Nachts in der Stadt
GERALD KERSH:
MANN MIT VIELEN GESICHTERN
Ein Vorwort von Paul Duncan
Wir leben. Wir atmen ein paar kurze Jahre lang. Dann sterben wir. Wir werden geboren, um Nahrung für die Würmer zu sein. Das Leben scheint sinnlos, dennoch tun wir alles, was in unserer Macht steht, um uns an diese sterbliche Rolle zu klammern — wir wollen nicht zulassen, dass sie mit einem Achselzucken abgetan wird.
Im Laufe seines Lebens versuchten Mitmenschen immer wieder, Gerald Kersh den Lebenswillen zu rauben, aber er hielt daran fest und wehrte sich mit Humor gegen seine Feinde. Und wenn das nichts half, ignorierte er sie.
Auf jeden erfolgreichen Autor entfallen tausend andere, die darum kämpfen, gedruckt zu werden. Gerald Kersh war einer jener Worteschinder, die die Cafébars in Londons Soho frequentierten und auf geklautem Toilettenpapier schrieben, während der Bierkrug bis zum Morgen nicht ausgetrunken vor ihnen stand. Und als er es geschafft hatte, als er zu einem der höchstbezahlten Wortschmiede Englands avanciert war, verschworen sich schicksalhafte Umstände grausam gegen ihn und warfen ihn zurück in die Gosse.
Gerald Kersh ist Harlan Ellisons Lieblingsschriftsteller und hat begeisterte Leser wie Andrew Vachss, Michael Moorcock, Lawrence Block, Joe R. Landsdale, Bill Pronzini, James Sallis, David J. Schow und viele andere mehr. Dies hier ist ein Versuch zu erklären, warum.
Mein Interesse für Gerald Kersh wurde geweckt, als ich mich durch das Nachschlagewerk Twentieth Century Crime and Mystery Writers las, um Informationen über Hardboiled- und Noir-Autoren zu bekommen. Im Eintrag über Kersh wurde erwähnt, dass er als Kind gestorben sei und sich während des Beerdigungsgottesdienstes wie Lazarus aus dem Sarg erhoben habe. Auch sein Stil schien von besonderer Art zu sein. Er stellte sich mir als interessante Persönlichkeit dar, die es wert war, eingehender betrachtet zu werden. Mark McShanes Beitrag in demselben Werk besagte, dass er — McShane — zu schreiben angefangen habe, weil ihm Kershs Prelude To A Certain Midnight (in Vorbereitung bei Pulp Master) zu der Erkenntnis verholfen habe, dass Kriminalromane nicht zwingend von Pappmachéfiguren in Schwarzweiß handeln müssen, sondern dass die Charaktere von echten Gefühlen motiviert sein können.
Von Natur aus zynisch und auf Widerspruch aus, beschloss ich, Prelude To A Certain Midnight zu lesen. Die Handlung beginnt in der Bacchus Bar, die 25 Jahre lang einer der drei populärsten Treffpunkte Londons war und heutzutage nahezu verwaist ist. Kersh besitzt die Fähigkeit, Bedeutungslosigkeit, Nichtigkeit, moralischen Verfall und Reue auf eine Art und Weise zu evozieren, dass man sofort fasziniert ist. Man wird süchtig nach den Worten. Wie bei gewissen Süßigkeiten muss man nach dem Genuss des ersten Satzes weiterlesen, bis man das Buch durch hat und keine Worte mehr übrig sind. Ich brauchte mehr davon, also machte ich mich auf die Suche nach den anderen Büchern Kershs.
Im Verlaufe der nächsten sechs Jahre stellte ich fest, dass Kersh wesentlich komplexer war, als ich zuerst angenommen hatte. Er war nicht nur der Autor von London-Romanen, die entweder direkt oder indirekt von Kriminellen handeln, sondern schrieb auch über Familienfehden, Soldaten im Krieg und machte sich sogar an altmodische Unterhaltungsliteratur.
Seine Kurzgeschichten, für die er verdienterweise berühmt wurde, umfassten jedes Thema und jedes Genre, obwohl er das Phantastische und die Horrorstory zu bevorzugen schien. Man hat den Eindruck, dass Gerald Kersh sich nach Belieben in das Bewusstsein eines jeden versetzen konnte. Er war ein Mann mit vielen Gesichtern.
Familie
Es gab eine Zeit, da hielt man Autoren für bequem, wenn sie in ihren Werken Menschen und Ereignisse aus ihrem eigenen Leben beschrieben — das ist heute nicht mehr der Fall. Als Leser wie auch als Medienjunkies haben wir uns an das Spiel gewöhnt, nach Übereinstimmungen zwischen den Aspekten eines Buches und dem Leben seines Autors Ausschau zu halten. In einigen Fällen sind Fakten und Fiktion nicht mehr auseinander zu halten. Wir lesen Zeitung und können uns Ereignisse in der wirklichen Welt als Teile eines Romans vorstellen. Wir sehen fern, und die Charaktere einer Soap-Opera werden für uns real. Gerald Kersh war der Ansicht, dass seine Familie von einer Fülle von Charakteren bevölkert war, die ideal in seinen ersten Roman passen würde, und wegen dieser Bequemlichkeit wurde er hart bestraft.
Jews without Jehova (1934) handelt von einem jungen Mann, John Leonoff, der Schriftsteller werden will, aber durch die Notwendigkeit zu überleben und Geld zu verdienen ständig daran gehindert wird. Unglücklicherweise schwebt er mit dem Kopf in den Wolken. Von seinen Eltern — sein Vater ist Schneidermeister — erhält er viel moralische Unterstützung, doch wenn es um finanzielle Ratschläge geht, sind sie eher Pragmatiker. Parallel dazu zeigt Kersh die Familie mütterlicherseits, die Ratners. Zu Beginn des Romans wird der Vater beerdigt und die drei Söhne verschwenden und verprassen ihr Erbe auf jede verrückte Art und Weise, die ihnen und ihren Freunden nur einfällt. Es ist eine Komödie, eine Farce. Die Dialoge der Brüder sind dynamisch und fesselnd. In der Tat übernehmen sie das Buch, und obwohl wir die noblen und manchmal schwerfälligen Leonoffs bewundern, wollen wir wirklich nur wissen, wie es mit den Ratners weitergeht.
Da Kersh das Leben imitiert hatte, um Kunst zu schaffen, nahm das Leben Rache. Drei seiner Onkel und ein Cousin erkannten sich in dem Roman wieder und verklagten ihn und den Verleger Wishart wegen Verleumdung. Sie erklärten, das Buch diffamiere ihre Personen. Und damit nicht genug, wurde Kersh einige Wochen später von einem Wagen angefahren. Der Fahrer war einer seiner Onkel, und der Wagen war von der Entschädigungssumme des Verfahrens wegen Verleumdung gekauft worden. Der Roman Jews without Jehova war nur für einen halben Tag im Verkauf, bevor er zurückgezogen wurde; daher ist das Buch eine Rarität und ein begehrtes Sammlerobjekt.
Während des Krieges verfasste Kersh so viele Bücher — alle sechs Monate ein neues —, Artikel, Gedichte, Film- und Radioskripte und Kurzgeschichten, dass er nur zwei Stunden die Nacht schlief, sofern er überhaupt schlief. Er kollabierte regelmäßig. Der sich seit langem abzeichnende Zusammenbruch kam 1949 und sollte ihn zeitlebens verfolgen.
