper formten sich rote Erdteile heraus, bewegten sich aufeinander zu, bildeten Landbrücken und in den Gelenkhöhlen blutende Erdspalten, manchmal Vulkane. Ich hatte ihn oft genug im Krankenhaus besucht.

Seine Hypersensibilität hatte ihn kortisonsüchtig gemacht. Es war das einzige Mittel, das ihn überleben ließ, und ihn dabei durch seine Nebenwirkungen langsam tötete. Doch jetzt war er mit einer Krankenschwester befreundet, die seine Wohnung in eine Isolierstation verwandelt hatte. Es ging ihm gut. Und er hatte einen neuen Fall. Er durfte wieder Detektiv spielen. Einen Fall mit Hundehaaren. Es würde ihm nicht lange gutgehen.

»Du kannst mir wirklich noch einen Gefallen tun. Ich kann die Luft in deinem Wagen ganz gut vertragen. Du könntest mich ein bisschen herumfahren. Ich muss so ziemlich alle Plätze in Hamburg inspizieren, an denen sich Hundebesitzer treffen.«

»Was suchst du?«

»Eine blutrünstige Bestie.«

Die nächtliche Verwandlung meines Badezimmers in ein Fotolabor war lange geübt. Ich brauchte wie immer drei Minuten und vierzig Sekunden. Ich wählte die Schnelltrocknung des entwickelten Films mittels meines Föhns, und nach dreißig Minuten konnte ich die zerbissene Kehle als Negativ unter meinem Vergrößerungsgerät betrachten. Bartzsch fehlte so ziemlich alles zu einem richtigen Detektiv, und nun war er auch noch auf den Hund gekommen. Ein toter Hund. Was würde er für die Jagd nach der Mörderbestie bekommen? Hoffentlich kein Erfolgshonorar. Denn spätestens nach einer Woche würde er feststellen, dass man einen Mord unter Hunden nicht aufklären kann. Hunde kann man nicht verhören oder mit einem Trick zu einem Geständnis bewegen. Und selbst wenn es ihm gelang herauszufinden, wer die Bestie war, was dann? Polizei, Gerichtsverfahren, Gefängnis? Ich schob die letzten Vergrößerungen in die Wasserschale und hängte die Handdusche zum Wässern hinein. Das größte Problem meines Fotolabors sind die Rückenschmerzen. Sie kommen unausweichlich, wenn man zwei Stunden vor der Badewanne kniet. Vor dem nächsten Morgen würde ich Bartzsch die Bilder nicht bringen können. Ich besitze keine Trockenpresse und muss die Vergrößerungen über Nacht auf die Wäscheleine hängen.

Richtige Detektive wohnen bestimmt westlich der Alster oder haben ihr Büro in der Innenstadt. Sie leben wahrscheinlich von Scheidungen, Inkassoaufträgen und Wirtschaftsinformationen.

Bartzsch hatte kein Büro, er wohnte in Wandsbek und lebte von einer Rente.

Das dreistöckige Wohnhaus aus den sechziger Jahren lag direkt gegenüber dem Eichtalpark. Bartzschs neueste Allergiebremse war eine selbstgebaute Luftschleuse gleich hinter der Wohnungstür. Schuhe und Straßenkleidung mussten hier abgelegt werden. Das Überziehen steriler Kleidung, eine Forderung seiner Freundin, hatte er verhindern können. Im spärlich ausgestatteten Wohnzimmer war Staub- und Milbenvermeidung oberstes Gebot.

Er bot mir von seinem Kräutertee an. Ich legte ihm die Fotos auf den Tisch.

»Bartzsch, du bist verrückt. Du kannst nicht gegen einen Hund ermitteln, der einem anderen Hund getötet hat.«

»Es geht nicht um einen toten Hund.« Sein rundes Kortisongesicht grinste. »Es sind drei.«

»Wir sind hier nicht in der Taiga, wo man mit langläufigen Jagdflinten den Spuren einer Bestie folgen könnte. Wir sind in Hamburg und haben es offiziell mit vierzigtausend Hunden zu tun, vom Schoßhündchen bis zum Zuhälterkampfhund, und die pissen an jede Straßenecke und hinterlassen täglich tonnenweise Hundekot. Das sind deine Spuren. Da musst du aufpassen, dass du nicht mittendrein trittst.«

