Essen ist mein liebstes Gesprächsthema. Ich rede gerne stundenlang über Meeresfrüchte, Algen und vieles mehr. Aber mein größtes kulinarisches Herzensanliegen ist heilsames Essen – ich beobachte jeden Tag, wie positiv es das Leben meiner Klienten beeinflusst. Mit gesunder Ernährung habe ich auch mein Leben mehr als einmal geändert. Als ich von mehreren Ärzten erfuhr, meine chronischen Krankheiten seien wahrscheinlich nicht vollständig heilbar und ich müsse Medikamente – die vielleicht wirksam, vielleicht unwirksam seien – in enormen Mengen einnehmen, beschloss ich, meinen eigenen Weg zum Wohlbefinden zu gehen. Meine Methoden waren vielfältig, aber die Rolle der Ernährung war in beiden Gesundheitskrisen entscheidend. Ganzheitliche Verfahren machten mich zwei Mal wieder völlig gesund, ohne großen ärztlichen Beistand, und dank meiner Ernährung fühlte ich mich bald wieder wohl. Erfreulicherweise sind meine damaligen Krankheiten nun seit vielen Jahren Vergangenheit, aber gesunde Ernährung wird immer ein wichtiger Teil meiner Gegenwart sein. Ich hatte das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, die nur vollwertige, biologisch angebaute Nahrungsmittel aß, und ich glaube, das ist der Schlüssel zur Gesundheit. Je konsequenter wir uns so ernähren, wie die Natur es wollte – nicht, wie Chemiefabriken es wollen –, desto größer sind unsere Chancen, gesund und glücklich zu sein.
Von all den Nahrungsmitteln, die ich für meine Gesundheit nutze, kommt Knochenbrühe einem Allheilmittel am nächsten. Mit ihr helfe ich meinen Klienten vom Leaky-Gut-Syndrom (pathologisch durchlässige Darmwand), von Dünndarmfehlbesiedlung, von Zöliakie, von der Lyme-Krankheit, vom Reizdarmsyndrom, von Sportverletzungen und vielen anderen Leiden zu genesen. Knochenbrühe besteht fast nur aus Knochen und Wasser, doch ihre erstaunliche Wirkung straft ihre billigen Zutaten und ihre einfache Zubereitung Lügen. Selbst wenn wir nur erkältet sind, haben wir unweigerlich Appetit auf Suppe – sie ist leicht verdaulich und wohltuend, und wenn wir zu müde zum Kauen sind, können wir immer noch Brühe nippen. Darum überrascht es nicht, dass der gesundheitliche Nutzen der Knochenbrühe vielfältig ist. Man nimmt an, dass die Menschen Knochen von Tieren gekocht haben, seit sie Tiere wegen ihres Fleisches jagen. Schon zur Zeit von Hippokrates rühmten Ärzte die Vorzüge von Knochenbrühe und fast jede Kultur bereitete sie auf ihre Art zu.
Die Paläo-Ernährung wird immer beliebter und damit auch die Knochenbrühe. Anhänger fast jeder Ernährungsrichtung werden auf sie aufmerksam. Diäten kommen und gehen, auch die Popularität der Paläo-Kost wird immer wieder als Modeerscheinung abgetan. Sie unterscheidet sich jedoch von Ideologien wie dem Veganismus oder der fettarmen Ernährung in einem wichtigen Punkt: Sie wurzelt in der Geschichte unserer Ernährung. Wenn wir möglichst weit zu unseren uralten Wurzeln zurückkehren, entdecken wir auch Heilmittel wieder, die wir nie hätten vergessen dürfen. Knochenbrühe ist damit weniger ein »Trend«, sondern eher ein einfaches, heilendes Hilfsmittel, von dem fast jeder profitieren kann. In diesem Buch werde ich auf zahlreiche Krankheiten eingehen, zu deren Heilung Knochenbrühe beitragen kann – Sie werden staunen, wie viele das sind. Wir verstehen inzwischen, dass Grünkohl gut für alles ist: Er hilft dem Gehirn, wirkt präventiv gegen Krebs, stärkt das Immunsystem, saniert den Darm und liefert wichtige Nährstoffe wie Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Bei der Knochenbrühe ist die Heilwirkung sicher etwas schwerer erkennbar und sie ist vielleicht nicht immer grün, aber dafür hochwirksam.
Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird, wenn es um Knochenbrühe geht, lautet: »Sind alle Knochen gleich gut?« Darauf werde ich ausführlich eingehen. Zwar weisen die Knochen jeder Tierart einen Heileffekt auf, aber sie haben auch jeweils individuelle Merkmale und Wirkungen. Abgesehen davon sind die Knochen eines Tieres, die Sie für eine Brühe verwenden, ebenso wichtig wie sein Fleisch, wenn Sie ein Steak oder ein Kotelett essen. Die hoch industrialisierte Landwirtschaft liefert meist entzündungsfördernde Produkte, die Hormone und Antibiotika enthalten und nicht Teil unserer täglichen Kost sein sollten. Wenn Sie für eine Brühe Knochen von Tieren verwenden, die in einer Art landwirtschaftlicher Fabrik mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, und von ihr Heilung erwarten, dann ist das ungefähr so vernünftig wie das Entsaften von pestizidbelastetem Gemüse in der Hoffnung, den Körper damit zu entgiften. »Du bist, was du isst«, sagt eine Redensart, und darum ist es auch wichtig, was unsere Nutztiere gefressen haben. Ich werde Ihnen erklären, wie wichtig das Fleisch und die Knochen von Tieren sind, die mit Gras gefüttert wurden, und auch auf ökologische Tierhaltung und Produkte von wild lebenden Tieren eingehen. Die Gründe dafür reichen von der Ethik bis zum Gehalt an essenziellen Fettsäuren – Sie werden sehen, dass nachhaltig und artgerecht gehaltene, ökologisch gefütterte Tiere bei Weitem die beste Wahl sind.
Die Zubereitung einer Knochenbrühe ist so einfach, dass man eigentlich gar kein Rezept dafür braucht. Aber die notwendige Garzeit kann zur Herausforderung werden. Wenn Sie es nicht gewöhnt sind, eine Stunde in der Küche zu stehen, haben Sie wahrscheinlich noch weniger Lust, 24 Stunden dort zu verbringen. Zum Glück befreien moderne Geräte wie Dampfdrucktopf und Schongarer Sie von der Pflicht, den Topf beim Kochen ständig zu beobachten. Damit Ihnen klar wird, wie einfach die Zubereitung einer Knochenbrühe ist, gehe ich auf die verschiedenen Garmethoden und deren Vorteile ein. Glauben Sie mir, das Brühekochen ist nicht annähernd so kompliziert, wie Sie vielleicht befürchten, und außerdem ziemlich narrensicher. Wenn Sie Wasser kochen können, dann können Sie auch eine Knochenbrühe zubereiten. Wenn Sie nicht wissen, wie man Wasser kocht, dann lernen Sie es und werfen Sie vorher einfach noch ein paar Knochen ins Wasser!
Natürlich zeige ich Ihnen nicht nur, wie man eine Brühe macht. Denn ich weiß, dass die meisten Menschen nicht nur an der Brühe nippen möchten. Höchstwahrscheinlich wollen Sie mit der Knochenbrühe etwas für Ihre Gesundheit tun, wenn Sie sie in ihr kulinarisches Repertoire aufnehmen. Ich werde Ihnen außerdem Rezepte für Suppen und Eintöpfe vorstellen – von einfachen Kombigerichten aus püriertem Gemüse und Brühe bis zu gesunden Versionen alt bewährter Klassiker. Außerdem werde ich Sie mit einer Reihe von Kräutertonika vertraut machen, von denen ihre Gesundheit in Windeseile profitieren kann. Habe ich jemanden »Brocktail« sagen hören? Brocktails waren in der alten Zeit Grundnahrungsmittel in Restaurants, viele moderne Restaurants bieten sie heute wieder an. Die Knochenbrühe macht so aus einem Cocktail ein Abenteuer – darum möchte ich Ihnen einige mixologische Geheimnisse verraten, die nicht nur eine selbst gemachte Brühe für Ihre Gäste aufpäppeln, sondern mittels spezieller Inhaltsstoffe auch die Wirkungen des Alkohols im Organismus dämpfen.