Kersh wurde von Krankheiten schwer heimgesucht. Er litt an Malaria, Lungenentzündung, Leberinfektionen, Krebs und Gott weiß, was sonst noch — alles Folgen seiner Reisen und zweifellos auch seiner Überarbeitung. Am meisten jedoch litt er unter seiner größten Liebe, seiner zweiten Frau Lee.
Kersh hatte Lee, eine beeindruckende kanadische Zeitungsjournalistin, 1939 kennen gelernt und seine erste Frau für sie verlassen. Als Kersh 1941 den Durchbruch schaffte, zogen sie in immer größere Wohnungen in Londons exklusivem Dolphin Square und bereisten die Welt. Immer häufiger gerieten sie in Streit; Lee sagte, sie langweile sich, und Kersh wurde zunehmend kränker. All das gipfelte im Brand ihres neuen 20.000-Dollar-Hauses in Barbados, das nicht versichert war. Lee bat Kersh um die Trennung. Während der nächsten sechs Jahre brachte Lee ihn um sein Vermögen, häufte Schuldenberge an, die er abtragen musste, schloss Verträge in seinem Namen ab und zog den Nutzen daraus, stahl seine Antiquitäten, seine Bibliothek mit 5.000 Erstausgaben und seine Manuskripte, nahm sich einen Liebhaber nach dem anderen, reichte schließlich die Scheidung ein und gewann den Prozess.
Kersh ging nach Amerika und heiratete Florence ›Flossie‹ Sochis. Er sollte nie wieder in sein Heimatland zurückkehren. Nachdem sie zuerst in New York gewohnt hatten, wurde es für Kersh und seine dritte Frau bald zu teuer und sie zogen nacheinander in verschiedene Wohnungen nördlich von Manhatten nahe Circleville. Mit einem Mal waren sie Teil einer kleinen Gemeinde. Es sollte eine Zeit der Paranoia werden. Sie wurden von Nachbarn denunziert, ein örtlicher Deputy schikanierte sie, Freunde verklagten sie, Kersh wurde zusammengeschlagen und Flossie hatte merkwürdige Autounfälle. Sie entdeckten Leute, die sie verfolgten, erkrankten an Ruhr und stellten fest, dass ihr Brunnen mit Kolibakterien verseucht war. Blutproben zur Untersuchung von Kershs Krebserkrankung verschwanden oder wurden falsch ausgewertet — ein Arzt gab Kersh den Ratschlag, medizinische Gutachten andernorts einzuholen. Eine Reihe dieser Vorfälle fielen mit dem Auftauchen von Kershs zweiter Frau in New York City und in Kershs Wohnort zusammen. Flossie verfasste ein Dokument, in dem sie die Verschwörung beschrieb und schickte es an das Büro des Sheriffs und an das FBI, aber es wurde nie darauf reagiert. Vielleicht gab es gar keine Verschwörung. Vielleicht war alles reiner Zufall.
London
Obwohl Kersh viele Jahre lang in New York und Umgebung lebte und ausgedehnte Weltreisen unternahm und diese Orte in seinen Short Storys wirkungsvoll einsetzte, gab es dennoch nur einen Ort, dem Kersh emotional und instinktiv verbunden war, und das war das Soho im London der dreißiger Jahre.
Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1929 war die Familie mittellos, also zogen sie zu Verwandten und versuchten zu überleben, so gut es eben ging. Kersh verließ die Familie, damit er keine Belastung mehr war und um Geld zu verdienen, um seine Mutter und seine Geschwister zu unterstützen. Auf dem Höhepunkt der Depression durchkämmte Kersh Soho auf der Suche nach Arbeit und nahm jeden x-beliebigen Job an, um zu überleben. Soho war ein pulsierendes Viertel, in das Flüchtlinge aus aller Welt strömten — Franzosen, Russen, Italiener, Malteser et cetera —, die dort ihre Cafés, Konditoreien, Friseursalons und Modegeschäfte gründeten. Es war aber auch die Heimat der Unterwelt.
Fast zehn Jahre lebte Kersh in Unterkünften, wo selbst Ratten Probleme gehabt hätten, sich aufzuhalten, und oft kletterte er über Zäune, um auf den Bänken im Regentspark zu übernachten, oder deckte sich mit Zeitungen zu, um im Freien am Uferdamm zu schlafen.
Als sich ihm dann die Möglichkeit bot, für Zeitungen und Magazine zu schreiben, nahm er sich die Leute, denen er begegnete, zum Thema. Viele dieser Erinnerungen sind in I Got References (1939) eingeflossen, einem ungewöhnlichen Buch, einer Mischung aus Fakten und Fiktion. Ein Großteil von Kershs Fiktion liest sich wie Fakten, und wie er selbst sagte, lag das daran, dass es immer einen Kern Wahrheit gab, der ihn zum Schreiben inspirierte.
Einer seiner ersten Jobs war der eines Assistenten der Geschäftsleitung des Ben Jay Cinema Circuit in Enfield Wash. Dieses Kino und die Ereignisse dort, an die sich Kersh erinnerte, bildeten die Grundlage für Fowlers End (1957).
Als er arbeitslos war und in Bustos Männerwohnheim lebte — einer berüchtigten Konstruktion aus papierdünnen Wänden, die nur durch den angesammelten Abfall der Bewohner zusammengehalten wurde —, verbrachte Kersh seine ganze Zeit damit, Geld für Essen und Miete aufzutreiben. Diese Aktivitäten kosteten viel Energie, und als es ihm endlich gelungen war, das Geld aufzutreiben, hatte er kaum noch Kraft, sich auf das Schreiben zu konzentrieren. Vieles davon hat in Song Of The Flea (1948) seinen Niederschlag gefunden.
Der Roman spielt kurz vor dem zweiten Weltkrieg und viele Charaktere und Handlungsplätze tauchen darin auf, die schon in Kershs früherem Roman Night And The City/Nachts in der Stadt (1938) vorkommen. Im Gegensatz zu den anderen London-Romanen besitzt Night and the City eine Klarheit im Aufbau und einen geradlinigen Plot, so dass man das Buch in einem Zug durchliest. Der Protagonist, Harry Fabian, ist ein Mann, der bemüht ist, wie ein Gangster aus Chikago oder ein Produzent aus Hollywood oder ein Songschreiber vom Broadway daherzukommen, jedoch nicht mehr ist als ein Zuhälter und Spieler. Er ist ein Verlierer und jeder weiß das und tatsächlich ist es so, ›dass er niemanden so perfekt zum Narren hält wie sich selbst‹. Die Story zeigt, wie leicht es ist, als Mensch vor allem moralisch zu sinken, und wie schwierig, sich erneut emporzuarbeiten, seine Integrität und Würde wiederzuerlangen. Kersh macht deutlich, dass seine Figuren einen eisernen Willen brauchen, um sich selber nach oben zu katapultieren. Harry ist bereits ganz unten, aber da sind noch andere Männer und Frauen, die am Rand des Abgrunds stehen. Das Buch handelt auch von deren Leben und von dem Phänomen, dass Selbstbetrug eine Entwicklung von anfänglicher Abscheu hin zu Akzeptanz in Gang setzen kann. Kersh nimmt einen äußerst moralischen Standpunkt ein, aber er erkennt die Existenz von Unmoral an und zeigt deren wahres Gesicht.
