Deine Hand, meine Hand
Deine Hand, meine Hand,
du berührst mich, ich berühre dich.
Auch wenn wir getrennt sind,
sind wir für immer eins.
© Unendlich ist der Schmerz von Julie Fritsch / Sherokee Ilse, © 1995 Kösel-Verlag, München
Über das Buch
Dieses Buch begleitet Eltern einfühlsam auf ihrem Weg durch die Trauer. Es hilft dabei, Antworten zu finden, und legt den Grundstein dafür, dass Trauernde an diesen Erfahrungen nicht zerbrechen, sondern wieder zu Hoffnung und neuem Lebensmut finden.
Hannah Lothrop führt Eltern durch den Trauerprozess beim Tod ihres Babys und bietet für jeden Schritt konkrete Hilfen zur Heilung von Körper, Geist und Seele an:
• Körper- und Atemübungen
• Meditationen
• Visualisierungen
• Anleitung für den Umgang mit Gefühlenund für Gespräche
• kreative Methoden wie Malen, Schreiben u.v.a.
Eltern erfahren, dass sie mit ihren Gefühlen und Reaktionen nicht allein sind, aber auch, dass die Zeit des unsagbaren Schmerzes und der Untröstlichkeit überwunden werden kann. Auch allen, die trauernde Eltern begleiten, zeigt sie, wie man mit der eigenen Hilflosigkeit umgehen und den Betroffenen beistehen kann.
Seit über 25 Jahren hilft dieses einzigartige Buch Eltern dabei, den Verlust ihres Babys zu verkraften. Diese Neuauflage wurde grundlegend überarbeitet und aktualisiert.
Über die Autorin
Hannah Lothrop (1945–2000), Psychologin, Psychosynthese-Therapeutin und Stillberaterin nach La Leche Liga, war die Pionierin der ganzheitlichen Geburtsvorbereitung für Paare und der Stillgruppenbewegung in Deutschland. Mit ihrer beeindruckenden Kompetenz und ihrer besonderen Ausstrahlung hat sie Tausenden von Müttern und Kindern den besten Start ins Leben bereitet und den Weg für ein liebevolles Miteinander gezeigt.
HANNAH LOTHROP
Gute Hoffnung,
jähes Ende
Fehlgeburt, Totgeburt und Verluste in der frühen Lebenszeit.
Begleitung und neue Hoffnung für Eltern
Vollständige Überarbeitung und Aktualisierung
von Edeltraut Edlinger
Kösel
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Copyright © 2016 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Weiss Werkstatt München
Umschlagmotiv: brabanski / plainpicture.com
Außenlektorat: Dr. Diane Zilliges, Murnau
ISBN 978-3-641-20123-4
V002
Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem
gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter
www.koesel.de
Für Cara,
die ihre Spuren in unseren Herzen und auf dieser Erde
hinterlassen hat, obwohl »man« sagt, sie habe ja
noch nicht gelebt.
Inhalt
Vorwort
Vorwort zur aktualisierten
Neuausgabe
Einführung
DER WEG DURCH
DIE TRAUER
Ein Kind verlieren
Fehlgeburt: Verlust während der Schwangerschaft
Wann spricht man von einer Fehlgeburt oder »kleinen Geburt«?
Gründe für eine Fehlgeburt
Erleben einer Fehlgeburt
Totgeburt: Verlust vor oder bei der Geburt
Wann spricht man von einer Totgeburt oder »stillen Geburt«?
Gründe für eine Totgeburt
Erleben einer Totgeburt
Neugeborenentod: Das Kind wird lebend geboren, ist aber nicht lebensfähig
Wann spricht man vom Neugeborenentod?
Gründe für einen Neugeborenentod
Erleben eines Neugeborenentodes
Plötzlicher Kindstod (SIDS)
Besondere Verlustsituationen
Wenn wir nicht wissen, ob und wie unser Kind überlebt – leben mit möglicher Behinderung
Wenn ein Zwillingskind die Schwangerschaft nicht überlebt
Mit einem Tabu belegte Verluste
Abbruch einer erwünschten Schwangerschaft
Methoden vorgeburtlicher Diagnostik – Fluch oder Segen?
Eine unsagbar schwierige Entscheidung für Eltern
Die besonderen Umstände dieser Trauersituation
Abbruch einer nicht erwünschten Schwangerschaft
Freigabe eines Neugeborenen zur Adoption
Alleinstehende Mütter, die ein Kind verlieren
Wenn es uns trifft
Vom Wesen der Trauer
Trauern als Weg
Eine Zeit des Schocks und der gefühlsmäßigen Betäubung
Was uns beim Tod unseres Kindes im Mutterleib helfen kann
Begleitung beim Finden eigener Antworten erhalten und uns mit wohltuenden Menschen umgeben
Von einem unheimlichen Gefühl zum Loslassenkönnen: um den Prozess wissen
Sich vortasten – sich Zeit nehmen
Den Schock überwinden
Handlungen, die die Verarbeitung einleiten
Wissen, was mit uns geschieht
Was geschieht bei einer Fehlgeburt oder »kleinen Geburt«?