Ich bin sicher, dass auch Sie am Ende dieses Buches bestätigen, was ich schon lange weiß: Einfache, vollwertige Gerichte sind die beste Naturmedizin. Es macht Spaß, sie zuzubereiten, und sie schmecken unglaublich gut. Ich freue mich, mein Wissen zum Thema Knochenbrühe veröffentlichen zu dürfen, und bin mir sicher, dass Sie dieses Buch mit dem Vorsatz schließen werden, selbst eine Brühe zu kochen.
Knochenbrühe ist ein uraltes Grundnahrungsmittel, das heute neu entdeckt wird. Sie ist nicht mehr nur eine Zutat für Suppen und Eintöpfe, sondern auch ein stärkendes sowie gesundes Getränk. Ihre revitalisierenden gesundheitlichen Wirkungen sind zahlreich, doch zunächst sollen Sie erfahren, worin der Unterschied zwischen einer Brühe und einer Suppenbasis besteht. Ursprünglich unterschieden sich beide hinsichtlich der verwendeten Knochen- und Fleischmengen. Brühe galt als schmackhafter, weil für ihre Zubereitung mehr Fleisch verwendet wurde, während die Suppenbasis aus mehr Knochen hergestellt wurde und milder im Geschmack war. Im Handel erhältliche Suppenbasis wird meist viel kürzer gekocht als selbst gemachte Brühe und enthält Aroma- und Zusatzstoffe, die den Nährwert fast wieder zunichtemachen.
Im Französischen heißt die Brühe bouillon und consommé, im Italienischen brodo. Boullion und brodo sind gleichbedeutend. Beide werden aus langsam gekochten Knochen, mirepoix (Röstgemüsemischung) und Wasser zubereitet. Das ist die traditionelle Brühe. Consommé ist eine Brühe, die mit Eiweiß geklärt ist. Die Zugabe von Eiweiß bewirkt, dass die festen Zutaten zusammenkleben, sodass man sie leicht absieben kann.
Die Debatte über Brühen und Suppenbasen geht in den Küchen und unter Köchen auf der ganzen Welt weiter. Aber was wir heute als Knochenbrühe bezeichnen, beginnt mit verschiedenen Knochen nebst Mark und Knorpeln, gemischtem Gemüse, Wasser und einem Spritzer Essig oder Zitronensaft. Diese Zutaten werden oft mehrere Tage lang gekocht, sodass Mineralstoffe, Vitamine und Aminosäuren aus der Knochengelatine in die Brühe übergehen. Die Kombination aus Nährstoffen und Aroma, das bei dem langen Kochvorgang freigesetzt wird, macht die Knochenbrühe nicht nur gesund, sondern auch sehr appetitanregend.
Lass Nahrung deine Medizin und Medizin deine Nahrung sein.
Hippokrates
Eine Suppe könnte durchaus das erste Produkt der menschlichen Kochkunst sein. Hitzefeste Behälter, in denen man Wasser kochen kann, wurden vor etwa 5000 bis 9000 Jahren erfunden, aber Brühen wurden vielleicht schon früher gekocht. Vor Kurzem entdeckte man hitzebeständige Keramikgefäße in der Höhle Xianrendong in China. Das lässt darauf schließen, dass Schüsseln zum Kochen und Essen bereits vor 20 000 Jahren benutzt wurden. Viele Archäologen sind allerdings der Ansicht, dass Keramik für die Zubereitung des Essens gar nicht notwendig war, solange ein mit Tierhaut ausgekleidetes Erdloch und mit Feuer erhitzte, glühende Steine zur Verfügung standen. Zwar dürfte das archäologische Wissen über die gastronomische Entwicklung des modernen Menschen nie für ein genaues Kochbuch reichen, aber die meisten Historiker stimmen darin überein, dass die Brühe, die nach dem Kochen von Fleisch und Knochen übrig blieb, für den Frühmenschen ein wesentlicher Teil der täglichen Ernährung war.