Der Roman ist ein Klassiker über ein London, das nur wenige Autoren thematisiert haben. London wird beschrieben ›als eine Art Inferno — eine Ansammlung konzentrischer Kreise mit Picadilly Circus als ultimativen Mittelpunkt‹. Und Kersh hatte Erfahrung als Kellner, Rausschmeißer und Profiringkämpfer (3 Kämpfe — 1 Sieg, 1 Unentschieden, 1 Niederlage), um seinem Kaleidoskop der Gesellschaft Authentizität zu verleihen.
Jedoch erst 1966 wird mit The Angel And The Cuckoo die Athmosphäre Londons in den 30er Jahren am eindringlichsten heraufbeschworen. Es scheint, als habe Kersh in diesem Roman mit seinen Handlungssträngen, Nebenhandlungen und Charakteren eine reiche Ernte seiner Phantasie eingebracht, um eine Melange, einen starken Mokka, aus allen Ingredienzen zu brauen.
Vor allem ist es die Geschichte vom Leben und Sterben des Soho-Cafés im Titel des Romans und die der Leute, die es bevölkern; die bedeutenden und unbedeutenden, die aufgeblasenen und empörten, die esoterisch versponnenen und alkoholisierten, edlen und erbärmlichen. Steve Zobrany ist der Besitzer des Cafés und sein bester Freund ist der Ganove und Filmmagnat Count Cseh, und dann wäre da noch der örtliche Unterweltboss, der später geadelt wird ... Insgesamt tauchen etwa 80 verschiedene Personen auf.
Selbst in ihren besten Zeiten hätte man nicht so viele Leute in der Bacchus Bar aus Prelude To A Certain Midnight unterbringen können. Jetzt ist die heruntergekommene, unpopulär gewordene Bar das Zuhause von Catchy, der Letzten einer Gruppe von Freunden, die sich dort immer trafen. Der Roman erzählt uns, warum die Freunde nicht mehr zusammen sind, und liefert den Grund für Catchys Alkoholismus. Vor vielen Jahren ist ein Kind ermordet worden und ganz offensichtlich hatte einer der Freunde die Tat begangen. Das Buch ist ein Bilderbogen aller Subgenres des Kriminalromans (Miss-Marple-Roman, Polizeiroman, psychologischer Thriller und Noir) und zeigt, wie untauglich Fiktion ist im Vergleich zum ›wahren Leben‹ dieses Romans. Night and the City ist vielleicht bekannter, aber dieses Buch hat einen größeren Einfluss genommen.
1945 verkaufte Kersh die Filmrechte von Night and the Cityund nach mehreren gescheiterten Versuchen wurde der Film in London von Jules Dassin gedreht, der gerade The Naked City in New York gemacht hatte.
Krieg
Normalerweise erscheinen keine seriösen Kriegsromane, während das Kriegsgeschehen noch tobt. Die ständig wechselnden Verhältnisse würden nur zu einer verzerrten Darstellung der Ereignisse führen. Die meisten der unter solchen Bedingungen geschriebenen Kriegsromane sind reine Propaganda und die von Kersh bilden da keine Ausnahme. Ursprünglich vom Kriegsministerium in Auftrag gegeben, um die Kooperation unter den Truppen zu fördern, wurde They Die With Their Boots Clean (1941) sofort zum Bestseller. Seine Verkaufszahlen wurden nur durch die von der Regierung angeordnete Papierrationierung niedrig gehalten. Bei Kriegsausbruch verpflichtete sich Kersh bei den Coldstream Guards und wurde im August 1940 eingezogen. Die Infanteriegarden sind berühmt für ihre Disziplin, und jedes Regiment hat seine eigenen Methoden, diese zu lehren und aufrechtzuerhalten. Im Falle der Coldstream Guards ist es das Polieren und Putzen jedes einzelnen Gegenstandes, der zum Regiment gehört, um dann dasselbe nochmals zu wiederholen. Kersh fing dieses Gefühl von Stolz und Ehre in seinem Buch ein und traf damit den Nerv der gesamten Nation.
Schließlich quittierte er den Dienst bei den Coldstream Guards, um amerikanischer Colonel zu werden, und nahm an der Befreiung von Paris teil. Der Name Kersh wurde zu einem Begriff, was bedeutete, dass kleine Auflagen schnell vergriffen waren und Leser 3 bis 6 Monate warten mussten, ehe sie den neuesten Kersh in ihren Bibliotheken ausleihen konnten. Bis zu vier seiner Titel standen gleichzeitig auf der Londoner Bestsellerliste und seine Bücher erlebten vier- oder fünfmal im Jahr eine Neuauflage. Hätte es keine Papierverknappung gegeben, so behaupteten seine Verleger, wäre Kersh Millionär geworden.
Neben den Propagandaartikeln, die er in Zeitungen und Magazinen unter fünf Pseudonymen veröffentlichte, brachte er alle sechs Monate ein neues Buch heraus. Die Hälfte davon waren Romane, die andere Hälfte Sammlungen von Kurzgeschichten. Er schätzte, dass er während des Krieges über zwei Millionen Wörter geschrieben hatte, und ich glaube, dass er damit nicht zu hoch gegriffen hatte.
Nach Kriegsende verfasste Kersh keinen einzigen Roman mehr über den Krieg, was seiner Überzeugung Nachdruck verlieh, dass er dem Krieg, wenn schon nicht mit der Waffe, so doch zumindest mit der Schreibmaschine begegnen konnte.
Während alle anderen ›ernste‹ Kriegsromane schrieben, war Kersh mehr an den psychologischen Aspekten des Lebens interessiert, was seinen Niederschlag in Romanen wie Prelude To A Certain Midnight und The Thousand Deaths Of Mr. Small fand. Indes kehrte er 1946 mit dem autobiographischen Clean, Bright & Slightly Oiled kurz zu dem Thema zurück, einer wunderbaren Reihe witziger Anekdoten darüber, wie verbohrt, inkompetent und absolut komisch Leute sein können, wenn sie Uniform tragen. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie Kersh Widrigkeiten mit Humor begegnet.