Die Geburt eines toten Kindes – eine »richtige« Geburt
Medikamente zur Geburtserleichterung – ja oder nein?
Wenn unser Kind bei oder kurz nach einem Kaiserschnitt stirbt
Unser Kind wird lebend geboren, ist jedoch schwer krank
Der Klinikaufenthalt
Körperliche Nachwirkungen der Geburt
Unterbringung in der Klinik
Kennenlernen und Abschied
Bindung und Verlust
Kennenlernen – die Bindung vollenden
Unserem toten Kind begegnen: es anschauen, berühren, halten, mit ihm sprechen
Der Anblick eines toten Babys
Familienmitgliedern und uns wichtigen Menschen ermöglichen, unser Kind kennenzulernen
Den Abschied einleiten
Unwiederbringliche Momente
Das Kind »wirklich« machen
Namensgebung und Taufe
Der Umwelt ein Zeichen geben
Beweise für die Existenz des Babys gewinnen
Was soll mit unserem toten Kind geschehen?
Autopsie – ja oder nein?
Gedanken und Informationen zur Bestattung
Die gesetzliche Situation
Erfahrungen und Wünsche von Eltern
Näheres über die Bestattung
Bestattungsmöglichkeiten
Kosten für eine Bestattung
Wenn ein eigenes Grab nicht gewünscht oder möglich ist
Rituale als Lebenshilfe
Die erste Zeit danach
Eine Zeit des Suchens und Sich-Sehnens
Starke Gefühle und Vorstellungen überwältigen uns
Begreifen wollen
Was uns helfen kann
Unsere Gefühle wahrnehmen – damit umgehen
Mit Schmerz und Trauer umgehen
Ausdruck für Schmerz und Trauer finden
Trost und Linderung finden
Wenn wir unser Kind nicht gesehen haben
Mit Wut und Aggression umgehen
Mit Schuld und Groll umgehen
Weitere Hilfen im Trauerprozess
Den richtigen Zeitpunkt wählen
Uns Unterstützung holen
Uns Erholungspausen in unserer Trauer gönnen
Antworten auf Fragen finden
Trost finden
Die Erfahrung neuer Dimensionen des Seins
Eine Selbsthilfegruppe besuchen
Die vergessene Trauer des Vaters
Trauernde Paare
Beziehungen verändern sich
Sexualität nach dem Verlust eines Kindes
Anregungen für Paare im Umgang miteinander
Kinder und Tod
Die Trauer von Geschwistern
Unterschiedliche Altersstufen
Praktische Hilfen für den Umgang mit Geschwisterkindern
Nahebringen, was geschehen ist
Das tote Baby kennenlernen – Hilfen zum Be-greifen
Abschied nehmen
Unser Alltag mit Kindern in der Trauerzeit
Kindgemäßes Verarbeiten
Interaktion mit unserem sozialen Umfeld
Die Trauer der Großeltern
Uns umgebende Menschen
Die Trauer dauert an
Eine Zeit der Desorientierung und Verwandlung
Trauer als persönliche Erfahrung
Die individuelle Situation
Aus dem Gleichgewicht geworfen sein
Trauer: eine anhaltende Belastung für den ganzen Menschen
Zu immer tieferen Antworten finden – unsere Werte ändern sich
Was uns in dieser Zeit helfen kann
Mich meinem Körper zuwenden
Gesunde Lebensführung
Ernährung
Bewegung
Ruhe, Entspannung und Hilfen zum Schlafen
Wärme
Massage und ganzheitliche Körperarbeit
Unsere Gefühle brauchen immer noch unsere Aufmerksamkeit
Unsere Geschichte erzählen als Orientierungshilfe
Die Kraft der inneren Bilder
Kreativität heilt
Die Wiederentdeckung der Spiritualität
Heilung auf natürlichem Weg
Natürliche Heilmittel
Aromatherapie – harmonisieren und stabilisieren durch ätherische Öle
Die Bach-Blütentherapie
Die Kalifornischen Blütenessenzen
Mehr über Naturheilmittel
Wenn wir in der Trauer »stecken bleiben«
Unerledigte Aufgaben
1. Die Wirklichkeit des Verlustes begreifen und annehmen
2. Den Schmerz des Verlustes und andere starke Gefühle erleben und annehmen
3. Allmähliche Anpassung an ein Leben ohne unser Baby
4. Sinn finden
5. Frei werden für neue Bindungen
Positive Gedanken formulieren
Wann ist therapeutische Hilfe notwendig?
Die Wunden heilen
Eine Zeit der Erneuerung und neuer Hoffnung
Abschließen, um neue Anfänge zu ermöglichen
Wollen wir es wieder versuchen?