Wenn wir auf der kulinarischen Zeitschiene weiterfahren, finden wir die ersten schriftlichen Hinweise auf Brühen. Unser Wort Suppe ist vom lateinischen suppare (einweichen) abgeleitet, aus dem später das französische Wort sope oder soupe entstand, mit dem eingeweichtes Brot in einer Brühe gemeint war und das zugleich die Wurzel des englischen supper (Abendessen) ist. Dazu passt, dass in Frankreich möglicherweise das erste moderne Restaurant eröffnet wurde, in dem ursprünglich Gerichte angeboten wurden, die auf Brühe basierten. Vor Ende des 18. Jahrhunderts kamen Wirtshäuser, die ihre Gäste auch verpflegten, unserer Vorstellung von einem Restaurant am nächsten. 1765 soll ein Pariser namens Boulanger ein Geschäft eröffnet haben, in dem er eine Brühe aus in Weißwein geköchelten Schafsfüßen anbot. Auf einem Schild über dem Laden sollen die Worte Boulanger débite des restaurants divins (»Boulanger serviert göttliche Speisen«) gestanden haben, eine Anspielung auf die stärkende Wirkung der Brühe. Das Wort »Restaurant« entstand also aus dem Motto des Geschäfts, das vitalisierende Brühe verkaufte.
Brühe ist noch heute ein bewährtes Heilmittel in vielen Kulturen und bei Großmüttern auf der ganzen Welt. Ganz ähnlich wie einige altbewährte Arzneien – zum Beispiel schimmeliges Brot zur Wundheilung vor der Entdeckung des Penicillins, Hafer in der Badewanne zur Linderung von Windpocken und Hautausschlägen oder Pfefferminztee zur Beruhigung des Magens – sind Brühen und Suppen seit Generationen zuverlässige Hausmittel bei Erkältung, Grippe und anderen Krankheiten. Im 12. Jahrhundert beschrieb der jüdische Arzt Moses Maimonides ausführlich die therapeutischen Wirkungen der Hühnersuppe. In seinen medizinischen Responsa empfahl er Hühnerbrühe, um »die körperliche Verfassung zu neutralisieren« und um Asthma und Lepra zu heilen. Lepra war zwar mit Hühnerbrühe nicht heilbar, aber im Jahr 2000 wies eine Studie des medizinischen Zentrums der Universität Nebraska in Omaha nach, dass die Hauptzutaten in der Hühnerbrühe Entzündungen hemmen und Atemwegsbeschwerden bei Erkältungen lindern können.
Brühe ist heute noch in vielen Kulturen eine hochgeschätzte Tradition und eine lindernde Arznei. In vielen Varianten schöpft man sie auf der ganzen Welt in Schüsseln – die griechische avgolemono ebenso wie die japanische tonkotsu, die jamaikanische Rindshaxensuppe, die koreanische seolleongtang, die dänische hønsekødssuppe und die Matzensuppe, die viele Leute liebevoll »jüdisches Penicillin« nennen. Rezepte für traditionelle Hühnersuppen mit Nudeln gehören zu den bekanntesten der Welt und die positive Wirkung dieser Suppe wird immer noch geschätzt. Heute sind lange gekochte Brühen in vielen Formen – von der Geflügelbrühe über die Rinder- und Schweinebrühe bis hin zur Fischbrühe – Zutaten nahrhafter Speisen. Die nächste Entwicklungsphase dieses uralten Gerichts sind heute herzhafte und vitalisierende Gesundheitsgetränke.