»Ich suche einen ganz bestimmten Hund. Ich weiß sogar, wie er in etwa aussieht.«

»Diese alte Frau ist wirklich deine Klientin?«

»Nein, ein kleines Mädchen.«

Er öffnete einen Aktenordner und schob mir einen Ausschnitt aus der Hamburger Morgenpost zu. Es ging um einen Jogger, der von einem Hund angefallen und schwer verletzt worden war. Ein zweiter Zeitungsausschnitt folgte. Er zeigte ein lächelndes dreijähriges Mädchen. Ein Hund hatte ihr Kinn und Wange zerbissen.

»Hinzu kommen drei Hunde mit zerbissener Kehle. Die stehen nicht in der Zeitung. Und alles innerhalb von vierzehn Tagen.«

»Und du meinst, es könnte ein und derselbe Hund sein? Ein Mörderhund? So was gibt es nur im Kino.«

»Es gibt einige Krankheiten, Staupe zum Beispiel, wenn ein Hund die überlebt, hat er oft Hirnschäden, dann funktionieren seine Instinkte nicht mehr richtig.«

Wir nippten an unserem bitteren Kräutertee, und ich sah, dass Bartzsch ihn ebenso angewidert trank wie ich.

»Ist das ein Hobby von dir?«

»Es ist Sylvias Spezialmischung. Ich muss ja, aber warum trinkst du ihn?«

»Ich meine, hast du einen Auftraggeber?«

»Sylvia macht diesen Tee nur für mich.«

Er wollte mich nicht verstehen. Aber ich war sicher, dass er einen Klienten hatte und versuchte, wie einer dieser amerikanischen Filmdetektive ein Geheimnis daraus zu machen. Er war eine miserable Besetzung für diese Rolle.

Wir stiegen in mein Auto, einen alten Volvo, dessen Kunststoffverkleidung vierzehn Jahre Zeit hatte, ihre Gifte auszudünsten. Wahrscheinlich war Bartzsch von dem Jogger oder den Eltern des kleinen Mädchens beauftragt worden, denn von ihnen hatte er eine Beschreibung des Hundes. Der Jogger hatte behauptet, es sei ein riesiger Wolfshund gewesen mit blauen Augen, grauem Fell und einer auffällig geschlängelten schwarzen Zeichnung auf dem Rücken. Die Eltern des Mädchens hatten zwar von einem hüfthohen Schäferhund gesprochen, aber auch von einer zackenförmigen schwarzen Decke auf dem Rücken.

Die Wiese vor dem »Kleinen Fährhaus« an der Alster war immer noch ein Hundespielplatz. Die Warnung der Behörden, bei frei laufenden Hunden in öffentlichen Anlagen künftig härter durchzugreifen, hatte keine große Wirkung gezeigt. Wir fuhren zum Anleger und beobachteten das Treiben vom Auto aus. Es war ziemlich reinrassig. Neben uns beförderte eine Frau zwei Wollknäuel aus ihrem BMW.

»Malteser«, kam es fachmännisch von Bartzsch.

»Du kennst dich aus.«

»Ich bin seit kurzem Besitzer eines Hundebuchs.«

»Der da gefällt mir.«

»Irischer Wolfshund.«

»Und das arrogante Vieh rechts?«

»Keine Ahnung. Ein Windhund. Vielleicht ein Barsoi. Der Hund des Zaren. Könnte auch ein Saluki sein oder ...«

Bartzsch richtete sich plötzlich auf, sog heftig die Luft ein und gab knurrend Laut. »Da!«

Ein Mann mit zwei Schäferhunden betrat die Bühne. Am Rand der Wiese klinkte er die Hunde von der Leine. Der eine versuchte, den Barsoi zu jagen, der andere buckelte und ließ eine Wurst fallen.

»Die muss ich mir ansehen.«

»Die Hundescheiße?«

Bartzsch stieg aus, betrat die Wiese und ging zielstrebig auf den Mann mit den Schäferhunden zu. Ich folgte ihm und fühlte einen Blick in meinem Rücken. Ich drehte mich um. Zwischen den Blättern des Gebüschs auf der anderen Seite der Straße leuchteten ein Stück Fell und zwei stechende Augen.