Sich Zeit lassen
Folgeschwangerschaften nach einem Verlust
Unser Baby ist da
Wir bekommen kein weiteres Kind
Der Erfahrung einen Sinn geben –
an Trauer wachsen
TRAUERNDE BEGLEITEN
Heilender Umgang mit Trauernden
Prinzipielle Informationen über den Trauerprozess
Was Trauernden guttut und was sie brauchen
Praktische Hilfestellungen
Passende Worte
Was Trauernden wehtut oder schadet
Unpassendes Verhalten
Die üblichen Phrasen
Die Betreuung in der Klinik und bei außerklinischen Geburten
Ein Brief, der eine Klinikroutine veränderte
Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis
Trauerbegleitung: Aufgabe und Verantwortung
Praktische Hinweise für die Betreuung von Eltern bei Totgeburt, Fehlgeburt und Neugeborenentod
Klinikaufnahme
Begleitung während der Geburtsarbeit
Entbindung und postpartale Betreuung
Klinikaufenthalt
Ambulante Nachbetreuung
Ein ganz wichtiges Foto
Fehlgeborene Babys in der Klinik belassen
»Nährende« Berührung
Sich kultureller, religiöser und ethnischer Traditionen bewusst sein
Die Situation des Betreuungspersonals
Ein Trauerteam gründen
Kommentare, die zum Nachdenken anregen
Die Betreuung nach dem Verlassen der Klinik
Verschiedene Möglichkeiten der Begleitung
Die ambulante Weiterbetreuung durch die Klinik
Die Weiterbetreuung durch niedergelassene ÄrztInnen
Die häusliche Betreuung durch eine Nachsorgehebamme
Seelsorgerische Betreuung
Psychotherapeutische Begleitung
Wissenswertes für die Begleiter
Prinzipien und Vorgehensweisen in der Trauerbegleitung
Eine kontinuierliche Betreuung
Die Trauersituation einschätzen
Unterstützung während der vier Phasen der Trauer
Die fünf Aufgaben zur Trauerverarbeitung
Positive Bedingungen für Gespräche
Typisches Trauerverhalten
Beachtung von Grundbedürfnissen
Bewertung der Effektivität des Stütznetzwerks Trauernder
Wissen um Ressourcen im Umkreis
Außergewöhnliche Erfahrungen von Trauernden
Medizinische Überwachung während der Trauerzeit
Erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten
Sparsamer Einsatz von Medikamenten bei Trauernden
Der ungesunde, komplizierte Trauerprozess
Varianten ungesunder Trauer
Indikatoren für therapeutische Intervention
Trauertherapie
Die Betreuung bei Folgeschwangerschaften nach einem vorangegangenen Verlust
Seelsorglicher Umgang
mit Trauernden
Die Frage der Taufe und Beerdigung
Die Gefühle einer Mutter
Die Erfahrungen eines Pfarrers
Eltern sehen die Sache anders
Kraftvolle Rituale
Die Begegnung mit Trauernden
Die Sache mit dem Glauben
Wie SeelsorgerInnen zusätzlich helfen können
Eine Selbsthilfegruppe für trauernde Eltern gründen
Selbsthilfeinitiativen im deutschsprachigen Raum
Richtlinien für Gruppentreffen
Gestaltung der Gruppentreffen
Zusammenarbeit mit der Klinik
Der Umgang mit Tod in der Geburtsvorbereitung
Das Thema Verlust ansprechen – oder besser nicht?
Wie kann das Thema Verlust in die Geburtsvorbereitung einfließen?
Umgang mit Paaren nach einem vorangegangenen Verlust
Wenn es eines der Paare aus der Geburtsvorbereitungsgruppe trifft
Wie kann die Geburtsvorbereiterin unterstützen?
Wie kann die Gruppe unterstützen?
Trauerbegleitung durch Bestattungsunternehmen
Der Einfluss der Bestatter
Eine ethische Fragestellung
Wie Bestatter zur Trauerverarbeitung beitragen können
Wissen über diese spezielle Situation ist nötig
Was sich als hilfreich erwiesen hat
Nachwort
Dank
Anhang
Rechte von Eltern, wenn ein Baby stirbt
Rechte des Babys
Fragebogen für Eltern: Was ist meine besondere Trauersituation?
Fragebogen für BetreuerInnen: Persönliche Erfahrungen mit und Haltung gegenüber Sterben und Tod
Anregungen zur Meditation
Variation 1
Variation 2
Variation 3
Rückbildung »Leere Wiege«
Trauerrituale
Variation 1
Variation 2
Variation 3
Weitere liturgische Texte, Gebete, Lieder
Bescheinigung der Klinik für das Bestattungsunternehmen
Unterstützung, Information, Ressourcen, Bezugsquellen
Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen in Österreich
Selbsthilfegruppen in der Schweiz
Besondere Adresse in den USA
Weitere Gruppen und Einrichtungen
Hebammenverbände
Kliniken mit Trauerbegleitung
Bestattungen
Fotografen
Trauerbegleitung, Therapie
Zusätzliche Internet-Adressen
Hilfen zum Heilwerden
Akupunktur
Anonyme Selbsthilfegruppen (Kontaktstellen)
Aromatherapie
Atemtherapie
Bach-Blütentherapie
Cranio-Sacral-Arbeit
Haptonomie
Initiatische Therapie
Jugend- und Familienberatungsstellen
Jungsche Therapie
Meditation/Spiritualität/Besinnung/Vergebung
Psychosynthese
Seminare zur Selbstwerdung und Heilung
Stationäre Therapie
Tanztherapie
Telefonseelsorge
Bezugsquellen
Bücher und Informationen
Meditationshilfen, Märchenbücher und Bücher zu den Themen Lebenssinn, spirituelles Wachstum etc.