Mainstream
Da er seinen Lebensunterhalt mit einem Strom von Kurzgeschichten verdiente, der wie eine nie versiegende Quelle aus ihm zu sprudeln schien, konnte Kersh überwiegend die Romane schreiben, die er wollte. Doch es gab auch Zeiten in seiner Karriere, wo er Mainstream produzierte, Bücher, die nur den Zweck erfüllen sollten, Geld einzubringen. Nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe im Jahre 1949 und nach zwei Jahren, in denen er mit dem Tode gerungen hatte, musste Kersh seine Verluste wettmachen und seine Arztkosten bezahlen. In den späten 50ern und frühen 60ern bekam Kersh Schwierigkeiten mit Verlegern. Wegen seiner geäußerten Ansichten machten bösartige Verleumdungen in der gesamten Branche die Runde. So führte einer seiner Artikel im Esquire zu einer Anfrage im Kanadischen Parlament und er schrieb nie wieder für das Magazin; nach seinen Kommentaren über Israel während einer Hochzeitsrede wurde er gewaltsam von der Veranstaltung entfernt; sein Playboyartikel, der enthüllte, wie Boxmanager sich mehr auf die Medien konzentrieren als auf den Sport, empörte viele in diesem Geschäft. All das hatte zur Folge, dass Kersh sowohl als Kommunist als auch als Faschist gebrandmarkt wurde und sogar als Antisemit, obwohl er selbst Jude war. Er schrieb Bücher, die nie publiziert und brachte Ideen ein, die nie verwirklicht wurden. Da er einen Weg suchte, publizieren zu können und sich gleichzeitig ein regelmäßiges Einkommen zu sichern, verfiel Kersh auf die Idee eines Serienhelden — seinerzeit bei Schriftstellern eine gängige Vorstellung. Die Figur, die er schuf, war Lily Star Clarke, eine naive Reporterin, deren Liebenswürdigkeit ihr die ungewöhnlichsten Storys beschert. Flossie, seine dritte Frau, hatte ihn zu dieser Figur inspiriert. Ihr war es in den 30ern im Rahmen ihrer ersten Anstellung gelungen, ein Interview mit einem bekannten Gangster zu führen. Nachdem er den ersten Roman mit dieser Figur, A Long Cool Day In Hell (1965) geschrieben hatte, war es Kersh nicht möglich, das Buch in Amerika zu verkaufen, und der schwache Absatz in England führte dazu, dass die beiden anderen Bücher, die er geplant hatte, ad acta gelegt wurden. Kersh entschied für sich, dass es besser sei, zu schreiben, was er wirklich schreiben wollte, als sich dem Diktat der Leserschaft zu beugen.
Literatur?
Während seiner Karriere als Verfasser von Kurzgeschichten nahm sich Kersh jedes nur erdenklichen Themas auf Erden und einiger auch fernab des Planeten an. Die Themen, die dabei besonders überraschten, waren jene, die religiöse Motive aus der Bibel behandelten — nicht weil sie auf irgendeine Weise blasphemisch oder kontrovers waren, sondern weil es Kersh gelang, das menschliche Element in der Geschichte zu finden und dieses Element sehr klar herauszuarbeiten. So erstaunt es nicht, dass, als sich seine Ideen zu einem Roman verdichteten, dabei eines seiner besten Bücher herauskam: The Implacable Hunter (1961).
Aus der Sicht Diomeds, des römischen Präfekten von Tarsus, der, um das Leben seines Freundes Paulus zu retten, verzweifelt um eine Audienz bei Nero bemüht ist, wird die menschliche Dimension und Motivatio sehr deutlich. Doch ironischerweise veranlasste gerade dieser Aspekt amerikanische Verleger, das Buch abzulehnen, da sie die Missbilligung der unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften fürchteten, die lautstark gegen Darstellungen von Heiligen in Büchern zu protestieren pflegten. Das bedeutete, dass Kershs bestes Buch, das in England die hervorragendsten Kritiken seiner Karriere bekam, in den Vereinigten Staaten nie lieferbar war.
Kurzgeschichten
Nach dem Krieg reiste Kersh, auf den Amerika immer einen besonderen Reiz ausgeübt hatte, nach New York und von dort aus machte er eine Tour durch das ganze Land. Er nahm sofort Kontakt mit damals sehr erfolgreichen Magazinen auf und verkaufte viele Kurzgeschichten zu enormen Preisen. Als Autor, der regelmäßig Beiträge für die Saturday Evening Post, den Playboy, Esquire und das Ellery Queens Mystery Magazine schrieb, gehörte er zu den wenigen Schriftstellern, die vom Schreiben von Kurzgeschichten leben konnten. Zu seinen Serienfiguren gehörten der Meister-Erzähler Karmesin (entweder der größte Kriminelle oder der schlimmste Lügner der Welt), Vara (der dämonische Schneider von der Columbus Avenue) und Bella Barlay (eine alternde Dame aus dem Varieté).
Dennoch, einmal erschaffen, waren diese Figuren mehr ein Fluch denn ein Segen. War die Figur erst einmal bekannt, musste Kersh immer neue Geschichten für sie ersinnen. Sie garantierten aber auch ein regelmäßiges Einkommen von renommierten Magazinen. Tatsächlich trat die English Inland Review an Kersh heran mit der Bitte, keine Romane mehr zu schreiben, sondern sich auf Kurzgeschichten zu konzentrieren, da das profitabler für ihn sei und mithin auch der Inland Review mehr Geld einbringen könne!
In den Vereinigten Staaten wurden nur drei Sammlungen mit Kurzgeschichten veröffentlicht. Sie umfassten 40 von 400 Short Storys, die Kersh geschrieben hatte. Das hatte zur Folge, dass die englischen Anthologien — insgesammt 18 — äußerst gefragt und somit auch sehr teuer sind.
Kersh musste sich in den frühen 60ern einer Reihe von Operationen unterziehen; eine Rippe wurde ihm entfernt und er stellte sie stolz auf seinem Kaminsims aus; die Diagnose Kehlkopfkrebs hieß, dass er sich von seinem Kehlkopf trennen und lernen musste, über das Loch in seiner Kehle zu kommunizieren. Während er sich erholte, verwandte Kersh seine wertvolle Energie auf The Angel And The Cuckoo, damit der Roman trotz mangelnder Unterstützung und Werbung auf Grund bestimmter Managementprobleme seiner Verleger herauskommen konnte.
Er schrieb weiter drauflos und beendete noch einen weiteren Roman, Brock, und dann war er selbst am Ende. Kersh erlag am 5. November 1968 seinem Krebsleiden.
Zwar sind seine Bücher seit seinem Tod vergriffen, aber er ist nicht vergessen. Eine immer stärker werdende kritische Aufmerksamkeit hat sich dank meiner Artikel und der Unterstützung von begeisterten Lesern wie Harlan Ellison, James Sallis, Michael Moorcock, Bill Pronzini und vieler anderer seinem Werk zugewandt. Die Preise für seine Bücher steigen. In Kürze wird eine Biographie erscheinen. Die Verleger sind jetzt daran interessiert, seine Bücher wieder aufzulegen, von denen die Hälfte in den Vereinigten Staaten bisher nie gedruckt wurde.
Kersh ist endlich wieder da.
Erstes Buch
Zwei Arten, an hundert Pfund ranzukommen
I
Bop, bop, bop — der Friseur drückte die Gummiflasche mit dem Puder und eine zarte weiße Schicht bildete sich auf Mr. Harry Fabians Kinn. Während der Stuhl in die aufrechte Position zurückklickte, hatte Fabian das Vergnügen, sich zu betrachten; rosig von der Massage und rasiert wie ein Filmstar zeigte sich sein zweifaches Konterfei in den beiden Spiegeln vor und hinter ihm. Wenn es einen Anblick gab, den Harry Fabian noch mehr genoss als den seines Gesichtes, dann war es der seines Hinterkopfes. Er stieß ein »Ah« als Ausdruck seiner völligen Zufriedenheit aus.
»Nichts geht über eine Massage, um einen wieder zu beleben, Sir«, sagte der Friseur.
»Da haben Sie Recht«, stimmte Fabian zu, um dann, wie einer plötzlichen Eingebung folgend, hinzuzufügen: »Hey, das ist eigentlich keine schlechte Idee für einen Song. Hören Sie mal: Nichts geht über eine Massage, um einen zu beleben«, er sang dies zur Melodie von Minnie the Moocher. »Sagte ich, nicht schlecht? Also, das ist toll! Das ist die Art Song, bei der jeder mitsummt. Man spielt ihn zu Varieténummern; Männer sagen es zu ihren Mädchen. Massage ... Sie verstehen ...«
Fabian grinste.