»Wissen Sie, ich suche einen Deckrüden«, hörte ich Bartzsch sagen. Ich blieb auf Abstand. Der Mann sah Bartzsch nicht an, sondern hatte nur seine Hunde im Auge. »Ich lege Wert auf eine besondere Zeichnung. Wissen Sie, der Sattel sollte schmal und geschlängelt oder gezackt sein.«

»Das gibt's doch nur bei Mischlingen.«

»Ich hab aber mal so einen gesehen.«

»Wahrscheinlich einer von den Harburgern. Da gibt es eine Gruppe Jugendlicher, die haben Spaß an so was. Aber alles nichts Reinrassiges. So was wird vom Zuchtverband doch nicht anerkannt.«

Einer der Hunde war zurückgekommen, hatte sich seitlich von Bartzsch aufgestellt, fixierte ihn und begann, leise zu knurren. Bartzsch wich einen halben Schritt zurück.

»Keine Angst. Der tut nur so. Der ist ganz gutmütig. Lord, sitz!«

Der Hund setzte sich, ließ Bartzsch nicht aus den Augen, knurrte wieder und hob die Lefzen.

»Lord, bei Fuß!«

Der Hund drehte nur ein Ohr, hob sein Hinterteil etwas an und neigte sich nach vorn, als wolle er springen.

»Lord, kommst du her! Bei Fuß!«

Bartzsch wagte nicht, sich zu rühren. Seine Nackenhaare hoben sich und gaben den Blick auf zwei diamantsplittergroße Schweißperlen frei. Der Mann hielt den Hund am Würgehalsband fest.

»Sie brauchen keine Angst zu haben, der tut keinem was. Wirklich. Er kennt Sie halt nicht.«

»Schon gut. Vielen Dank noch.« Bartzsch drehte sich um, in diesem Moment machte der Hund einen Satz. Bartzsch sprang nach vorn. Die Zähne schnappten ins Leere.

»Ich glaube nicht, dass wir hier noch länger bleiben sollten.«

Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss. »Wir sind enttarnt. Der Hund wusste genau, wer du warst. Und jetzt macht es die Runde.«

Bartzsch hatte einen Hamburger Stadtplan auf den Knien ausgebreitet.

»Was ist los? Wo wollen wir hin?«

»Harburg macht keinen Sinn. Ich weiß, dass dort auf dem Schwarzen Berg ein Hundetreff ist, aber nein, zu weit weg.«

Er fuhr mit dem Finger auf dem Stadtplan entlang.

»Die Tatorte konzentrieren sich in Eilbek und in Wandsbek. Der Jogger wurde in der Bellevue angefallen – schon ziemlich weit außerhalb. Wie wär's hiermit: Kuhmühle. Könnte ein Treffpunkt für Hundebesitzer sein.« Als wir losfuhren, löste sich ein schwarzer Hund aus dem Gebüsch und jagte uns bis zur Kreuzung nach.

Wir inspizierten den Kuhmühlenteich an der Eilenau, gingen auf dem Dulsberg spazieren und umrundeten den Mühlenteich am Bahnhof Friedrichsberg. Im Wandsbeker Gehölz machte Bartzsch schlapp. Sein Atem klang wie das Hecheln des Schäferhunds am Würgehalsband. Ich schätzte, dass wir rund zwanzig von den vielleicht achttausend Schäferhunden in Hamburg abgehakt hatten. Ich setzte Bartzsch zu Hause ab und sah, wie ein großer, schwarzgelber Hund hinter der Ecke seines Hauses verschwand.

»Weißt du, dass es den Deutschen Schäferhund erst seit rund neunzig Jahren gibt?«, fragte er mich beim Abschied durchs Autofenster.

Er stand wieder kurz vor einem Asthmaanfall.

»Spar dir deine Luft für die Treppen.«

»Ich erzähl dir die Geschichte als kleines Dankeschön. Ein gewisser Rittmeister von Stephanitz hat diese Rasse erfunden. Er legte ihre Merkmale fest. Die Biester müssen ihn dafür geliebt haben, denn als er 1936 starb, bellten ihm zu Ehren siebenhundert Schäferhunde auf einer Ausstellung in Köln eine Minute lang.« Er begann zu kichern, holte röchelnd Luft und stieß ein lachendes Bellen aus, das in einen Hustenanfall überging. Ich war mir nicht sicher, ob er die Treppen nach oben noch schaffen würde.