Dia-Serie
Audiokassetten und CDs
Video
Bücher und Märchen zum Lesen oder Vorlesen
Naturheilmittel
Literatur
Über Sterben und Tod
Über Trauer
1. Allgemein
2. Die Trauer von Kindern
3. Die Trauer von Teenagern
4. Die Trauer von Männern
5. Die Trauer von Paaren und Familien
Über Schwangerschaftsverluste
1. Fehlgeburt
2. Totgeburt und Neugeborenentod
3. Plötzlicher Kindstod und der Tod älterer Kinder
4. Sterilität und Risikoschwangerschaften
5. Pränatale Diagnostik und schmerzhafte Entscheidungen
6. Tod eines Zwillingskindes
7. Wieder schwanger werden
8. Information und Unterstützung für die Betreuenden
Hilfen zum Heilwerden
1. Hinwendung zum Körper
2. Natürliche Heilmittel
3. Spiritualität und Meditation
4. Rituale, Meditationen, Visualisierungen
5. Heilen durch Kreativität
6. Suche nach Sinn/Bewusstheit/spirituelles Wachstum
7. Beratung und Therapie
8. Unterschiedliches
Vorwort
Natürlich ist das vorliegende Buch in erster Linie für Eltern eines toten Kindes geschrieben. Ihnen soll es helfen, über die vielleicht schwärzesten Stunden ihres Lebens hinwegzukommen. Dass sein Inhalt und seine Intention aber im rechten Moment die betroffenen Eltern erreicht, dazu können wir in den Geburtskliniken Entscheidendes beitragen.
Das Buch von Hannah Lothrop ist nicht »bloß« eine Bereicherung, es ist eine Notwendigkeit für alle, die sich beruflich mit Geburten befassen.
Kein Mediziner hört heute Vorlesungen über den Tod. Dieser ist bestenfalls eine abstrakte Größe in unseren Statistiken und Doppel-Blind-Studien. Welchen einmaligen Stellenwert er im Erleben des einzelnen Menschen besitzt, wie entscheidend die Auseinandersetzung mit ihm ist, wurde den Ärzten bislang nur vereinzelt deutlich.
Hannah Lothrop durchbricht mit ihrem Buch eine »Konspiration des Schweigens«. Bisher wurden in den Kliniken Mütter mit Totgeburten isoliert. Um ihnen »das Leid zu ersparen«, wurde – möglichst in Vollnarkose – die tote Leibesfrucht beseitigt, entsorgt. Den Eltern wurde keine Möglichkeit des Abschiednehmens ermöglicht, die Hilflosigkeit der »Helfer« verschämt überspielt. Die so »fürsorglich« behandelte Mutter wurde erst später – zu spät – gewahr, was mit ihr passierte. Auch davon handelt dieses Buch.
Aber es handelt auch von der Chance, die alle Beteiligten erhalten, wenn sie sich auf den Schmerz und das Leid, die den Tod begleiten, einlassen. Das Buch fordert uns auf, den Weg der Trauer zu suchen, zu finden und zu begehen. Denn der Tod ist nie das Ende, sondern im Umgang mit ihm werden schon die Weichen für etwas Neues gestellt, vielleicht auch für eine neue Schwangerschaft, eine neue Geburt, neues Leben.
Hannah Lothrop ist seit Jahren in unserer Klinik eine Instanz. Meine Mitarbeiter und ich sind erleichtert, dass wir sie in derart kritischen Situationen jederzeit hinzuziehen können. Mit diesem Buch werden aber endlich ihre Empathie, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten für jeden, der bereit ist, sich ihnen zu öffnen, nutzbar gemacht. Möge das Buch – auch und gerade unter Geburtshelfern – eine große Verbreitung erfahren. Wir möchten das im Sinne der Betroffenen nur wünschen. Viel Unglück und Einsamkeit könnten auf diese Weise verhindert werden.
Bensberg, im November 1990
Dr. med. Gerd Eldering
Chefarzt der Geburtshilflich-Gynäkologischen Abteilung am Vinzenz Pallotti Hospital
Vorwort zur aktualisierten
Neuausgabe
Der Umgang mit Eltern, die ein Kind während der Schwangerschaft oder bei beziehungsweise kurz nach der Geburt verlieren, der Umgang mit diesen Kindern selbst hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So sind heute nicht nur Ärzte, Krankenschwestern, Hebammen, Seelsorger oder Bestatter, also Menschen, die von Berufs wegen mit diesem schwierigen Kapitel des Lebens zu tun haben, sensibilisiert und versuchen, ihr Möglichstes für das Wohl und die Würde der Babys und insbesondere der zurückbleibenden Eltern zu tun. Auch ganz allgemein hat sich in der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Besonderheiten dieser Lebenssituation entwickelt. Einen maßgeblichen Anteil an diesem Wandel hat Hannah Lothrop mit ihrer Arbeit mit verwaisten Eltern, mit Seminaren und Vorträgen, mit ihrem Einsatz in der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e. V. in München – und speziell mit diesem 1991 erstmals erschienenen Buch. Hannah hat vieles ins Rollen gebracht. Ihre Initiative hat verkrustete Strukturen aufgebrochen und dafür gesorgt, dass es Kindern wie Eltern heute bei allem Schmerz so leicht wie nur irgend möglich gemacht wird.