»Es ist sehr gut, Sir.«
»Meine Rede. So kommt man auf Ideen. Sie sehen eine Posaune und sagen sich: Die Musik geht mir im Kopf herum. Und dann singt es die ganze Welt. Sie blicken sich um in einem Laden wie diesem hier und sagen ... nun, Sie sagen: Heiße Tücher, heiße Tücher, sie bereiten mir Kummer, oh, heiße Tücher bereiten mir Kummer«, Fabian sang nun zur Melodie von Black Coffee, »und schon haben Sie’s!«
»Wünschte, ich wär clever genug, sowas zu machen«, sagte der Friseur.
»Nun, Sie wissen ja, wie das ist, entweder man hat Talent oder nicht. Das Problem ist nur, dass man hier kein Geld damit machen kann. Meinen Lebensunterhalt kann ich immer verdienen, aber nicht die ganz große Kohle, so wie ich es aus den Staaten gewohnt bin. Hier muß ich verdammt hart ran, um zwanzig Pfund die Woche zu machen. Aber in den Staaten hab ich gewöhnlich ... ha, vierhundert Dollar die Woche gemacht, und zwar ohne mich dabei zu überarbeiten.«
»Womit?«
Entrüstet blickte Fabian zu dem Friseur hoch.
»Was glauben Sie wohl? Songs schreiben. Das ist mein Job. Aber hier ist kein Geld damit zu verdienen.«
»Denken Sie daran zurückzugehen?«
»Oh, ich weiß nicht.«
»Lange dort gewesen, Sir?«
»Zehn Jahre.«
»New York?«
»Ja.«
»Ich hab einen Bruder in Brooklyn. In welchem Stadtteil haben Sie gewohnt, Sir?«
»Hör’n Sie mal, brauchen Sie noch den ganzen Abend? ’n bisschen fixer, bitte. Ich hab ’ne Verabredung.«
»Brillantine, Sir?«
»Nein, Creme. Passen Sie mit der Locke auf. So ist gut, drücken Sie sie mit der Kante des Kamms nach unten ...«
Harry Fabian stand auf, rückte seine Krawatte zurecht und musterte sich von oben bis unten. Er war ein kleiner Mann, knapp dreißig, mit leichtem Knochenbau und schmalen Schultern. Er hatte einen großen Kopf, der auf einem Nacken saß, nicht dicker als der Unterarm eines kräftigen Mannes, und eine Fülle feinen Haares, das in dem von Johnny Weismüller bevorzugten Stil frisiert war. Sein Gesicht war blass, zu breit zwischen den Ohren und zu schmal am Kinn — ein Gesicht wie ein Keil. Er sah aus wie ein Mann, der fähig war, abgrundtief zu hassen. Seine Augen passten nicht zueinander. Das linke war groß und wässrig, und es flackerte und blinzelte ständig, begleitet von einem Zittern weißblonder Wimpern; das rechte hingegen war kleiner, härter im Ausdruck und stetiger, und es war von einem intensiveren Blau. Mit diesem Auge beobachtete er. Wollte er gefährlich aussehen, schloss er einfach das linke Auge, ließ mit einer Anstrengung, die seine gesamte linke Gesichtshälfte verzerrte, das Lid herunter wie eine Jalousie. Seine Nase hatte die Form eines Spatzenschnabels; das gab ihm zusammen mit seiner kaum sichtbaren Oberlippe und seinem Unterkiefer, der wie die Schneide eines Beils hervortrat, den Anstrich von Unverschämtheit, Boshaftigkeit und gemeiner Berechnung. Es lag etwas Brutales in seiner Art sich zu kleiden, Hass artikulierte sich in dem unbarmherzigen Zugriff seines Kragens, Bosheit steckte in dem gehässigen kleinen Knoten seiner Krawatte, anmaßende Habgier im hautengen Sitz seines Jacketts. Sein ganzer Körper erhob sich im rachsüchtigen Triumph über die Erinnerung an viele verlorene Jahre der Schäbigkeit.
»Bürsten Sie mich ja gut ab«, sagte er, »ich hasse Staub. Was halten Sie von diesem Anzug? Ich sag Ihnen was, Kleidung ist hier verdammt billig. Schau’n Sie sich diesen Anzug an, handgearbeitet und nur neun Pfund. Für so einen Anzug würden Sie in New York hundert Dollar hinblättern müssen. Was schulde ich Ihnen?«
»Massage, Rasieren, Abbürsten: vier Shilling, Sir.«
Harry Fabian knallte zwei Half Crowns hin und es klang, als wären es zwanzig.
Als er gegangen war, sagte einer der Angestellten: »Ich frage mich, warum Yankees so versessen auf Massage sind.«
»Welche Yankees?«, sagte der Friseur. »Er? Er ist kein Amerikaner.«
»Nein? Was hat er gesagt, macht er? Songs schreiben?«
»Ja klar; er schreibt Songs, so wie mein Kater Songs schreibt.«
»Was ist er dann?«
Mit dem Zeigefinger schrieb der Friseur auf die leicht beschlagene Oberfläche eines Spiegels die Buchstaben: L U D E
»Nun, wenn Sie meinen«, rief der Angestellte und zog seinen weißen Kittel aus.
Ding! machte die Uhr um Punkt acht. Rechts und links der Straßen begannen die Läden zu schließen und West Central verwandelte sich in ein flackerndes, strahlendes Geflecht aus Neonröhren. Mit der Kraft eines nicht enden wollenden Feuerwerks entlud sich die Energie Millionen farbiger Lampen der Leuchtreklamen in stetiger Wiederkehr strahlend über die Fassaden des West End. Wie rote Zahnpasta schossen die Züge der U-Bahn aus ihren Tunneln und spien Theaterbesucher aus. Voll besetzte Busse rumpelten zu den Hunderennbahnen. Die Foyers der Kinos wurden schwarz vom Publikum. Gigantischen Staubsaugern gleich verschluckten Varietétheater die Schlangen der Wartenden. Hinter den Fenstern wurden Lichter angeknipst und Rollos rasselnd heruntergelassen. Gas, Drähte, Wachs und Öl — alles, was brannte, gab Licht. Die Dunkelheit der Aprilnacht wurde stärker. Sie sickerte hinunter zwischen die Straßenlaternen, floss in die Souterrains und verharrte undurchdringlich unter den Vordächern und Torbögen der Seitenstraßen. Die Letzte der Ladentüren schlug zu. Nur die Orte, wo man essen, trinken und sich amüsieren konnte, blieben geöffnet und leuchteten in ihrer grellen und rauchigen Helle. Nacht senkte sich auf die Stadt.
