(The Philosophy Basic to Freud’s Psychoanalysis)
Erich Fromm
(1962c)
Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]
Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.
Erstveröffentlichung unter dem Titel The Philosophy Basic to Freuds Psychoanalysis in der Zeitschrift Pastoral Psychology, New York 13 (1962) S. 26-32. Eine erste, von Liselotte und Ernst Mickel besorgte Übersetzung ins Deutsche erfolgte 1981 in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt), GA VIII, S. 223-230.
Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA VIII, S. 223-230.
Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.
Copyright © 1962 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.
Die besondere Rolle Freuds in der Philosophie besteht meines Erachtens darin, dass er den Geist der Romantik mit dem des Rationalismus vereinigt hat. Freud war in der Tat ein Romantiker, der mit anderen sein Interesse an der menschlichen „Unterwelt“ im Traum und Mythos teilte. So ist es beispielsweise kein Zufall, dass er einen pathologischen Komplex als Ödipuskomplex bezeichnet hat. Dieser vereinigte alles in sich: die griechische Mythologie, die menschliche Natur und eine neurotische Erkrankung. Es war eine Welt, die er erobern wollte, wie er in einem Motto zu seiner Traumdeutung sagt: „Kann ich die Götter nicht beugen, so werd’ ich den Orkus bewegen“ (Flectere si nequeo superbos, Acheronta movebo – Vergil, Äneis,7,312). Dort also wollte er seine Entdeckungen machen. Aber Freud war gleichzeitig ein typischer Vertreter der Aufklärungsphilosophie. Er war ein typischer Rationalist. Mit den Philosophen der Aufklärung teilte er vor allem deren pathetischen Glauben an die Vernunft, ihren ungebrochenen und bedingungslosen Glauben an die Vernunft als dem einzigen Werkzeug des Menschen, das ihm die Möglichkeit gibt, seine Welt zu verstehen und mit ihr fertig zu werden. Tatsächlich hat er seine gesamte Therapie auf diesen Glauben aufgebaut. Das Grundprinzip von Freuds Therapie lautet: Wer sein Unbewusstes versteht, befreit sich in eben diesem Prozess und kann sein Symptom überwinden.
Das Motto Freuds könnte sein: „Die Wahrheit wird dich gesund machen.“ In dieser Hinsicht stimmt er mit den Ideen von Sokrates, der Stoiker und mit der rationalistischen Philosophie aller Jahrhunderte überein. Am deutlichsten wird das vielleicht in seiner Schrift Die Zukunft einer Illusion (S. Freud, 1927c[VIII-224]K. Marx, 1971