Ihr Buch erreichte bereits Zigtausende Betroffene – sowohl Eltern als auch Menschen, die diese auf eine angemessene und wirklich hilfreiche Weise unterstützen wollten. Die sensible und zugleich äußerst klare Art, mit der Hannah alle Belange, die rund um einen Babyverlust relevant sind, anspricht, hat völlig neue Maßstäbe gesetzt. Den Eltern gibt sie konkrete und teilweise bis ins Detail beschriebene Hilfen für den Umgang mit der Trauer und für all die praktischen Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Und sie schenkt ihnen die Gewissheit, mit ihrem Schmerz »normal« zu sein und mit ihrem Leid nicht allein. Den weiteren Angehörigen und den unterstützenden Berufsgruppen hilft sie aus dem Gefühl der Ohnmacht und der Unsicherheit heraus, sodass sie wirklich für die Betroffenen aktiv werden können.
Ging es vor 20 oder 25 Jahren noch darum, überhaupt eine Sensibilität für die Trauer zu schaffen, beispielsweise nach einem Verlust der Schwangerschaft in einer sehr frühen Phase, oder darum, dass es für die Verarbeitung wichtig ist, dass die Mütter ihr totes Kind sehen und vielleicht auch berühren und halten können, sind diese Themen heute zum Glück weitgehend im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. Viele, auch von Hannah initiierte Selbsthilfegruppen und unzählige Gespräche mit Klinikpersonal haben hier die Weichen neu gestellt.
Heute zeigt sich eine neue Herausforderung: Aufgrund der weiterentwickelten Möglichkeiten zur Pränataldiagnostik sind immer mehr Frauen vor die Entscheidung gestellt, ob sie ein sicher oder höchstwahrscheinlich behindertes Kind zur Welt bringen oder die Schwangerschaft abbrechen wollen. Eine Entscheidung, die eines der wirklichen Extreme im menschlichen Leben darstellt. Gleichzeitig suchen immer mehr Paare ihr Glück bei der assistierten Befruchtung, lassen also eine In-vitro-Fertilisation vornehmen. Auch dies führt – über Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaften und über die medizinisch meist komplizierte Ausgangslage – zu einer höheren Zahl an Kindern, die die Schwangerschaft nicht überleben, weil man sich für einen Abbruch entscheidet oder der Fetus aus anderen Gründen stirbt. In den heutigen Rückbildungskursen der »Leeren Wiege« und ähnlicher Gruppen sind zu einem sehr hohen Prozentsatz Frauen, die einen solchen Verlust zu verarbeiten haben. Das Gefühl eigener »Schuld« macht die Situation noch einmal brisanter.
Hannah Lothrops Buch ist in dieser neuen Situation ebenso wichtig wie vor 25 Jahren. Mit ihm erhalten die Betroffenen in einer ihrer schwersten Stunden, Tage und Wochen einen umfassenden Leitfaden, der sie behutsam aus dem Dunkel heraus bis zu dem Moment führt, wo sie das Gefühl haben: Ja, das Leben geht weiter. Und das ist gut so.
Bei der aktualisierten Neuausgabe wurde deswegen auch gar nicht allzu viel geändert. Denn das Bewährte ist auch heute noch sehr hilfreich. Allerdings wurden rechtliche Hinweise angepasst, Vorgehensweisen bei Kliniken und Behörden und die Vielzahl der Adressen und weiterführenden Hinweise. Da sie mit einem Amerikaner verheiratet war, fokussierte sich Hannah im Buch stark auf die in den USA ansässigen SHARE-Selbsthilfegruppen, die tatsächlich einen großen Anteil daran haben, dass das Thema Verlust einer Schwangerschaft oder eines Neugeborenen einen neuen Stellenwert und Umgang in den Krankenhäusern und darüber hinaus gefunden hat. Mittlerweile haben sich auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche sehr aktive und hilfreiche Gruppen gebildet, sodass wir bei der Aktualisierung des Textes stärker auf diese hingewiesen haben und SHARE nicht mehr so stark im Zentrum ließen. Außerdem wurde stellenweise stärker auf die heutige Situation mit der sehr präsenten Pränataldiagnostik und IVF eingegangen. Studien und Literaturhinweise wurden größtenteils auf dem damaligen Stand belassen, soweit ihre Aussagen bis heute Gültigkeit haben.
Wir danken den vielen Familien, die wir begleiten durften und die ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben, sodass auch wir unsere Arbeit immer stärker an die wirklichen Bedürfnisse unserer Patientinnen und Kursteilnehmerinnen anpassen konnten.