Harry Fabian, der Zeit totzuschlagen hatte, flanierte dort, wo die Menschenmenge am dichtesten war. Er mochte es, gesehen zu werden. Mit dem zuversichtlichen Schritt eines Mannes, der Geld in der Tasche hat, ging er die Straßen entlang. Vor einem Plakat mit der klassischen Darstellung einer nackten Frau und dem Schriftzug ›Bernhards Salzwasserbäder — eine Schönheitskur für den Körper‹ machte er Halt, um es zu betrachten. Er riss ein Streichholz an, um einen kurzen schwarzen Strich über das Plakat zu ziehen, wodurch es auf legale Weise einen unzüchtigen Akzent verliehen bekam, und ging grinsend weiter. »Wenn ein Polizist das gesehen hätte, wie hätte er beweisen wollen, dass es kein Versehen gewesen ist?«, sagte er zu sich selbst. Er spürte, dass er gegen die Kräfte von Recht und Ordnung gepunktet hatte; die Zigarette zwischen seinen Lippen glühte heiß auf, als er herausfordernd einige Züge Rauch inhalierte. Er beschloss, einen Stift mitzubringen, sollte er das nächste Mal an dem Plakat vorbeikommen.
Ecke Rathbone Place nickte ihm eine Prostituierte zu und sagte: »Hallo, Harry.« Fabian antwortete: »Wie läuft’s so, Marie?«, wartete aber die Antwort nicht ab.
Als wäre er in Eile, überquerte er die Oxford Street, um seinen Streifzug in einer Spielhalle zu unterbrechen. Am ›Elektrischen Kran‹ verspielte er ein Dutzend Pennys, gewann eine Zahnbürste in einer gelben Zelluloidschachtel, ließ sich aber nicht dazu herab, sie einzustecken; er schlenderte vorbei an einer Batterie klickender und rasselnder Jack Rabbit-, Jig Saw- und Merry-Go-Round-Maschinen, vor denen angespannte, schweigsame Menschen standen und fieberhaft Münzen einwarfen; mit den Ellbogen bahnte er sich seinen Weg durch die Ansammlung der Opiumraucher im hinteren Teil des Ladens und steckte einen Penny in den Schlitz eines Peepshow-Automaten mit der Aufschrift ›Ihre Hochzeitsnacht.‹
»Zum Schießstand eine Etage tiefer! Zum Schießstand eine Etage tiefer!«, brüllte ein Angestellter. Fabian ging hinunter.
Dort brütete ein schläfriges Mädchen über vier ramponierten Winchestergewehren. Fabian warf ihr einen Shilling hin.
»Gib mir mal sieben Schuss meine Schöne, und behalt den Rest. Will nur mal sehen, ob ich noch treffen kann. In den Staaten habe ich auf fünfzig Yards neun von zehn Schießscheiben getroffen, mit einer von diesen kleinen Zweiundzwanzigern, aber in letzter Zeit sind meine Augen schlecht geworden ... «
Sping! ... Sping! machte das Gewehr. Ruckweise kam die Schießscheibe an den Drähten zurück, durchlöchert mit einer kleinen Traube von fünf Einschusslöchern im Mittelring und zwei im äußeren Ring.
»Sehr gut«, sagte das Mädchen anerkennend.
»Lausig«, kommentierte Fabian, »aber ich hab seit sechs Jahren keine Kanone mehr in der Hand gehabt. Und dann bin ich schwerere Kaliber gewöhnt und kann’s einfach nicht lassen, niedrig zu zielen. Zur Hölle, wir hätten es ihnen damals, 1927 in Chicago, zeigen können. Haben Sie mal was von Bugs Moran gehört? ... Chicago? Bestimmt. Ich hab den größten Teil meines Lebens da verbracht ... Nein, ich bin ausgestiegen aus dem Job, solange ich noch bei guter Gesundheit war. Vielleicht war das feige, aber was soll’s. Hymie Weiss war nicht feige; Dion O’Banion war nicht feige; Louis Alterie war nicht feige, und wo sind sie jetzt? Nun, wer zuletzt lacht ... Wissen Sie, man hat mich früher Der-zuletzt-lacht genannt ... Nein, ich hab den Schnapshandel aufgegeben und bin ins Filmgeschäft. Schauspielern? Verdammt, nein; Produktion. Im Job heißt’s nun mal alles oder nichts.«
»Es muss schön sein, beim Film zu arbeiten«, meinte die Angestellte des Schießstandes.
Fabian richtete sofort sein starres, rechtes Auge auf sie, und nachdenklich glitt sein abschätzender Blick von ihrem jungen runden Gesicht hinunter zu den schweren, bereits voll entwickelten Brüsten. Dann antwortete er: »Mir ist sofort aufgefallen, dass Sie fotogen sind. Ihre Schönheit ist anders als die der Garbo oder der Dietrich, doch Sie haben Sexappeal und Persönlichkeit. Und das ist viel wichtiger. Schauen Sie sich Margaret Sullavan an. In letzter Zeit hab ich mich mehr auf den musikalischen Zweig konzentriert, hab aber Kontakte zu den wichtigsten Leuten in der Branche. Ich und Goldwyn«, Fabian kreuzte Zeige- und Mittelfinger der linken Hand und hielt sie hoch, »sind so miteinander. Ich kann Sie ihm jederzeit vorstellen. Lassen Sie ’n paar Fotos machen. Ich schau dann wieder vorbei. Nicht vergessen, ja? Wir seh’n uns.«
Fabian ging hinaus auf die Straße.
Die Angestellte des Schießstandes bemerkte zu einem der Marktschreier des Ladens: »Sagt, er kann mich zum Film bringen! Hält mich wohl für bekloppt oder so und bildet sich ein, ich weiß nicht, was er ist.« Sie schob ihre Zungenspitze zwischen die Lippen und machte ein unflätiges Geräusch.
Der Gewohnheitslügner ist immer davon überzeugt, dass seine Lügen wie Wahrheit klingen. Nicht einmal die tiefste Vertrauensseligkeit kann es mit seiner kindlichen Naivität hinsichtlich der Leichtgläubigkeit seiner Zuhörer aufnehmen; und so kommt es, dass er niemanden so perfekt zum Narren hält wie sich selbst.
Mit unverminderter Selbstüberschätzung schlenderte Fabian weiter. Ecke Charing Cross Road bemerkte er jedoch, dass es bereits neun Uhr war, und beschleunigte seinen Schritt. Er überquerte die High Street, Bloomsbury, und bog in eine jener zahllosen Seitenstraßen ein, die wie feine Kapillargefäße den größeren, verstopften Arterien der alten Städte entspringen. Ein Mann kam auf ihn zu.
»Hallo, Duke«, begrüßte ihn Fabian.
»Oh, hallo«, antwortete Duke. Er war klein und dick und hatte den aschfahlen Teint eines Menschen, der nie das Tageslicht sieht, dazu ein grobschlächtiges Gesicht, das bei einer längst vergessenen Hinterhofkeilerei ziemlich zerbeult worden war; seine dünnen, violetten Lippen waren fest aufeinander gepresst und erinnerten an einen verschorften Kratzer; alles in allem ein nicht sonderlich markanter Typ. Das schwache Licht der Straßenlaternen zeichnete Schatten um seine Augen und er redete ohne die Lippen zu bewegen, die hastige Sprechweise des alten Knastbruders. Die Macht der Gewohnheit zwang ihn, die Zigarette beim Rauchen in der hohlen Hand zu verstecken. Zwar strömte Rauch aus seinen Nasenlöchern, doch das Glimmen der Zigarette war nicht zu sehen.
»Das Leben noch frisch, Duke?«
»Von wegen.«
»Abgebrannt?«
»Völlig.«
»Steck das mal ein«, sagte Fabian und gab ihm zwei Half Crowns.