Kaum war ich zu Hause, klingelte das Telefon. Ich nahm ab, und am anderen Ende war das typische Luftholen zu hören.

»Wenn das nicht mein alter Freund Singende Lunge ist.«

»Hör zu, Arschloch, ich brauch dich noch mal.«

»Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?«

»Hör auf mit dem Scheiß. Ich hab da eine Anzeige aufgegeben. Im Abendblatt. Wegen toter Hunde. Und es gibt ein paar Zuschriften. Interessante. Zwei Leute. Nicht weit. Bitte.«

»Schon gut.«

Es bellte in der Leitung.

Ich legte auf und ging die letzten Abendblätter durch.

Kleinanzeigen »Verschiedenes«. Ich fand seine Anzeige: »Hundemorde! Wessen Hund wurde in letzter Zeit umgebracht? Chiffre ...«

Vor mir sah ich Waschkörbe voller tränendurchweichter Briefe.

Bartzsch ging es nicht gut. Das Orchester in seinen Bronchien war laut und vernehmlich und gab unser erstes Fahrtziel an. Eine Arztpraxis.

»Ich dachte, Sylvia hätte dich im Griff.«

»Es ist die Praxis, in der sie arbeitet. Ich hol mir nicht mehr Kortison als unbedingt nötig.«

Bartzsch hatte neun Zuschriften bekommen. Zwei Hundebesitzer hatten sich nur ausweinen wollen. Ihre Köter waren vermutlich eines natürlichen Todes gestorben. Drei Tiere kamen von außerhalb Hamburgs. Zwei hatten Rattengift gefressen. Einer hatte sich in einem Zaun erwürgt. Und zweien war nachts im Garten die Kehle durchgebissen worden; in Wandsbek und im benachbarten Tonndorf. Unsere Bestie verriet ihren Standort.

»Er war so ein schönes Tier. Wir nannten ihn Benni, aber eigentlich hieß er Benjamin von Hohenhorst. Wir holten ihn von einem Züchter.« Die Frau hatte uns Kaffee serviert, stand jetzt am Fenster und sah in den Garten hinaus, der direkt an das Wandsbeker Gehölz grenzte.

»Da draußen ist irgendetwas. Wir können es uns nicht anders erklären. Er lag am Morgen tot neben dem Zaun. Die Kinder sind besonders traurig darüber. Man hört ja manchmal was von irgendwelchen wilden Tieren im Gehölz.«

»Vielleicht ein wildernder Hund.« Bartzsch betrachtete seinen Kaffee, den er nur aus Höflichkeit nicht abgelehnt hatte, und ich fürchtete schon, er würde ihn trinken. Aber Sylvia hatte ihn gut erzogen. Er schob die Tasse zurück und stand auf. »Zeigen Sie uns bitte die Stelle.«

Wir gingen in den Garten. Der Zaun war kein Schutz. Man konnte ihn ohne weiteres überklettern. Ein großer Hund hätte darüberspringen können. Dahinter der dunkle Park. Große alte Buchen mit silbergrauen Stämmen, silbergrau wie Wolfsfell.

»Wissen Sie, er war kein besonders guter Wachhund. Ganz im Gegenteil. Der machte sogar Männchen vor dem Briefträger. Wenn man nicht aufpasste, ging er mit jedem mit. Er war ein bisschen dumm – aber lieb.«

»Und das war vor acht Tagen?«

»Ja.«

Wir kehrten ins Haus zurück. Ich hatte wieder das Gefühl, dass da draußen ein Tier war und uns beobachtete.

»Schade«, sagte Bartzsch, »ich hätte ihn gern untersucht.«

»Aber das können Sie.«

»Wie?«

»Wissen Sie, wir wollten ihn draußen im Wald beerdigen, an einer schönen Stelle. Ich weiß, dass das verboten ist, aber wir liebten Benni so. Und dann hatten wir am Wochenende keine Zeit.«

»Und?«

»Er liegt in der Kühltruhe.«