München, im Dezember 2015
Edeltraut Edlinger
Rückbildung »Leere Wiege«
Dr. Ralph Kästner
Facharzt für Gynäkologie am Klinikum der Universität München
Einführung
Als unser Baby tot auf die Welt kam, fühlte ich mich sehr alleingelassen. Niemand konnte sich so richtig in meine Lage hineinversetzen. Mein Mann stürzte sich gleich darauf in die Arbeit und konnte mein Weinen nicht besonders gut aushalten. Wie froh wäre ich gewesen, wenn ich mit Menschen hätte reden können, die dasselbe Schicksal getroffen hat wie uns und die verstanden hätten, wie es mir ging. Oder wenn es nur ein Buch gegeben hätte, in dem ich hätte lesen können, dass ich nicht verrückt geworden bin, sondern nur eine ganz normale Mutter in Trauer, mit denselben Verhaltensweisen, Gefühlen und Gedankengängen wie andere Mütter in derselben Situation auch. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, mich nicht allein zu wissen in meiner Trauer … Und wie sehr hätte ich die Versicherung gebraucht, dass ich eines Tages auch wieder lachen kann und die bleierne, lähmende Schwere meinen Körper verlässt.
1984 veränderte sich auch unser Leben von einer Minute auf die andere, als wir erfuhren, dass das erwünschte Baby, das in mir wuchs und zu dem ich bereits eine starke Bindung hatte, nicht gesund war. Ich lernte die fast unerträglichen Schmerzen der Trennung und die lange, tiefe Nacht der Trauer am eigenen Leib kennen. Doch ich erfuhr auch, dass die Nacht irgendwann wieder zu Ende geht und Leben neu erblüht – reifer und tiefer als zuvor.
Ich habe keine Ahnung, wie es mir ergangen wäre, wenn ich mich nicht zufällig zwei Jahre zuvor auf einer Fortbildungsveranstaltung für Geburtsvorbereiterinnen in Amerika durch einen mich tief berührenden Diavortrag mit solchen Erfahrungen konfrontiert hätte. So hatte ich doch eine gewisse Orientierung. Es war mir klar, dass ich vor dem Schmerz nicht davonlaufen konnte. Ich habe unsere Tochter Cara (ihr Name offenbarte sich mir gegen Ende der Geburtsarbeit) lange in meinen Händen gehalten, und mein Mann Rob und ich haben uns unsere Zeit genommen, uns von ihr zu verabschieden. Während sich Caras Anblick unter heilenden Tränen in meine Seele einbrannte und ich ihr alles erzählte, was an Gedanken und Gefühlsregungen in mir war, überkam mich ein großer Friede, und danach – nach einer weiß Gott wie langen Weile – konnte ich sie gut gehen lassen. Dass ich mich zuvor schon mit dem Gedanken befasst hatte, dass Schwangerschaften auch glücklos enden können, gab mir Orientierung bei der Bewältigung dieses schweren Schicksalsschlags.
Früher war der Tod ein ganz normaler Teil des menschlichen Lebens. Das Totenhemd gehörte vielerorts zur Aussteuer; der Sarg wurde bereits zu Lebzeiten angefertigt, und man bewahrte ihn auf dem Speicher auf. Verstorbene wurden in der »guten Stube« aufgebahrt. Tag und Nacht hielten die Nahestehenden Totenwache im Schein der Totenkerzen und verabschiedeten sich dabei. Auch die Nachbarn entboten den Verstorbenen ihren letzten Besuch. Heutzutage haben viele Menschen noch nie einen Toten gesehen. 90 Prozent der Menschen sterben fernab aller, die sie lieben, in Krankenhäusern oder Altenheimen. Diejenigen, die der Tod zu Hause trifft, werden meistens schnellstmöglich »entfernt« – in die Leichenhallen geschafft. So ist dem Tod und somit einem Teil unseres Lebens die Würde genommen worden. Ausgeklammert aus unserem Leben, macht der Tod uns Angst.
Schätzungsweise endet jede vierte oder fünfte Schwangerschaft nach den ersten Wochen oder später in einer Fehlgeburt. Darüber hinaus werden einige wenige Babys in Deutschland entweder tot geboren oder überleben den ersten Lebensmonat nicht. Dennoch verbannen wir die Vorstellung von dieser Möglichkeit aus unseren Gedanken. Unsere Ängste dürfen sich höchstens in unseren Träumen zeigen.
Daher werden Eltern zumeist »aus heiterem Himmel« total unvorbereitet mit dem Tod konfrontiert. Durch die Verdrängung des Todes aus unserem Bewusstsein sind in der Regel auch die Traditionen abgestorben, die uns in dieser Lebenssituation wieder Orientierung geben könnten. Bestehende Rituale werden oft als gehalt- und bedeutungslos erlebt.
Wir müssen einander helfen zu überprüfen, ob die Modelle, mit denen wir aufgewachsen sind, hilfreich waren oder nicht. Manche Menschen haben wir bewundert, weil sie angesichts von Verlusten so stark schienen, aber vielleicht ist ihnen das im Endeffekt doch nicht so gut bekommen. (Sr. Jane Marie Lamb)
Wir bewegen uns auf vollkommen unbekanntem Territorium, ohne Richtlinien, wie wir uns verhalten sollen, um an dieser Erfahrung nicht zu zerbrechen. Für die Entscheidungen, die von uns im Zustand des ersten Schocks gefordert werden, brauchen wir dringend Beistand.