»Danke. Ich werd’s dir nicht vergessen, Harry.«
»Bist du im Klub gewesen?«
»Komm grade von da. Weißt du, was die gemacht haben? Die haben mir Lokalverbot erteilt.«
»Tatsächlich?«, fragte Fabian mitfühlend. »Na mach dir nichts draus. Hast du Figler da gesehen?«
»Nein. Eines Tages nehm ich mir den Schuppen vor. Den ganzen Scheißladen hau ich in Klump.«
»Sei kein Idiot, Duke. Oder willst du Ärger mit dem Mob? Wenn sie dich da nicht wollen, lass sie doch. Kümmer dich nicht drum. Wart mal ab, in ein oder zwei Tagen hab ich vielleicht was für dich.«
»Danke, Harry. Ich werd’s dir nicht vergessen.«
Fabian ging zu einer Tür, über der in Leuchtschrift INTERNATIONAL POLITICAL CLUB stand, und trat ein.
Der International Political Club war dezent, in gewisser Weise sogar respektabel. Er hatte die gedämpfte Atmosphäre eines Konferenzraums. Auf einem alten Anrichtetisch nahe der Tür stand die Hülse einer alten 9-Kilogramm-Granate, gefüllt mit Papierchrysanthemen, daneben lag ein Stapel zerlesener Ausgaben des Cornhill Magazine. An den Wänden hingen Portraits von King Edward VII., Queen Victoria und King George V., das Abbild eines Preisbullen, festgehalten als Kupferstich, eine Farblithografie mit der Aufschrift ›Liebe mich, liebe meinen Hund‹ und das Bild eines kleinen Mädchens, das auf den Schultern ihres Vaters sitzt und sagt: ›Ich bin größer als du.‹ Die Regeln des Clubs nahmen einen großen grünen Rahmen ein. Oberhalb des Rahmens befand sich ein Hinweis:
DAS AUSFÜLLEN VON WETTSCHEINEN
IST IN DIESEM CLUB
STRENGSTENS UNTERSAGT!
Unterhalb des Rahmens ein weiterer Hinweis:
MITGLIEDERN IST ES STRIKT VERBOTEN
DAS TELEFON ZUM ZWECKE
DES WETTENS ZU BENUTZEN!
Am Ende des Clubraums befand sich die Bar mit einem Glasbehältnis für Sandwiches, einigen Regalen voller Flaschen und einem Dutzend großer, an Bindfäden baumelnder Salamis. Rundgebunden, luftgetrocknet und schwarz, gezeichnet mit hellen Flecken herausgetretenen Fetts, waren es die Leichen niederträchtiger Dauerwürste, die als Warnung für die übrigen aufgeknüpft worden waren. Direkt darunter hing ein dritter Hinweis:
JEDES MITGLIED, DAS BLASPHEMISCHE
ODER UNGEHÖRIGE REDEN FÜHRT,
WIRD OHNE ANKÜNDIGUNG
AUS DEM CLUB
AUSGESCHLOSSEN!
Es war ein Klub, in den man ohne zu zögern seine Großmutter hätte mitnehmen können.
Das Gesicht der Inhaberin jedoch ließ den seriösen Eindruck ein wenig verblassen. Diese Frau hatte etwas ungemein Beängstigendes an sich. Man stelle sich die Totenmaske Julius Cäsars vor, rougeverschmiert und mit Augen, klein, platt und hell wie frisch halbierte Geschosse vom Kaliber .38 und erdrückt von Brauen, die sich in einem einzigen schwarzen Balken zu vereinen suchten; das Ganze gekrönt von einer Unmenge diabolischer, schwarzer Haare, die ihrem Schädel in einer albtraumhaften Kaskade entsprangen, eine dunkle Fontäne aufgestauter Verderbtheit, die durch den Druck ihres Korsetts nach oben gepresst wurde. Den Mund schminkte sie sich karmesinrot. Durch ihre Angewohnheit, die Lippen zusammenzukneifen, verschmierte sie jedoch den Lippenstift auf die umgebende Haut; das verlieh ihr den Anschein eines soeben gefütterten fleischfressenden Dämons, der vergessen hatte, sich den Mund ab zu wischen. Sie wusste nie viel zu sagen. Man hielt sie für eine Russin. Ihr Name? Kaum zu glauben: Anna Siberia.
»Gin, Anna?«, fragte Fabian.
»Danke.«
»Ich nehme einen Haig. Ah! Da ist ja der Mann, den ich suche. Anna, noch einen Haig für Mr. Figler. Hallo, Figler.«
Man könnte sagen, dass der International Political Club ein Treffpunkt an der fließenden Grenze zwischen dem Morast der kleinen Geschäfte und dem Sumpf der Unterwelt war. Aber zu welcher Seite gehörte Figler? Das war schwer zu sagen. Er war Geschäftsmann; aber das Wort Geschäft ist so vielsagend, dass es fast bedeutungslos ist. Viele Händler werden als Geschäftsleute bezeichnet, bis man sie verhaftet; dann nennt man sie Ganoven. Und viele Geschäftsleute werden als Ganoven bezeichnet, bis sich herausstellt, dass sie nur harte Geschäftsleute sind. Figler gehörte keiner bestimmten Gruppe an. Er stand in dem Ruf eines ehrlichen Geschäftsmannes. Man wusste aber auch, dass er einige merkwürdige Transaktionen hinter sich hatte. Figler gehörte zu jenen, die überall gewesen und mit jedermann bekannt sind, die oberflächliche Kenntnis von allen Geschäftszweigen besitzen, den genauen Marktwert aller nur denkbaren Waren kennen, unfähig sind, Zorn, Erstaunen oder Enttäuschung zu empfinden, und in jeder Gesellschaft deplatziert wirken. So einer war Figler. Seine Aktivitäten waren mannigfaltig und er war der klassische Typ des Agenten oder Mittelsmannes. Er lebte fast ausschließlich von Prozenten, Kommissionen, Spekulationen und Provisionen, Fünfern von Käufern und Fünfern von Verkäufern — er war die Art von Mann, die mit nichts als einem Auge und einer Zunge in die Welt hinausgeht und Geld verdient, ohne auch nur einen Penny zu investieren. Figler konnte einen Markt für das ausfindig machen, was irgendjemand zu verkaufen hatte, oder einen Anbieter von was auch immer jemand zu erwerben wünschte. Sauber oder schmutzig, fair oder faul, er besaß die Souveränität und Kühnheit des geborenen Kaufmanns. Warf man ihn zur Tür hinaus, kam er zum Fenster wieder herein. Ein Nein würde er nie als Antwort gelten lassen. Derjenige, der ihn hätte beleidigen können, musste erst noch geboren werden: Sagte man, er sei ein Bastard, zuckte er lediglich mit den Schultern und meinte: »Kann sein.« Gegen Spott war er gewappnet. Mit diesen Fähigkeiten verdiente er seinen Lebensunterhalt, ganz sicher nicht mit angenehmen Verkaufsgesprächen, gewinnender Persönlichkeit oder einer sympathischen Erscheinung. Bei seinem Anblick drängte sich einem der Eindruck auf, als wäre eine gehörige Portion weicher Materie in einen schmalen Nadelstreifenanzug gegossen worden, die an den Ärmeln und am Kragen wieder herausquoll; ein langer Rumpf, getragen von kurzen O-Beinen, ein krummer Rücken, runde Schultern, ein Kugelbauch sowie ein Gesicht von der Beschaffenheit und Farbe einer überbackenen Käseschnitte. Um Figlers Art zu sprechen zu imitieren, stecke man die Zunge zwischen die Zähne, halte sich die Nase zu und versuche mit einem Mund voller Speichel zu sagen: »Das ist das Ende vom Lied.« Er litt an einer chronischen Sinusitis, einem unergründlichen Nasenkatarrh. Er konnte sich von morgens bis abends die Nase putzen, ohne dass sein Kopf klarer wurde. In einer Elegie von Oliver Goldsmith wundern sich die Dorfbewohner über den Schulmeister, erst recht hätte man sich über Figler gewundert — wie ein so kleiner Kopf so viel schnauben kann. Figler atmete mühsam. Für ihn war es überlebenswichtig, mit einem heftigen Schnauben auszuatmen, um schnell wieder Luft holen zu können, bevor alles zum Stillstand kam. Auf diese Weise rettete er sich davor, an Land zu ertrinken.