Ärzte und Pflegepersonal fühlen sich der Erhaltung des Lebens verpflichtet und sind oft selbst zutiefst betroffen, wenn ein Baby tot geboren wird oder sie ein kleines, krank geborenes Wesen nicht retten können. Mit solch einer Situation umzugehen hat ihnen meist niemand beigebracht. Nach außen mögen sie eine Fassade von Unnahbarkeit und Geschäftigkeit zeigen, um Gefühle von Hilflosigkeit und Versagen im tiefsten Inneren zu verbergen. Vielleicht schützen sie sich auch vor der Konfrontation mit eigener unverarbeiteter Trauer oder der Angst wegen der eigenen Sterblichkeit.
Trauerteams, wie sie an vielen amerikanischen Krankenhäusern existieren, mit regelmäßigen Treffen von Geburtshelfern, Kinderärzten, Hebammen, Schwestern, Sozialarbeitern und Seelsorgern, wo diese auch gegenseitige Unterstützung erfahren, gibt es bei uns leider kaum. An vielen Kliniken arbeiten auch hierzulande die einzelnen Berufsgruppen in Trauerfällen eng zusammen – aber nicht in dieser Regelmäßigkeit, Dauerhaftigkeit und mit dem Selbstverständnis als Trauerteam.
Aus Unwissen über die Natur der Trauer und die Zusammenhänge von Bindung und Abschied haben ÄrztInnen und Hebammen immer wieder Eltern vor den Schmerzen des Verlustes schützen wollen, indem sie ihnen den Anblick ihres Kindes »ersparen« wollten und/oder Beruhigungsmittel verabreichten. Dass sie dadurch die Trauerarbeit nur erschweren und im Endeffekt das Leid vergrößern würden, wussten sie nicht. Zurück bleiben Wunden, die nicht heilen wollen. Manchmal zeigt sich das erst nach Jahren in Form von körperlichen und seelischen Erkrankungen, häufig werden sie gar nicht mehr damit in Verbindung gebracht.
Wird der Tod eines Menschen nicht begriffen, kann es sein, dass der Tote zum Vermissten wird. Und wie schwer es ist, sich von Vermissten zu verabschieden, davon erzählt die Not aller Angehörigen, deren Männer, Väter oder Brüder im Krieg als vermisst gemeldet wurden. Nicht im magischen, aber im psychischen Sinne lassen die Toten die Lebenden nicht mehr los. (Bode/Roth, 1998)
Auch Verwandte, Freunde und Bekannte fühlen sich angesichts dieses unzeitigen Todes hilflos, unsicher und oft wie gelähmt.
Es kam von keinem etwas, was ich hätte gebrauchen können. Es hat wohl allen unheimlich leidgetan, aber niemand war da, der mich mal ein bisschen gehalten hätte. Ich hätte Trost gebraucht, aber alles war irgendwie so kalt.
In ihrer Unbeholfenheit wollen Umstehende unseren Schmerz durch beschwichtigende Bemerkungen lindern und tun damit oft nur noch mehr weh. Wenn es anders kommt, ist es eine Wohltat.
Sie haben uns nicht alleingelassen. Das fand ich so wichtig. Auch die Nachbarn waren für uns da. Gegenüber wohnen junge Leute, die haben mir einen Riesenblumenstrauß gebracht. Was ich Blumen gekriegt habe! Und eine Freundin schickte mir einen Brief, in dem sie ihr Mitgefühl ausdrückte.
Die Art und Weise, wie wir und unsere Familien beim Tod unseres Kindes begleitet und unterstützt werden, beeinflusst maßgeblich, wie wir diese Erfahrung verarbeiten. Bei einem Nachgespräch in der Klinik drei Wochen nach der plötzlichen Totgeburt ihrer Tochter in der 33. Schwangerschaftswoche sagte eine Mutter:
Ich bin unheimlich froh, dass ich zur Geburt in diese Klinik gekommen bin. Alle waren so ganz bei uns … Es ist zwar die schlimmste Erfahrung, die ich je in meinem Leben gemacht habe, weit schlimmer als irgendetwas, was mir je widerfahren ist, und trotzdem muss ich sagen, die Geburt von Naomi hatte auch etwas ganz Schönes. Es war so eine Harmonie da und so ein Friede.
Diese Darstellung mag für alle, die noch nie eine annähernd ähnliche Erfahrung gemacht haben, nicht nachvollziehbar sein. Doch wenn sich die betreuenden Menschen wirklich einlassen, kann trotz der eigentlich schlimmen Situation ein unbeschreiblicher Friede entstehen. Wird ein Kind, selbst wenn es tot ist, in Würde geboren oder darf ein krank geborenes in Frieden und Würde sterben, kann trotz des Schmerzes erst einmal auch ein gutes Gefühl da sein, das die Eltern trägt. Wenn trauernde Eltern in einer guten Weise begleitet werden und Hilfe bekommen, kann diese Erfahrung sie selbst sowie ihre Beziehung zueinander und zur Welt verwandeln.