»Hallo, Harry«, sagte Figler.
»Ich hab überall in der Gegend nach dir gesucht.«
»Was liegt an?«
»Ich möchte was mit dir besprechen. Ich hab da so eine Idee und denke, es könnte dich interessieren.«
»Was für eine Idee, Harry?«
»Was trinkst du? Kipp das runter, ich geb einen aus.«
»Nein, danke, hab genug. Worum geht’s nun, Harry?«
»Pass auf, Figler, ich mach’s kurz. Ich hab mir einen Plan zurechtgelegt, wie man Ringkämpfe veranstalten kann.«
»Ringkämpfe? Ist nicht das Schlechteste. Da ist Geld rauszuholen. Jedenfalls als Veranstalter.«
»Logisch als Veranstalter, was sonst! Oder glaubst du, ich bin so bescheuert und fang ganz unten an? Ich hab mir alles ganz genau überlegt. Da sind immer noch jede Menge Mäuse mit zu machen.«
»Kennst du dich aus in dem Geschäft?«
»Ich bin doch kein Blödmann und zieh ein Geschäft auf, von dem ich keinen blassen Schimmer hab, Figler. Es steht dem also nichts im Wege, ein paar Veranstaltungen durchzuziehen und ich möchte, dass du bei mir einsteigst.«
»Warum ich?«
»Ganz einfach: Erstens kann ich dir trauen. Zweitens hast du Köpfchen und drittens kannst du ein bisschen Geld lockermachen.«
»So, kann ich das? Aha ... Wie viel glaubst du, wären nötig?«
»Zweihundert Pfund.«
»Kannst du keine zweihundert auftreiben?«
»Hör zu, Figler, momentan läuft’s nicht gut. Ich hatte einen schlechten Monat und ’ne Menge Ausgaben. Ich will offen zu dir sein, ich bin auch selbst schuld. Blöderweise hab ich geglaubt, ich könnte die Pferdchen austricksen, und dabei ’ne Menge in den Sand gesetzt. Dann hab ich im Crystal Stadium auf Yosh vertraut und das hat mich neunzig Eier gekostet. Und somit bin ich blank.«
»Oh, du willst mir also damit sagen, ich soll die ganzen zweihundert berappen?«
»Es ist eine todsichere Sache, Figler. Sie bringt dir tausend Prozent.«
»An diese tausend Prozent glaub ich erst, wenn ich sie hab, Harry.«
»Figler, sei kein Idiot.«
»Vielleicht bin ich ein Idiot, Harry — «
»Hör mir nur eine Sekunde zu. Ich kenne das Geschäft aus dem Effeff. Ich könnte schon morgen loslegen. Schau dir an, was Bielinsky an Geld rausholt. Und da ist noch mehr drin. Das Wichtigste ist, dass man eine anständige Halle kriegt und einen zugkräftigen Namen als Attraktion. Der Rest ist einfach. Mit zwei guten Hallen bin ich in Kontakt, ich kann sie sofort kriegen. Außerdem weiß ich alles über Tickets, und ich hab ’nen Kumpel, der für Bielinksi arbeitet, und der sich für mich um die Publicity kümmert. Ringkämpfer kann ich immer auftreiben. Ich kenn sie alle. Wir brauchen nur ’n Gym und ein paar Matten und können unsere eigenen Leute aufbauen. Verstehst du nicht, was ich meine? Knebel die Bastarde mit Langzeitverträgen! Es gibt Hunderte von denen, die froh wären, es zu machen.«
»Die gibt’s immer. Aber wird das Publikum genauso froh sein, gutes Geld hinzublättern, um sie zu sehen?«
»Pass auf, Figler. Ich kenn das Spiel und du nicht. Es ist von vorn bis hinten nur Klamauk. Verrate mir, was weiß das englische Publikum vom Ringen? Sie haben es nie gesehen und wollen es auch nicht. Es ist ihnen zu lahm. Sie haben keine Ahnung davon, der einzige richtige Ringer, von dem sie jemals gehört haben, ist Hackenschmidt. Sie haben keinen Draht zum sportlichen Ringen, es bedeutet ihnen nichts. Sie werden keinen Eintritt zahlen, um Griechisch-römisch oder Judo oder Catch-as-catch-can zu sehen; was sie sehen wollen ist Blut und brutale Action. Und eins sag ich dir, du kannst jeden lausigen Kohlentrimmer trainieren, das zu bringen. Ich sag dir mal ’n Beispiel. Im Roman Club war neulich ein Typ namens Cropman. Ein klasse Ringkämpfer. Europäischer Stil. Er muss die Griffe zwanzig Jahre lang geübt haben. Und was ist passiert? Das Publikum hat ihn ausgepfiffen. ›Gebt ihm ein paar Kissen und lasst ihn schlafen gehen!‹ Das haben sie gesagt und ihn ausgelacht. Aber in derselben Veranstaltung trat ein Typ an, Black Strangler genannt, und ihm haben sie wie verrückt zugejubelt. Und weißt du was Figler, über diesen Black Strangler kann ich dir alles erzählen. Es ist noch keine drei Monate her, da war er ein Nigger-Heizer auf einem jamaikanischen Bananendampfer. Ringen? Ringen am Arsch! Er kennt genau zwei Dinge, Hammergriff und Ellbogenstoß. Die übrige Zeit spuckt er, schreit, beißt, tritt, spielt verrückt und das Publikum steht drauf. Sie lieben es. Frauen laufen meilenweit, um ihn zu sehen. Sie nehmen die Plätze vorne am Ring und sie hopsen rum, als hätten sie glühende Kohlen unter ihren Hintern. Bielinsky hat ihn eines Tages aus dem Black Man Café geholt und noch am selben Abend in die Arena geschmissen. Er musste sich ein Suspensorium und ein Paar Shorts leihen und kämpfte barfuß. Und jetzt? Der Black Strangler, verdammt, Figler, du kannst mir nicht erzählen, wie man Ringkämpfer aufbaut. Ich und — «
»Hör mal, Harry, und reg dich nicht auf. Ich hab keine zweihundert Pfund zu verschenken. Du weißt genau, dass ich immer für alles offen bin. Aber ich bin kein Finanzier.«
»Ist mir klar, Figler. Ich weiß aber auch, dass du Geschäftsmann bist, und ich brauche deine Hilfe.«