Der erste Teil dieses Buches ist für Eltern geschrieben, die ein Kind durch Fehlgeburt, Totgeburt, Neugeborenentod und Plötzlichen Kindstod verlieren. Es werden auch tabuisierte Verluste angesprochen wie der Abbruch einer erwünschten Schwangerschaft nach pränataler Diagnostik und die Freigabe eines Kindes zur Adoption sowie besondere Verlustsituationen wie das Sterben eines Zwillings im Mutterleib oder die Situation einer alleinstehenden trauernden Mutter.
Ich gehe von dem Verständnis aus, dass Trauer sowohl eine ganz individuelle Erfahrung als auch ein mehr oder weniger geordneter Prozess ist.
Mein Anliegen ist es, Menschen durch die Zeit von Schock und Lähmung, die Zeit des Suchens und Sich-Sehnens, die Zeit von Desorientierung und Verwandlung bis hin zur Zeit der Erneuerung und Neuorientierung zu begleiten. (Bezüglich der Trauerphasen stütze ich mich – mit leichter Abänderung aufgrund meiner eigenen Arbeit – auf die Forschung von Dr. Glen Davidson, Autor des Buches Understanding Mourning, der in seiner zehnjährigen Studie mit 1200 Trauernden die vorausgehenden Untersuchungen der englischen Psychiater John Bowlby und Colin Murray Parkes bestätigte.) Für die jeweilige Zeit gebe ich konkrete Anregungen für Heilung von Seele, Körper und Geist und für eine Weichenstellung, um die Erfahrung bestmöglich verarbeiten und in das eigene Leben integrieren zu können. Fragen am Ende vieler Abschnitte sollen Entscheidungen unterstützen, um die eigenen Gefühle sortieren und zu eigenen Antworten finden zu können. Zitate aus meinen Gesprächen mit trauernden Eltern werden Betroffenen oft »aus der Seele« sprechen und ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind. Auch der Paarbeziehung sowie dem Umgang mit Geschwisterkindern aller Altersstufen nach einem Verlust ist besondere Beachtung geschenkt. Der erste Teil des Buches will auch Betreuenden trauernder Eltern, Verwandten und Freunden einen Einblick in deren Erlebniswelt sowie notwendige Informationen geben.
Teil zwei dieses Buches richtet sich dann an Menschen, die trauernden Eltern in einem der sicherlich schwersten Momente in deren Leben begegnen: Klinikpersonal, FrauenärztInnen und Hebammen in freier Praxis, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Leiterinnen von Selbsthilfegruppen, Geburtsvorbereiterinnen oder Stillgruppenleiterinnen, BestatterInnen, SeelsorgerInnen, PsychologInnen und BeraterInnen. Sie finden hier konkrete Hilfestellungen, wie sie in ihren jeweiligen Aufgabengebieten auf ihre Weise dazu beitragen können, dass es in dem Schlimmen ein Gut gibt.
Grundlage für dieses Buch bilden intensive Gespräche mit trauernden Eltern in Deutschland und Amerika, meine Besuche von Trauergruppen in Florida sowie meine mehrjährige Tätigkeit in der Geburtsbegleitung und Nachbetreuung von Eltern, deren Kind im Vinzenz Pallotti Hospital in Bensberg tot geboren wurde – dies alles vor dem Hintergrund meiner eigenen schmerzlichen Trauererfahrung um meine Tochter Cara. Auch hat mich Sr. Jane Marie Lamb, die Gründerin der SHARE-Selbsthilfegruppen, die über 16 Jahre lang trauernde Eltern mit großer Liebe und persönlichem Engagement begleitet hat, an ihrem enormen Erfahrungsschatz teilhaben lassen.
In dieses Buch fließen Einsichten aus den unzähligen Begegnungen mit trauernden Eltern wie begleitenden Berufsgruppen – von über hundert Seminaren im Laufe von mehreren Jahren – und die Erfahrungen aus meiner psychologischen Praxis ein. Das Interesse und die mutige Bereitschaft besonders von Hebammen, sich in die Welt trauernder Eltern mehr einzulassen und einzufühlen, um ihnen bestmöglich beistehen zu können, sind äußerst groß gewesen. Wie Steine, die ins Wasser fallen und weite Kreise ziehen, scheint sich in kurzer Zeit – so die Berichte von Betroffenen – die Sensibilität in den Kliniken gegenüber Eltern und ihren toten oder sterbenden Kindern enorm erhöht zu haben. Dies geschah zum Wohle der Eltern, die auf die direkte Unterstützung der sie Betreuenden so sehr angewiesen sind.
Danke!
DER WEG DURCH
DIE TRAUER
Du kannst es nicht verhindern,
dass die Vögel der Sorge über deinem Kopf kreisen.
Aber du kannst sie daran hindern,
Nester in deinen Haaren zu bauen.
CHINESISCHES SPRICHWORT